Indigene contra WTO
Fairer statt freier Handel
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Bozen, 12.1.2000

Bereits in den nächsten Tagen sollen die gescheiterten  Verhandlungen der Welthandelsorganisation (WTO) wieder aufgenommen werden. Vehement gegen die Liberalisierungspläne wehren sich auch indigene Organisationen. Sie werfen den USA, Japan und Europa vor, mit ihrer aggressiven Wirtschaft das Existenzrecht der indigenen Völker zu gefährden. Der uneingeschränkte Handel zerstöre die indigenen Gemeinden. Bei der "Battle of Seattle", bei den Demonstrationen Ende Novembre 1999 in Seattle legten indigene Organisationen ihre "Seattle Deklaration der Indigenen Völker" vor.

In dieser Deklaration protestieren die Indigenen Organisationen heftig gegen die Vorgangsweise der WTO, deren Vereinbarungen meist das Recht der Indigenen Völker auf Selbstbestimmung, Souveränität als Nationen sowie Verträge und Vereinbarungen, die zwischen Indigenen Völkern und Nationen und/oder Staaten ausgehandelt wurden, unterlaufen.

Die WTO -Vereinbarungen zu Landwirtschaft (AOA) würden eine Liberalisierung der Importe ermöglichen, was allerdings zur Folge hätte, dass ökologisch sinnvolle und naturerhaltende Anbaumethoden Indigener Völker zerstört würden, weil diese einfach nicht mehr Kostenwettbewerbsfähig wären. Bäuerliche Kleinbetriebe würden durch kommerzielle Plantagewirtschaft verdrängt werden, das Land Indigener Völker würde zunehmend in die Hände weniger Agrarbetriebe und Großgrundbesitzer fallen. Unzählige Menschen wurden bereits auf diese Weise von ihrem Land entwurzelt und bilden nun in nahegelegenen Städten die Schicht der Wohnungs- und Erwerbslosen.

Die WTO-Vereinbarung zu Produkten des Waldes erlaubt den freien Handel mit aus dem Wald gewonnenen Erzeugnissen. In- und ausländische Bergbaugesellschaften hätten dann die Möglichkeit Abbaugebiete zu kaufen und zu besitzen, ungeachtet der Indigenen Gemeinschaften, die bereits in diesen Gebieten leben. Intensiver Erzabbau und unkontrollierte Erdölförderungen verschmutzen nicht nur Boden, Wasser und Luft, sie zerstören auch ein äusserst empfindliches Ökosystem, also den Lebensraum der Indigenen Gemeinschaften, und somit auch ihre traditionellen Lebensweisen und Kulturen.

Der Raub und die Patentierung biogenetischer Ressourcen der Indigenen Völker ist durch die WTO-Vereinbarung Handelsbezogener Aspekte intellektueller Besitzrechte (TRIPs) möglich geworden. Pflanzen, die von Indigenen Völkern entdeckt, kultiviert und als Nahrungsmittel, für Heilzwecke und Rituale genutzt werden, sind bereits in Europa, Japan und in den USA patentiert worden. Ebenso absurd ist die Unterscheidung zwischen "dem Wesen nach biologisch", "nicht biologisch" und "mikrobiologisch", da es sich hier immer um Lebensformen und Leben erschaffende Prozesse handelt, die heilig sind und nicht zum Gegenstand privaten Besitztums werden sollten.

Die Grundsatzvereinbarungen zu Dienstleistungen (GATS) sollen die Liberalisierung von Investionen und Dienstleistungen ermöglichen, wodurch das Monopol ausländischer Wirtschaftsunternehmen in strategisch wichtigen Bereichen der Wirtschaft verstärkt wird. Weltbank und Weltwährungsfond legen die Voraussetzung für die Liberalisierung, Deregulierung und Privatisierung in Ländern fest, die in der Schuldenfalle gefangen sind.

