In: Home > DOSSIER > Indigene Völker und Globalisierung. Soziale Folgen des Bodenschatzabbaus
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Sabrina Bussani
Bozen, April 2010
EINLEITUNG | BAUWESEN | ENERGIE: EINIGE FALLBEISPIELE | ANDERE BERGBAUPRODUKTE | HOLZ | SCHLUSSFOLGERUNGEN
Mutter mit Kind, Kayapò. Foto: Rebecca Sommer.
Die Gesellschaft für bedrohte Völker setzt sich
für die Rechte und den Respekt der Menschenrechte bedrohter
Völker und Volksgruppen ein. Dazu gehören
natürlich alle indigenen Völker dieser Welt. Diese
haben alle gemeinsam, dass sie zum Grossteil in und von der
Natur, also ihrer Umwelt leben. Nun schreitet die
Umweltzerstörung, vor allem in den so genannten
Entwicklungsländern, äußerst schnell voran. Der
Grund dafür liegt vor allem im immer wachsenden Bedarf an
Rohstoffen (vor allem Energiequellen) der industrialisierten
Länder, die somit immer neue Rohstoffvorkommen suchen und
ausbeuten. Auf Grund der enormen wirtschaftlichen Interessen, der
wirtschaftlichen und politischen Macht der großen Konzerne,
der Schwäche der Entwicklungsländern, der Korruption
vieler Regierungen und großen persönlichen Interessen
wird die Förderung von Bodenschätzen immer mehr zum
Raubbau. Der Großteil der Bodenschätze dieser Welt
befindet sich allerdings in Regionen, in denen seit jeher
indigene Bevölkerungen leben, die keine oder sehr geringe
Möglichkeiten haben, sich gegen die Zerstörung ihres
Lebensraums zu wehren.
Es gibt kaum einen Bodenschatz, der nicht wirtschaftlich
interessant wäre: von allen möglichen Mineralien und
Erzen zum Wasser, vom Erdöl und Erdgas zu den Wäldern,
vom Landbesitz für Plantagen bis zum Sand für das
Bauwesen. Die betroffenen Menschen, deren Überleben direkt
von einer intakten Natur abhängt, verlieren somit jegliche
Lebensgrundlage: Verlust von Land, Heimat und Heim, Verlust der
traditionellen Erwerbstätigkeit und somit der
Möglichkeit, für die eigenen Bedürfnisse aufkommen
zu können, aber in Folge dessen auch Verlust der eigenen
Kultur, Traditionen, Sprache und Religion.
Weltweit gehören ungefähr 350 Millionen Menschen zu
einem indigenen Volk. In den vergangenen 15 Jahren hat sich die
internationale rechtliche Lage zum Schutz der indigenen
Bevölkerungen und deren Land erheblich verbessert, wobei die
Konvention ILO 169 und die Allgemeine UN-Erklärung der
Rechte indigener Völker massgebend sind. Die Lage selbst der
indigenen Bevölkerung hat sich allerdings verschlechtert und
die Verletzungen der internationalen Gesetzgebung haben
zugenommen. Die Menschenrechtsarbeit für diese Menschen hat
also immer mehr mit den Aspekten der Umweltzerstörung und
der großen wirtschaftlichen Interessen zu tun.
Um sich ein Bild über die Wichtigkeit der Umweltfrage
für das Leben von Menschen rund um den Erdball zu machen,
braucht man nur einen Blick in die Homepage des italienischen
Studienzentrums für umweltbedingte soziale Konflikte (Centro
di documentazione sui conflitti ambientali) zu werfen: Insgesamt
verfügt das Studienzentrum über Dokumentation über
159 Konflikte.
ZEMENT
Laut der European Construction Technology Platform (ECTP) -
Europäische Plattform für Bautechnologie -, verwendet
und verbraucht das Bauwesen weitaus mehr Rohstoffe als jeder
andere Industriezweig: europaweit mehr als 2 Milliarden Tonnen
Rohstoffe jährlich. Diese enorme Mengen an Rohstoffen sind
allein in Europa nicht vorhanden, sie müssen von
Drittländern (aussereuropäischen Ländern) gekauft
und eingeführt werden.
