Presserklärung 

Göttingen, Wien, Luxemburg, Bozen, Bern, den 16.02.1999


Gesellschaft für bedrohte Völker fordert Internationales Tribunal für Öcalan, türkische Generäle und Politiker sowie für NATO-Waffenlieferanten

Die Gesellschaft für bedrohte Völker International fordert von der Deutschen Bundesregierung und den egierungen der westlichen Staaten, daß sie den Vorsitzenden der sogenannten kurdischen Arbeiterpartei (PKK), Abdullah Öcalan, gemeinsam mit Generälen der Türkischen Armee und führenden türkischen Politikern wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit vor ein Internationales Tribunal stellen.

Dieses Tribunal muß außerdem untersuchen, inwieweit die Türkei durch die Zerstörung von 3.428 kurdischen Dörfern auf eigenem Territorium nach Artikel IIc der Konvention über die Verhütung und Bestrafung des Völkermordes Genozid an Teilen der kurdischstämmigen Bevölkerung begangen hat (vorsätzliche Auferlegung von Lebensbedingungen für eine ethnische Gruppe, die geeignet sind, ihre körperliche Zerstörung ganz oder teilweise herbeizuführen). Außerdem ist die Türkische Armee für Tausende Morde, Hinrichtungen, widerrechtliche Inhaftierungen, Folterungen und das Verschwindenlassen von Kurden verantwortlich zu machen. "Gleichzeitig müssen Vorwürfe gegen den PKK-Führer untersucht werden, nach denen er für Morde an Mitgliedern seiner Partei und an kurdischen Zivilisten verantwortlich ist", erklärte Tilman Zülch, Präsident der Gesellschaft für bedrohte Völker International.

Das zu gründende Internationale Tribunal müsse außerdem untersuchen, inwieweit Deutschland und andere NATO-Staaten durch massive Waffenlieferungen in Milliardenhöhe zur Eskalation des kurdisch-türkischen Krieges und damit zu den vor allem an der kurdischen Zivilbevölkerung begangenen Verbrechen gegen die Menschlichkeit beigetragen hätten.

Die Gesellschaft für bedrohte Völker bittet die politischen Parteien, Parlamentarier, den Bundespräsidenten, den Bundestagspräsidenten sowie andere Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens und insbesondere die Medien, endlich diese deutsche Mitverantwortung an der Eskalation des kurdisch-türkischen Krieges öffentlich zu diskutieren. Das ist auch von Seiten der deutschen Medien während des zweimonatigen Aufenthaltes Öcalans in Italien kaum geschehen. Es ist auf Dauer unerträglich, daß sich Diskussionen über Menschenrechtsverletzungen in Deutschland fast ausschließlich auf mehr als 50 Jahre zurückliegende Verbrechen beschränken und damit gegenwärtig begangene Untaten verdrängt werden. Die Bundesrepublik trägt schließlich Verantwortung gegenüber ihren mehr als 500.000 kurdischen Mitbürgern, deren Familien vielfach auch Opfer deutscher Waffen geworden sind. Allein zwischen 1985 und 1991 erfolgten nach Regierungsangaben kostenlose Lieferungen von Rüstungsgütern aller Art im Wert von DM 3,6 Milliarden. Überschußmaterial aus Beständen der Bundeswehr und der ehemaligen NVA wurde großzügig abgegeben, darunter über 200 Flugzeuge und Hubschrauber, etwa 41.000 Kraftfahrzeuge und Kräder, 300 Schützenkampf- und 350 Mannschaftstransportwagen, 10 Brückenlege- und 20 Bergepanzer, rund 100.000 Panzerfäuste, 256.125 Maschinenpistolen vom Typ Kalaschnikow, 500.000 Stahlhelme und 450 Millionen Schuß Munition.

Die Gesellschaft für bedrohte Völker kritisiert auch die doppelte Moral der NATO-Staaten. Während die NATO, wenn auch vier Jahre zu spät, in Bosnien zur Beendigung von Genozid militärisch intervenierte und im Kosovo zu Recht die Entsendung einer Schutztruppe erwägt, um die Fortsetzung der Massakrierung von Kosovoalbanern zu verhindern, hat sie in der Türkei ein Land immer wieder durch Waffenlieferungen belohnt, das seit 70 Jahren ununterbrochen das kurdische Viertel seiner Bevölkerung verfolgt und unterdrückt, das bis heute seine christlichen Minderheiten (Syrisch-Orthodoxe, Griechisch-Orthodoxe und Armenier) und die religiöse Minderheit der Yezidi diskriminiert, ein Drittel seines europäischen Nachbarstaates Zypern besetzt hält und dort die Rückkehr der vertriebenen Einwohner verhindert.


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