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Indonesien / Aceh

Gewalt, Unterdrückung, Korruption

Von Ulrich Delius

Der damalige Sicherheitsminister und heutige Staatspräsident Susilo Bambang Yudhoyono beschrieb 2001 die Gemütslage vieler Menschen in Aceh zutreffend: "Unsere Brüder und Schwestern in Aceh wollen Respekt, Gerechtigkeit und Wohlstand." Bis heute wird dies in Indonesien verweigert. Seit 1976 kämpft die Bewegung für ein freies Aceh (GAM) mit Waffengewalt für einen unabhängigen Staat Aceh. Schon im 19. Jahrhundert hatten sich die Acehnesen gegen ihre Einverleibung in das holländische Kolonialreich gewehrt. Doch auch nach der Unabhängigkeit Indonesiens 1945 wurde Aceh die versprochene Autonomie verweigert. Nach Beginn der Militärdiktatur unter Präsident Suharto 1965 nahm die Repression weiter zu. Die Probleme in Aceh eskalierten, als 1971 der Ölkonzern Mobil in Zusammenarbeit mit dem Staatskonzern Pertamina mit der Erschließung von Erdgasvorkommen begann. Die Erdgasförderung bescherte der Zentralregierung Milliarden-Einnahmen, Aceh jedoch profitierte nicht davon. Als die ökologischen Folgen der Förderung immer schwerwiegender wurden, gründeten Acehnesen 1976 die Freiheitsbewegung GAM.

Der Krieg eskalierte in den 90er Jahren, nachdem das indonesische Militär massiv auf Überfälle der GAM gegen Polizei- und Militärposten reagierte. Ohne Rücksicht auf die Zivilbevölkerung erklärte die indonesische Regierung Aceh zum Kriegsgebiet und ordnete einen brutalen Antiguerilla-Krieg an. Mehr als 2.000 Zivilisten wurden dabei allein zwischen 1989 und 1993 getötet, mehr als 500 verschwanden. Jahre später wurden unzählige Massengräber gefunden, in denen Zivilisten verscharrt worden waren. Zehntausende Acehnesen wurden willkürlich verhaftet und gefoltert, Vergewaltigungen waren in den Verhörzentren weit verbreitet. Nahezu jede Familie in Aceh hatte Tote, Verschwundene oder Gefolterte zu beklagen. Angesichts der Repression von Armee und Bereitschaftspolizei konnte die GAM auf immer mehr Unterstützung aus der Zivilbevölkerung zählen, obwohl auch die Freiheitsbewegung immer wieder die Menschenrechte verletzte. So nahmen 1999 rund 500.000 der vier Millionen Bewohner Acehs an Massenprotesten der GAM in der Provinzhauptstadt Banda Aceh teil.

Auch nach dem Sturz von Diktator Suharto 1998 setzte die Armee ihre Kriegführung fort. Menschenrechtler, Journalisten und Mitarbeiter von Hilfsorganisationen wurden von Soldaten systematisch eingeschüchtert und oft auch Opfer von Übergriffen. Besonderes Entsetzen löste die Ermordung des international bekannten Menschenrechtlers Jafar Siddiq Hamzah im Jahr 2000 aus. Sein verwesender Leichnam, der Spuren von Folter und Verstümmelungen aufwies, wurde in der Nähe der Stadt Medan gefunden. Tausende Soldaten wurden von Indonesien in die Unruheprovinz entsandt, um die Erdgas- und Erdölförderung zu sichern. Militärs erhielten im Gegenzug für ihre Sicherheitsdienste Millionen Dollar von Energiekonzernen. Zwar entschuldigte sich die demokratisch gewählte Regierung Indonesiens nach dem Sturz des Diktators für die begangenen Verbrechen, doch auf eine juristische Aufarbeitung der Verantwortlichen warten die Angehörigen der Opfer bis heute. Seit 1976 starben in dem Konflikt mindestens 12.000 Menschen. Bis heute sind Zivilpersonen am meisten gefährdet: Sie werden von der Armee pauschal der Unterstützung der GAM beschuldigt, die Freiheitsbewegung wiederum verdächtigt sie der Kollaboration mit den Militärs. Für das Militär ist die Zivilbevölkerung so suspekt, dass kürzlich sogar vorgeschlagen wurde, ungefähr 200.000 Zivilisten aus ihren Dörfern umzusiedeln und in Lagern zu konzentrieren.