So ist z.B. Italien in Europa an erster Stelle in der Herstellung
und im Verbrauch von Zement: landesweit werden jährlich 46
Millionen Tonnen Zement verbraucht. Grosse Hersteller und
Importeure haben Filialen, Sandgruben und Zementwerke in allen
Ecken der Welt. Italcementi Group ist der
fünftgrößte Zementhersteller der Welt, arbeitet
in 22 Ländern in 4 Kontinenten und kontrolliert 63
Zementfabriken, 13 Zentren für Zementmühlen, 5
Umschlaganlagen, 614 Zementbetonanlagen und 125 Gruben. Auf
seiner Homepage gibt Italcementi an, 2008 einen Umsatz von
beinahe 6 Milliarden Euro gemacht zu haben.
Einer der wichtigsten Zementhersteller weltweit aber dürfte
die Gruppe HeidelbergCement sein, die, laut eigener Angaben und
nach dem Ankauf der Gruppe Hansen, in mehr als 40 Ländern
Fabriken, Anlagen und Gruben kontrolliert und 2009 einen Umsatz
von 11 Milliarden Euro hatte. Diese Zahlen allein erläutern
sehr gut die wirtschaftliche Stärke der grossen Firmen im
Sektor, und damit den wirtschaftlichen und politischen Druck den
diese ausüben können. Wer den Preis dieser
Machtausübung zahlt, sind meist die Menschen, die dort
leben, wo Rohstoffe abgebaut werden, die kleinen Handwerker oder
Familienbetriebe vor Ort, aber auch der Schlussverbraucher hier
bei uns, denn multinationalen Unternehmen können es sich
leisten den Kauf- und Verkaufpreis festzulegen, unbeachtet der
marktwirtschaftlichen Logik.
So gehört z.B. HeidelbergCement zu den fünf
Zementhersteller, die im Juni 2009 vom Oberlandesgericht
Düsseldorf zu einer Geldbuße von insgesamt 330
Millionen Euro verurteilt wurden, weil sie teilweise seit den
1970er Jahren Lieferquoten verabredet, Preise abgesprochen und
sogar gemeinsam konkurrierende Zementwerke aufgekauft und
stillgelegt haben, um die Zementpreise in Deutschland in die
Höhe zu treiben. Dadurch sei der Wettbewerb auf dem
deutschen Zementmarkt nahezu vollständig zum Erliegen
gekommen - zulasten der Arbeiter der stillgelegten Werke, der
europäischen Verbraucher und der Steuerzahler.
Zurück zu Rohstoffen: die Firma Hanson, die ja zur Gruppe
HeidelbergCement gehört, erschliesst in West-Australien eine
neue Sandgrube. Das hat allerdings Konflikte mit der lokalen
Aborigenes-Bevölkerung (Nyungah-Aborigines) ausgelöst,
denn Hansons Aktivität bedroht die lokalen Wasserquellen,
ist stark umweltbelastend und bedroht ausserdem den Gogomit, eine
heilige Figur der Aborigenes.
Beachtenswert ist vor allem der Energiekonsum im Bauwesen. Wenn man alle Phasen eines Wohnungsbaus beachtet, von der Herstellung der Baumaterialien wie Zement, Mörtel, Ziegel, Fussböden, Dachziegel, usw., die extrem energieverbrauchend ist, bis zum Energiekonsum an der Baustelle, so braucht es, laut einer Studie der Wirtschaftszeitung "Sole 24 ore", zum Bau einer 100 m2-Wohnung in einem Wohnhaus ungefähr 5 Tonnen Erdöl. Die wachsende Anfrage der Industrieländer an immer neuen Energiequellen ist einer der wichtigsten Gründe für soziale Konflikte weltweit:
1. Erdöl und Erdgas
Einer der wichtigsten Erdöl- und Erdgasförderer ist der
italienische Konzern ENI, der in 77 Ländern arbeitet, unter
anderem in Ecuador (Südamerika), in Niger-Delta (Afrika) und
in der angolanischen Enclave Cabinda (Afrika).
In Cabinda leben ungefähr 300.000 Menschen, etwas mehr als
die Hälfte Südtirols, unter der Armutsgrenze mit etwa 2
US-Dollar am Tag. Zugleich ist Cabinda allerdings ein
erdölreiches Land - für manche ist es das
"Saudi-Arabien" Afrikas. Die durch die Erdölförderung
provozierte Umwelt- und Wasserverschmutzung hat in diesem engen
Landstrich jegliche Landwirtschaft unmöglich gemacht. Die
Bevölkerung, traditionell Bauern, hat entweder das eigene
Land verlassen müssen oder eine Arbeit bei den
Erdölkonzernen suchen müssen. Die Löhne reichen
allerdings nicht, um ausreichend grundlegende Nahrungsmittel zu
kaufen, denn Cabinda ist zudem ein teures Land. Die
Geschäfte der Erdölkonzerne und deren qualifiziertes
europäisches Personal bringen viel Geld in Umlauf, an dem
aber einerseits nur Wenige verdienen und das andererseits die
Inflation, also die Preise, in die Höhe treibt.
