Keine Reue für die gestohlenen Kinder von Alice Springs
Der Völkermord an den Aborigines bleibt ungesühnt
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Bozen, Bern, 11.8.2000

Der Versöhnungsprozess zwischen den Aborigines und den weissen AustralierInnen hat einen weiteren Rückschlag erlitten. Die Opfer der jahrzentelangen Praxis, Mischlingskinder zur Zwangsadoption freizugeben oder in staatliche Institutionen einzuweisen (Stolen Generations), werden auf absehbare Zeit keine Entschädigung erhalten. Dies ist das Ergebnis eines Urteilspruchs, der heute vom Federal Court in Darwin gefällt wurde.

Noch Mitte Juli hatten die Stolen Generations prominente Rückendeckung erhalten. Cathy Freeman, 400 m. Läuferin und Medaillenhoffnung Australiens an den Olympischen Spielen, übte harsche Kritik an der unversöhnlichen Haltung der Regierung. Diese weigert sich weiterhin, eine Entschuldigung für das an den Aborigines begangene Unrecht auszusprechen. Cathy Freeman weiss aus eigener Erfahrung, wie schmerzhaft und traumatisch es ist, von seinen kulturellen und familiären Wurzeln getrennt zu werden. Auch ihre Grossmutter gehörte zu den Opfern.

Richtungsweisender Prozess gegen den australischen Staat
Viele Opfer verlangen von der australischen Regierung nicht nur eine offizielle Entschuldigung, sondern auch eine finanzielle Wiedergutmachung für das erlittene Unrecht. Immerhin erfüllte Australien nach UNO-Konvention über die Verhütung und Bestrafung des Völkermordes von 1948 den Tatbestand des Völkermordes. Doch die Hoffnung der Opfer wurde heute vor dem Federal Court in Darwin zerschlagen. In einem bahnbrechenden Prozess, der wegen des grossen öffentlichen Interesses erstmals gleichzeitig in Fernsehen, Radio und über Internet live übertragen wurde, wies Richter Maurice O'Loughlin die erste Klage zweier Angehörigen der Stolen Generations gegen die australische Regierung zurück.

Lorna Cubillo (62) und Peter Gunner (53) waren im Alter von sieben respektive sechs Jahren in der Nähe von Alice Springs ihren Familien entrissen und in staatliche Institutionen eingewiesen worden, in welchen sie Opfer von Misshandlungen wurden. Sie verlangten nun eine Wiedergutmachung für den Verlust ihrer Familie und ihrer Kultur. Richter O'Loughlin begründete im Fall von Peter Gunner sein negatives Urteil damit, dass ein Dokument existiert, auf welchem seine Mutter mit ihrem Daumenabdruck ihr Einverständnis zur Einweisung in ein Heim gegeben hatte. Für Lorna Cubillo waren nach Ansicht des Gerichts die Gründe, welche zur Überführung in eine staatliche Institution geführt hatten, nicht mehr eruierbar.

Ohne Entschuldigung keine Versöhnung
Die australische Regierung hatte während des Prozesses jede Verantwortung für die physischen und psychischen Misshandlungen der KlägerInnen abgelehnt. Bisher hatte vor allem die Angst vor Wiedergutmachungsforderungen eine Entschuldigung der Regierung von John Howard verhindert. Allein im Northern Territory sind weitere Klagen von 700 Angehörigen der Stolen Generations hängig.

Leider hat die australische Regierung endgültig jede Chance versäumt, sich glaubwürdig bei den Stolen Generations zu entschuldigen. Zwar ist nun für die Regierung der Weg frei für eine kostenlose Entschuldigung, doch ist es höchst zweifelhaft, ob eine solche noch aufrichtig und ehrlich sein kann. Der Versöhnungsprozess ist jedenfalls mit dem heutigen Urteil erneut ins Stocken gekommen.
 

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