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8. September 1943

Nicht nur Opfer, sondern auch Täter. Die verdrängte NS-Vergangenheit der Südtiroler

Bozen, 5. September 2003

Die Syinagoge in MeranVor 60 Jahren begann mit dem Einmarsch der Nazi-Wehrmacht in Südtirol der Leidensweg für die jüdische Gemeinde in Meran. Ein Kapitel der Südtiroler Geschichte, das, wenn überhaupt, nur am Rande erwähnt wird. Die Südtiroler, Opfer der faschistischen Diktatur, wurden zu Tätern, zu Nazis, zu Handlangern und Mitläufern.

Mit der "Reichskristallnacht" begann am 9. November 1938 der geplante und industriell durchgeführte nazistische Massenmord an den europäischen Juden. In Innsbruck ermordeten Nazis drei Tiroler Juden, jüdische Geschäfte und Wohnungen wurden geplündert. Die Südtiroler Nazis konnten erst am 8. September 1943 ihren Nordtiroler NS-Brüdern nacheifern. Ein Teil der verdrängten Süd- und Nordtiroler Geschichte.

Auch eine Südtiroler Tradition, unbequeme Aufgaben abzuschieben. Schon 1986 hatte Federico Steinhaus von der jüdischen Kultusgemeinde von Meran in der Kulturzeitschrift "sturzflüge" an diese Praxis der Südtiroler erinnert. Die von den Nazis ermordeten 50 Meraner Juden scheinen nicht in der Südtiroler Opferliste auf, in der Nachkriegszeit hat sich die offzielle Südtiroler Politik so benommen, als hätten Fremde das Eigentum der Meraner Juden "arisiert", sie zusammengetrieben und in die Todeslager des Dritten Reichs verschickt. Es gab nie eine Entschädigung, keine moralische Wiedergutmachung, kein Wort der Reue, keine Zeichen der Versöhnung.

Südtiroler waren nicht nur Opfer, sondern auch Täter. Mit dem Einmarsch der Wehrmacht des Dritten Reichs begann auch der Leidensweg für Meraner Juden. Der Südtiroler Ordnungsdienst SOD und der SS-Sicherheitsdienst verhaftete Juden, die im KZ von Auschwitz ermordet wurden. Die Wohnungen der Juden wurden von den Nachbarn geplündert, jüdisches Eigentum wurde "arisiert", per Dekret gestohlen.

Beschämend ist, daß das offizielle Südtirol bis heute keine Worte des Bedauerns gefunden hat. Südtiroler Nazis haben dafür gesorgt, daß die Meraner Juden "endlöst" wurden. Ein gern vergessener und verdrängter brauner Fleck der Südtiroler Geschichte. Auch deshalb beeilten sich die zuständigen Behörden nach 1945, das sogenannte Durchgangslager in der Bozner Reschenstraße niederzuwalzen. Dieses Lager wurde im Juli 1944 errichtet. "Es handelte sich dabei um die Verlegung des faschistischen Kriegsgefangenenlagers Fossoli, das im Februar 1944 von den Nazis übernommen und infolge des deutschen Rückzugs aus Italien im Sommer nach Bozen transferiert worden waren" (aus "Dableiber und Dagebliebene" - "Option, Heimat, opzioni", Tiroler Geschichtsverein).

Im Bozner KZ befanden sich auch aus rassistischen Gründen Internierte, Juden und Roma. Mehr als 11.000 Häftlinge wurden durch dieses Lager in die Gaskammern geschleust. Keiner der Südtiroler Lager-Wachen wurde bestraft, weder Hildegard Lechner, die jüdischen Frauen ermordete, noch Karl Gutweniger, der Lager-Insassen quälte. Das Bozner Sondergericht beschäftigte sich zwischen 1945 und 1947 mit 518 Fällen von NS-Kollaboration, Es gab aber nur 63 Urteile, 27 davon waren Freisprüche. Mit Samthandschuhen wurden NS-Verbrecher behandelt.

Nach 60 Jahren sollte das Schweigen um den 8. September endlich durchbrochen werden - der 8. September, der Tag des Erinnerns an die ermordeten jüdischen Mitbürger.


Siehe auch:
* www.gfbv.it: www.gfbv.it/2c-stampa/03-1/030125de.html | www.gfbv.it/2c-stampa/02-1/020126de.html | www.gfbv.it/2c-stampa/01-2/010828de.html | www.gfbv.it/2c-stampa/1-01/26-1-dt.html | www.gfbv.it/2c-stampa/2-00/31-8-dt.html | www.gfbv.it/2c-stampa/2-00/8-11-dt.html | www.gfbv.it/3dossier/pogrom-dt.html | www.gfbv.it/3dossier/linkgfbv.html#shoah

* www: www.vhf.org/ | www.museodelleintolleranze.it | www.storiaxxisecolo.it | www.deportazione.too.it | www.olokaustos.org

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