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9. Jahrestag der Massenerschießungen von Srebrenica

Appell an internationale Gemeinschaft: 4.500 Srebrenica-Rückkehrer nicht länger im Stich gelassen

Göttingen, Bozen, Sarajevo, 9. Juli 2004

Offener Brief an die Außenminister der EU- und Nato-Staaten sowie der Schweiz

Sehr geehrter Herr Minister,

am Sonntag, dem 11. Juli 2004, jährt sich zum neunten Mal die Massenerschießung von mindestens 7.294 bosniakischen Knaben und Männern in Srebrenica durch serbische Einsatzgruppen. Medien der westlichen Welt haben dieses Verbrechen als schlimmstes Massaker in Europa seit dem Zweiten Weltkrieg bezeichnet. Sie haben der internationalen Gemeinschaft seither wegen ihres Schweigens immer wieder Mitschuld vorgeworfen.

Der Massenmord von Srebrenica wurde schließlich Anlass für eine Intervention in Bosnien, die den Krieg beendete. Aber die Staaten der Nato und der Europäischen Union haben ihr Versagen in der vier Jahre lang eingeschlossenen ostbosnischen Drina-Stadt bis heute nicht wiedergutgemacht. Man hat die überlebenden Opfer in ihrem Elend, ihren fortdauernden Traumata und ihren Ängsten im Stich gelassen. Besonders beklagen wir, dass es keinerlei ernsthafte Anstrengungen gibt, die 4.500 Rückkehrer - vor allem Witwen mit ihren Kindern - wirksam zu unterstützen. So wird ein Neuanfang von der internationalen Gemeinschaft bis heute blockiert.

Srebrenica ist heute eine vergessene, verelendete, von den Tätern dominierte Stadt. Internationale Institutionen und Hilfsorganisationen haben sich zurückgezogen. Von 5.000 zerstörten Häusern im Gebiet des Kreises wurden bisher nur etwa 200 wiederaufgebaut. Strom- und Wasserleitungen sind zerstört. Es gibt nur einen einzigen sicheren Trinkwasserbrunnen. Das einzige Krankenhaus ist geschlossen, eine medizinische Versorgung in der Stadt gibt es nicht. Die umliegenden 56 Dörfer werden nur alle zwei Wochen von einer Krankenschwester besucht. Nahezu alle Geschäfte und Betriebe Srebrenicas sind geschlossen. Es gibt nur einen Gemischtwarenladen.

Sehr geehrter Herr Minister, das alles ist eine Schande für die Gemeinschaft der demokratischen Staaten der EU, der Nato und der neutralen Schweiz, an deren Außenminister wir uns heute jeweils mit einem Schreiben wenden. Wir bitten Sie, zweierlei zu tun: Sorgen Sie dafür, dass Ihr Land eine eigene Hilfsinitiative für die vergessenen Überlebenden des Genozids in Srebrenica zustande bringt und initiieren Sie eine internationale Hilfsaktion der EU gemeinsam mit den Vereinigten Staaten von Amerika und Kanada. Wenn sich die Aufmerksamkeit der Welt am 10. Jahrestag des Massakers 2005 auf Srebrenica richtet, darf Ihr Land nicht mit leeren Händen dastehen!

Zum Hintergrund:

1991 hatte das Gebiet des Kreises Srebrenica (Opstina), in etwa identisch mit der so genannten früheren UN-Schutzzone 37.211 Einwohner. Davon waren 72,88% muslimische Bosnier (Bosniaken), 25,21% serbische Bosnier und 1,91% andere Bosnier, unter ihnen viele Roma. Heute leben in der Opstina 8.500 serbische Bosnier und 4.500 zurückgekehrte Bosniaken. In die Stadt Srebrenica sind 1.000 Bosniaken zurückgekehrt, in die 56 umliegenden Dörfer und Weiler 3.500. Die meisten Rückkehrer haben kein regelmäßiges Einkommen und wohnen vielfach in Bretterverschlägen, in Kellern oder Ruinen ihrer zerstörten Häuser. Die meisten Familienväter sind unter den Ermordeten. Nach (unvollständigen) Angaben des Internationalen Roten Kreuzes wurden 7.294 Knaben und Männer ermordet. Nach Angaben der "Bewegung der Mütter aus den Enklaven Srebrenica und Zepa" beträgt die Zahl der Vermissten 10.701 Personen, darunter auch zahlreiche Frauen und Kinder.

Die Getöteten wurden in Massengräber geworfen. Viele der Gräber wurden von den Tätern später mit Bulldozern wieder ausgeräumt. Die Toten wurden an anderer Stelle in Sekundärgräbern in Steinbrüchen und Wäldern verscharrt. Bisher wurden die Gebeine von rund 6.500 Getöteten exhumiert, 998 von ihnen identifiziert und in der Gedenkstätte Potocari in einem Vorort von Srebrenica bestattet. 335 weitere Identifizierte sollen dort am kommenden Sonntag ihre letzte Ruhestätte finden.

Neben ihrem Hauptbüro in Sarajevo unterhält die GfbV-Sektion Bosnien- Herzegowina ein kleines Regionalbüro in Srebrenica. Die GfbV hat verschiedene kleinere und größere Hilfsinitiativen in Mitteleuropa für Spenden und Aktionen für Srebrenica bewegt. Die GfbV selbst konnten 44 Kühe, 150 Schafe und 30 Ziegen verteilen. Alle diese Hilfsinitiativen sind jedoch nur ein Tropfen auf den heißen Stein. Mit dem Ziel der Versöhnung haben sich unter Schirmherrschaft der GfbV 25 Frauen-Nichtregierungsorganisation mit Mitgliedern aller ethnischen und religiösen Gemeinschaften Bosniens zu der Organisation "Fokus" zusammengeschlossen.


Siehe auch:
* www.gfbv.it: www.gfbv.it/2c-stampa/04-1/040701bde.html | www.gfbv.it/2c-stampa/04-1/040126ade.html | www.gfbv.it/2c-stampa/03-2/030711de.html | www.gfbv.it/2c-stampa/03-2/031202de.html | www.gfbv.it/2c-stampa/03-2/030624ade.html | www.gfbv.it/2c-stampa/03-2/030523ade.html | www.gfbv.it/2c-stampa/02-3/021127de.html | www.gfbv.it/2c-stampa/02-1/020417de.html | www.gfbv.it/3dossier/bosnia/indexbih.html [ IT ]

* www: www.unhcr.ch | www.un.org | www.iccnow.org | www.ohr.int

Letzte Aktual.: 9.7.2004 | Copyright | Suchmaschine | URL: www.gfbv.it/2c-stampa/04-1/040709de.html | XHTML 1.0 / CSS | WEBdesign, Info: M. di Vieste
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