Angesichts dieser Punkte verlangen die Indigenen Organisationen eine soziale, ökologische und rechtliche Analyse der sich gegenseitig ergänzenden Auswirkungen dieser Vereinbarungen auf die Indigenen Völker. Die Vereinbarungen sollten auch hinsichtlich der Ungerechtigkeiten und Unausgewogenheiten überprüft werden, die sich nachteilig auf Indigene Völker auswirken. Die Deklaration beinhaltet ferner einige Vorschläge seitens der Indigenen Organisationen, die kurzgefasst folgende sind:

Landwirtschaftliche Kleinbetriebe, die vor allem für die lokalen Märkte produzieren, sollten aus den Vereinbarungen ausgeklammert werden. Die WTO-Vereinbarungen sollten die Rechte der Indigenen Völker auf ihre Territorien, ihre Rohstoffe, ihre naturerhaltenden Methoden in der Landwirtschaft und bei der Handhabung ihrer Rohstoffe sowie ihr Recht auf ihre traditionelle Lebensweise absichern.
Bergbau, kommerzieller Anbau von Monokulturen, Dammbauprojekte, Ölförderung, Umwandlung von Land in Golfplätze, Holzeinschlag und andere Maßnahmen, die das Land Indigener Völker zerstören und ihr Recht auf ihre Territorien und Rohstoffe verletzen, müssen durch die Vereinbarungen gestoppt werden.

Die Liberalisierung von Dienstleistungen insbesondere im Gesundheitswesen darf nicht gestattet werden, wenn dies Indigene Völker am Zugang zu freier, kulturell angepasster und qualitativ guter Gesundheitsversorgung hindern würde. Die Liberalisierung im Finanzwesen wird die Welt zu einem globalen Spielcasino machen und sollte reguliert werden.

Die TRIPs - Vereinbarung sollte im Sinne eines kategorischen Verbots der Patentierung aller Lebensformen, einschließlich ihrer sämtlichen Bestandteile wie Gene, Genketten, Zellen, Zellstrukturen, Proteine oder Saatgut untersagen.

Sollten diese Anregungen nicht umsetzbar sein, fordern die Indigenen Organisationen die Entfernung der Vereinbarungen zu Landwirtschaft, zu den Produkten des Waldes sowie der TRIPs-Vereinbarung aus den Vereinbarungen der WTO. Ausserdem fordern die Indigenen Organisationen, dass die WTO Reformen einleitet, und dadurch zu einem demokratischen, transparenten und zuverlässigen Gremium wird. Anderenfalls soll die WTO abgeschaffen werden. Schlussendlich werden die Mitgliedsstaaten der WTO eindringlich aufgefordert, die Annahme der gegenwärtigen Fassung der UN-Deklaration der Rechte Indigener Völker und die Ratifizierung der ILO-Konvention 169 seitens der UN-Generalversammlung zu befürworten.

“Wir sind der festen Überzeugung, dass die den WTO-Vereinbarungen zu Grunde liegende Philosophie und die von ihr befürworteten Prinzipien und Verfahrensweisen unseren eigenen Grundüberzeugungen, unserer Spiritualität und unserer Weltsicht, unserer Auffassung und Verfahrensweise in Entwicklungsprozessen, im Handel und im Umweltschutz widersprechen. Indigene Völker sind zweifellos am stärksten von den negativen Auswirkungen der Globalisierung und der WTO-Vereinbarungen betroffen. Wir glauben aber, dass wir tragfähige Alternativen zu den vorherrschenden Modellen von Wirtschaftswachstum und Export orientierter Entwicklung anzubieten haben. Unsere naturverträglichen Lebensweisen und Kulturen, unser traditionelles Wissen, unsere Kosmologien und Spiritualität, unsere kollektiven Werte, unser gegenseitiger Austausch, unser Respekt vor und und Verehrung für Mutter Erde sind insgesamt entscheidend für die Suche nach einer veränderten Gesellschaft, in der Gerechtigkeit, Gleichberechtigung und Naturnähe sich durchsetzen werden.”

Siehe auch die Seattle Deklaration der Indigenen Völker [ hier ]
 

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