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Indianer Nordamerikas

Unlautere Absichten: US-Regierung versucht Ureinwohner um ihr Geld zu bringen

Mathias Rodatz

Seit Ende des 19. Jahrhunderts wird das Land der nordamerikanischen Ureinwohner "treuhänderisch" verwaltet. Durch den "General Allotment Act" (Allgemeines Gesetz der Zuteilung von Land) wurde jedem einzelnen Ureinwohner ein bestimmtes Stück Land zugewiesen, welches allerdings durch das Innen- und das Finanzministerium, genauer durch das Bureau of Indian Affairs, verwaltet werden sollte. Dabei übernahm der "Treuhänder" die volle Verantwortung auch für die wirtschaftliche Nutzung des Landes, das beinhaltete ausdrücklich die direkte Ausbezahlung der Gewinne an die eigentlichen Besitzer. Trotz profitabler Nutzung durch Holzgewinnung, Gas-, Erz- und Ölförderung, gingen auf die Konten der eigentlichen Besitzer jedoch stets nur Pfennigbeträge ein.

Als Elouise Cobell, die dem Blackfeet-Stamm in Montana angehört, 1996 den geringen Zahlungen auf ihr Konto nachging, bekam sie bei keiner der verantwortlichen Stellen auch nur annähernd eine brauchbare Auskunft. Aufgestachelt durch das Verhalten der Behörden, reichten Sie eine Sammelklage von schätzungsweise 500.000 Individuen vor dem U.S. Amtsgericht Washington ein - sowohl um die eigentlichen Gewinne einzutreiben, als auch um eine generelle Reform der Treuhandverwaltung zu erreichen. Im Laufe des ersten Prozesses, bei dem es um diese Reform ging, stellte Richter Royce Lamberth eine "finanzwirtschaftliche und politische Verantwortungslosigkeit unglaublichen Ausmaßes" fest. Weder das zuständige Innenministerium noch das Finanzministerium hätten eine Ahnung über die Anzahl von individuellen Treuhandberechtigten, geschweige denn über die Höhe des wirklich zustehenden Betrages. 1999 urteilte das Gericht also, die Regierung hätte ihre treuhäderische Pflicht den Ureinwohnern gegenüber verletzt, für eine Reform des Systems gab es einen Zeitrahmen von fünf Jahren vor. Gleichzeitig verlangte es die uneingeschränkte Darlegung aller vorhandenen Daten der beiden zuständigen Ministerien. Das Gericht veranlaßte die Überwachung der Ministerien beim Zustandekommen der Reform, laut erstem Bericht im Juli 2000 - 19 Monate nach dem Urteil und nach gescheiterter Revision vor dem U.S. Revisionsgericht in Washington - war noch nichts passiert. Die bisherigen Anstrengungen wären von "unrealistischen Annahmen und Ausflüchten" geprägt gewesen.

Neben der eigentlichen Ungeheuerlichkeit der bloßen Existenz dieses "Treuhandsystems" ist auch das Verhalten der beteiligten Behörden während des Gerichtsverfahrens und in der Folge geradezu skandalös. Wie Anwälte der Regierung am 10. August 1999 zugaben, hatten Mitarbeiter des Finanzministeriums 162 Aktenordner mit relevanten Materialien zerstört, während gleichzeitig vor Gericht beteuert wurde, man suche nach diesen Akten. Nach Verkündung des Urteils sind nach und nach mehr Unregelmäßigkeiten der Regierungsseite ans Tageslicht gekommen. Unter anderem erklärte Mona Infield, Mitarbeiterin des Ministeriums für Inneres, im Oktober 2000 vor Gericht, daß ein höherer Beamter ihres Ministeriums in dem Gerichtsverfahren 1999 Falschaussage begangen habe. Der Gruppe um Elouise Cobbel berichtete sie, daß sie von ihrem Arbeitgeber unter Druck gesetzt worden sei, woraufhin eine Beschwerde vor Gericht eingereicht wurde. Der eingesetzte Beobachter des Gerichtes, Alan Balaran, spricht von einem "außer Kontrolle geratenen System". Im Februar 2000 legte Balaran dann Beweismaterial gegen zehn höhere Mitarbeiter des Innenministeriums vor, die versucht hatten die Zeugin Mona Infield unter Druck zu setzen. Auch nach wiederholten Anordnungen des Gerichtes fand weiterhin Vernichtung von Beweismaterial statt: Akten verbrannten, Sicherungsbänder wurden zerstört, es wurden sogar Akten nicht zur Einsicht freigegeben, weil sie "mit einem Nagetiervirus kontaminiert" seien. "Ich bin seit 27 Jahren Anwalt, aber so etwas habe ich noch nie erlebt. Unterlagen werden willkürlich zerstört und die Anwälte und Prozessierenden lügen ungeniert vor Gericht," klagt Dennis Gingold, Hauptanwalt der Sammelkläger. Schließlich stellt im August 2001 auch eine Abteilung des Justizministeriums "Mangel an gutem Willen, Vertuschung und Amtsvergehen" fest und kündigt einen ausführlichen Bericht an.

Schon die vorliegenden Tatsachen hinterlassen zumindest den Eindruck, hier solle wieder einmal systematisch ein an amerikanischen Ureinwohnern begangenes Unrecht verdunkelt werden. Nach Schätzungen Cobells und ihrer Mitkläger geht es um Zahlungen zwischen 10 und 20 Milliarden Dollar. Das Finanzministerium geht allerdings nur von 2,4 Milliarden Dollar aus, angesichts der immensen Kosten des Verfahrens, läßt sich allerdings vermuten, daß dieses eine rein taktische Aussage ist. "Indem sich die Regierung einer Einigung widersetzt, entstehen Tag für Tag ungefähr 160.000 Dollar Kosten, das ergibt 2,5 Milliarden Dollar im Jahr, die aus der Staatskasse bezahlt werden müssen", so Cobell in einem Radiointerview Anfang dieses Jahres. Die kompliziertere zweite Gerichtsverhandlung um die Höhe der ausstehenden Zahlungen steht noch bevor, ein Termin ist noch nicht festgesetzt.

Ob es nun einzelne Mitglieder der Ministerien sind oder ein systematischer Vertuschungsversuch, durch das Verhalten der Regierung vor Gericht wird weder zur Wiedergutmachung des geschehen Unrechts beigetragen, noch wird sinnvoll mit Steuergeldern umgegangen. Und leider hat sich auch mit der Bush-Administration nichts am Verhalten der Behörden geändert - obwohl diese Verbesserungen angekündigt hatte.

Weitere Informationen, sowie die Möglichkeit zur Unterstützung, finden sich auf der Homepage der Klägergemeinschaft: www.indiantrust.org, oder www.itmatrustfunds.org/index.cfm, www.restoringamerica.org/archive/elected/lack_of_trust.html.

Mathias Rodatz studiert Politologie und hat ein Praktikum bei der GfbV absolviert. Aus "pogrom / bedrohte Völker" (Nr. 220 - 4/2003).


Siehe auch:
* www.gfbv.it: www.gfbv.it/3dossier/ind-nord/shoshone.html | www.gfbv.it/2c-stampa/02-2/020513de.html | www.gfbv.it/3dossier/diritto/ilo169-conv-dt.html | www.gfbv.it/3dossier/linkgfbv.html

* www: www.nativeweb.org | www.cwis.org | www.itmatrustfunds.org/index.cfm

Letzte Aktual.: 3.10.2003 | Copyright | Suchmaschine | URL: www.gfbv.it/3dossier/ind-nord/indtrust.html | XHTML 1.0 / CSS | WEBdesign, Info: M. di Vieste
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