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Mali: Beginn des Bürgerkriegs vor einem Jahr (17.1.2012)

Ein Jahr Chaos in Mali - Ohne Zugeständnisse an Tuareg gibt es keinen dauerhaften Frieden

Bozen, Göttingen, 16. Januar 2013

Flüchtlinge aus Mali, im Flüchtlingslager von Goudebou in Burkina Faso. Foto: EC/ECHO/Anouk Delafortrie. Flüchtlinge aus Mali, im Flüchtlingslager von Goudebou in Burkina Faso. Foto: EC/ECHO/Anouk Delafortrie.

Anlässlich des Ausbruchs des Bürgerkriegs in Mali vor einem Jahr hat die Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV) daran erinnert, dass nicht radikale Islamisten, sondern ein Tuareg-Aufstand den Krieg auslösten. "Ohne maßgebliche Zugeständnisse an die Tuareg wird es auch keinen dauerhaften Frieden im Norden Malis geben", erklärte der GfbV-Afrikareferent Ulrich Delius am Mittwoch in Göttingen. "Nur am Verhandlungstisch kann der seit Jahrzehnten schwelende Konflikt gelöst werden." Seit Ende der Kolonialzeit im Jahr 1960 fordern Tuareg und andere im Norden des Landes lebende ethnische Gruppen ein Ende der Vernachlässigung ihrer Region und mehr Selbstbestimmung.

Malis Politiker verdrängen dies nur allzu gerne mit eilfertigen Anfragen nach immer mehr ausländischen Soldaten, die ihre Herrschaft sichern sollen. "Natürlich muss das Vordringen radikaler Islamisten gestoppt werden", erklärte Delius. "Dies darf aber nicht dazu führen, dass die wahren Ursachen der Unzufriedenheit in Nord-Mali erneut von Malis Politikern ignoriert werden und ihnen das Ausland dabei auch noch Hilfestellung leistet." Nachdrücklich muss die internationale Gemeinschaft darauf drängen, dass für Nord-Mali eine nachhaltige Friedenslösung gefunden wird und nicht nur die radikalen Islamisten verdrängt werden.

Mali schaut auf ein katastrophales Jahr zurück, in dem der zuvor als gefestigt geltende Staat innerhalb weniger Monate die Kontrolle über zwei Drittel seines Territoriums verlor. Die neuerliche Revolte der Tuareg, die schon in den 90er-Jahren für ihre Rechte gekämpft hatten, deutete sich schon vor dem Sturz von Libyens Diktator Gaddafi an. Die Rückkehr bewaffneter und militärisch gut ausgebildeter Tuareg aus Libyen heizte die Unzufriedenheit der Minderheit weiter an. Diese Tuareg waren keine Söldner Gaddafis, sondern hatten nach den Hungerkatastrophen in den 70er-Jahren in Libyen Zuflucht gesucht und sich in Gaddafis Armee jahrelang hochgedient. Nun mussten sie das Land verlassen, weil sie pauschal als "Söldner des Diktators" verdammt wurden. "Malis Politiker sehen sich gerne als Opfer des Umsturzes in Libyen, doch ihre Probleme mit den Tuareg sind hausgemacht", sagte Delius. So wurden Friedensvereinbarungen jahrelang nicht umgesetzt.

Mit einem Angriff auf die Stadt Menaka begann die Tuareg-Freiheitsbewegung MNLA (Nationale Bewegung für die Befreiung Azawads) am 17. Januar 2012 ihre Revolte. Angesichts des desolaten Zustands der malischen Armee erzielte die MNLA immer neue Geländegewinne. Der Militärputsch des Hauptmanns Amadou Sanogo am 21. März 2012 schwächte die Armee noch weiter und begünstigte entscheidend den Siegeszug der Aufständischen. Diese riefen am 6. April "Azawad", den ersten Tuareg-Staat in Afrika, aus. Im Frühsommer wurde die MNLA von radikalen Islamisten entmachtet, die fortan die Kontrolle über Nord-Mali übernahmen.

Inzwischen dürfte auch den meisten Tuareg bewusst sein, dass keine Regierung weltweit an einem unabhängigen Tuareg-Staat interessiert ist. Doch ohne mehr Selbstbestimmung für die Menschen im Norden des Landes im Rahmen des Staates Mali und ohne mehr Hilfen für ihre Region wird es keinen Frieden geben.