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Honduras / Berta Cáceres und Lesbia Yaneth Urquía

Wenn Widerstand lebensgefährlich wird

Von Yvonne Bangert

Bozen, Göttingen, Juli 2016

Es gibt Frauen, die ihr Leben riskieren, wenn sie für das Recht ihrer Gemeinschaft auf Menschenwürde, eigenes Land, eine intakte Umwelt oder ungehinderte Ausübung ihrer Religion eintreten. Berta Cáceres und Lesbia Yaneth Urquía waren zwei von ihnen.

Für ihren Einsatz musste Berta Cáceres mit ihrem Leben bezahlen. Foto: Prachatai/Flickr BY-NC-ND 2.0. Für ihren Einsatz musste Berta Cáceres mit ihrem Leben bezahlen. Foto: Prachatai/Flickr BY-NC-ND 2.0.

"Wir müssen den Kampf in allen Teilen der Welt auf uns nehmen, wo immer wir sind, denn wir haben keinen zweiten Planeten in Reserve. Wir haben nur diesen einen und deshalb müssen wir aktiv werden", wird die Umwelt- und Menschenrechtsaktivistin Berta Cáceres vom Volk der Lenca in Honduras am 4. März in der Online-Ausgabe des Guardian zitiert. Für solche Worte braucht man in Honduras viel Mut. Denn in diesem Land ist es extrem gefährlich, sich für die Umwelt oder für Menschenrechte einzusetzen, besonders wenn man zu einer der neun indianischen und afro-honduranischen Minderheiten gehört. Seit 2010 kamen in Honduras weit mehr als 100 Aktivisten ums Leben.

Berta Cáceres war bereits mehrfach bedroht worden. Sie wusste, dass ihr Name auf einer Todesliste stand. Deshalb schlief die Mutter von vier Kindern auch nicht mehr in ihrer eigenen Wohnung, sondern bei Verwandten. Die Interamerikanische Menschenrechtskommission der Organisation Amerikanischer Staaten (OAS) hatte von Honduras Maßnahmen zu ihrem Schutz gefordert. Aber der honduranische Staat blieb untätig. Berta Cáceres hat ihr Engagement mit dem Leben bezahlt. Am 3. März 2016 wurde sie von bislang unbekannten Tätern erschossen.

Besonders bekannt war Berta Cáceres, Generalkoordinatorin des Zivilen Rates der Indigenen Organisationen von Honduras (COPINH), wegen ihres Widerstands gegen den Staudammkomplex Agua Zarca am Rio Negro in Honduras. Dafür zeichnete die US-amerikanische GoldmanStiftung die mutige Aktivistin im April 2015 mit dem Goldman-Umweltpreis aus.

"Unter tiefem und aufrichtigem Schmerz informieren wir über die niederträchtige Ermordung unserer Gefährtin, Mutter, Lehrerin, Schwester, Anführerin und Freundin Berta Cáceres, Gründerin des COPINH", heißt es in einer Pressemeldung von COPINH. "Unsere Berta wurde durch die Kugeln der Ungerechtigkeit, durch den Hass und den Rassismus ermordet, der unser Land regiert. Heute beweinen wir ihren Tod, so wie den Tod der anderen Gefährten, die in der Verteidigung des Flusses Gualcarque und der natürlichen Gemeingüter der Gemeinschaft der Lenca gestorben sind. Ihr Leben war das einer Kämpferin, das einer Kriegerin, die ohne Angst den unmoralischen Mächten dieses kapitalistischen, ausbeuterischen und unmenschlichen Systems entgegengetreten ist. (...) Die Drohungen gegen Berta und die anderen Mitglieder der Organisation wurden immer national und international angezeigt. Dennoch haben die honduranischen Institutionen alles unternommen, um Gerechtigkeit zu verweigern und die Existenz des COPINH zu verleugnen. Die Gefährtin Berta stand unter vorbeugenden Schutzmaßnahmen des Interamerikanischen Gerichtshofes für Menschenrechte und dennoch wurde ihre Ermordung nicht verhindert."