Die starke soziale Ungerechtigkeit hat die Separatisten-Bewegung
gestärkt, die seit über 30 Jahren, seit der
Unabhängigkeit Angolas von Portugal 1975, versucht, die
versprochene Unabhängigkeit von Angola zu erhalten. Die
angolanische Regierung, im Konflikt mit den separatistischen
Rebellen, will und kann politisch nicht eingreifen, indem sie
z.B. die Konzerne zu gerechten Löhnen zwingt, denn das
schwarze Gold macht 45% des Bruttoinlandsprodukts Angolas aus,
das jetzt aber zum Großteil dazu verwendet werden, den
Krieg gegen die Separatisten zu führen. Im Klartext bedeutet
das Militärpräsenz in den Dörfern,
willkürliche Festnahmen, Folterungen, Vergewaltigungen als
Einschüchterung. Andere Erdölkonzerne, die in Cabinda
arbeiten: Chevron, Elf, MPRI.
Nicht viel anders sieht die Situation in Nigeria, im Niger-Delta,
aus - Land des indigenen Volks der Ogoni. Auch dort hat die
Erdölförderung, schlimmer noch als in Cabinda,
sämtliches Anbauland und Wasserquellen verseucht. An
Landwirtschaft ist für die traditionallen Bauern nicht mehr
zu denken. Dazu kommen die häufigen Landenteignungen zu
Gunsten der Erdölkonzerne und neuer Bohrlöcher. Der Bau
der vielen Infrastrukturen der Erdölkonzerne hat bedeutend
zur Abholzung der Region beigetragen, ausserdem betreiben alle
Konzerne in Nigeria das so genannte "gas flaring", das in Europa
und den USA verboten ist. Durch das "gas flaring" werden die
Restgase der Bohraktivität direkt an der freien Luft
verbrannt. Die Folge ist nicht nur eine hell beleuchtete Nacht,
es werden auch giftige Abgase wie Benzen in die Luft gesetzt.
Diese wiederum haben zur Folge, dass Krankheiten wie
Atembeschwerden, Hautkrankheiten und Krebs immer häufiger
auftreten - in einer Region, in der die vorwiegend arme
Bevölkerung keinen Zugang zu ärztlichen Diensten
hat.
Die Ogoni haben in den späten '80er und '90er Jahren
versucht, sich mit friedlichen Mitteln gegen diese Situation zu
wehren. Die "Bewegung für das Überleben des
Ogoni-Volkes" (MOSOP) verfolgte eine politische und kulturelle
Autonomie für die Ogoni, die Sanierung der durch die
Erdölförderung geschädigten Gebiete sowie die
Beteiligung der Bevölkerung an den Einnahmen aus der
Erdölförderung. An einer vom MOSOP organisierten
Demonstration nahmen 1993 mehr als 300.000 Menschen teil, etwas
mehr als die Hälfte der Bevölkerung der Region. 1994
wurde Ken Saro-Wiwa, wichtigster Repräsentant der Bewegung,
mit falschen Mordanschuldigen festgenommen und zum Tode
verurteilt. Laut Jenny Green, Anwalt des Zentrums für
verfassliche Rechte (Center for Constitutional Rights) in New
York, war der Erdölkonzern Shell in Ken Saro-Wiwas Exekution
verwickelt. Die Rechtlage war ausreichend um 2009 einen Prozess
gegen Shell einzuleiten, zu dem es allerdings nicht kam, weil
Shell schon im Vorfeld der Verhandlungen 15,5 Millionen Dollar
Schadensersatz zahlte. Im Niger-Delta hat der Protest inzwischen
anderen Formen angenommen: die bewaffnete Bewegung MEND (Bewegung
zur Emanzipation des Niger-Deltas) liess in der Vergangenheit von
sich sprechen, als sie mehrfach europäische Leiter der
Konzerne entführte.
