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Ägypten

Afrikanische Flüchtlinge auf dem Sinai werden Opfer schwerster Menschenrechtsverletzungen - Beduinen gehen gegen illegalen Organhandel vor

Bozen, Göttingen, 15. November 2011

Grenze zwischen Ägypten und Israel. Grenze zwischen Ägypten und Israel.

Als "Hölle auf Erden" beschreibt die Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV) das Leben von Flüchtlingen aus Eritrea und Äthiopien, die auf ihrem Weg nach Israel auf der Sinai-Halbinsel in Ägypten Opfer schwerster Menschenrechtsverletzungen werden. Skrupellose Menschenhändler entführen, erpressen, vergewaltigen die Flüchtlinge oder lassen ihnen gewaltsam Organe entnehmen, um damit Profit zu machen, berichten die ägyptische Menschenrechtsorganisation "New Generation Foundation for Human Rights" aus der Sinai-Stadt El Arish sowie italienische und israelische Menschenrechtler. In den Menschenhandel verstrickt sind auch verarmte Beduinen.

Jetzt sind erstmals Beduinen des im Zentral-Sinai lebenden al Tiyaha-Clans gegen Menschenhändler vorgegangen. Sie lieferten sich am vergangenen Sonntag einen Schusswechsel mit dem al Nakhalwa-Clan und töteten einen Beduinen, den sie verdächtigten, in den Menschen- und Organhandel verwickelt zu sein. Seinen engsten Mitarbeiter überwältigten sie und übergaben ihn der Polizei.

Mindestens 200 eritreische Flüchtlinge sollen von Menschenhändlern unter unmenschlichen Bedingungen in Höhlen im Sinai festgehalten werden. Bis zu 20.000 Euro sollen ihre Angehörigen zahlen, um ihre weitere Flucht nach Israel zu ermöglichen. Überlebende berichten, dass festgehaltene Frauen und Männer in Ketten gehalten und regelmäßig vergewaltigt werden. Wenn Angehörige das Lösegeld nicht zahlen, werden Flüchtlinge ermordet und illegal Organe entnommen, um sie zu verkaufen. Bestätigt werden die erschreckenden Zeugenaussagen durch Funde ausgeweideter Leichen im Nord-Sinai. Mindestens 11.700 Flüchtlinge sind im Jahr 2010 über den Sinai nach Israel geflohen.

"Diesen erschreckenden Nachrichten über Verbrechen an wehrlosen Flüchtlingen auf dem Sinai muss sofort nachgegangen werden", erklärte der GfbV-Afrikareferent Ulrich Delius am Dienstag in Göttingen. "Um den Menschenhandel wirksam zu bekämpfen, muss mehr für die lange vernachlässigten Beduinen im Nord-Sinai getan werden. Ohne wirtschaftliche Entwicklung gibt es in der verarmten Region für sie kaum eine Alternative zum Schmuggel mit Gütern und Menschen."

Seit dem Zusammenbruch des Mubarak-Regimes in Ägypten im Februar 2011 hatten sich ägyptische Polizisten aus dem Nord-Sinai weitgehend zurückgezogen, so dass kriminelle Menschenhändler, Schmuggler, Beduinen und radikal-islamische Salafiten die Kontrolle über die Region übernehmen konnten. Beduinen im Nord-Sinai haben unter der Willkürherrschaft Mubaraks besonders gelitten. Mehrere tausend von ihnen wurden nur aufgrund ihrer ethnischen Abstammung verhaftet. Ägyptens neuer Innenminister bemüht sich nun um eine Annäherung an die Beduinen. Er will mehr als 1.000 Ureinwohner zu Polizisten ausbilden lassen. Beduinen bewachen nun auch die Erdgaspipeline nach Israel. "Dies sind erste wichtige Schritte, um die Rechtlosigkeit im Nord-Sinai zu beenden", sagte Delius. "Doch es sind noch mehr Hilfen für die Beduinen notwendig, um ihnen ein Leben in Würde zu ermöglichen und dem Menschenhandel Einhalt zu gebieten."