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Internationaler Tag der Muttersprache der UNESCO (21. Februar)

Hunderte Sprachen vom Aussterben bedroht - Positive Entwicklung bei Sprachen indigener Völker in Mittelamerika

Bozen, Göttingen, 20. Februar 2014

Poster des Internationalen Tages der Muttersprache der UNESCO. Poster des Internationalen Tages der Muttersprache der UNESCO.

Anlässlich des Internationalen Tages der Muttersprache macht die Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV) darauf aufmerksam, dass mehr als 600 Sprachen und Dialekte vom Aussterben bedroht sind. Weitere 1.800 von weltweit mehr als 6.000 Sprachen sind akut gefährdet. Die Gründe für ihre Bedrohung sind so vielfältig wie die Sprachen. Wachsende Mobilität, der Einfluss von Medien und die Vermischung von Sprachen können zur Folge haben, dass kleinere Sprachen verdrängt werden. Heutzutage kann eine Sprache verdrängt werden, weil sie ganz einfach von computer- und Handy- Softwares ignoriert wird. Die diese Sprache sprechenden Menschen werden so gezwungen, auf eine andere Sprache "umzusteigen". In Südamerika sind viele indigene Völker und ihre Sprachen durch Großprojekte bedroht. Der Bau von Staudämmen, die Betreibung von Bergbauminen und/oder von Plantagen zerstören systematisch den Lebensraum dieser ethnischen Gemeinschaften, zwingen die Menschen zur Migration und somit zur Auflösung ihrer Gemeinschaften und den darauffolgend Verlust ihrer Kultur uns Sprache. In anderen Staaten, wie Russland und China, werden viele kleinere Sprachen gezielt verdrängt, um die kulturelle und politische Entwurzelung von ethnischen Minderheiten und ihre Assimilation voranzutreiben.

Von den 170 Sprachen, die in der Russischen Föderation gesprochen werden, sind heute 131 gefährdet. Einer dieser Sprachen ist das in der Republik Mari El gesprochene Marisch. 42% der 700.000 Bewohner dieser an der Wolga gelegenen Republik sprechen noch Marisch, aber ihre Sprache und Kultur wird massiv unterdrückt. Fehlende Schulbüchern und Lehrer erschweren das Erlernen der Sprache ungemein. Nicht anders ergeht es den 11.000 indigenen Schoren im südsibirischen Kusbass, deren Muttersprache sehr gefährdet ist. Russland nimmt den möglichen Untergang ihrer Sprache nicht nur in Kauf, sondern betreibt systematisch die Assimilation der Minderheit. Die im Kaukasus lebenden Tscherkessen werfen den russischen Behörden vor, ihre Sprache zugunsten des Russischen zu verdrängen. In den Schulen kommen Tscherkessisch-Kurse häufig nicht zustande, da die festgelegte Mindestzahl von zehn Schülern nicht erreicht wird. Im Fernsehen werden nur einmal pro Tag für eine halbe Stunde Nachrichten in Tscherkessisch ausgestrahlt. Russland hat die "Europäische Charta der Regional- und Minderheitensprachen" bis heute nicht ratifiziert und die russische Politik verfolgt nicht die sprachliche und kulturelle Pluralität sondern eine systematische Assimilation ans Russische.

International brüstet sich China mit seinem angeblich zweisprachigen Erziehungsmodell in der Autonomen Region Xinjiang. China hat in den vergangenen zwei Jahrzehnten systematisch die chinesische Sprache in allen Bildungseinrichtungen als Hauptsprache eingeführt und das bis dato dominierende Uigurisch zunehmend verdrängt. Trotz des staatlich geförderten Zuzugs von Millionen Han-Chinesen sind noch immer 42 Prozent der Bevölkerung Xingjiangs Uiguren. Uigurische Sprachenrechtler, die sich für die Erhaltung ihrer traditionellen Sprache einsetzen, werden unter Druck gesetzt und verhaftet. In Europa sind circa 120 Sprachen bedroht, darunter sardinisch, Korsisch und Nordfriesisch.

Zum Glück weist der Schutz von Minderheitensprachen nicht nur schlechte Nachrichten auf, sondern auch einige positive Entwicklungen. Sprachen indigener Völker in Mexiko und Guatemala z.B. erleben eine neue Blütezeit. Regionale Fernsehsender strahlen in Maya-Sprachen aus und selbst die bei Fernsehzuschauern so beliebten "Telenovelas" werden in indigenen Sprachen produziert. 2003 hat Mexiko das Allgemeine Gesetz zu den Sprachrechten der Indigenen Völker (Ley General de Derechos Lingüísticos de los Pueblos Indígenas) verabschiedet. Darin werden die individuellen und kollektiven Sprachrechte aller Indigenen, die eine d 62 indigenen Sprachen, die als nationale Sprache anerkannt wurden, sprechen. Laut diesem Gesetz sind die anerkannten indigenen Sprachen wichtiger Teil des kulturellen und sprachlichen Erbes Mexikos.

Inzwischen wurde in Mexiko der Internetbrowser Firefox mit Erfolg in 30 indigene Sprachen übersetzt, unter ihnen Maya-Yucateco, Nahuatel, Zapotekisch und Wixarika. Dieses Projekt wurde mittlerweile auch um indigene Sprachen aus Ecuador, Guatemala und El Salvador ausgeweitet. Mit dieser modernen Kommunikationsform werden vor allem auch junge Menschen angesprochen, ihre traditionelle Sprache wieder aufleben zu lassen. Zudem fördert in Mexiko die staatliche "Nationale Kommission für die Entwicklung indigener Völker" indigene Radiosender, die zwölf Stunden am Tag zweisprachige Programme in Spanisch und einer der indigenen Sprachen ausstrahlen.

1979 hat das "Guatemaltekische Institut für Bildung via Radio" eine Radioschule gegründet, in der die Mayasprachen Q'eqchi' und Kaqchikel erlernt werden können. Die Radioschule startete mit nur 214 Schülern, inzwischen sind 42.000 Schüler und Studenten bei ihr eingeschrieben. Laut Heinrich Schultz, ehemaliger Vizepräsident der FUEV (Föderalistische Union Europäischer Volksgruppen), hat "die Sprache eine unmittelbare Verbindung zu der Kultur aus der man kommt. Deshalb ist es so wichtig, auch kleine Sprachen zu fördern. Denn der Verlust einer Sprache ist sogleich auch der Verlust einer Kultur".