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Libyen

35.000 Flüchtlinge wollen heimkehren - Rassismus-Opfer aus Tawergha brauchen besonderen Schutz

Bozen, Göttingen, 3. Juni 2013

Tawerghi in einem Flüchtlingslager in der libyschen Hauptstadt Tripolis. Foto: Flickr: sara prestianni, BY-NC-SA 2.0. Tawerghi in einem Flüchtlingslager in der libyschen Hauptstadt Tripolis. Foto: Flickr: sara prestianni, BY-NC-SA 2.0.

Die Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV) fordert besonderen Schutz für die 35.000 rückkehrwilligen Kriegsflüchtlinge aus der Stadt Tawergha in Libyen, die während des Bürgerkriegs im August 2011 vor rassistisch motivierter Gewalt der Milizen fliehen mussten. Die Flüchtlinge sind schwarzafrikanischer Abstammung und haben für den 25. Juni 2013 die Rückkehr in ihre Heimatstadt angekündigt. Unmittelbar nach dem Sturz von Muammar Gaddafi hatten Milizen den Bewohnern von Tawergha pauschal vorgeworfen, den Diktator unterstützt zu haben und regelrecht Jagd auf sie gemacht. Wieviele Schwarzafrikaner bei der Vertreibung getötet wurden, ist nicht bekannt. Die Milizen gingen jedoch äußerst brutal vor. Rund 1.300 Einwohner der Stadt wurden verschleppt.

"Die Heimkehr der Flüchtlinge sollte von Mitarbeitern des Internationalen Komitees des Roten Kreuzes (IKRK) begleitet werden", erklärte der GfbV-Afrikareferent Ulrich Delius am Montag in Göttingen. "Besonders wichtig ist, dass auch in den Wochen nach ihrer Rückkehr ein besonderer Schutz in Tawergha gewährleistet wird." Der Menschenrechtler forderte außerdem die Aufklärung des Schicksals der Verschleppten oder Verhafteten. Sie werden bis heute meist von Milizen in nicht-offiziellen Gefängnissen festgehalten: "Den Verschleppten muss entweder ein fairer Gerichtsprozess gemacht oder sie müssen unverzüglich freigelassen werden."

Die Debatte um die Rolle der Bewohner Tawerghas im Bürgerkrieg wurde durch den Fund eines Massengrabs im Mai 2013 in der Geisterstadt angeheizt. In dem Grab waren elf Personen - vermutlich Milizionäre - verscharrt, die an den Händen gefesselt worden waren. Milizionäre gehen davon aus, dass Schergen des Gaddafi-Regimes aus Tawergha für die Morde verantwortlich sind.

Libyens Regierung fürchtet, die Rückkehr könne neue Gewalt nicht nur gegen die Mörder, sondern pauschal gegen alle Einwohner Tawerghas schüren. Vor allem in der benachbarten und verfeindeten Stadt Misrata, die besonders engagiert das Gaddafi-Regime bekämpft hat, stößt die geplante Heimkehr auch bei Behördenvertretern auf offene Ablehnung.

Die Verbrechen gegen die Menschlichkeit in Tawergha sind eines der düstersten Kapitel des Libyen-Krieges. Die pogromartigen Übergriffe gegen die schwarzafrikanischen Libyer machten weltweit Schlagzeilen. Doch 22 Monate nach ihrer Flucht sind die Leidensgeschichten dieser Opfer des Rassismus der Sieger im libyschen Machtkampf vergessen. Dabei kam es auch nach ihrer Flucht zu weiteren Übergriffen. Immer wieder wurden ihre Flüchtlingslager von Milizionären angegriffen. Bei einer Attacke auf das Camp in Janzur wurden im Februar 2012 sieben Flüchtlinge getötet, darunter drei Kinder. Als am 19. Mai 2013 Dutzende Bewohner Tawerghas in der Hauptstadt Tripolis für ihre Heimkehr demonstrierten, eröffneten Unbekannte das Feuer auf die Demonstranten und verletzten eine Person.