Ethnische Minderheiten und Regionale Autonomien

Sorvisc publich radiotelevisîf y mëindranzes linguistighes
Öffentlich - rechtlicher Rundfunk und Minderheiten

Referat von Lois Trebo anläßlich der Tagung Minderheiten und öffentlich-rechtlicher Rundfunk
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Bozen, 18.-20. März 1999
INHALT
Größeres Prestige der Ladiner ** Assimilierungsgefahr durch anderssprachige Medien? ** Pro Memoria und Petitionen Aufgabe der öffentlichen Dienste ** Die neue Konvention der RAI ** Eigene Frequenz und Kulturförderungsgesetz

Die RAI und die ladinische Volksgruppe

Über die Probleme der Minderheiten in Südtirol ist seit der Abtretung des Landes an Italien 1919 viel und oft gesprochen und debattiert worden. Inzwischen ist vieles erreicht worden, denkt man an die deutsche Volksgruppe Südtirols, die heute eine sehr gute Autonomie verwalten kann. Für die Ladiner Südtirols sieht die Lage nicht so rosig aus, die Fassaladiner haben etwas erreicht, die Ladiner in der Provinz Belluno sind weder als Minderheit anerkannt noch genießen sie irgendwelche Schutzmaßnahmen.

1. Größeres Prestige der Ladiner:

Die ladinische Volksgruppe hat in letzter Zeit allgemein an Ansehen gewonnen, ihr Prestige ist gestiegen, sie hat ein größeres Selbstbewußtsein an den Tag gelegt und sie ist stolz auf ihre Identität. Diese muß stets gefördert werden, denn ohne das Bewußtsein einer starken Identität ist das Leben einer Minderheit auf Dauer gefährdert. Die Pflege einer gemeinsamen ladinischen Identität bleibt die immerwährende Aufgabe der Ladiner, wollen sie als Volk bestehen. Die Sprache einer Minderheit ist stets von jener der größeren Nachbarn bedroht; damit muß die Minderheit leben, aber sie muß entsprechende Abwehrmaßnahmen treffen können,damit sie der Assimilierung nicht in den Schoß fällt. Die Minderheitensprache muß den anderen Sprachen auf jedem Gebiet völlig gleichgestellt werden. Sie muß für die Volksgruppe eine nützliche Sprache sein, ja die Brotsprache werden. Der ladinischen Sprache muß der Status einer normalen, gleichwertigen und gleichberechtigten Sprache anerkannt werden.

2. Assimilierungsgefahr durch anderssprachige Medien?

Es ist erwiesen, daß die Massenmedien das geeignetste Mittel darstellen, die Sprache zu verbreiten und zu festigen. Fremdsprachige Medien bombardieren Tag und Nacht die ladinischen Haushalte; die ladinische Sprache ist dadurch bedroht, weil diese Medien ihr viel Substanz wegnehmen und Ladinisch in den Massenmedien viel zu wenig präsent ist. Im alltäglichen Gespräch mit der ladinischen Bevölkerung merkt man deutlich die Zersetzung des Ladinischen mit Fremdwörtern und fremden Satzkonstruktionen, die sich immer mehr einnisten und ausbreiten. Dieser negative Einfluß auf die Sprache wird auch in den Beiträgen der ladinischen Massenmedien vor Augen geführt. Die Sendungen beeinflussen in außerordentlichem Maße die Sprache und prägen ausschlaggebend die Verhaltensweise der betroffenenen Bevölkerung.

Viel besser geförderte ladinische Medien könnten für eine bessere Absicherung der Sprache von Nutzen sein. Aus dem Grunde bräuchten die Ladiner ein stark erweitertes ladinisches Programmangebot im Rundfunk, vor allem während der wichtigsten Sendezeiten zu den verschiedenen Tageszeiten und tägliche ladinische Programmeinheiten zu günstigen Sendezeiten im Fernsehen, was für die Wahrung und die organische Entfaltung der für die Ladiner ersten Landessprache vordringlich ist. Solche Maßnahmen könnten dem zunehmenden Sprachschwund und dem schleichenden Sprachgebietsverlust Ladiniens entgegenwirken. Experten sind der Meinung, daß Spracherhaltung ohne ein ladinisches Parallelprogramm neben dem deutsch- und italienischsprachigen Programmangebot auf die Dauer unmöglich ist. Den beiden anderen Volksgruppen stehen ja Rundfunk- und Fernsehsendungen in ihrer Muttersprache Tag und Nacht in reicher Auswahl zur Verfügung.

