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Indigene Völker und Atomversuche

75 Jahre Atombombenabwurf auf Hiroshima (6. August)

Bozen, Göttingen, 4. August 2020

Die ansteigende radioaktive Verseuchung des Pazifischen Ozeans gefährdet die Ureinwohner der Region. Die ansteigende radioaktive Verseuchung des Pazifischen Ozeans gefährdet die Ureinwohner der Region.

Zum 75. Jahrestag des Atombombenabwurfs auf Hiroshima hat die Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV) daran erinnert, dass indigene Völker bis heute unter den dramatischen Folgen der Atombombenentwicklung leiden. Angesichts der katastrophalen Konsequenzen von Atomtests bezeichnete es die Menschenrechtsorganisation als unverantwortlich, dass von den USA eine Wiederaufnahme von Atomversuchen erwogen wird. "Wer erlebt hat, wie Atommächte indigene Völker als Versuchskaninchen missbraucht haben, um die Wirkung von Atombomben zu testen, kann die Diskussion über einen Neubeginn von Atomtests nur als blanken Zynismus empfinden", erklärte der GfbV-Direktor Ulrich Delius am Dienstag in Göttingen. Die Atomversuche seien eines der größten Verbrechen an Mensch und Umwelt nach dem Zweiten Weltkrieg gewesen. Von den dadurch entstandenen Atommülldeponien gingen noch tausende Jahre ernste Gefahren für die ganze Menschheit aus.

Vor allem auf den Pazifischen Inseln würden indigene Völker noch heute unter schwerwiegenden gesundheitlichen, ökologischen und sozialen Folgen des Atomkolonialismus leiden, erklärte die GfbV. Aber auch in Xinjiang im Nordwesten Chinas, in Kasachstan, Algerien, Australien und im Westen der USA hätten indigene Völker und Minderheiten einen hohen Preis für das atomare Wettrüsten gezahlt. "Tausende Menschen starben einen frühen Tod aufgrund der Folgen ihrer Verstrahlung oder der Zerstörung ihrer Lebensgrundlage. Den meisten Opfern von Atomversuchen hat man bis zu ihrem Tod jeden Einblick in die Hintergründe ihrer Erkrankungen verwehrt", kritisierte Delius. Heute würde man das zynische Verhalten der Atommächte gegenüber ihrer eigenen Bevölkerung als Verbrechen gegen die Menschlichkeit bezeichnen. Doch juristisch seien diese Verbrechen niemals geahndet worden. Die Überlebenden warteten zumeist bis heute auf eine angemessene Entschädigung für ihr Leiden und die zerstörte Umwelt.

So habe Frankreich erst im Juli 2020 die Bedingungen für eine Entschädigung von Atomtestopfern erneut erschwert. "Es ist skandalös, dass Frankreich selbst 24 Jahre nach dem Ende seiner Atomversuche nicht bereit ist, die volle Verantwortung für die Verstrahlung indigener Maohi und ihrer Inseln im Südpazifik zu übernehmen", erklärte Delius. Frankreich hatte 193 Atomtests zwischen 1966 und 1996 in seinem Überseeterritorium Französisch-Polynesien durchgeführt. Die Testinseln Moruroa und Fangataufa gelten bis heute aufgrund großer Mengen Atommüll als Sicherheitsrisiko.

Auch auf den von den USA kontrollierten Marshall-Inseln im Nordwestpazifik ist das strahlende Atomerbe bis heute eine Hypothek. Indigene werfen der US-Regierung vor, der Inselbevölkerung Informationen über ihre Gefährdung durch Atommüll gezielt vorzuenthalten. Mehrfach wurden Indigene unter falschen Vorgaben umgesiedelt und dadurch Verstrahlung ausgesetzt. Nun machen die Marshall-Inseln Druck auf die US-Regierung, zur Kompensation ihre wirtschaftliche Hilfe für die notleidende Bevölkerung zu verstärken. "Die Kosten der Atomtests für die Menschheit sind horrend. Wer nun leichtfertig neue Atomversuche erwägt, sollte das anhaltende Leiden der Opfer des atomaren Wettrüstens nicht ignorieren", forderte Delius.