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Genozid in Ruanda

Die Rolle des Gacaca- Gerichts in Ruanda

Von Melanie Haller

Bozen, 8. März 2007

INDEX

1. Geschichtlicher Hintergrund des Genozids in Ruanda | 2. Die traditionellen Gacaca- Gerichte | 3. Die modernen Gacaca- Gerichte | 4. Ergebnisse

1. Geschichtlicher Hintergrund des Genozids in Ruanda .: oben :.

Ein Gacaca-Gerichte in Ruanda 1994 fand in Ruanda ein schrecklicher Völkermord statt, bei dem in 100 Tagen 800.000 bis einer Million Menschen ermordet wurden. So weit konnte es nur kommen, weil die Geschichte Ruandas einer Politik der Diskriminierung ausgesetzt war. Schon 1934/35 gab es den ersten Schritt, der zu Uneinigkeiten unter den drei ruandischen Bevölkerungsgruppen, HUTU, TUTSI und TWA, führte. Die Belgier, deren Kolonie Ruanda war, führten im Land eine Volkszählung durch, in der sich alle Bewohner einer der drei Volksgruppen angehörig erklären mussten.

Auf die Volkszählung folgten eine Reihe von Diskriminierungen von Belgien aus. Zunächst sahen sie nur in den Angehörigen der TUTSI ihnen ebenbürtige Menschen und gaben ihnen deshalb höhere Verwaltungspositionen im Land. HUTU und TWA ordneten sie dem Volk der TUTSI unter. Jahre später änderten die Belgier ihre Politik und unterstützten ab einem gewissen Zeitpunkt Angehörige der HUTU. Klarerweise führten diese ungleichen Behandlungen zu Spannungen zwischen den beiden Volksgruppen, die erstmals 1959 ausarteten, als 100 Menschen bei Kämpfen zwischen HUTU und TUTSI getötet wurden und etwa 100.000 ins Exil gingen. Soziale und politische Diskussionen wurden immer wieder auf ethnischer Ebene ausgefochten.

1990 begann der Krieg in Ruanda und es kam immer wieder zu Auseinandersetzungen, die zum großen Teil von höheren Stellen, wie den Regierungsbeamten, organisiert wurden. Als 1994 das Flugzeug des ruandischen Staatspräsidenten Juvénal Habyarimana (HUTU) abgeschossen wurde, sahen extremistische HUTU diesen Vorfall als Auslöser, in den folgenden Wochen mehr als 800.000 TUTSI und gemäßigte HUTU umzubringen. Durch Propaganda haben sie es geschafft auch viele Mitglieder der HUTU von ihrer Mission zu überzeugen und so kam es, dass sich viele Teile der HUTU Bevölkerung am Völkermord beteiligten.

Die neuen Gacaca- Gerichte wurden eingeführt, da es für den Internationalen Strafgerichtshof für Ruanda (ICTR) und die nationalen Gerichte in Ruanda unmöglich ist, alle Geschehnisse vom Völkermord 1994 zu behandeln und allen Angeklagten eine gerechte Verhandlung zu gewährleisten. Nach Amnesty International könnte in Ruanda jeder vierte Erwachsene strafrechtlich belangt werden.

2. Die traditionellen Gacaca- Gerichte .: oben :.

Ruanda: Völkermordgedenkstätte Nta Rama. Foto: Ralf Krämer, Simone Orlik Die Gacaca- Gerichte in ihrer traditionellen Form waren nicht eingerichtet worden, um jemanden zu bestrafen, sondern um den sozialen Frieden in der Gemeinschaft zu erhalten. Sie fanden unter freien Himmel auf Wiesen statt, darum auch der Name Gacaca, was so viel wie Gras bedeutet. Die Gerichte fanden meist unter Beteiligung der betroffenen Familien und unter Aufsicht eines Ältesten statt. Am Ende der Verhandlungen wurde als Zeichen der Entschuldigung und auch des Verzeihens ein Mahl veranstaltet. Strafen, die ausgesprochen wurden, waren gemeinnützige Arbeiten oder Reparationszahlungen, die durch Lebensmittel beglichen werden konnten.

3. Die modernen Gacaca- Gerichte .: oben :.

Im Unterschied zu den traditionellen Gacaca- Gerichten sind die modernen Gacaca- Gerichte rechtlich verankert und haben eine vorgeschriebene Prozedur. Die Verbrechen, die während des Völkermordes begangen worden sind, wurden in Kategorien eingeteilt. Die nationalen Gerichte und der ICTR behandeln Verbrechen der Kategorie 1, in welche die Planung des Völkermordes, Massenmord, Vergewaltigung und sexuelle Folter fallen. Die Gacaca- Gerichte haben die Aufgabe, Verbrechen der Kategorie 2 bis 4 zu behandeln. In die Kategorie 2 fallen schwere Körperverletzung, Totschlag und Mord, in Kategorie 3 fallen Körperverletzungen und in die Kategorie 4 fallen Vermögensdelikte.

Zelle, Sektor, Distrikt und Provinz sind die vier politischen Einheiten in Ruanda. Anfangs bekam jede Ebene Gacaca- Gerichte, aber aus Kostengründen wurden 2004 die Gerichte auf Distrikt- und Provinzebene aufgelöst, dafür wurde ein neues Appellationsgericht auf Sektorenebene eingerichtet. Jedes Gacaca- Gericht besteht aus der Generalversammlung, dem Sitz und dem Koordinationskomitee. Die Generalversammlung auf der Ebene der Zelle besteht aus allen Einwohnern der Zelle, die über 18 Jahre alt sind. Die Richter der Zelle bilden mit den Richtern des neu gegründeten Appellationsgericht und der Richtern auf Ebene des Sektors die Generalversammlung des Gerichts auf Ebene des Sektors.

