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Milosevic-Verfahren in Den Haag - Aktion der Gesellschaft für bedrohte Völker:

Europäische Union und NATO: Karadzic fassen - nicht länger schützen!

Bozen, Göttingen, Den Haag, 26. September 2002

Zum Auftakt der zweiten Phase des Prozesses gegen den ehemaligen jugoslawischen Staatschef Slobodan Milosevic hat die Gesellschaft für bedrohte Völker International (GfbV) am Donnerstag gegenüber vom Gebäude des internationalen Kriegsverbrechertribunals in Den Haag gemeinsam mit bosnischen überlebenden des Genozids eine Mahnwache organisiert. Hier die dort verbreitete Erklärung im Wortlaut.

Jugoslawiens ehemaliger Präsident Slobodan Milosevic, langjähriger Friedenspartner europäischer Regierungen, steht heute erstmals in Den Haag wegen Genozid begangen in Bosnien-Herzegowina vor Gericht.

Jetzt muss endlich auch die politische Erblast von Slobodan Milosevic in Bosnien beseitigt werden. Dies hat der Präsident der Gesellschaft für bedrohte Völker International, Tilman Zülch, gemeinsam mit bosnischen überlebenden des Genozids heute bei einer Mahnwache vor dem Tribunal in Den Haag gefordert. Europäische Union und die NATO müssen Karadzic und Mladic fassen, nicht länger schützen. Alle anderen Kriegsverbrecher, darunter die Hunderte an den Massenerschießungen in Srebrenica Beteiligten, müssen zur Verantwortung gezogen werden. Die verbrecherische Karadzic-Partei SDS muss sofort verboten und die beiden existierenden Armeen müssen zu einer kleinen nationalen Armee zusammengelegt werden. Diese muss der NATO beitreten. Die beiden vor dem Genozid überall gleichermaßen multi-ethnischen Teilstaaten, Bosnische Föderation und Republika Srpska, müssen schrittweise aufgelöst und durch ein Kantonalsystem nach Schweizer Muster ersetzt werden. Erst dann wird die Masse der Vertriebenen aus dem In- und Ausland zurückkehren können. Außerdem forderte Zülch ein neues Programm zur Unterstützung der Rückkehrer.

Milosevics wichtigste Mittäter Radovan Karadzic und Ratko Mladic, seinerzeit von europäischen Regierungen umworben, sind weiter auf freiem Fuß. Selbst die Chefanklägerin des Internationalen Kriegsverbrechertribunals Carla del Ponte zweifelt seit langem an dem Willen der westlichen Gemeinschaft die beiden "mutmaßlichen" Kriegsverbrecher zu fassen. Zahlreiche Journalisten haben die Untätigkeit der SFOR-Truppen vor Ort und die Passivität der NATO beklagt.

Etwa 200.000 bosnische Zivilisten, zu etwa 90% muslimische Bosnier, fielen diesem Genozid zum Opfer. Zum ersten Mal seit Ende des Dritten Reiches wurde im Herzen Europas wieder eine nichtchristliche Volksgruppe in Europa kollektiv verfolgt und teilweise vernichtet. Bei dieser "ethnischen Säuberung" wurden bis zu zwei Drittel der 4,5 Millionen Bürger Bosnien-Herzegowinas zu Flüchtlingen oder Vertriebenen. Eine Million von ihnen lebt heute über die Staaten Nordamerikas, Europas des Nahen Osten und Australien verstreut. Mindestens 700.000 Vertriebene warten in Bosnien auf die Möglichkeit in ihre Heimatorte zurückzukehren.