In Südamerika protestierten 2009 mehrere Tausend Ashaninka
des peruanischen Regenwalds gegen die geplante
Erdölerschliessung in ihrem Land. Der Protest endete in
einem Blutbad. Im Regenwald Ecuadors ist, laut der
Umweltorganisation Acción Ecológica, die
Erdölausbeutung und das "gas flaring" verantwortlich
für den giftigen schwargefärbten Regen, der im November
2009 gleich dreimal über die Region gefallen ist. Auf der
russischen Halbinsel Sakhalin war 2006 die
Erdölförderung verantwortlich für ein weiteres
Naturereignis: der Schnee fiel gelb.
Rauchschwaden von Brandrodungen für neue Ölpalm-Plantagen. Foto: Kristina Neubauer.
2. Biodiesel
Als "saubere" Alternative zu den traditionellen Energiequellen
boomt in Europa immer stärker der so genannten Biodiesel,
der aus pflanzlichen, also erneuerbaren, Rohstoffen wie
Rapsöl, Palmöl, Soja, Zuckerrohr, usw. gewonnen wird.
Biodiesel hat in wenigen Jahren enorme Profite abgegeben und
Länder mit grossen Anbauflächen investieren
verstärkt in die Produktion von Biodiesel. Konkret bedeutet
das, dass z.B. Indonesien in den letzten 25 Jahren 18 Millionen
Hektar Regenwald gerodet hat, um Ölpalmen für die
Biodieselproduktion anzubauen. In keinem Land der Welt wird so
schnell und so viel Regenwald vernichtet wie in Indonesien und
keine andere Wirtschaftsbranche hat dort in den letzten Jahren so
viele Landrechtsstreitigkeiten verursacht wie die
Palmöl-Industrie. Betroffen sind 300 indigene Völker,
also 45 Millionen Menschen, deren Lebensraum, Wirtschaftsweise,
Kultur und Identität regelrecht kahlgeschlagen wird.
Schadenersätze werden oft versprochen, selten aber
ausbezahlt. Ihres Lebensraums beraubt, hat der Großteil der
Indigenen lediglich zur Erweiterung der Elendsviertel in den
Großstädte beigetragen. Trotzdem hat Europa
beschlossen, in Zukunft verstärkt Biodiesel zu Importieren,
unbeachtet der Art und Weise, wie dieser hergestellt wird.
Gleiches geschieht in Malaysien, Brasilien, Kolumbien,
Äthiopien, und vielen anderen Ländern rund um den
Erdball. Die geplanten Großplantagen zur Nutzung von
Energiepflanzen bedrohen weltweit 120 Millionen Ureinwohner in
Asien, Afrika und Südamerika mit Hunger und Vernichtung
ihrer Lebensgrundlagen.
3. Atomenergie
Italien plant seit einiger Zeit den Bau neuer Atomkraftwerke.
Atomenergie ist, so die Argumentation, effizienter und
umweltfreundlicher, weil bei der Energieproduktion weniger CO2
als bei fossilen Energiequellen ausgestossen wird. Ohne nun auf
diese Argumentation eingehen zu wollen, kann man allerdings nicht
bestreiten, dass die Förderung des nötigen
Bodenschatzes Uran kaum umweltfreundlich ist und weltweit
zahlreiche Konflikte verursacht. Es gibt ungefähr 50 aktive
Uranminen in 16 Staaten, wobei sich rund 70 Prozent der
weltweiten Uranvorkommen auf dem Land indigener Völker
befindet.
Im Niger schürt der Uranbergbau den Konflikt zwischen Tuareg
und der Zentralregierung. Seit Februar 2007 haben Tuareg erneut
zu den Waffen gegriffen, mindestens 50 Armee-Soldaten des Niger
starben seither bei Zusammenstößen und
Überfällen der Rebellen. Die "Bewegung der Nigerier
für Gerechtigkeit" (MNJ) droht mit der gewaltsamen
Schließung von Uranminen, Minenarbeiter wurden bereits
entführt. Auslöser der bewaffneten Protestbewegung war
auch hier, wie schon bei der Erdölförderung, der
systematische Verstoss der Betreiberfirmen gegen die Vorschriften
zum Schutz von Umwelt und Gesundheit der lokalen
Bevölkerung. Umweltschutzorganisationen, die Untersuchungen
vor Ort vorgenommen haben, berichten über eine erhöhte
Zahl von Lungenkrebs und anderen Atemwegserkrankungen in der
Umgebung der Minen und kritisieren, dass die Bergbau-Unternehmen
tatenlos bleiben. Im Gegenteil, lokale Organisationen berichten,
dass Überstunden der Minenarbeiter manchmal mit der
Schenkung von Werkzeug belohnt werden. Das Werkzeug, das in der
Uranmine verwendet wurde, ist radioaktiv verseucht, wird vom
Arbeiter nach Hause gebracht, wo es u.a. auch die Kinder
benutzen. Gleichzeitig verlieren die Tuareg durch den
Uran-Bergbau die Möglichkeit, ihrer traditionellen
Erwerbstätigkeit nachzugehen, verarmen und haben nicht die
Möglichkeit, an den hohen Gewinnen des auf ihrem Land
geförderten Urans teilzunehmen.
