Brief an den Präsidenten des Gemeindenverbandes
Dr. Hans Zelger
Appell der kurdischen Gemeinden an die Europäische Union
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Bozen, 17.2.2000

Sehr geehrter Herr Zelger,

Die GfbV-international appelliert an Sie, positiv auf den Hilferuf kurdischer Gemeinden in der Türkei zu reagieren. Auf Einladung der GfbV-international haben acht kurdische Bürgermeister von Großgemeinden (Feridun Celik, Diyabakir; Abdullah Akin, Batman; Feyzullah Karaaslan, Bingöl; Hüseyin Ümit, Hakkari; Selim Özalp, Siirt; Sahabettin Özarslaner, Van; Salhaddin Ertas, Dikmen) am vergangenen Wochenende auf der Dritten Europäischen Konferenz zukunftsbeständiger Städte und Gemeinden (9. Bis 12. Februar) in Hannover westeuropäische Kommunen gebeten, Partner zu werden für den Wiederaufbau und die nachhaltige Entwicklung ihrer kriegszerstörten Regionen.

Die kurdische Frage hat in Italien immer viel Verständnis gefunden. Helfen Sie deshalb den kurdischen Gemeiden beim Wiederhaufbau. Eine Untersuchungskommission des türkischen Parlaments hat 1997 festgestellt, daß im schmutzigen Krieg zwischen der türkischen Armee und der PKK mehr als 3.400 Dörfer zerstört, 35.000 Menschen ermordet und mehr als 2,5 Millionen Kurden aus ihrer Heimat vertrieben wurden. Die Bürgermeister verweisen darauf, daß sich die Bevölkerung ihrer Städte deshalb verdoppelt und verdreifacht hat. Auch in den Städten der West-Türkei sind wegen der kurdischen Flüchtlinge die Slums angewachsen. Dort herrschen Unterernährung, Infektionskrankheiten und Arbeitslosigkeit.

Der seit einem Jahr herrschende Waffenstillstand kann nur durch eine Versöhnung und durch  Gerechtigkeit in Frieden umgewandelt werden. Die kriegszerstörte Region muß wirtschaftlich, sozial und politisch entwickelt werden. Eine erste Maßnahme muß sein, daß die türkische Regierung endlich den Ausnahmezustand in den kurdischen Provinzen aufhebt, die Flüchtlinge zurückkehren können und ihr Eigentum zurückerhalten. Das sollten die italienischen Gemeinden von der Türkei einfordern.

Die kurdischen Bürgermeister möchten, daß beim Wiederaufbau die Prinzipien der lokalen "Agenda 21" gelten - der Wiederaufbau muß sozial und ökologisch verträglich sein. Das bedeutet für die Bürgermeister, daß zuallerst Schulen gebaut, ein Gesundsheitswesen eingerichtet, der öffentliche Verkehr, Kläranlagen, ein umweltschonendes Abfallsystem und eine Trinkwasserversorgung Vorrang erhalten. Außerdem sollen die entwaldeten Berge wieder aufgeforstet werden.

Die GfbV-international unterstützt die Forderung der Bürgermeister an die türkische Regierung, die Verbote kurdischer Institutionen aufzuheben, den öffentlichen Gebrauch der kurdischen Sprache und die demokratische Selbstverwaltung der Gemeinden zuzulassen. Damit würde die Türkei auf kommunaler Ebene Maßstäbe der EU einführen.

Ein Wiederaufbau zugunsten Vertriebener ist schlußendlich nur dann möglich, wenn die Türkei die Todesstrafe beseitigt, Folter in Haftanstalten und Polizeistationen unterbindet sowie alle Gefangenen amnestiert. Erst dann wird ein Aufbruch möglich, ein Aufbruch zugunsten aller Menschen in der Türkei. Die GfbV-international hofft, daß Sie auf diesen Appell reagieren.
 

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