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Bedrohtes Arzach

Aserbaidschan und die Türkei führen einen schmutzigen Krieg

Bozen, Göttingen, 6. Oktober 2020

Detailkarte von Bergkarabach. Wikipedia. Detailkarte von Bergkarabach. Wikipedia.

Die Menschen in der Republik Armenien und die Region Arzach (Berg-Karabach) in Aserbaidschan sind die Nachfahren der Überlebenden des Völkermords der Jung-Türken an den Armeniern. Im Ersten Weltkrieg verübten die türkischen Nationalisten und ihre kurdischen Helfershelfer den ersten systematischen Genozid des 20. Jahrhunderts. Seitdem gibt es in der Türkei kaum mehr Armenier. Sie stellen eine verschwindende Minderheit in der heutigen islamistischen Türkei. Jetzt bedroht diese Türkei die Region Arzach in der turkmenisch-islamischen Republik Aserbaidschan. Eine Fortsetzung des Genozids der Jung-Türken? Um was geht es in Arzach? Darüber schreibt die deutsche Soziologin und langejährige GfbV-Mitarbeiterin Tessa Hofmann:

In Karabach - Armenisch Arzach - kämpfen nicht zwei Staaten miteinander, sondern eine Region um die Bewahrung ihrer Unabhängigkeit. Es handelt sich um die Unvereinbarkeit zweier Völkerrechtsgrundsätze: des nationalen Selbstbestimmungsrechts sowie des Schutzes territorialer Integrität. Aber sind die Ansprüche des erst 1918 entstandenen Staates Aserbaidschan auf Karabach historisch und völkerrechtlich gerechtfertigt?

Der Konflikt entstand nicht "erst" vor 32 Jahren, sondern nach dem Ersten Weltkrieg, als sich die Pariser Friedenskonferenz hinsichtlich Karabachs nicht dauerhaft festlegen wollte. Die Sowjetmacht versprach zwischen Dezember 1920 und Juni 1921 zunächst Sowjetarmenien die Regionen Nachitschewan und Karabach, letzteres zu über 90 Prozent von Armeniern bevölkert. Dann schlug Moskau beide Gebiete auf Drängen der kemalistischen Türkei im Juli 1921 Aserbaidschan zu. Gerade Deutsche müssten gut verstehen, dass über Jahrzehnte bei den von Armenien abgetrennten Karabach-Armeniern einen starken Vereinigungswillen bestand, der sich in der Reformperiode 1988 in einer Massenbewegung unter der Losung "Miazum!" ("Vereinigung") Bahn brach. Doch der Antrag des Obersten Sowjets von Berg-Karabach, aus Aserbaidschan entlassen und Armenien angegliedert zu werden, scheiterte.

Als sich im September 1991 Karabach von Aserbaidschan lossagte, reagierte dies mit dem Versuch einer militärischen Rückeroberung. Dieser unerklärte Krieg kostete 40.000 Menschen das Leben, davon 23.000 Armenier, überwiegend Zivilisten. Befriedet wurde der Konflikt nie. Seit 2012 wiederholt Aserbaidschan, unterstützt vom Erdogan-Regime, seine Rückeroberungsversuche. Im Unterschied zur Türkei, die Nordzypern als Staat anerkannte, hat Armenien bis heute weder die Anerkennung der Republik Arzach gewagt, geschweige denn deren Anschluss.