In Ländern, in denen bereits seit Jahrzehnten Uran abgebaut
wird, wie in den indianischen Gebieten der USA oder Kanada oder
in den Aborigenes-Gebieten Australiens ist es kein Einzelfall,
dass sich Betreiberfirmen nach Stilllegung der Bergwerke und
Aufbereitungsanlagen ohne Sanierungsmaßnahmen
zurückgezogen haben. Radioaktives Haldenerz wurde
häufig sogar als Baumaterial verwendet.
Problematisch bleibt bei Atomenergie auch die Entsorgung des
entstehen radioaktiven Abfalls. Die Lagerung des radioaktiven
Abfalls ist nicht einfach, die Lager müßten für
lange Zeit fachgerecht gewartet werden und sollten entfernt von
besiedelten Gebieten liegen. Die Entsorgung ist
äußerst kostspielig und sorgt für heftige
Protestwellen: keiner möchte ein Atomentsorgungslager in der
Nähe seines Hauses.
Kanada und USA haben den Großteil ihrer Entsorgungslager in
Indianische Reservate gelegt. Die Lager werden jedoch schlecht
gewartet, die Radioaktivität dringt in den Boden und in das
Grundwasser. Die landwirtschaftlichen Produkte sowie das
Trinkwasser sind verseucht und folglich sind Krankheiten wie
Tumore, Hautkrebs und Atembeschwerden unter der Indianern
Amerikas auffallen hoch, genauso wie Fehlgeburten und
Missgeburten. Da es aber äusserst schwer und teuer ist,
wissenschaftlich nachzuweisen, dass die Präsenz der Lager
für radioaktiven Müll mit der Häufigkeit der
Krankheiten zusammenhängt, haben die Indianer kein Recht auf
Schadenersatz bzw. finanzielle Hilfe für medizinische
Betreuung oder auf Sanierung ihrer Länder durch den
Staat.
Radioaktiver Müll wird, wie auch andere giftige
Industrieabfälle in Drittländern exportiert, wo er
meist "irgendwo abgeladen wird". Rund um die illegale Entsorgung
von radioaktivem Abfall ist ein lukrativer Handel entstanden.
Laut einer Studie der Umweltorganisation Legambiente, hat die so
genannte Ecomafia 2009 einen Umsatz von über 7 Milliarden
Euro erhandelt.
4. Wasserkraftwerke
Wasserkraft wird auch zu den sauberen Energiequellen gezählt
und die Energieherstellung durch Wasserkraft boomt geradezu.
Überall in der Welt, vor allem in Lateinamerika, werden neue
riesige Staudämme gebaut, enorme Anbauflächen durch
Stauseen überflutet, insgesamt Millionen von Menschen, die
in diesen Gebieten leben, entweder vertrieben oder
zwangsumgesiedelt - meist in ertragsarme Regionen, in denen es
für sie nicht mehr möglich ist, ihren traditionellen
Erwerbstätigkeiten nachzugehen, oder in denen bereits andere
Gruppen leben mit denen dann Konflikte wegen Nahrungsmittel- und
Wasserversorgung auftreten, oder in neue, schlecht gebaute
Siedlungen an den Stadträndern, die unweigerlich zu neuen
Elendsvierteln werden.
