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Agentur für Grundrechte

Mit gutem Beispiel vorangehen - die EU nimmt endlich die Menschenrechte in ihre Agenda auf

Bozen, 10. Dezember 2004

Index

>> Aufgabe | >> Tätigkeitsbereiche | >> Wirkungsbereich | >> Auftrag | >> Die Agentur und die NGO | >> Zusammenarbeit mit Europarat und UN-Menschenrechtskommission | >> Die Struktur der Agentur

Die Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV) begrüßt die beschlossene Umwandlung der EU-Beobachtungsstelle von Rassismus, Fremdenfeindlichkeit und Antisemitismus in eine Agentur für Grundrechte. Der von der Union beschlossene Beitritt zur Europäischen Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundrechte soll deshalb ergänzt werden durch die EU-Ratifizierung der Rahmenkonvention zum Schutz nationaler Minderheiten und der Charta der Regional- und Minderheitensprachen des Europarates. Für die GfbV konsequent ist auch eine Ratifizierung der ILO-Konvention zum Schutz indigener Völker durch die EU. Die EU-Außenpolitik und der EU-Außenhandel haben Auswirkungen auf die Lebensbedingungen indigener Völker. Die EU sollte deshalb die menschenrechtlichen Leitlinien der IL0-Konvention 169 übernehmen.

Wir schicken voraus, dass eine Agentur letztendlich dann politisch durchschlagskräftig ist, wenn in der EU-Kommission ein Kommissar mit dem Bereich Menschenrechte befasst wird. Die zu schaffende Agentur für Grundrechte soll nicht nur Informationen zum Themenbereich sammeln, sondern auch die Einhaltung der Grundrechte überwachen. Bei Verletzung dieser Grundrechte muss die Agentur in die Lage versetzt werden, auch mit Sanktionen agieren zu können. Bei der Erstellung des Grünbuchs "Gleichheit und Nichtdiskriminierung" befragte die EU-Kommission über eine Online-Konsultation Bürger und Organisationen. Fast 90 Prozent der Befragten fordern von der EU ein striktes Vorgehen gegen Diskriminierungen. Auch deshalb, weil zwei EU-Richtlinien aus dem Jahr 2000 Diskriminierungen verbieten. Die Befragten bemängelten die schleppende Umsetzung dieser Richtlinien in einigen Mitgliedsstaaten. Ein Grund mehr, die Agentur mit der Umsetzung dieser Anti-Diskriminierungsrichtlinien zu betrauen.

Die Hälfte der Befragten forderten die EU-Kommission aber auch auf, die Diskriminierung aufgrund der Zugehörigkeit zu einer nationalen Minderheit ebenfalls konsequent zu bekämpfen. Eine Debatte, stellten die Befragten fest, ist mehr als notwendig. Kommissionspräsident Barroso erklärte die Grundrechte und den Kampf gegen die Diskriminierung als eine der Prioritäten seiner Kommission. Die Kommission benötigt deshalb eine schlagkräftige Agentur mit weitreichenden Kompetenzen. Aufgrund der Frageliste der EU-Kommission reicht die GfbV ihr Vorschläge zur Schaffung einer Agentur für Grundrechte ein.

Aufgabe .: oben :.
Der Aufgabenbereich der zu schaffenden Agentur für Grundrechte ergibt sich aus den Artikeln 6 (Absatz 1 und Absatz 2) und Artikel 7 des EU-Vertrages, aus der EU-Grundrechtecharta und aus der künftigen EU-Verfassung. Charta und Verfassung bekräftigen die Rechte, die sich aus den Verfassungsüberlieferungen und den gemeinsamen internationalen Verpflichtungen der Mitgliedsstaaten, aus der Europäischen Menschenrechtskonvention, der EU-Sozialcharta, der Sozialcharta des Europarates, des Rahmenabkommens für den Schutz der nationalen Minderheiten sowie der Charta der Regional- und Minderheitensprachen des Europarates, aus der Rechtssprechung des Gerichtshofs und des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte herleiten.

