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Russland / Tschetschenien: Entschädigung für tschetschenischen Präsidenten

Urteil gegen Menschenrechtler ermutigt verbrecherischen Gewaltherrscher Kadyrow!

Bozen, Göttingen, Berlin, 7. Oktober 2009

Tschetschenienkrieg. Foto: Musa Sadullajew. Tschetschenienkrieg. Foto: Musa Sadullajew.

Die Verurteilung des Leiters der angesehensten russischen Menschenrechtsorganisation MEMORIAL, Oleg Orlow, zur Zahlung einer "Entschädigung" an den tschetschenischen Präsidenten Ramsan Kadyrow hat bei der Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV) große Enttäuschung ausgelöst. "Wie in einer Schmierenkomödie waren in Moskau die Rollen vertauscht: Auf der Anklagebank hätte nicht Orlow, sondern Kadyrow sitzen müssen", erklärte die GfbV-Referentin für die GUS-Staaten und Leiterin des Berliner GfbV-Büros, Sarah Reinke am Mittwoch. "Mit ihrem Urteil hat die Moskauer Justiz den Gewaltherrscher nur noch ermutigt." Denn die Liste der Verbrechen, für die Kadyrow verantwortlich sei, sei lang. Nach dem Mord an seiner tschetschenischen Mitarbeiterin Natalja Estemirowa am 15. Juli 2009 hatte Orlow Kadyrow mit dieser Bluttat in Verbindung gebracht. Deshalb soll der Menschenrechtler nicht nur rund 1.600 Euro Entschädigung zahlen, sondern seine Äußerung auch noch widerrufen.

Als Chef des Sicherheitsdienstes und Sohn des früheren Präsidenten Achmad Kadyrow habe Ramsan Kadyrow zahlreiche so genannte Säuberungen in tschetschenischen Städten und Dörfern durchführen lassen, berichtete die GfbV. Seine als "Kadyrowzy" bezeichneten, gefürchteten Einheiten hätten dabei mit äußerster Brutalität Zivilisten willkürlich geschlagen, verschleppt und ermordet, Häuser niedergebrannt und geplündert. Sowohl Kadyrow selbst als auch Angehörige seines Sicherheitsdienstes hätten Gefangene in den berüchtigten Haftanstalten - wie zum Beispiel in seinem Heimatort Tsenteroi - systematisch gefoltert, hätten internationale Menschenrechtsorganisationen nachgewiesen.

Auch im Ausland habe Kadyrow Angst und Schrecken verbreitet. Denn in den vergangenen Jahren seien sowohl in Russland als auch im europäischen Exil politische Flüchtlinge von Auftragskillern ermordet worden, die als Widersacher des tschetschenischen Präsidenten gelten. Der Verdacht, dass Kadyrow diese Morde in Auftrag gegeben habe, bestünde bis heute.

In Tschetschenien selbst habe Kadyrow ein verbrecherisches Regime errichtet, in dem gerade in den vergangenen Monaten die Gewalt erneut eskaliert sei. So müsse jede Familie um ihr Hab und Gut fürchten, wenn ein Angehöriger nur verdächtigt werde, er habe sich dem bewaffneten tschetschenischen Widerstand angeschlossen. Die Kadyrow unterstehenden Einheiten hätten bereits viele Häuser oder Höfe deshalb niedergebrannt. Nach den Morden an Natalja Estemirowa, Zarema Sadulaejwa und Umar Dschabrailow sei dort Menschenrechtsarbeit nicht mehr möglich. MEMORIAL hat seine Arbeit aus Angst um die Sicherheit der Mitarbeiter vorläufig eingestellt.