3. Pro Memoria und Petitionen

Vor 53 Jahren haben die ladinischen Rundfunksendungen begonnen und erst vor elf Jahren jene im Fernsehen, obwohl das entsprechende Gesetz für ein ladinischsprachges Fernsehen im Jahre 1975 verabschiedet worden war. Trotz der vielen Petitionen und Eingaben durch die ladinischen Bürgermeister und verschiedener Kulturvereine und Politiker ist bis heute eine großzügige Ausweitung der ladinischen Sendezeiten gekoppelt mit einer entsprechenden Personalaufnahme kaum erfolgt. Die RAI stellt heute den Ladinern jährlich 352 Stunden im Rundfunk sowie 39 Stunden im Fernsehen zur Verfügung, wofür die Ladiner dankbar sind, nur reicht dies bei weitem nicht aus, um der ladinischen Sprache jenen Stellenwert einzuräumen, den eine bedrohte Sprache einfordern muß.

Die Ladiner können nicht einmal eine ganze Stunde am Tag ihre Sprache im Rundfunk hören. Zum Vergleich sei angeführt, daß die Rätoromanen Graubündens 14 Stunden am Tag romanische Sendungen und 76 Stunden im Jahr romanische Fernsehsendungen haben.

4. Aufgabe der öffentlichen Dienste

Die RAI als öffentliche Anstalt zur Förderung der sprachlich - kulturellen Eigenheiten der Volksgruppen ist verpflichtet, der Minderheit jene Struktur zur Verfügung zu stellen, welche es ihr erlaubt, in immer stärkerem Maße mit den anderen Volksgruppen sprachlich gleichzuziehen. Die öffentlichen Dienste sind verpflichtet, alles in Bewegung zu setzen, um die Minderheit in ihrem Stammgebiet mit entsprechenden sprachlich - kulturellen Angeboten vor einer Assimilierung zu schützen. Die Minderheit selber muß bestimmen können, welche Schutzmaßnahmen sie benötigt, um sich bahaupten zu können; der Staat sollte als Garant für den Bestand der Minderheiten die erforderlichen Maßnahmen beschließen. Die Schutzmaßnahmen müßten für jede Minderheit identisch sein, unabhängig von der Anzahl der jeweiligen Sprecher.

5. Die neue Konvention der RAI

Bei der Ausarbeitung der neuen Konvention müssen die Ladiner als Verhandlungspartner einbezogen werden, damit ihre Interessen direkt vertreten werden. Nur diese können die wahre Tragweite und Bedeutung des Massenmediums RAI für die Förderung und den Erhalt der ladinischen Sprache und den Fortbestand der Volksgruppe ermessen.

In der neuen Konvention muß für die ladinische Volksgruppe folgendes vorsehen und verankert werden:

5a. Mehrere Stunden am Tag ladinische Rundfunksendungen
Ein großzügiger Ausbau der ladinischen Rundfunksendungen auf etliche Stunden pro Tag ist unerläßlich, damit es der Volksgruppe ermöglicht wird, auch Theaterstücke, Literaturabende, Diskussionen und Debatten über aktuelle Themen und Probleme der Volksgruppe zu bringen. Die Rumanc zeigen uns deutlich, daß die Minderheit es schafft, 14 Stunden am Tag Rundfunksendungen zu garantieren und eine Produktion vorzulegen, welche sich mit den anderen messen kann; es muß nur die nötige Struktur vorhanden sein und qualifiziertes Personal eingestellt werden. Je gefährdeter eine Volksgruppe ist, um so nötiger hat sie geeignete Schutzmaßnahmen als Garant ihres Fortbestandes, um der Assimilierung zu trotzen.

