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Darfur: Flüchtling in Unrechtsverfahren zum Tod verurteilt

Rechtlosigkeit und Willkür schüren Gewalt im Westen des Sudan

Bozen, Göttingen, 26. Oktober 2010

Flüchtlingskinder in einem Lager in Sam Ouandjam/Darfur. Foto: NR_UNHCR. Flüchtlingskinder in einem Lager in Sam Ouandjam/Darfur. Foto: NR_UNHCR.

Die Verhängung der Todesstrafe gegen einen Darfur-Flüchtling hat bei der Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV) Entsetzen ausgelöst. "Hussein Hassan Abdel Kareem ist am vergangenen Sonntag in einem Unrechtsverfahren im Sudan zum Tod durch Erhängen verurteilt worden, obwohl zahlreiche Augenzeugen seine Unschuld bekräftigten", berichtete der GfbV-Afrikareferent Ulrich Delius am Dienstag in Göttingen. "Mit einer derartigen Willkürjustiz wird keine Gerechtigkeit geschaffen, sondern nur weitere Gewalt geschürt." Der Flüchtling aus dem von 100.000 Vertriebenen bewohnten Lager Kalma in Süd-Darfur wird beschuldigt, die Ermordung eines Befürworters von Friedensgesprächen mit der sudanesischen Regierung geplant zu haben. Doch statt glaubwürdige Beweise vorzulegen, wurde das Todesurteil nur aufgrund von Aussagen des für notorische Folter bekannten sudanesischen Geheimdienstes verhängt.

"Mit dem drastischen Richterspruch wollen die sudanesischen Behörden die 2,7 Millionen Darfur-Flüchtlinge einschüchtern, unter denen Wut und Hoffnungslosigkeit immer mehr zunehmen", sagte Delius. "Das drakonische Urteil soll auch helfen, gegenüber der Weltöffentlichkeit die geplante, aber umstrittene Auflösung von Flüchtlingslagern zu rechtfertigen." Sudans Regierung möchte die während des Genozids Vertriebenen fernab von ihren Dörfern ansiedeln oder in kleinere Lager verlegen, um den Anschein von Frieden zu erwecken.

Rechtlosigkeit bestimmt das Leben der Menschen in Darfur. Seit mehr als zwei Jahren ermittelt ein Sonderstaatsanwalt auf Anweisung Khartums gegen Verantwortliche der seit 2003 verübten Verbrechen gegen die Menschlichkeit. Doch niemand wurde von ihm bislang vor Gericht gebracht.

Stattdessen nimmt die Gewalt von ehemaligen Janjaweed-Milizionären, die für den Völkermord an mehr als 400.000 schwarzafrikanischen Bewohnern Darfurs verantwortlich sind, weiter zu. Die inzwischen in die offiziell anerkannten und unterstützten "Popular Defense Forces" oder in die "Grenzwacht" integrierten Milizionäre werden verdächtigt, seit Mitte September 2010 mindestens fünf Morde oder Mordanschläge auf bekannte Persönlichkeiten in Darfur begangen zu haben. Glaubwürdige Ermittlungen der Strafverfolgungsbehörden gibt es bislang in keinem der Fälle.

Untätig schauen die Behörden auch zu, wie in Darfur die Gewalt zwischen arabischen Nomaden-Gruppen immer mehr zunimmt. So starben seit Januar 2010 mindestens 920 Rizeigat- und Missiriya-Nomaden bei Auseinandersetzungen um Weidegründe und Zugang zu Brunnen. Viele dieser verarmten Nomaden waren von der sudanesischen Armee als Janjaweed-Milizionäre angeworben worden, um die ansässige afrikanische Bevölkerung zu vertreiben oder zu vernichten. Doch auch der Völkermord an ihren Nachbarn hat die Lage dieser Nomaden nicht verbessert. Inzwischen wächst unter ihnen die Wut auf die Regierung des Sudan, die der Verarmung der Hirten tatenlos zuschaut und mit Waffenlieferungen Konflikte zwischen ihnen schürt.