Neuer Präsident des türkischen Parlaments gehört faschistischer Partei an
EU soll politische Kontakte mit der Türkei aussetzen
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Bozen,  Göttingen, 20.10.2000

Die offizielle Aussetzung aller politischen Kontakte mit der Türkei hat die Gesellschaft für bedrohte Völker International (GfbV) in Briefen an die Außenminister der Europäischen Union, EU- Erweiterungskommissar Günther Verheugen und den Präsidenten des Europäischen Parlamentes gefordert. "Die Nationale Bewegung MHP, die Partei des neu gewählten Präsidenten des türkischen Parlamentes vertritt noch heute ein faschistisches Programm", begründete der Präsident der GfbV International Tilman Zülch am Freitag in Göttingen die Forderung der Menschenrechtsorganisation. "Die Beteiligung dieser Partei an der derzeitigen Regierungskoalition und die Wahl Ömer Izgis zum Parlamentspräsidenten verstoßen gegen die von der Türkei verlangten Anstrengungen zu Demokratisierung und Minderheitenschutz." Izgi hatte sich am Mittwoch mit 264 zu 262 Stimmen durchgesetzt.

Die MHP, politischer Flügel der „Grauen Wölfe“ während zwei Jahrzehnten, fordere die Ausbreitung des Türkentums und die Errichtung eines pan-türkischen Reiches „Turan“, das bis nach China reichen soll. Dies sei eine völkische Ideologie nach bekanntem Muster, sagte Zülch. Seit ihrer Beteiligung an der großen Koalition unter dem sozialdemokratischen Ministerpräsidenten Bülent Ecevit hat sich die MHP für die Vollstreckung des Todesurteils gegen den PKK-Vorsitzenden Abdullah Öcalan und für die Einführung neuer Gesetze gegen den Gebrauch der kurdischen Sprache eingesetzt.

Der 1940 in der Stadt Konya geborene Ömer Izgi war in den 80-er Jahren Rechtsanwalt des verstorbenen Führers der „Grauen Wölfe“, Alparslan Türkes. Izgis Ehefrau, Ayse Izgi, war bis 1980 Vorsitzende der konspirativen Frauenorganisation der „Grauen Wölfe“, ÜLKÜ-Hanim. Izgi war vom MHP–Vorsitzenden Devlet Bahceli für das Parlamentspräsidium vorgeschlagen worden, nachdem sich die Kandidatur von Kamil Turan als aussichtslos erwiesen hatte. Dieser hatte Hitlers Buch „Mein Kampf“ übersetzt und veröffentlicht. In seinem Vorwort hatte er Hitler für die „genaue Analyse der damaligen Zeit“ gepriesen.

MHP und „Graue Wölfe“ waren bis 1980 verantwortlich für die gezielte Ermordung 5.000 oppositioneller bzw. kurdischer Politiker Gewerkschaftler und Journalisten", sagte Zülch. 1984-1999 gehörten Aktivisten dieser faschistischen Bewegung zu den geheimen „Konter-Guerilla“ Organisationen, die von der türkischen Armee, dem Innenministerium und dem Geheimdienst für den Krieg gegen die PKK aufgebaut wurden. In einigen dokumentierten Fällen beteiligten sie sich an der Zerstörung kurdischer Dörfer (offiziell insgesamt 3.428) und der Vertreibung ihrer Bewohner. Als fester Bestandteil der gegenwärtigen politischen Elite der Türkei verhindert die MHP die Aufklärung dieser Verbrechen und eine Versöhnung mit den Minderheiten des Landes.
 

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