Aktuelle Beispiele dafür: In Brasilien
haben die Bauarbeiten zum Umleitungsprojekt des Flusses
São Francisco, einer der wichtigsten Flüsse des
Landes, angefangen. Das 2,5 Milliarden Euro teure Projekt sieht
den Bau von zwei 600 km-langen Umleitungskanälen, 2
Wasserkraftwerken, 35 Dämmen, 35 Aquädukten, und
anderen Infrastrukturen vor. Opará - der "Meer-Fluss", wie
ihn die Indigenen nennen, bestimmt das Leben und die Kultur von
33 indigenen Völkern und verschiedenen afro-brasilianischen
Gemeinschaften (quilombolas). Ungefähr 70.000 Menschen leben
längs seiner Ufer von Landwirtschaft, Fischerei und
Viehzucht. Der Fluss schenkt ihnen Nahrung und Wasser, aber der
Fluss ist auch das Zentrum ihrer Spiritualität, ihrer
Rituale und Traditionen, mit einem Wort, ihrer Kultur. Ist der
Fluss einmal umgeleitet, werden diese Menschen in ihrem Land
keine Zukunftsperspektive mehr haben. Ausserdem müssen
20.000 Menschen den neuen Stauseen Platz machen: Sie werden
zwangumgesiedelt - wohin, das wissen sie noch nicht. Laut
Regierung soll das die Lösung zur Trinkwasserversorgung in
einer halbwüstenähnlichen Region sein. Liest man aber
das Projekt genau durch, stellt sich heraus, dass 70% des
abgeleiteten Wassers für die intensive Monokulturplantagen
zur Biodieselproduktion bestimmt ist. Um Ausschreitungen und
größere Proteste zu verhindern, und gleichzeitig die
Baukosten zu mindern, ersetzt das Militär teilweise die
Bauarbeiter und kontrolliert die gesamte Region.
Das äußerst umstrittene Projekt des Ilisu-Staudamms in
Hasankeyf/Türkei wurde nach dem Ausstieg einiger
europäischer Bauunternehmen erst einmal eingestellt. Der Bau
eines Staudamms am Fluss Tigris hätte nicht nur die
Überflutung einer 4.000 Jahre alten historischen Stadt, die
von der UNESCO zum Kulturerbe der Menschheit erklärt wurde,
bedeutet, es hätte auch weitaus ernstere Konflikte in Nahost
mit sich bringen können: Die Türkei hätte durch
den Damm am Tigris die Kontrolle über einen der wichtigsten
Wasserspender der Region.
Die Folgen des Bergbaus spiegeln im Wesentlichen die der
anderen Rohstoffgewinnungen wieder. In aussereuropäischen
Ländern erfüllen die Konzerne und Betreiberfirma meist
die Umweltauflagen, die sie in Europa beachten müßten,
nicht. Giftstoffe, die entweder beim Abbau verwendet werden oder
durch den Abbau freigesetzt werden, gelangen in das Grundwasser
und vergiften Trinkwasser, Böden und Flüsse. Die
für die Bergwerke nötigen Infrastrukturen (Strassen,
Lager, Unterkünfte für Arbeiter, usw.) benötigen
Platz, der oft durch Waldrodungen geschaffen wird.
Die lokalen Bevölkerungen werden kaum oder gar nicht
über zukünftige Projekte, deren Folgen und
gesundheitliche Risiken informiert. Unternehmen tragen zu
Konflikten bei, in dem sie existierende soziale Ungleichheiten
vergrößern, wenn sie versuchen Steuern zu vermeiden
und wenn sie durch Bestechung und Intransparenz zur Erhaltung
korrupter Machtstrukturen beitragen. Oder indem sie zur Sicherung
ihrer Interessen autoritäre Regime unterstützen.
Operieren Bergbau- und Erdölunternehmen in
(Bürger-)Kriegsregionen, lassen sie ihre Anlagen durch
bewaffnete Sicherheitskräfte schützen und sehen sich
häufig gezwungen, Schutzgelder an bewaffnete
Konfliktparteien zu entrichten. Auch dies trägt zur
Verschärfung bestehender Konflikte bei.
Die wohl größten Rohstoffvorkommen der Welt liegen in
Afrika. Erdöl ist sicherlich Afrikas wichtigster
Bodenschatz, abgebaut werden aber auch das seltene Coltan,
Nickel, Kupfer, Gold, Silber, Kobalt, Platin und andere PGM
(Platinum Group Metals), Eisenerz, Tungsten, Magnesiumerz, ...
Der Rohstoffabbau bringt enorme Profite, weshalb auch erbitterte
Kämpfe zur Kontrolle von neuen Vorkommen ausbrechen, denn
neben den staatlich genehmigten Bergbauwerken, mehren sich die
illegalen Bergwerke, deren Profite meist zur Finanzierung von
Kriegen dienen.
