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Die FAZ & die Minderheiten

Freundlich nur mit deutschen Sprachgruppen?

Bozen, 3. März 2005

Die FAZ zum SSW - "Alte Vorurteile" (FAZ, 1. März 2005)

Brief an den Herausgeber,
Ja, verehrte FAZ-Redaktion, es sind tatsächlich alte Vorurteile, die dem SSW und seinen Wählern entgegenschlagen. Vorurteile, die von einer offensichtlich deutschnational vergifteten CDU hemmungslos geschürt werden und auch von der FAZ. Allein schon die Wortwahl in Ihrem Kommentar "Alte Vorurteile?" ( www.faz.net/s/Rub----.html) macht das deutlich. Die dänische Minderheit wird "alimentiert", der SSW versteht sich als "Partei Dänemarks" (sind die Dänen die Feinde Deutschlands?), die einen "Kulturkampf" führt. Der SSW, das vermittelt die FAZ, eine "fremde Partei", die Schleswig-Holstein skandinavische Modelle aufzwingen will.

Da hat die FAZ doch ganz tief in die deutschnationale Mottenkiste gegriffen. Die SPD-Sympathie des SSW ist ja nicht neu. Der SSW wurde von der CDU in die Arme der Sozialdemokraten getrieben. Um die SSW-Konkurrenz aus dem Landtag zu drängen, führte die einst regierende CDU in Schleswig-Holstein gar eine 7,5 Prozent Hürde ein. Die CDU führte den deutsch-dänischen Nationalitätenkampf mit anderen Mitteln weiter. Nach dem Selbstmord des CDU-Ministerpräsidenten Uwe Barschel in den 80er Jahren stimmte der SSW-Landtagsabgeordnete Karl Otto Meyer für Neuwahlen. Ein unzulässiger Missbrauch von Minderheitenrechten, hieß es schon damals. Sollen Parteien der Minderheiten in ihren zugewiesenen "ethnischen Schrebergärten" verharren?

Durch die Bonn-Kopenhagener Vereinbarungen von 1955 ( www.geschichte.schleswig-holstein.de/vonabisz/bonnkopenhagenererklaerung.htm) ist der SSW zwar von der 5 Prozent-Klausel befreit, muss aber mindestens soviele Stimmen erhalten, wie das mit dem geringsten Stimmenanteil gewählte "letzte" Mandat. Die Befreiung von der Klausel ist kein Sonderrecht, kein Wählerstimmenprivileg, sondern schafft für die Partei der dänischen und friesischen Sprachgruppen Chancengleichheit.

Der SSW hat bei den Wahlen vom 20. Februar mit 3,6% doppelt so viele Stimmen erzielt, als dies dem Bevölkerungsanteil der von ihm vertretenen Minderheiten entspricht. Etwa die Hälfte der Stimmen stammt also von Wählern, die nicht einer dieser beiden Minderheiten angehören. Daraus ableiten zu wollen, die Partei der ethnischen Minderheit dürfe nicht auf ihre Rechte bestehen, ist befremdlich. Auch ist das kein Argument, um der Minderheit das demokratische Grundrecht abzusprechen, bei Koalitionsverhandlungen Forderungen zu stellen. Forderungen stellen ist ein legitimes politisches Instrument, das von allen Parteien in Anspruch genommen wird, vor allem aber ist es legitim, Minderheitenrechte einzufordern. Ausgerechnet der Minderheitenpartei SSW will das FAZ dieses Recht verbieten.

Abstrus ist die Ansicht, der SSW dürfe nur in Angelegenheiten der Minderheiten politisch aktiv werden. Damit will man die Minderheiten ins Ghetto drängen. Wussten Sie, dass die Parlamentarier der Südtiroler Volkspartei mit ihren Stimmen beispielsweise öfters die Regierung Andreotti stützten? Die SVP stimmte für die Ulivo-Regierungen, ging bei den Parlamentswahlen in Südtirol mit Mitte-Links auch ein Wahlbündnis ein. Laut Ihrer Logik müsste man also die SVP-Parlamentarier aus Rom abziehen, sofern es nicht direkt um Minderheitenangelegenheiten geht, und die Autonomie würde die Kompetenzen nur über Minderheitenbelange haben. Diese Logik führt auf eine politische Unterwerfung der Minderheiten. Genau deshalb, weil die ethnische Minderheit nie eine Mehrheit werden kann - anders als eine politische Partei - ist die Ausnahmeregelung ein absolutes Grundrecht.

Unsinnig ist auch die Ansicht, für die Befreiung von der Sperrklausel müsse die Minderheitenpartei sich auch minderheitenpolitische Ziele beschränken. Das ist die politische Entmündigung einer Minderheit, das ist die Einschränkung von Minderheitenrechten, die eines Rechtsstaates nicht würdig sind.

Das Kesseltreiben von CDU und FAZ zerstören die Grundlagen des gedeihlichen Zusammenlebens und gefährden die Toleranz. Ihr Kesseltreiben ist eine "Kriegserklärung" an den SSW. Wussten Sie, dass der SSW vor Jahren sich schützend vor die deutsche Minderheit in Dänemark stellte, als die dortigen konservativen Zeitung ( die dänischen FAZen) antideutschen Hass (www.gfbv.it/2c-stampa/1-00/20a-3-dt.html) schürten? Sie schüren gemeinsam mit der CDU antidänische Ressentiments.

Ein letzter Punkt: Der SSW strebt unverhüllt die Implementierung skandinavischer Modelle in Deutschland an - bis hin zur Haushaltspolitik, unterstellt die FAZ dem SSW und unterschlägt bewusst, dass es sich um das Bundesland Schleswig-Holstein handelt. Die Implementierung skandinavischer Modelle, ein gar nicht schlechtes Unterfangen. Die Haushalte der skandinavischen Staaten sind im Lot. Die skandinavische Schule erhielt bei der Pisa-Studie besten Noten, die deutsche Schule fiel aber unten durch. Auch deshalb, weil die von der CDU favorisierte Schule eine "Klassenschule" ist, die höhere soziale Herkunft belohnt. Freuen Sie sich also auf eine Erneuerung Schleswig-Holsteins durch den SSW.


Siehe auch:
* www.gfbv.it: www.gfbv.it/2c-stampa/2005/050329de.html | www.gfbv.it/2c-stampa/2005/050228ade.html | www.gfbv.it/2c-stampa/2005/050225de.html | www.gfbv.it/2c-stampa/1-00/20-3-dt.html | www.gfbv.it/2c-stampa/1-01/19-2-dt.html | www.gfbv.it/2c-stampa/2-00/19-9-dt.html | www.gfbv.it/2c-stampa/1-00/20a-3-dt.html | www.gfbv.it/3dossier/eu-min/schleswig.html | www.gfbv.it/3dossier/rai3-99/min-ausgrenz.html | www.gfbv.it/3dossier/vielfalt-dt.html

* www: www.geschichte.schleswig-holstein.de/vonabisz/daenischeminderheit.htm | www.bmi.bund.de/Internet/Navigation/DE/Ministerium/Beauftragte/BeauftragterFuerAussiedler/beauftragterFuerAussiedler__node.html | www.geschichte.schleswig-holstein.de/vonabisz/fuenfprozentklausel.htm | www.faz.net/s/Rub----.html | www.sydslesvigsk-forening.de | www.fuen.org/pages/deutsch/d_5a_2002.html | www.flensborg-avis.de

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