Nato für Menschenrechte?
Das Verteidigungsbündnis nimmt die eigenen - Grundsätze und Ideale nicht ernst 

Bozen, am 4. April 1999

 Vor 50 Jahren ist die Nato als Verteidigungsbündnis des demokratischen Westens gegründet worden. Die Nato verstand sich bis zum Fall der Berliner Mauer als antikommunistisches Bollwerk. Erst seit der Eroberungskriege des serbischen Präsidenten Milosevic in Slowenien, Kroatien, Bosnien und jetzt im Kosova agiert die Nato auch im Sinne der Menschenrechte. Die Nato ist derzeit ein demokratisches Bündnis mit einem gravierendem "Schönheitsfehler" - das Mitgliedsland Türkei verletzt in hohem Maß die Menschenrechte. Die Türkei hat in Südostanatolien neun Mal mehr Dörfer zerstört wie Serbien in Kosova - vor dem Eingreifen der Nato.

Aber auch die Gründungsstaaten der Nato haben Verbrechen gegen die Menschlichkeit begangen. Die USA sorgten in Vietnam für den Tod von 1,5 Millionen Menschen, eine Million Schwerverwundete, zehn Millionen Flüchtlinge und die Zerstörung von mehr als 10.000 Dörfern und Städten. Einer der Hauptverantwortlichen für die Flächenbombardements in Indochina, Henry Kissinger, Außenminister und Friedensnobelpreisträger, war an weiteren Völkermordverbrechen beteiligt: 1974 war Kissinger an der Zerstörung der Republik Zypern beteiligt, als die türkische Armee nach einem von der Nato begünstigten faschistischen Coup die nördliche Inselhälfte besetzte und 80 Prozent der griechischen Einwohner vertrieb und 4.000 Zyprioten tötete. 1975 lancierte er das Irak-Iran-Abkommen, das zum Tod mehrerer zehntausend Kurden und zur Flucht von einer halben Million Menschen führte. Im Dezember billigte der Nato-Staat USA die indonesische Invasion Ost-Timors mit 250.000 Toten. In Guatemala fielen der Kooperation der USA mit den Todesschwadronen über 150.000 Maya-, Garifuna- und Xinca-Indianer zum Opfer.

Dem französischen Versuch, Algerien als Teil der Republik zu erhalten, fielen eine Million Algerier - überwiegend Zivilisten - zum Opfer. Das Nato-Land Frankreich kollaborierte während des Krieges in Bosnien offen mit den serbischen Aggressoren. Französische Offiziere leugneten die Massaker an der bosnischen Bevölkerung. Frankreich hat in Ruanda das Hutu-Regime aufgerüstet. Auf das Konto dieses Regimes, eng verbündet mit Frankreich, gehen über eine Million Tote. Frankreich fördert die islamische Militärjunta im Nord-Sudan. Der arabische Norden führt seit 1955 Krieg gegen die schwarze Bevölkerung im Süden. Die Opferbilanz: über 2,5 Millionen Tote.

Die britische Labor-Regierung von Harold Wilson ermöglichte zwischen 1967-1970 mit Waffenlieferungen, Subventionen und politischer Unterstützung die nigerianischen Regierung die Niederwerfung von Biafra. Zwei Millionen Biafraner starben an Hunger und auch durch Bomben. Während des Bosnienkrieges ergriff das konservative Großbritannien eindeutig Partei für die serbischen Aggressoren. Im Weltsicherheitsrat stimmten Großbritannien und Frankreich gemeinsam gegen Anträge auf Intervention. Der britische EU-Unterhändler Lord Owen war ein Befürworter der ethnischen Aufteilung des multi-nationalen Bosniens. Der britische UN-General Michael Rose paktierte mit den serbischen Truppen. Nach Recherchen der britischen Journalisten David Leigh und Ed Vulliamy erhielt John Mayors Tory-Partei 1997 umfangreiche Wahlkampfspenden von der serbischen Lobby.

Die Bundesrepublik Deutschland beteiligte sich schon in den 60er Jahren mit Waffenlieferungen und mit der Entsendung von Militärberatern an der Aufrüstung von Dritte-Welt-Diktaturen. So wurden z. B. über die Firma Fritz WernerGewehrfabriken in Nigeria, im Sudan, in Indonesien, Burma, Pakistan und im Iran eingerichtet. Kriegfürhung und Genozid gegen Biafraner, Südsudanesen, Osttimoresen und Papua, Shan, Karen, Ostbengalen und Kurden wurden dadurch erleichtert. Die Türkei erhielt 40 Jahre lang Waffenhilfe in Milliardenhöhe, die bei der Okkupation Zyperns und im Krieg gegen die Kurden zum Einsatz kam. Im Irak waren deutsche Firmen führend beim Aufbau der Giftgasindustrie und wurden so mitschuldig an der Ermordung von etwa 15.000 irakischen Kurden und assyrischen Christen. Auch die DDR unterstützte Militärdiktaturen wie den Irak, Lybien, Sudan, Äthiopien mit Waffen und Militärberatern und mit dem Aufbau von Geheimdiensten. Außerdem unterstützte die DDR die sowjetischen Verbrechen in Afghanistan.

Die Nato hat genug Gründe, den Geburtstag zu feiern. Die eigenen Ansprüche müssen aber ernster genommen werden. Menschenrechte sind nicht teilbar. Die Nato soll deshalb die vor 50 Jahren von der UN-Vollversammlung verabschiedete "Konvention über die Verhütung und Bestrafung des Völkermordes" zur eigenen Charta erheben.


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