An den Generalsekretär des Europarates, Dr. Walter Schwimmer
Erheben Sie ihre Stimme gegen das Morden in Tschetschenien!
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Bozen, 31.10.2000

Sehr geehrter Herr Generalsekretär,

Wir nutzen die Chance Ihres Südtirol-Besuches für die Übergabe einer Dokumentation. Als Menschenrechtsorganisation für verfolgte Minderheiten (UN-NGO-Status mit Sitz und Stimme im Ecosoc) möchten wir Sie auf zwei unserer Arbeitsschwerpunkte hinweisen - auf Tschetschenien und den vorliegenden Entwurf der EU-Grundrechtecharta.

Trotz des Krieges in Tschetschenien schweigt sich der Europarat über die Verbrechen der russischen Armee aus. Nach monatelangen Bombardements von Städten und Dörfern "säubert" die russische Armee das Land von "Banditen". Zehntausende Tote, Verwundete und Vertriebene sind die Folgen des Krieges der russischen Armee gegen das kleine Land, in dem die Mehrheit der Bevölkerung die russische Sprache spricht.

Trotzdem wird der Architekt des Eroberungs- und Vernichtungskrieges, Präsident Putin, auch von den demokratischen Ländern hofiert. Deren pro Putin-Haltung, deren grenzloses Verständnis für den Krieg gegen "islamische Fundamentalisten", lähmt auch die wertvolle Arbeit des Europarates.
Ungestraft kann die russische Großmacht in Tschetschenien massiv Menschenrechte verletzen, ohne daß der Europarat die Verbrechen verurteilt. Eine Niederlage einer gesamteuropäischen Institution, die vor menschenverachtenden Macht- und Kriegstechnokraten national-bolschewistischer Prägung in die Knie geht.

Die Folge auch der inkonsequenten Haltung der westeuropäischen Mitglieder des Europarates. Außerdem haben die Westeuropäer, die EU-Staaten, mit ihrer Grundrechtecharta die Menschenrechtspolitik des Europarates "ausgehebelt". Die EU-Grundrechecharta ist weit hinter der wegweisenden Europäischen Menschenrechtskonvention geblieben. Ein Rückschritt in der Menschenrechtspolitik, die auch dem Europarat schadet. Statt die EMRK zur Grundrechtecharta der EU zu erklären, hat sich der Konvent dafür hergegeben, nur den minimalsten Standard festzuschreiben.

Bei der Anhörung Ende April in Brüssel hat die GfbV-Delegation den Konvent aufgefordert, die Rahmenkonvention zum Schutz nationaler Minderheiten und die Charta der Regional- und Minderheitensprachen des Europarates in die GRC aufzunehmen. Trotz der Ratifizierung der Konvention und der Charta durch verschiedene EU-Staaten hat sich der Konvent nicht zu Minderheitenrechten durchringen dürfen.

Als Menschenrechtsorganisation hoffen wir, daß der Europarat angesichts der menschenrechtlichen Restauration in der EU wieder offensiver wird, werden muß. In diesem Sinne sollte der Europarat die eigenen Prinzipien und Erklärungen ernst nehmen und Rußland für seinen Krieg in Tschetschenien verurteilen. Ansonsten rächt sich das Wegschauen.

Für die GfbV-international
Mauro di Vieste, GfbV-Büro Bozen
 
Siehe Anlagen:
GfbV-Dokumente zu Tschetschenien;
Memorial-Report zu Tschetschenien;
GfbV-Dokumente zur EU-Grundrechtecharta, [1] [2].

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