Gedenktag der Befreiung von Auschwitz (27.01.1945)
Die Schuld der eigenen Väter nicht vergessen!
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Bozen, 26.1.2001

Die Mitschuld an der Judenvernichtung ist ein Teil der Süd- und Nordtiroler Geschichte, für die es von offizieller Seite noch immer keine Worte des Bedauerns gibt. Die Gesellschaft für bedrohte Völker fordert deshalb die Politik des Landes auf, sich endlich für die Schuld der Väter zu entschuldigen. Südtirol stellt sich gern als Opfer des Faschismus und des Nationalsozialismus hin, doch von der eigenen Mittäterschaft war bis heute nicht die Rede.

Die Synagoge von Meran Schon 1986 hatte Federico Steinhaus von der jüdischen Kultusgemeinde von Meran in der Kulturzeitschrift "sturzflüge" an diese Praxis der Südtiroler erinnert. Die von den Nazis ermordeten 50 Meraner Juden scheinen nicht in der Südtiroler Opferliste auf, in der Nachkriegszeit hat sich die Landesregierung so benommen, als hätten Fremde das Eigentum der Meraner Juden "arisiert", sie zusammengetrieben und in die Todeslager des Dritten Reichs verschickt. Es gab nie eine Entschädigung, keine moralische Wiedergutmachung, kein Wort der Reue, keine Zeichen der Versöhnung.

Südtiroler waren Opfer, aber auch Täter. Daran erinnerte der Tiroler Geschichtsverein 1989 mit einer überzeugenden Ausstellung. Im Ausstellungskatalog können Südtirols Geschichtsverdränger nachlesen, was am 8. September 1943 geschah: Mit dem Einmarsch der Wehrmacht des Dritten Reichs begann auch der Leidensweg für Meraner Juden. Der Südtiroler Ordnungsdienst SOD und der SS-Sicherheitsdienst verhaftete Juden, die im KZ von Auschwitz ermordet wurden. Die Wohnungen der Juden wurden von den Nachbarn geplündert, jüdisches Eigentum wurde "arisiert", per Dekret gestohlen. Beschämend ist, daß das offizielle Südtirol bis heute keine Worte des Bedauerns gefunden hat. Verschwiegen wird in der offiziellen Geschichtsschreibung auch die Verfolgung der Sinti und Roma. In einem Land, wo kein Schuldeingeständnis erfolgt,  ist auch nicht eine gerechte Gegenwart möglich: Wer die eigenen Schandtaten verschweigt, ist zur Verübung neuer Schandtaten bereit.

Das gestörte Verhältnis zur eigenen Vergangenheit teilt Südtirol mit Italien. Die UN-Kriegsverbrecherkommission hatte immerhin 1.200 Italiener als Kriegsverbrecher in ihrer Liste angeführt. Sie waren verantwortlich für Massaker in Libyen (zwischen 40 und 80.000 Deportationstote, 20.000 Geflohene auf 800.000 Einwohner), in Äthiopien (zwischen 300 und 730.000 Getötete), in Slowenien (12.000 Ermordete, 40.000 Deportierte). Auch an der Vernichtung der italienischen Juden waren Italiener beteiligt: Italien war nicht nur das Opfer des Nationalsozialismus, Italien war Bündnispartner Hitlers und Mittäter in der Vernichtungsmaschinrie.

Die GfbV fordert die Politik dazu auf, sich endlich für die Schuld der Väter zu entschuldigen und den Hinterbliebenen der Opfer eine angemessene Wiedergutmachung zukommen zu lassen.
 

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