Auch unter den demokratischen Regierungen Indonesiens hielt der Terror gegen die Zivilbevölkerung an. Auch Umweltschützer und Biologen werden immer wieder Opfer von Übergriffen der Armee. Ein im Dezember 2002 von der Europäischen Union, der USA und Japan vermittelter Waffenstillstand in Aceh brach im April 2003 zusammen, nachdem Indonesien die GAM entgegen den Waffenstillstandsbestimmungen ultimativ aufgefordert hatte, Indonesiens Souveränität über Aceh anzuerkennen. Die GAM lehnte ab. Staatspräsidentin Megawati Sukarnoputri verhängte daraufhin am 18. Mai 2003 das Kriegsrecht über die Provinz und ordnete die Entsendung von 40.000 Soldaten an, um die 5.000 GAM-Kämpfer zu vernichten. Auch zahlreiche Menschenrechtler wurden willkürlich verhaftet. Internationalen Menschenrechts- und Hilfsorganisationen sowie ausländischen Journalisten wurde die Einreise verweigert. Nur von den Militärs handverlesene indonesische Journalisten durften in die Provinz reisen und über die Intervention im Sinne der Armee berichten. Die GfbV deckte im Mai 2003 auf, dass beim Transport der Interventionstruppen nach Aceh vertragswidrig auch sieben Landungsschiffe der ehemaligen Nationalen Volksarmee der DDR eingesetzt wurden, die 1991/92 von der Bundesrepublik Deutschland an Indonesien verkauft worden waren. Vergeblich hatte die GfbV Bundeskanzler Gerhard Schröder vor seinem Indonesien-Besuch im Mai 2003 gebeten, den Einsatz der ehemaligen NVA-Schiffe in Aceh zu verhindern. Als Wochen später das Fernsehmagazin "Monitor" die Vorwürfe aufgriff, tat die Bundesregierung überrascht.

Zwanzig Monate nach Beginn der Intervention ist die Armee heute weiter denn je zuvor von ihrem Ziel entfernt, die Freiheitsbewegung zu zerschlagen. Zwar kündigte Staatspräsident Susilo Yudhoyono an, er werde sich besonders um Frieden in Aceh bemühen. Yudhoyono war bei der Vermittlung des Waffenstillstandes im Dezember 2002 hilfreich gewesen. Doch nach der Flutkatastrophe ignorierte die indonesische Armee die Friedensappelle des eigenen Staatspräsidenten und erklärte, die militärischen Aktionen gegen die GAM fortsetzen zu wollen. Die indonesische Armee hat kein Interesse an einem Frieden in Aceh, da sie vom Zugriff auf die rohstoffreiche Provinz profitiert: Offiziere bereichern sich bei der Plünderung der Wälder, dem Handel mit Marihuana sowie bei der Sicherung der Erdöl- und Erdgasförderung. Der Aceh-Konflikt wird von der Armee auch benutzt, um die Politikern und der Öffentlichkeit glauben zu machen, dass ohne den Einsatz der Streitkräfte die territoriale Integrität des Staates gefährdet sei. Ohne Frieden ist aber jeder Wiederaufbau zum Scheitern verurteilt.

Aus pogrom-bedrohte Völker 229 (1/2005)


Siehe auch:
* www.gfbv.it: www.gfbv.it/3dossier/asia/flut.html | www.gfbv.it/3dossier/asia/burma/burma-1.html | www.gfbv.it/3dossier/asia/burma/burma.html | www.gfbv.it/3dossier/asia/westpapua.html | www.gfbv.it/2c-stampa/2005/050119de.html | www.gfbv.it/2c-stampa/2005/050103ade.html | www.gfbv.it/2c-stampa/04-1/041119de.html | www.gfbv.it/2c-stampa/04-1/041105ade.html

* www: www.gfbv.de/land.php?id=158 | Freeburma.org | www.gfbv.de/land.php?id=12 | Burma Action Group | www.burmaproject.org

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