In: Home > News > Indigene Landrechte in Brasilien: Massiver Rückschritt zu befürchten
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Bozen, Göttingen, 31. August 2021
Indigener Frauenmarsch in Brasilien als Widerstand gegen die repressive Politik Bolsonaros. Foto: Eliane Fernandes / GfbV.
Der Oberste Gerichtshof Brasiliens hat seine Entscheidung
über die Zwangsräumung der indigenen Xoklengs vom
Territorium Ibirama-Laklãnõ zum fünften Mal
innerhalb von zwei Monaten verschoben. Sie soll nun morgen, am 1.
September fallen. "Die Entscheidung ist richtungsweisend für
die Zukunft indigener Landrechte. Denn wenn die umstrittene
Stichtagsregelung ‚Marco Temporal' zur allgemeinen Regel
erhoben wird, sind hunderte indigene Gebiete in Gefahr",
erklärt Juliana Miyazaki, Referentin für indigene
Völker bei der Gesellschaft für bedrohte Völker
(GfbV). Diese Gebiete würden dann wahrscheinlich entwaldet
oder brandgerodet und beispielsweise für monokulturelle
Landwirtschaft genutzt.
Am morgigen Mittwoch steht die Entscheidung nun ganz oben auf der
Agenda des Gerichtes. Zunächst sind 39 Statements
verschiedener Parteien geplant, sowohl von NGOs als auch von der
Agrar-Lobby und anderen Wirtschafts-Verbänden. Danach werden
die elf obersten Richterinnen und Richter abstimmen. Sie
können den Prozess aber auch jederzeit abbrechen oder erneut
verschieben. "Präsident Bolsonaro hat bereits
angekündigt, die Entscheidung nicht zu akzeptieren, wenn sie
nicht nach seinem Gusto fällt", berichtet Miyazaki. "Die
Indigenen bleiben dennoch zuversichtlich. Bis zuletzt haben sie
ihr Vertrauen in den juristischen Prozess und das Gericht
betont." Zwei der elf Entscheidungstragenden hätten zudem
bereits signalisiert, gegen den Marco Temporal und damit für
die Interessen der Indigenen und des Umwelt- und Klimaschutzes
entscheiden zu wollen.
Der Marco Temporal ist eine Stichtagsregelung, nach der nur die
indigenen Völker weiterhin ein Recht auf ihr Land haben, die
entweder zum 5. Oktober 1988, als die Verfassung verkündet
wurde, im Besitz des Landes waren, oder einen Rechtsstreit oder
direkten Konflikt mit Eindringlingen führten. Dieses
Kriterium ist absurd, denn es ignoriert, dass die indigene
Bevölkerung seit der europäischen Invasion vor 521
Jahren ständig Vertreibungen, Zwangsumsiedlungen und Gewalt
ausgesetzt waren. Bis 1988 standen sie unter der Vormundschaft
des Staates und konnten gar nicht selbständig vor Gericht
ziehen und ihre Rechte einfordern.
Die Verfassung erkennt die Rechte der indigenen Völker auf
das Land an, das sie traditionell bewohnen. Es ist die
verfassungsgemäße Aufgabe des brasilianischen Staates,
indigenes Land zu demarkieren und die Sicherung seiner Ressourcen
zu gewährleisten. Seit der Machtübernahme von Jair
Bolsonaro stehen diese Garantien aber in Frage. Denn seitdem
wurden 250.000 Hektar indigener Territorien an Privatpersonen und
-unternehmen übergeben. Gleichzeitig sind nur 31 Prozent der
indigenen Gebiete offiziell demarkiert. Über 40 Prozent
indigener Gebiete haben überhaupt keinen Schutz. Das
führt unmittelbar zu mehr Invasionen von Menschen, die Holz
fällen, Gold suchen oder sich das Land aneignen wollen.
Immer wieder bringen sie auch Gewalt mit.
Siehe auch in gfbv.it:
www.gfbv.it/2c-stampa/2021/210825de.html |
www.gfbv.it/2c-stampa/2021/210526de.html |
www.gfbv.it/2c-stampa/2021/210205de.html |
www.gfbv.it/2c-stampa/2020/201222de.html
| www.gfbv.it/2c-stampa/2020/201201de.html
| www.gfbv.it/2c-stampa/2020/201111de.html
| www.gfbv.it/2c-stampa/2020/200924de.html
| www.gfbv.it/2c-stampa/2020/200917de.html
| www.gfbv.it/2c-stampa/2020/200722de.html
| www.gfbv.it/2c-stampa/2020/200717de.html
| www.gfbv.it/2c-stampa/2020/201016de.html
| www.gfbv.it/2c-stampa/2020/200730de.html
| www.gfbv.it/2c-stampa/2020/200416de.html
| www.gfbv.it/2c-stampa/2020/200610de.html
| www.gfbv.it/2c-stampa/2020/200518de.html
| www.gfbv.it/2c-stampa/2020/200511de.html
| www.gfbv.it/2c-stampa/2020/200429de.html
| www.gfbv.it/2c-stampa/2020/200327de.html
| www.gfbv.it/3dossier/ind-voelker/brasil-tras-de.html
| www.gfbv.it/3dossier/ind-voelker/water2017-de.html
| www.gfbv.it/3dossier/ind-voelker/sud2010-de.html
| www.gfbv.it/3dossier/ind-voelker/global-sozial.html
| www.gfbv.it/3dossier/ind-voelker/global.html
| www.gfbv.it/3dossier/ind-voelker/palmoel.html
| www.gfbv.it/3dossier/diritto/ilo169-de.html
in www: https://de.wikipedia.org/wiki/Indigene_Völker
| www.ilo.org