Spendenkonten für Erdbebenopfer in der Türkei gesperrt
GfbV erhebt schwere Vorwürfe gegen türkische Regierung
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Bozen, Göttingen, den 26. August 1999
Empört hat die Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV) auf die Weisung des Gouverneurs von Istanbul, Erol Cakir, reagiert, Spendenkonten von zwei Hilfsorganisationen für die Erdbebenopfer im Westen der Türkei zu sperren. "Im Gegensatz zu der erst nach Tagen schleppend anlaufenden und bis jetzt völlig unzureichenden staatlichen Hilfe haben die türkische "Internationale Humanitäre Organisation" IHH und das türkisch-kurdische Hilfswerk Mazlum-Der sofort unbürokratisch und effizient Unterstützung für die Notleidenden organisiert", kritisierte der GfbV-Bundesvorsitzende Tilman Zülch am Donnerstag in Göttingen. Diesen humanitären Einsatz jetzt mit dem Argument zu unterbinden, die gesamte Hilfe müsse über staatliche Stellen abgewickelt werden, sei unerträglich und könne für viele verletzte und erschöpfte Überlebende den Tod bedeuten.

Türkische Armee: "Meister" im Zerstören kurdischer Dörfer - bei Nothilfe für Erdbebenopfer versagt
"Zerstörung und Vernichtung - darin sind türkische Armee und Regierung Meister", sagte Zülch und erinnerte daran, dass während des 15-jährigen Krieges gegen die radikale Kurdische Arbeiterpartei PKK 3.428 kurdische Dörfer von der Armee zerstört oder zwangsgeräumt und mindestens 2,5 Millionen Kurden aus dem Südosten der Türkei vertrieben worden seien. 40.000 Menschen wurden getötet. "Zum Töten in Türkisch-Kurdistan stand ein Drittel der etwa 740.000 Mann starken türkischen Armee zur Verfügung. Helfen ist für sie jedoch offensichtlich ein Fremdwort", erklärte Zülch. Mit Stolz hätten türkische Generäle in der Vergangenheit behauptet, im Falle einer Invasion aus dem Nordirak stünden innerhalb weniger Stunden 50.000 Soldaten an der Grenze. "Wenn sie sofort bei der Suche nach den bis zu 40.000 verschütteten Opfern des Erdbebens eingesetzt worden wären, hätten Tausende gerettet werden können."

Kritiker und Medien sollen mundtot gemacht werden
Kritikern, die auf Fehlleistungen der Regierung und Armee hinweisen, werde gedroht oder der Mund verboten, sagte Zülch. So sei der private Fernsehsender Kanal 6 für sechs Tage geschlossen worden, weil er der türkischen Regierung Versagen sowohl bei Rettungsaktionen Verschütteter als auch bei der Versorgung Überlebender vorgeworfen hatte. Der Staatliche Fernsehsender TRT sei wegen der Ausstrahlung nicht zensierter Aufnahmen und kritischer Berichte gewarnt worden. Der türkische Gesundheitsminister Osman Durmus, der in die Schlagzeilen geraten war, weil er Ärzte und medizinische Hilfe aus dem Ausland abgelehnt hatte, habe die Medienkontrollbehörde aufgefordert, sechs Fernsehsendern Ausstrahlungsverbot zu erteilen oder sie zu verwarnen. Kanal 6, Show TV, Star TV, ATV, NTV und Kanal D hätten ihn persönlich angegriffen, hieß es zur Begründung.

Deutsche Bundesregierung soll vermitteln
An die deutsche Bundesregierung appellierte die GfbV, im Konflikt zwischen türkischem Staat und unabhängigen Hilfsorganisationen vermittelnd einzugreifen. IHH habe in der zwischen Istanbul und Izmit gelegenen Stadt Sakarya eine Feldküche in Betrieb nehmen wollen, die täglich rund 3.000 Menschen versorgen kann. Doch die türkische Regierung habe verboten, die Küche aufzustellen, und die Geräte beschlagnahmt. Mazlum-Der und IHH waren die ersten Hilfsorganisationen, deren Lieferungen das Erdbebengebiet erreichten. Bis jetzt haben sie über 150 Lastwagen-Ladungen Hilfsgüter in die Region gebracht. In Istanbul lagern die Organisationen auf rund 20.000 Quadratmetern angemieteter Fläche Nahrungsmittel und Medikamente.
 

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