Plädoyer internationaler Menschenrechtler: 
Meinungsfreiheit in der Türkei herstellen!
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Bozen,  Göttingen, Istanbul, Luxemburg, 22.11.2000

Wir, sechs Repräsentanten internationaler Nichtregierungsorganisationen, die sich für die Menschenrechte engagieren, haben in Istanbul an der zweiten Konferenz für Meinungsfreiheit von 20. bis 22. November 2000 teilgenommen. In Ankara trafen wir führende Vertreter der islamisch bzw. kurdisch orientierten Parteien Fazilet und HADEP, die von einem Parteienverbot bedroht sind, und besuchten Strafgefangene, die wegen ihrer gewaltlos vertretenen Überzeugungen in Haft sind. Wir besuchten ebenso den mehrfachen Minister der türkischen Regierung und langjährigen Vorsitzenden der Liberalen Partei, Hasan Celal Guzel, sowie den früheren türkischen Ministerpräsidenten Necmettin Erbakan. Beiden hochrangigen Politikern steht eine Haftstrafe bevor, weil sie ihre Überzeugungen öffentlich vertreten haben.

Verhindert wurde leider ein Besuch der vier seit 1994 inhaftierten Parlamentarier Leyla Zana, Orhan Dogan, Hatip Dicle und Selim Sadak von der demokratischen kurdischen Partei DEP. Obwohl wir den Behörden unsere Absicht im voraus mitgeteilt hatten, erhielten wir zum Ulucanlar-Gefängnis keinen Zutritt. Auch ein Besuch des blinden Dichters Esber Yagmurdereli im Cankiri-Gefängnis wurde uns nicht genehmigt, obwohl ein Mitglied unserer Gruppe mit ihm in den vergangenen 14 Jahren seiner Haft korrespondiert hatte.

Heute ist der Geburtstag des Philosophen Voltaire, der die Auffassung vertrat, dass wir bedingungslos das Recht aller Menschen auf die freie Meinungsäußerung verteidigen müssen, auch dann, wenn ihre Meinungen den unseren erheblich widersprechen. Während unseres Aufenthaltes in der Türkei mussten wir mit zunehmender Deutlichkeit erkennen, dass türkische Richter und Staatsanwälte ihre Pflicht versäumen, die Gesetze der Landes so anzuwenden, dass sie mit den internationalen, per Vertrag auch für die Türkei verbindlichen Menschenrechten vereinbar sind.

Wir unterstützen daher alle Bürgerinnen und Bürger der Türkei, die im Angesicht der Unterdrückung mutig ihre Meinung vertreten. Wir fordern, die Regierung und die Behörden der Türkei auf, alle Gesetze abzuschaffen, die dem Menschenrecht auf freie Meinungsäußerung widersprechen, sämtliche Strafverfahren gegen die freie Meinungsäußerung einzustellen sowie diejenigen Menschen, die bereits wegen freier Meinungsäußerungen in Haft sind, auf freien Fuß zu setzen.

Fadila Memisevic, Gesellschaft für bedrohte Völker, Bosnien und Herzegowina
Hugh Poulton, Article 19, Global Campaign for Free Expression
Jonathan Sugden, Human Rights Watch
Lucina Kathmann, International PEN, San Miguel, Mexico Centre
P. Wolfgang Jungheim, Pax Christi, Katholische Friedensbewegung
Tilman Zülch, Gesellschaft für bedrohte Völker - International
 

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