Milosevic, Karadzic und Mladic ließen in über 100 Konzentrations- und Internierungslagern mehr als 200.000 bosnische Zivilisten einpferchen, etwa 30.000 dieser Häftlinge wurden in Omarska, Manjaca, Keraterm, Trnopolje, Luka Brcko, "Foca" u.a. ermordet. 30.000 bosnische Frauen wurden vergewaltigt, viele von ihnen über Monate in Vergewaltigungs-Lagern festgehalten. Bosnische Städte, obwohl zu UN-Schutzzonen erklärt, wurden dennoch vier Jahre lang eingekesselt, ihre über 400.000 Bewohner täglich mit Artillerie beschossen und ausgehungert. Dem furchtbarsten der vielen Massaker und Massenerschießungen fielen am 11. Juli 1995 allein in Srebrenica achttausend (8.000) Männer und Knaben zum Opfer. Erst 14.500 von 27.719 Vermissten wurden bis heute exhumiert. Noch immer bleibt das Schicksal von 13 000 ungeklärt.

Diese von serbischen Truppen und paramilitärischen Einheiten begangenen Völkermord- und Kriegsverbrechen wurden von Slobodan Milosevic systematisch und planmäßig organisiert und von Radovan Karadzic und Ratko Mladic ausgeführt. Ziel war es, durch "ethnische Säuberung" die Republik Bosnien-Herzegowina weitestgehend Serbien anzuschließen.

Menschenrechtsorganisationen, wie die Gesellschaft für bedrohte Völker und die Verbände der bosnischen Verfolgten, der Flüchtlinge und Vertriebenen und der ehemaligen Häftlinge der Konzentrations- und Vergewaltigungslager werfen den EU- und NATO-Staaten vor, Karadzic und Mladic zu schützen. EU und NATO dulden die Herrschaft der totalitären und verbrecherischen Karadzic-Partei SDS über 48% der Fläche Bosniens (Republika Srpska) und die Existenz von zwei Armeen auf dem Territorium eines eigentlich unabhängigen europäischen Staates. So zementieren sie die Ergebnisse von Genozid und Vertreibung und behindern die Rückkehr der Flüchtlinge und Vertriebenen.

Die Europäische Union und die NATO müssen endlich handeln, damit die Arbeit des Haager Tribunals nicht ins Leere läuft. Die europäischen Regierungen haben dem Genozid jahrelang zugesehen. Erst das Eingreifen der Vereinigten Staaten hat Ende 1995 diesen furchtbaren Krieg beendet. Die Europäer aber haben den Genozid beschönigt oder tabuisiert, über die Opfer ein Waffenembargo verhängt, jahrelang mit den Tätern verhandelt und die Opfer mit den Tätern gleichgesetzt. "Es geschieht nichts, das Töten zu stoppen", sagte Marek Edelmann, letzter überlebender Kommandeur der Widerstandskämpfer des Warschauer Ghettos im November 1993 in Buchenwald. "Europa hat seit dem Holocaust nichts gelernt. Was in Bosnien passiert, ist ein posthumer Sieg für Hitler". Die politischen Eliten Westeuropas wussten von den Konzentrations- und Internierungslagern, sahen der Vertreibung und der Zerstörung der Städte vier Jahre lang tatenlos zu. Ausgerechnet das deutsche Auswärtige Amt beteiligte sich an den Entwürfen der zahlreichen Teilungslinien, die Niederländer sahen der Massenerschießung der Männer von Srebrenica durch serbische Einsatzgruppen zu. Französische UNPROFOR - Soldaten ließen die Ermordung des bosnischen Premierministers Turajlic zu. Britische und französische UN-Kommandeure pflegten freundschaftliche Beziehungen mit Karadzic und Mladic. Der britische Premierminister Major nahm Wahlkampfgelder von Karadzic an. Der kanadische UN-Befehlshaber McKenzie verließ Sarajevo fluchtartig, nachdem ihm Besuche im Vergewaltigungslager "Pension Sonja" im serbischen Teil von Sarajevo von den bosnischen Medien und Behörden vorgeworfen wurden.


Siehe auch:
* www.gfbv.it: www.gfbv.it/2c-stampa/02-2/020710de.html | www.gfbv.it/2c-stampa/02-1/020417de.html | www.gfbv.it/2c-stampa/02-1/020417ade.html | www.gfbv.it/2c-stampa/02-1/020212de.html | www.gfbv.it/2c-stampa/02-1/020211ade.html
* www: www.un.org/icty
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