EU-Jahr der europäischen Sprachen
Griechenland leugnet europäische Sprachenvielfalt: Urteil gegen aromunischen Nationalitätenvertreter scharf kritisiert
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Bozen, Göttingen, 8.2.2001

Als Leugnung der europäischen Sprachenvielfalt und als Anschlag auf die europäische Charta der Regional- und Minderheitensprachen hat die Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV) am Donnerstag die Verurteilung des aromunischen Nationalitätenrechtlers Sotiris Bletsas durch ein griechisches Gericht bezeichnet. Bletsas war Ende vergangener Woche wegen "Verbreitung von Falschinformationen" nach Artikel 191 des griechischen Strafgesetzbuches zu 15 Monaten Haft und einer Geldstrafe von rund 3.000 Mark verurteilt worden. Er hatte bei einem Festival der Aromunen im Juli 1995 Material des an die Europäische Union (EU) angegliederten Büros für Minderheitensprachen verteilt. In dieser Publikation waren Minderheitensprachen Griechenlands aufgelistet: Das mit dem Rumänischen verwandte Aromunisch, das dem Albanischen ähnelnde Arvanitisch, die dem Bulgarischen nahestehenden Sprachen Mazedonisch und Pomakisch sowie Türkisch. Nach Expertenschätzungen sprechen noch rund 100.000 der in Zentralgriechenland ansässigen Aromunen aktiv ihre Sprache. Nur noch passiv des Aromunischen mächtig sind bis zu 300.000 Angehörige dieser Minderheit.

"Die EU hat 2001 zum Jahr der europäischen Minderheitensprachen erklärt. Es stünde Griechenland gut zu Gesicht, jetzt endlich die europäische Sprachencharta zu unterzeichnen und die Rechte der Minderheiten im eigenen Land zu schützen", forderte der GfbV-Generalsekretär Tilman Zülch. "Erst dann kann Athen glaubwürdiger die andauernde Verfolgung der griechischen Minderheit in Istanbul und auf den Inseln Imbros und Tenedos, die völkerrechtswidrige Besetzung Nordzyperns durch türkische Truppen sowie die Vertreibung von etwa 180.000 griechischsprachigen Zyprern kritisieren." Mit seiner restriktiven Minderheitenpolitik bilde Griechenland gemeinsam mit Frankreich das Schlusslicht in der EU.

Griechenland erkennt nur eine religiöse Minderheit und deren Sprache an: die türkischsprachigen thrakischen Muslime. Alle anderen Minderheiten werden bis heute diskriminiert. Die Einschüchterung von Minderheitenangehörigen durch lokale Politiker, Lehrer und sogar Priester gehe so weit, dass Themen wie regionale Sprachen, Kulturen und Identität weitgehend tabuisiert werden.
 

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