5b. Jeden Tag eine Stunde ladinisches Fernsehen:
Eine Stunde pro Tag ladinisches Fernsehen könnte für die nächste Zeit ausreichen. Die ladinische Volksgruppe befindet sich in einer linguistisch - kulturell besonders gefährdeten Lage, was Außenstehende nicht beurteilen können. Nur weil die Ladiner heute auf kulturellem Gebiet stärker tätig sind als früher, darf die Auswirkung und der gewaltige Einfluß anderssprachiger Medien auf die ladinische Volksgruppe und Sprache, denen sie tagtäglich ausgesetzt sind, nicht übersehen noch unterbewertet werden. Man bedenke, daß die Ladiner kein sprachliches Hinterland haben, sie können nicht auf andere benachbarte ladinische Sendungen verweisen und umschalten. Sie müssen alles selber produzieren, aber das würden sie ja gerne tun ; sie wünschten sich nur längere Sendezeiten in den Massenmedien. Den Ladinern fehlt auch eine eigene Nachrichten-agentur wie es die Romanen in Graubünden mit ihrer „ Agentura Novitads Rumances" bereits besitzen. Diese Situation der Ladiner möge den Verantwortlichen genügen und sie zur Einsicht bringen, daß die ladinische Volksgruppe sich in einer besonderen Lage befindet und einen viel breiteren Raum für ihre ladinischen Sendungen bräuchte.

5c. Eine Autonome ladinische Redaktion:
Die ladinischen Journalisten und Programmgestalter bei der RAI besitzen keine eigene autonome Struktur. In der neuen Konvention muß eine eigene ladinische autonome Redaktion mit einem ladinischen verantwortlichen Redakteur vorgesehen werden. Nur dieser kann die Tragweite und die Bedeutung ladinischsprachiger Sendungen bewerten und die entsprechenden Entscheidungen beeinflussen und mittragen.

Die Ladiner besitzen bis heute bei der RAI nur einige Einsprengsel; sie bräuchten aber ein eigenes Haus mit vielen Zimmern für die Beschäftigten beim Rundfunk und Fernsehen, die dringend nötig wären.

In der Regierungserklärung des Herrn Landeshauptmannes Durnwalder vom 3. Febrauer 1994 hieß es bereits, daß auf die Schaffung einer autonomen ladinischen Redaktion besonderes Gewicht gelegt würde. Leider ist in diesem Punkt bis heute nichts weitergegangen und die Ladiner hoffen, daß dieser berechtigten Forderung endlich entsprochen werden kann. Aufgabe des öffentlichen Dienstes ist es, Qualität zu gewährleisten und daher muß auch das gesamte Personal nach diesem Kriterium aufgenommen werden.

5d. Alle ladinischen Sendungen durch die RAI Bozen:
Die Dolomitenladiner sind in der Faschistenzeit auf drei Provinzen aufgeteilt worden und bis heute ist von keiner demokratischen Regierung Italiens diese für die Volksgruppe tödliche Zerstückelung rückgängig gemacht worden. Es liegt auf der Hand, daß die gesamte Volksgruppe darunter leidet und nicht bloß sprachlich immer mehr geschwächt wird. Die Ladiner brauchen die gleichen Schutzmaßnahmen, unabhängig in welcher Provinz sie leben müssen. Die Ladiner der drei Gemeinden - Ampez, Col de S. Lizia und Fodom/Buchenstein in der Provinz Belluno (heute die historischen ladinischen Gemeinden Bellunos genannt) müssen das Recht bekommen, aktiv in ihrem jeweiligen Idiom an der Gestaltung der ladinischen Sendungen im Rundfunk und im Fernsehen der RAI Bozen mitarbeiten zu können. Die RAI müßte es diesen Gemeinden auch technisch garantieren, auf ihrem gesamten Territorium die ladinischen Sendungen zu empfangen. Vor kurzem haben die Bürgermeister dieser drei Gemeinden zusammen mit Vertretern nahmhafter Kulturvereine ihrer Talschaften dem Herrn Landeshauptmann Durnwalder diese ihre Forderungen vorgebracht und sie sind auf volles Verständnis gestoßen. Die drei genannten Gemeinden haben bei den obersten Etagen der RAI auch vorgesprochen. Die neue Konvention sollte alle Dolomitenladiner berücksichtigen und gleichstellen. Es wäre ein bedeutender Beitrag zum Schutz der gesamten Volksgruppe.

