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Massaker an Pakistans Christen vor einem Jahr (30.7.2009)

Religiöse Minderheit ist schutz- und rechtlos - Blasphemie-Verbot schürt Gewalt

Bozen, Göttingen, 29. Juli 2010

In Brand gesetzte und zerstörte Häuser während der Unruhen in Gojra 2009. In Brand gesetzte und zerstörte Häuser während der Unruhen in Gojra 2009.

Die Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV) hat die sofortige Aufhebung der Blasphemie-Bestimmungen im Strafgesetzbuch Pakistans von der pakistanischen Regierung gefordert, um weitere willkürliche Angriffe auf Angehörige religiöser Minderheiten zu verhindern. Anlässlich des ersten Jahrestages eines Massakers an Christen in der Stadt Gojra (Provinz Punjab) verlangte die GfbV eine Bestrafung der Verantwortlichen der Gewalttaten und einen besseren Schutz für bedrängte Christen und die muslimische Minderheit Ahmadiyya. Bei dem Massaker, das am 30. Juli 2009 begann und mehrere Tage andauerte, brannten radikale Muslime Kirchen und mehr als 100 Häuser von Christen nieder. Neun Angehörige der Minderheit wurden ermordet. "Obwohl die Verantwortlichen der Verbrechen den Behörden bekannt sind, bleiben sie straflos, da die Provinzregierung die Hetze extremistischer Muslime deckt", erklärte GfbV-Asienreferent Ulrich Delius. Christen stellen weniger als zwei Prozent der 160 Millionen Bewohner Pakistans.

Gojra ist keine Ausnahme: "In einigen Regionen des Landes werden Gläubige wie Tiere behandelt, werden in Leibeigenschaft gehalten, bedroht, eingeschüchtert und Opfer von Gewalt oder Zwangsbekehrungen", kritisierte der katholische Publizist und führende Mitarbeiter der Pakistanischen Bischofskonferenz, Pater John Shakir Nadeem. Die Zahl der Zwangskonversionen von Christen nimmt weiter stark zu, stellte die Kommission für Gerechtigkeit und Frieden der Pakistanischen Bischofskonferenz im Juni 2010 fest. Im Jahr 2008 wurden 414 Fälle von Zwangsbekehrungen zum muslimischen Glauben dokumentiert.

Noch erschreckender ist jedoch die alltägliche Gewalt und Willkür, der Christen aufgrund des Blasphemie-Verbots ausgesetzt sind. Regelmäßig werden Christen oder Ahmadiyya willkürlich von Muslimen angezeigt, um Nachbarschaftskonflikte zu entscheiden oder missliebige Konkurrenten auszuschalten. Seit Inkrafttreten der Blasphemie-Bestimmungen im Jahr 1986 wurden 1.032 Verfahren angestrengt. Im Jahr 2009 wurden 8 Christen und 57 Ahmadiyya wegen Blasphemie vor Gericht gebracht. Den Beschuldigten droht die Todesstrafe. Allein die Anzeige aufgrund von Blasphemie ist unabhängig vom Ausgang des Verfahrens meist lebensbedrohlich. Am 19. Juli 2010 wurden zwei Brüder nach einem Blasphemie-Verfahren von Maskierten ermordet. Ihre Telefonnummer und Adresse waren auf einem fingierten Flugblatt gefunden worden, das den Koran verleumdete. Es ist offensichtlich, dass sie nicht die Autoren der Flyer waren, da kein Christ seine persönlichen Daten bei einer Gotteslästerung angeben wird.

Am 22. Juli 2010 wurde die Christin Zaibunnisa auf Anordnung des Obersten Gerichts freigelassen, da kein Tatverdacht mehr gegen sie besteht. Die heute 60jährige verbrachte 14 Jahre in Haft ohne ein ordentliches Gerichtsverfahren, weil sie der Blasphemie beschuldigt wurde.