Offener Brief an Joschka Fischer
Fordern Sie von der Türkei die Wiedereröffnung des Büros des Menschenrechtsvereins in Diyarbakir
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Bozen, Göttingen, Ankara, 30.8.2000

Sehr geehrter Herr Minister,

es ist das erste Mal, dass ich mich als Ende Mai 2000 neu gewählte Bundesvorsitzende der Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV) an Sie wende. Ich befinde mich derzeit in Ankara und spreche mit verschiedenen Partnern unserer Menschenrechtsorganisation. Obwohl ich schon lange in der Nahostarbeit aktiv und Rückschläge gewohnt bin, schockiert es mich, dass die Türkei in Sachen Demokratisierung, Wiederaufbau im Südosten des Landes und Versöhnung mit der kurdischen Bevölkerung so auf der Stelle tritt. Ich kann und will mich damit aber nicht abfinden. An Sie wende ich mich heute vor allem mit der Bitte, dass Sie gegen die Schliessung des Büros unseres Kollegen Osman Baydemir vom türkischen Menschenrechtsverein Insan Haklari Dernegi (IHD) in Diyarbakir mit allen Ihnen zur Verfügung stehenden Möglichkeiten protestieren.

Bereits Mitte Mai 2000 habe ich in Diyarbakir als Vorstandsmitglied der GfbV ein langes Gespräch mit Herrn Baydemir geführt, in dem er mich eindringlich um Unterstützung durch unsere Organisation und das Ausland allgemein bat. Sein Menschenrechts-Büro war im April 2000 nach dreijährigem Verbot wieder eröffnet und nach nur 21 Tagen am 12. Mai wieder geschlossen worden. Vor wenigen Tagen hat die türkische Obrigkeit in dieser Sparte einen traurigen Rekord aufgestellt: Als das IHD-Büro in Diyarbakir am 12. August wieder seinen Betrieb aufnahm, dauerte es nur wenige Minuten, bis der Ausnahmezustandsgouverneur ein neuerliches Verbot durchsetzte.

Auch der Vorsitzende des IHD in Ankara, Hüsnü Öndül, betonte mir gegenueber, dass konsequente Unterstützung aus dem Ausland das wirksamste Mittel sei, um die Menschenrechtsinstitutionen in der Türkei vor Willkür zu schützen.

Deshalb, sehr geehrter Herr Bundesaussenminister, ersuche ich Sie dringend, bei der türkischen Regierung gegen die Schliessung des IHD-Büros in Diyarbakir zu intervenieren. Sie haben massgeblich dazu beigetragen, die Türkei in den Rang eines EU-Beitritts-kandidaten zu erheben, um sie besser in die europäische Wertegemeinschaft einzubinden. Der Gedanke, dass aus dieser Initiative nicht viel mehr als neue deutsche Waffenlieferungen resultieren, wäre uns ein Gräuel. Umso mehr danke ich Ihnen herzlich für jedes Engagement. Mit freundlichen Gruessen,

Irina Wiessner
GfbV Bundesvorsitzende
 

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