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Afghanistan: Militarisierung statt Demokratisierung

Scharfe Kritik an Obamas Afghanistan-Politik

Bozen, Göttingen, 19. Januar 2009

Strassenszene in Afghanistan. Foto: Michael Pohly. Strassenszene in Afghanistan. Foto: Michael Pohly.

Die Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV) hat die Afghanistan-Politik des designierten US-Präsidenten Barack Obama am Montag als "kurzsichtig und gefährlich" bezeichnet. "Offensichtlich setzt Obama mehr auf eine Militarisierung als auf eine Demokratisierung Afghanistans", kritisierte der GfbV-Asienreferent Ulrich Delius in Göttingen. Bis zu 30.000 neue Soldaten ohne klare Strategie nach Afghanistan zu entsenden, werde mehr Probleme verursachen als Frieden und Stabilität bringen. Auch die Pläne, Stammesmilizen zu bewaffnen, seien unverantwortlich, denn so würden neue Menschenrechtsverletzungen geschürt. Statt Warlords endlich wirksam in ihre Schranken zu weisen, ziehe man sich neue Kriegsfürsten heran. Wer in Afghanistan Waffen an nicht-staatliche Akteure ausgebe, habe keine Lehren aus der jüngsten leidvollen Geschichte des Landes gezogen. Es sei nur eine Frage der Zeit, wann die Milizen ihre Waffen gegen die eigene Bevölkerung richteten.

Während in vielen Krisengebieten der Welt mit Obamas Amtseinführung auch die Hoffnung auf Frieden wachse, verfolgten viele Afghanen die neue US-Politik mit Sorge. "Denn Afghanistan braucht mehr Saatgut, Straßen, Krankenhäuser, Fabriken und natürlich Rechtsstaatlichkeit, aber nicht mehr ausländische Soldaten", erklärte Delius. Angesichts einer ständig steigenden Zahl ziviler Toter würden internationale Truppen immer öfter als Besatzer empfunden. Mit der Verstärkung der US-Truppen werde dieser dramatische Vertrauensverlust noch weiter zunehmen, da die Zahl ziviler Opfer dadurch nicht sinken werde. Afghanistan werde langfristig nur sicherer, wenn der Aufbau glaubwürdiger staatlicher Strukturen sowie einer wirksamen Polizei und Armee vorangetrieben werde.

"Die geplante Bewaffnung von Stammesmilizen widerspricht allen Erfahrungen mit zwei Jahrzehnten Bürgerkrieg in Afghanistan." So sei der von den USA in den 80er-Jahren bewaffnete Warlord Gulbuddin Hekmatyar seit Oktober 2001 für den Tod von mehr als der Hälfte der 560 in Afghanistan getöteten US-Soldaten verantwortlich. Auch die von USA beschlossene Drogenbekämpfung werde wirkungslos bleiben, wenn die Macht der Warlords nicht konsequent eingeschränkt werde. Bislang würden die USA und die afghanische Regierung jedoch Warlords in verschiedensten Landesteilen fördern, um kurzfristige Interessen durchzusetzen.

Es sei bedauerlich, dass Obama noch keine konkreten Initiativen zur Verstärkung des Wiederaufbaus angekündigt habe. Zwar gebe die USA jedes Jahr 36 Milliarden US-Dollars für den Krieg am Hindukusch aus. Doch seit dem Jahr 2002 seien nur insgesamt 10,4 Milliarden US-Dollars für den Wiederaufbau versprochen und sogar nur fünf Milliarden tatsächlich ausgezahlt worden. Ein großer Teil der Gelder würde unmittelbar in die USA zurückfließen, weil die Hilfe an den Kauf von US-Produkten oder an die Bezahlung von US-Experten gebunden sei. So seien 47 Prozent der US- Entwicklungshilfe "technische Hilfe", über die der Einsatz von US-Experten abgerechnet werde. Von den restlichen Entwicklungshilfegeldern seien 70 Prozent an den Kauf von US-Produkten gebunden.