Laut einer Studie der Vereinten Nationen, muss "die kommerzielle
Aktivität der ausländischen Firmen im Kongo als ...
systematische Ausbeutung des Reichtums des Landes" angesehen
werden. Die gleiche Studie stellt fest, dass Teile der Gewinne
der Bergbauindustrie weder in soziale Projekte investiert, noch
an die durch den Bergbau geschädigte Bevölkerung
verteilt wurden. Gleichzeitig wurden Tausende von Menschen von
Armee-Soldaten und Privatmilizen der Konzerne vertrieben und
landenteignet. Allein der Konflikt um die fünf begehrtesten
Bodenschätze - Coltan, Diamanten, Kupfer, Kobalt und Gold -
hat im Kongo bis heute mehr als drei Millionen Tote
gefordert.
Die durch Landenteignungen, Vergiftung der Böden und Kriege
ausfallende Landwirtschaft trägt in wichtiger Weise zu
Hungerkatastrophen bei, die, in einem Teufelskreis, die Konflikte
weiterhin verschärfen.
Das Pascua Lama-Bergbauprojekt in Chile: unter den drei
jahrtausendalten Gletschern, den Toro 1, Toro 2 und Esperanza
gibt es enorme Kupfer-, Gold- und Silbervorkommen, die der
kanadische Grosskonzern Barrick Gold ausbeuten möchte. Die
Gletscher sind jedoch wichtige Wasserspeicher am Rand einer
Teiltrockenzone, die sich durch Wassermangel in der Trockenzeit
auszeichnet. Die Zerstörung der Gletscher wäre eine
enorme Bedrohung für das Huasco-Tal und die Bauern der
Region, hauptsächlich Diaguita-Indianer. Der Konzern hat
also vorgeschlagen, die Gletscher umzusetzen, bzw. das Eis dieser
drei Gletscher auf einen vierten Gletscher "umzusiedeln". Was
verrückt klingt, wurde längere Zeit ernsthaft in
Betracht gezogen und man hat versucht, die Bevölkerung davon
zu überzeugen, dass dies keinerlei negative Nachwirkungen,
wie etwa Lawinen, Erdrutsche, Wassermangel, Zerstörung eines
sensiblen Öko-Systems, usw. hätte - mit
offensichtlichen Folgen für das Leben der lokalen
Bevölkerung.
Holz gehört in Südtirol seit jeher zu einem
wichtigen Rohstoff für das Bauwesen. Der
"Zurück-zur-Natur"-Trend der letzten Jahre und das wachsende
Umweltbewusstsein hat nicht nur in Südtirol zur einer
Steigerung der Holzverwendung im Baugewerbe beigetragen. Die
italienischen Holzimporte haben im Jahr 2005 rund 4 Milliarden
Euro erreicht. Gleichzeitig sind die Holzexporte auf 1,3
Milliarden gesunken sind, mit einem negativen Saldo von ca. 2,7
Milliarden.
Die Einfuhren von Holz und Holzwaren kommen zu 72% aus Europa,
der Rest kommt aus Drittländländern. Auch in diesem
Sektor bewirkt die grosse Anfrage der Industriestaaten den
Kahlschlag von Regenwäldern und Urwäldern, sowohl zur
Gewinnung von Edelhölzern, als auch zur Einrichtung von
Plantagen, auf denen schnellwachsende Bäume für die
Holzindustrie gezogen werden.
Die intensive Holzwirtschaft ist z.B. ein bedeutender Grund
für die starken Konflikte im Süden Chiles, Heimat des
Volks der Mapuche: Dort wo Steineichen, Roble oder Araucarien
nicht mehr wachsen, dominieren nun Pinien- und
Eukalyptus-Kulturen zur Holzgewinnung. Die Monokultur laugt die
Böden aus und macht somit den traditionellen Ackerbau der
Mapuche-Gemeinschaften immer schwieriger.
Dazu kommt, dass die Forstindustrie nach Infrastrukturen
verlangt, für die Platz geschaffen werden muss: Durch die
Landenteignungen, den Kahlschlag, die Ausbeutung und Monokultur
der Wälder wird der Lebensraum für andere Pflanzen,
für Tiere und selbstverständlich für die
Ureinwohner immer knapper. Folge sind heftige Proteste,
Demonstrationen und Landbesetzungen, auf die der Staat mit
gewalttätigen Polizeieinsätzen, bei denen bereits
mehrere Menschen getötet wurden, und willkürlichen
Verhaftungen reagiert.
