Offener Brief an die Führer der PKK 
Sorgen Sie für die sofortige Freilassung Ihrer kurdischen Geiseln im Irak!
GfbV Logo
Bozen, Göttingen, 13.7.2000

Sehr geehrte Damen und Herren,

im Namen der Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV) International fordere ich Sie hiermit dringend dazu auf, für die unverzügliche Freilassung und die Unversehrtheit von 28 ehemaligen Kämpfern der Arbeiterpartei Kurdistans PKK zu sorgen, die von Ihren Leuten am 19. Mai im kurdischen Autonomiegebiet im Nordirak festgenommen wurden und dort nach unserer Kenntnis noch immer gefangengehalten werden. Es handelt sich um einen Teil einer Gruppe von etwa 60 Personen, die sich von der PKK gelöst und versucht haben, in die von der Patriotischen Union Kurdistans (PUK) und der Demokratischen Partei Kurdistans (KDP) kontrollierten Gebiete im Nordirak überzuwechseln. Die anderen, mindestens 26 Personen sollen sich in den Bergen versteckt halten, vermutlich auf dem Gebiet der PUK. Auch diese Menschen schweben in Lebensgefahr, solange sie vom Vorsitzenden der PUK, Jalal Talabani, keinen Schutz erhalten.

Wir fürchten vor allem um das Leben der Gefangenen, da sie vom PKK-Führer Abdullah Öcalan in einem Gespräch mit seinen Anwälten in seinem Gefängnis auf der türkischen Insel Imrali als "Verräter" bezeichnet wurden (laut der jüngsten Ausgabe des PKK-Parteiorgans "Serxwebun", Nr. 222, Juni 2000). "Härteste Sanktionen" sollten auf sie angewendet werden - in der Sprachregelung Ihrer Partei, kommt dies einem Todesurteil gleich.

Unter den von der PKK gefangengenommenen Personen sind nach unserer Kenntnis: Herr Faruk Bozkurt, Herr Feyman Devrim, Frau Sükran Deniz, Frau Reyhan Yildirim, Frau Sehnaz Altun, Veloz Tepe, Frau Huri Bingöl, Frau Hatun Turhali, Frau Nazime Adtürk, Frau Derya Kül, Frau Sirin Dalduman, Frau Zübeyde Ersöz, Herr Etem Karakurt, Herr Remzi Palyecin, Herr Engin Karaaslan, Herr Mesut Buldan, Herr Mahmut Karadag, Herr Enver Hasan, Herr Murat Tutal, Herr Mahmut Evran, Herr Yücel Zeydan, Herr Erzan Dürre, Herr Casim Elma, Herr Demirhan Aslan, ein Neffe von Feridun Yazar, der Sohn von Nuray Sen, der Sohn des Oberbürgermeisters der Stadt Van sowie Herr Semdin (Neffe des Bürgermeisters der Stadt Yüksekova).

Die Namen derer, die sich versteckt halten: HerrSait Cürükkaya, Herr Ayhan Ciftci, Herr Yildirim Kaya, Herr Rabi Güler, Herr Fesih Haran, Herr Ahmet Kirboga, Herr Hakan Aydemir, Herr Edip Ates, Herr Süleyman Kayran, Herr Ali Can Isik, Herr Cahit Ayaz, Herr Arif Bazencir, Herr Mehmet Bayar, Herr Mehmet Sah Gümüs, Frau Sirin Nesne, Herr Engin Catak, Herr Metin Sehir, Herr Mehmet Sögüt, Herr Abdullah Güzel, Herr Memduh Kentas, Herr Zahit Özdemir, Herr Yusuf Alicioglu, Frau Oya Bayram, Frau Leyla Süner, Frau Halime Ücar, Frau Fatos Özkan.

In Europa setzen sich zahlreiche Organisationen und Persönlichkeiten gegen die Vollstreckung des Todesurteils ein, das am 29. Juni 1999 gegen Ihren Parteiführer Abdullah Öcalan verhängt wurde. Davor hatten sich die europäischen Freunde ihrer Guerillaorganisation, zu denen die GfbV übrigens nie gehören wollte, monatelang sogar für die Freiheit von "Apo" eingesetzt. Jetzt erfahren wir, dass Öcalan praktisch den Befehl für die Liquidierung von 28 Menschen erteilt.

Aus seiner Todeszelle heraus predigt Öcalan ständig den Frieden mit einer Türkei, die sich bis heute weigert, die eigenen Politiker und Generäle vor ein Gericht zu bringen, die hauptverantwortlich für den Tod von mehr als 30.000 kurdischen Zivilisten, die Zerstörung von 3.428 kurdischen Dörfern und die Vertreibung von mehr als 2,5 Millionen Kurden sind. Andererseits hält die PKK im nordirakisch-iranischen Grenzgebiet noch immer mehrere Tausend Guerillakämpfer unter Waffen und bedroht damit fortwährend das kurdische Autonomiegebiet im Nordirak. Dass sich 60 Personen, die meisten von Ihnen hochrangige PKK-Funktionäre, ablösen und in ein ziviles Leben zurückkehren wollten, war höchst sinnvoll. Jetzt droht ihnen dasselbe Schicksal wie den von der PKK liquidierten 111 türkischen und kurdischen Dorflehrern und Hunderten von PKK-Mitgliedern, die parteiinternen Säuberungsaktionen zum Opfer fielen. Sehr geehrte Damen und Herren: Wir erwarten von Ihnen, dass Sie alles daran setzen, dass wir ein Lebenszeichen von den 28 Menschen erhalten, die von Ihrer Partei gefangengenommen wurden und dass sie freigelassen werden. Ansonsten können Sie nicht erwarten, dass die europäische Öffentlichkeit sich gegenüber Ihrer Partei aufgeschlossener zeigen wird. Obwohl sich in demokratischen kurdischen Parteien und Persönlichkeiten aus der Türkei auch andere Gesprächspartner für eine friedliche Lösung der Kurdenfrage anbieten, würden sie damit den Schaden an der Sache Ihres Volkes noch vergrößern, den die PKK in den 90-er Jahren mit ihren gewalttätigen Demonstrationen, ihren Überfällen auf türkische Geschäfte, Erpressung, Zwangsrekrutierung von kurdischen Jugendlichen und Drogendealerei angerichtet hat.

In der Hoffnung darauf, dass Sie aktiv werden, Ihr Tilman Zülch Präsident der GfbV International

P.S. Falls die Gefangenen schon umgebracht wurden, werden wir Öcalans Rechtsanwälte und PKK-Funktionäre, die bei der Übermittlung des Hinrichtungsbefehls mitgewirkt haben, wegen Beihilfe zum Mord anzeigen.
 

INDEX
HOME
Eine Publikation der Gesellschaft für bedrohte Völker. Weiterverbreitung bei Nennung der Quelle erwünscht
Una pubblicazione dell'Associazione per i popoli minacciati. Si prega di citare la fonte @@@ WebDesign: M. di Vieste