Iranischer Staatspräsident in Weimar. GfbV-Menschenrechtsaktion:
Gefängnis für Juden - Todesstrafe für Bahá-í: Wo bleiben die Reformen im Iran?
Bozen, Göttingen, 12.7.2000

Ein Ende der Terrorjustiz iranischer Gerichte gegen die religiösen Minderheiten der Juden und Bahá-í hat die Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV) während des Besuches des iranischen Staatspräsidenten Sayed Mohamad Chatami am Mittwoch in Weimar gefordert. "Gefängnis für Juden, Todesstrafe für Bahá-í - Wo bleiben die Reformen im Iran?" kritisierte die Menschenrechtsorganisation auf einem ihrer Transparente während ihrer Mahnwache in der Goethestadt, zu der auch in Deutschland lebende Anhänger der Bahá-í-Religion und muslimische Bosnier, darunter Frauen aus Srebrenica, gekommen waren.

Der Generalsekretär der GfbV, Tilman Zülch, verlangte die sofortige Freilassung von zehn iranischen Juden, die wegen angeblicher Spionage am 1. Juli 2000 in Schiras zu vier bis 13 Jahren Gefängnis verurteilt wurden. Bundeskanzler Gerhard Schröder und Aussenminister Joschka Fischer forderte er auf, von Chatami öffentlich die Aufhebung dieser Unrechtsurteile zu verlangen, die nach Auffassung internationaler Beobachter politisch motiviert seien. "Die Betroffenen sind fast alle einfache iranische Bürger, die intensiv am Leben der jüdischen Gemeinden von Schiras und Isfahan teilgenommen und aufgrund ihrer Berufe kaum die Möglichkeit gehabt haben, Spionage zu betreiben", erklärte Zülch. "Gemeinsam mit den Bahá-í und vielen bosnischen Muslimen, die während des Völkermordes in ihrer Heimat 1992-95 vom Iran und von jüdischen Organisationen in den USA moralische Unterstützung erhielten, appellieren wir an die Staatsführung in Teheran, jegliche Verfolgung religiöser Minderheiten zu unterbinden."

Schon Ende April hatten, koordiniert von der bosnischen GfbV-Sektion in Sarajevo, 54  bosnische Organisationen an die iranische Regierung appelliert, die inhaftierten iranischen Juden umgehend freizulassen (Siehe Appell).

Die Juden, die als Angehörige einer Buchreligion Jahrhunderte lang im Iran geduldet worden waren, sind seit der islamischen Revolution 1979/80 fortwährender Diskriminierung ausgesetzt. Die jüdische Gemeinschaft ist seitdem um etwa die Hälfte auf rund 30.000 bis 35.000 Angehörige geschrumpft.

"Auch die elf Bahá-í, die zur Zeit allein wegen ihrer religiösen Überzeugung in iranischen Gefängnisse einsitzen, müssen sofort auf freien Fuss gesetzt werden", erklärte Zülch. Dafür sollten sich Schröder und Fischer ebenfalls vehement einsetzen. Vier der Inhaftierten drohe die Vollstreckung der Todesstrafe. Seit der Revolution wurden 202 Bahá-í hingerichtet. Die Bahá-í, die mit rund 300.000 Angehörigen die grösste religiöse Minderheit im Iran stellen, sind mit kollektiver Verfolgung und behördlicher Willkür konfrontiert.

Die monotheistische Bahá-í-Religion wurde im Iran um 1863 von Bahá-ullah gegründet, der sich selbst als Prophet bezeichnete. Da nach dem muslimischen Glaubensbekenntnis Mohammed der höchste und historisch letzte Prophet ist, wurde die Bahá-í-Religion von islamischen Geistlichen von Anfang an verteufelt. Als "abgefallene Muslime" und "Ketzer" geniessen die Bahá-í im Unterschied zu Juden, Christen und Zoroastriern keinen Schutz durch den Koran und dürfen auch mit Gewalt "bekehrt" werden.
 

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