Wie anfangs bereits gesagt, verbraucht das Bauwesen weitaus
mehr Rohstoffe als jeder andere Industriezweig und trägt
damit entscheidend zur weltweiten Anfrage an Rohstoffen bei. Das
Bauwesen ist folglich ein wichtiger Sektor der Wirtschaft: in
Italien stellt es allein 10% des Bruttoinlandprodukts. Diese
Zahlen bergen aber auch ein enormes Potential des Bauwesens, um
in bedeutender Weise zu Innovation und nachhaltiger
Rohstoffförderung beizutragen.
Ein Dokument der European Construction Tecnology Structure, das
sich mit genau dieser Thematik im Bauwesen befasst, setzt 3
Punkte fest, auf die man achten sollte, um eine wirklich
nachhaltige Architektur zu entwickeln: Lebensraumqualität,
das Gebäude in seinem ganzen Lebenszyklus bedenken und die
richtige Wahl der Materialien. Richtige Wahl der Materialien
bedeutet nicht unbedingt, dass man auf bestimmte Rohstoffe
verzichten muss. Ein intensiver Gebrauch so genannter
nachhaltiger Rohstoffe garantiert allein nicht den Respekt der
Lebensräume und Rechte der Bevölkerungen, auf deren
Land diese Rohstoffe gewonnen werden.
Wichtig ist, meines Erachtens, die Art und Weise, in der ein
Rohstoff gewonnen wird. So gibt es seit kurzer Zeit zum Beispiel
die Möglichkeit, in der Forstwirtschaft mit den
FPCI-Kriterien (Free Prior and Informed Consent) zu arbeiten:
eine Reihe von Hinweisen und Regeln, an die sich ein Konzern, der
die Waldflächen in indigenem Land nutzen möchte halten
sollte. Diesen Regeln nach, wird das Ausmass und die Art und
Weise, in der die Nutzung erfolg, vom Konzern zusammen mit den
lokalen Vertretern vertraglich festgelegt, auch hat die lokale
Bevölkerung Recht, für die Nutzung ihres Landes gerecht
bezahlt zu werden. Wenn es also ausländisches Holz aus
Entwicklungsländern sein muss, dann könnte man
nachfragen, ob es in vertraglicher Beachtung der FPIC-Kriterien
gewonnen wurde.
Diese Kriterien könnten eigentlich für jegliche
Rohstoffförderung eingeführt werden.
Umweltfreundlichkeit und Nachhaltigkeit sind zu Image-Objekten
geworden und beinahe alle grossen Konzerne veröffentlichen
auf ihren Internet-Seiten ihre Projekte in diesem Sinn. Meist
bleiben diese selbst-auferlegten Verpflichtungen jedoch nur auf
dem Papier und bei einer kurzen Recherche im Internet stellt sich
oft heraus, dass der besagte Konzern in den Dokumenten
verschiedener Umwelt- bzw. Menschenrechtsorganisationen negativ
aufscheint.
Allgemein ist es jedoch sehr schwierig fest zu stellen, wie die
Rohstoffe, die wir verwerten, gefördert worden sind, u.a.
weil es meines Wissens nach keine international anerkannten
Gütesiegel gibt. Auf jeden Fall ist es immer gut, beim
Lieferanten bzw. Hersteller und bei der eigenen Handelskammer
nachzufragen, sei es auch nur um das eigene Interesse in diesem
Sinn zu signalisieren.
Vedi anche in gfbv.it:
www.gfbv.it/3dossier/ind-voelker/global.html |
www.gfbv.it/3dossier/ind-voelker/forum.html |
www.gfbv.it/3dossier/ind-voelker/palmoel.html
| www.gfbv.it/3dossier/ind-voelker/uran.html |
www.gfbv.it/3dossier/ind-voelker/dekade.html |
www.gfbv.it/3dossier/asia/adivasi.html
| www.gfbv.it/3dossier/ind-nord/lubicon.html
| www.gfbv.it/3dossier/ind-nord/indtrust.html
| www.gfbv.it/3dossier/ind-voelker/0608report-de.html
| www.gfbv.it/3dossier/ind-voelker/06report.html
| www.gfbv.it/3dossier/siberia/artic2006-de.html
| www.gfbv.it/3dossier/siberia/klima2006-de.html
| www.gfbv.it/3dossier/asia/penan.html
www: www.gfbv.de | www.cdca.it | www.ectp.org | www.italcementi.it | www.heidelbergcement.com |
www.hrw.org | www.ilo.org | www.wko.at | www.pasoc.innopas.eu | www.accionecologica.org |
www.legambiente.eu |
www.boell.de