Ungeachtet der grossen internationalen Aufmerksamkeit, die der Morrd an Berta bewirkt hat, wird nur wenig später am 19. März 2016 ein weiterer Aktivist des COPINH, Nelson García, mit drei Schüssen ins Gesicht ermordet. Jetzt erst kündigen die Entwicklungsbanken FMO aus den Niederlanden und FinnFund aus Finnland an, sämtliche Aktivitäten in Honduras sofort zu stoppen und alle laufenden Zahlungen zu stornieren. In einem offenen Brief fordern verschiedene NGOs, dass sich auch die deutschen Konzerne Siemens und Voith unverzüglich aus Honduras und dem Augua Zarca-Projekt zurückziehen. Das Unternehmen Siemens ist über die Firma Voith Hydro als Turbinenlieferant an dem Staudammprojekt Agua Zarca beteiligt, das zwar günstige Energie für Bergbau und Minen bereitstellt, aber gleichzeitig die Wasserzufuhr zum Gualcarque abschneidet. Dieser Fluss ist die Lebensgrundlage der Lenca, der größten indigenen Gemeinschaft in Honduras. Ihr Gebiet ist aufgrund massiver Wirtschaftsinteressen schon lange dem Raubbau ausgesetzt. Die Indianer selbst haben davon keinen Nutzen. Berta Cáceres kämpfte dafür, dass sich das ändert.

Zwei Monate nach der Bluttat kam es in Honduras zu ersten Verhaftungen. Die Kinder von Berta Cáceres, ihre Mutter und COPINH forderten daraufhin, dass eine internationale und unabhängige Expertenkommission der Interamerikanischen Menschenrechtskommission an der Untersuchung des Mordes mit beteiligt werden sollte. Es müsse sichergestellt sein, dass auch die Auftraggeber des Mordes zur Rechenschaft gezogen werden, nicht nur jene, die den Finger am Abzug hatten. Bertas Angehörige beklagten, von den Untersuchungsergebnissen lediglich aus der Presse erfahren zu haben. "Da man uns das uns zustehende Recht verweigert hat, von Anfang an an den Untersuchungen beteiligt zu sein, wissen wir nicht, ob diese Verhaftungen Ergebnis ausführlicher und sorgfältiger Untersuchungen sind und ob sie auch die Auftraggeber des Mordes einschließen. Dem Verdacht, dass aktive und im Ruhestand befindliche Militärangehörige mit Verbindungen zum Bauunternehmen DESA beteiligt waren, sollte weiter nachgegangen werden; er lässt eine Verstrickung staatlicher Akteure vermuten, was schon allein Grund genug sein sollte, das Agua-Zarca-Projekt unverzüglich auszusetzen", fordern Bertas Mitstreiter.

Vier Monate nach der Ermordung von Berta Cáceres und Nelson García beweint COPINH ein weiteres Opfer. Wieder ist es eine Frau. Lesbia Yaneth Urquía Urquía war 49 Jahre alt, Mutter von drei Kindern und setzte sich seit 2009 für die Rechte der indigenen Bevölkerung von Honduras ein. Sie protestierte gegen die Privatisierung und Ausbeutung des Landes der Lenca und vor allem widersetzte sie sich dem Bau des Staudamms Aurora I in der Gemeinde von San José, La Paz. Denn wieder soll ein Staudammkomplex auf dem Gebiet der Lenca gebaut werden und wieder soll dies auf Kosten der indigenen Bevölkerung geschehen. Lesbia Yaneth Urquía verschwand am 5. Juli 2016 und wurde am Tag darauf auf einer Müllhalde von Marcala, westlich der Hauptstadt Tegucigalpa, tot aufgefunden.

Vier Kugeln brachten Berta zum Schweigen, Lesbia wurde mit einem Machete ermordet. Doch der Kampf ihrer Gefährten gegen Ungerechtigkeit und Profitgier geht ungebrochen weiter. Wir dürfen sie in diesem Kampf nicht allein lassen.

Aus pogrom-bedrohte Völker 293 (2/2016)