Dem Sitz der Gerichte gehören jeweils neun Richter, die inyangamugayo und fünf Gesandte an. Ein inyangamugayo wird von der Generalversammlung gewählt, muss über 21 Jahre alt sein, einen hohen Moralanspruch haben, nicht am Völkermord beteiligt gewesen sein und nie eine Gefängnisstrafe über 6 Monate erhalten haben. Der Sitz wählt aus seinen Mitgliedern 5 Komponenten, welche das Koordinationskomitee für Verwaltungsaufgaben übernehmen.

Generalversammlung und Sitz auf Zellenebene haben die Aufgabe Listen zu erstellen, wer zur Zeit des Völkermordes in ihrer Zelle ansässig war und ob er sich am Völkermord beteiligt hat. Die Generalversammlung der sektoralen Ebene überwacht gleichzeitig die Prozesse, die auf Ebene der Zelle stattfinden. Das sektorale Appellationsgericht hingegen bearbeitet Berufungen, die aus Prozessen auf sektoraler Ebene stammen.

Die Gacaca- Gerichte auf Ebene der Zellen sind des weiteren nur befugt, Verbrechen der Kategorie drei zu behandeln, während die Gerichte auf Ebene des Sektors Verbrechen der 2. Kategorie zugeordnet bekommen. Das Strafmaß, das Gacaca- Gerichte aussprechen dürfen, liegt zwischen 30 Jahren Haft und gemeinnütziger Arbeit. Über aller Verfahren der Gacaca- Gerichte gibt es ein übergeordnetes Organ mit den Namen Service National des Juridictions Gacaca (SNJG).

4. Ergebnisse .: oben :.

Die Untersuchungen wurden von den Gacaca- Gerichten 2005 aufgenommen und es war geplant bis einschließlich 2007 die Verhandlungen abzuschließen. Diese Planung bei der Hülle von Angeklagten erweckte in einigen Skepsis. Weitere Zweifel kamen durch bestimmte Urteile der Gerichte auf. Skeptiker behaupten, die Gerichte könnten zum persönlichen wirtschaftlichen Vorteil missbraucht werden oder auch Schauplatz eines persönlichen Rachefeldzuges werden. Die Gacaca- Gerichte wurden aber auch eingesetzt, um das Geschehene zu dokumentieren und den Überlebenden die Chance zu geben, zu erfahren wie ihre Verwandten, Freunde und Bekannten umgekommen sind. In einem Interview der Taz (die Tageszeitung) mit Simon Gasibirege meint der Psychologe, der in Ruanda tätig ist, dass die Gacaca- Gerichte eine Chance sein können, um Trauerarbeit zu leisten, also eine Art Therapie sein können.

In der selben Zeit können sie aber auch neue Traumas auslösen. Man kann ihre Arbeiten also nicht nur Positiv oder nur Negativ sehen. Eine Bestimmung der Gacaca- Systeme ist, dass bei einem Geständnis das Strafmass reduziert werden kann. Große Ungerechtigkeit findet hingegen bei Angeklagten der Kategorie 1 statt. Während Angeklagte, die vor den nationalen Gerichten Ruandas kommen, zur Todesstrafe verurteilt werden können, ist die Höchststrafe, die der Internationale Gerichtshof für Ruanda (ICTR) verhängen kann, eine lebenslange Haftstrafe. Anfang 2005 waren laut dem Jahresbericht 2006 von Amnesty International 800.000 Menschen wegen Verdachts auf Mittäterschaft am Völkermord im Gefängnis, also Verbrechen der Kategorie 2-4. Da die Gefängnisse in Ruanda dadurch total überfüllt waren und ihre Kapazitäten erreicht hatten, wurden im August 2005 36.000 Häftlinge mit der Begründung, dass sie ihre Mitschuld gestanden haben, auf freien Fuß gesetzt. Damit konnte man gleichzeitig wieder neue Verdächtige vor die Gacaca- Gerichte holen, um möglicherweise auch zu neuen Erkenntnissen zu gelangen.

Quellen:
Melvern, Linda: Ruanda. Der Völkermord und die Beteiligung der westlichen Welt, München, 2004.


Siehe auch:
* www.gfbv.it: www.gfbv.it/2c-stampa/03-2/030528de.html | www.gfbv.it/2c-stampa/04-1/041125de.html | www.gfbv.it/2c-stampa/04-1/040406de.html | www.gfbv.it/3dossier/africa/ruanda-dt.html | www.gfbv.it/3dossier/africa/ruanda/ruan-de.html | www.gfbv.it/3dossier/africa/rwanda.html | www.gfbv.it/3dossier/africa/pigmei-de.html

* www: www.inkiko-gacaca.gov.rw | www.ictr.org | www.iccnow.org | www2.amnesty.de/internet/deall.nsf/51a43250d61caccfc1256aa1003d7d38/e7df48d8efa4aa56c12571a9004d8cab?OpenDocument | http://de.wikipedia.org/wiki/Gacaca | www.taz.de/pt/2004/04/07/a0174.1/textdruck | www.donika.com/RWANDA.PDF

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