5e. Keine Verdunkelungen mehr:
Die ladinischen Sendungen sollten nur von der RAI Bozen ausgestrahlt werden und im Territorium der gesamten Provinz Trient empfangen werden könnten, nicht bloß im Fassatal; viele Ladiner leben auch außerhalb des Fassatales verstreut. Die gesamte Bevölkerung der Region sollte die Möglichkeit haben, die ladinischen Sendungen, die mit öffentlichen Mitteln finanziert werden, zu empfangen, um die Eigenart der Ladiner besser kennen zu lernen.

6. Eigene Frequenz und Kulturförderungsgesetz

Die ladinische Bevölkerung erachtet die derzeitigen Sendezeiten als viel zu kurz und hält eine beträchtliche Erweiterung für erforderlich, um den heutigen Gegebenheiten zu entsprechen. Nur weil die Ladiner an Zahl bedeutend weniger sind als die anderen Volksgruppen, dürfen sie nicht auch kulturell nach dem Proporz ihrer Stärke behandelt werden. Die Ladiner wollen nur gleich behandelt werden wie die anderen und dies gilt besonders bei den Massenmedien wie Rundfunk und Fernsehen.

Um die ladinischen Sendungen auf viele Stunden am Tag ausweiten zu können, wäre die Errichtung eines eigenen Kanals nach dem Muster des Schweizer Fernsehens für die romanischen Sendungen sehr zu begrüßen. Eine eigene Frequenz für die ladinischen Sendungen könnte auch den Empfang unserer Sendungen und ev. des Senders Bozen außerhalb Südtirols ermöglichen und erleichtern.

Ein anderer Vorschlag, den man diskutieren könnte, wäre:

ob es sinnvoll und an der Zeit wäre, ein eigenes Gesetz für die ladinische Kultur, ein sogenanntes Kulturförderungsgesetz zu verabschieden, welches den Erfordernissen der ladinischen Presse und anderer Massenmedien besser Rechnung trüge. Tatsache ist, daß die Ladiner auf kulturellem Gebiet eine viel stärkere Förderung brauchen, denn ihre Sprache ist heute in den Massenmedien kaum vertreten. Dieser Umstand bringt es mit sich, daß die Sprachkompetenz der Ladiner stets abnimmt, was zu einer Sprachvermischung führt. Gerade dagegen kann man mit ausreichender Präsenz des ladinischen Wortes in den Massenmedien ankämpfen und die Gefahr der Sprachverwilderung dämmen und einschränken. Wenn es um den Schutz einer Sprache geht, welche mit ihrem Wortschatz, ihrer Syntax und ihrer ganzen Struktur auf der ganzen Welt einmalig ist und ihre 2.000 jährige Geburt im Jahre 1985 gefeiert hat, dürfen die Kosten keine Rolle spielen.

Die heutige Zeit ist mit ihren finanziellen Möglichkeiten gefordert, die ladinische Sprache mit ihrer angestammten Bevölkerung vor der Assimilierung zu bewahren, indem sie der Volksgruppe die dafür nötigen Schutzmaßnahmen zur Verfügung stellt. Sie verlangen nur das, was andere seit langem zu ihrem Schutz in der Hand haben. Die Ladiner selber werden alle ihre Kräfte einsetzen, um dieser ihrer Aufgabe gerecht zu werden.

Ich ersuche alle Verantwortlichen in der Politik, denen der Fortbestand der ladinischen Volksgruppe ein Anliegen sein muß, sowie alle Verantwortlichen beim Rundfunk und Fernsehen der RAI, alles zu tun, damit die vorgebrachten berechtigten Anliegen der Dolomienladiner in der neuen Konvention umgesetzt werden können.

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