Grundsätze der Union sind Freiheit, Demokratie, Achtung der Menschenrechte und Grundfreiheiten sowie die Rechtsstaatlichkeit. Daraus ergeben sich die Aufgabenbereiche der Agentur. Die drei EU-Weisen Athisaari, Frowein und Oreja untersuchten die Lage der Sprachminderheiten, der Flüchtlinge und Immigranten in Österreich nach Amtsantritt der ÖV-FP-Bundesregierung, erinnerten die Mitte-Rechts-Regierung an die Verpflichtung zur Einhaltung der gemeinsamen europäischen Werte und empfahlen in ihrem Bericht ( www.initiative.minderheiten.at/Dokumente/bericht_de.pdf) die Schaffung einer Europäischen Agentur der Menschenrechte mit dem Ziel, einen EU-eigenen Mechanismus zur Überwachung und Bewertung der Verpflichtung und des Verhaltens jedes einzelnen Mitgliedsstaates zu erhalten.

Tätigkeitsbereiche .: oben :.
Die Agentur soll besonders für jene Personen und Gruppen aktiv werden, die faktisch benachteiligt sind. Die drei EU-Weisen untersuchten aus diesen Gründen die Lage der Minderheiten, Flüchtlinge und Immigranten in Österreich nach Bildung der Mitte-Rechts-Regierung aus ÖVP und FPÖ. Faktische Benachteiligungen von Personen und Gruppen gibt es aber nicht nur in Österreich.

Der Charta der Grundrechte ( www.initiative.minderheiten.at/Dokumente/eu_grundrechte-charta.doc) gibt in diesen Problembereichen mit Kapitel 1 - Würde des Menschen -, Kapitel 2 - Freiheiten - und Kapitel 3 - Gleichheit - eine Handlungsrichtlinie vor. Daraus ergeben sich auch Aufgabenprioritäten für die Agentur. Die EU bekennt sich in ihrer Grundrechtecharta zur Sprachenvielfalt und zum Diskriminierungsverbot aufgrund der Sprache, allerdings stehen ihr keine konkreten Mittel und Instrumente zur Verfügung, dagegen auch vorzugehen und sich für die Förderung der Regional- und Minderheitensprachen zu engagieren. Auch hier muss die Agentur handeln. Die ausschließliche Dokumentation von Diskriminierungen ist nicht ausreichend.

Ein Handlungsauftrag aus Grundrechtecharta und Verfassung an die Agentur für Menschenrechte. Tatsächlich belegt auch die inzwischen 3. Studie über die Lage der Sprachen der Minderheiten "euromosaic" eine sprachlich motivierte Diskriminierung. Mit dieser Aufgabe soll die bestehende Europäische Stelle zur Beobachtung von Rassismus und Fremdenfeindlichkeit zusätzlich betraut werden. Opfer von Rassismus und Fremdenfeindlichkeit sind Angehörige von Bevölkerungsgruppen, die faktisch benachteiligt werden. Die Stelle sollte in die Lage versetzt werden, eine "affermative action" für faktisch Benachteiligte umsetzen zu können, in Kooperation mit der Europäischen Kommission gegen den Rassismus und die Intoleranz des Europarates. Das von der EU-Kommission nicht mehr finanzierte European Bureau for lesser used languages (Eblul) soll in die neue Agentur aufgehen.

Die Agentur sollte auch die Erfahrungen des Hohen Kommissars für Nationale Minderheiten der OSZE berücksichtigen. In seiner Arbeit kam Max van der Stoel zum Schluss, dass Minderheiten als erkennbare Bevölkerungsgruppen bestimmte Rechte benötigen, um Diskriminierungen zu verhindern, um die Gleichberechtigung und Integration zu ermöglichen. Der ehemalige Hohe Kommissar legte seine Empfehlungen für eine moderne Minderheitenpolitik in der Form von drei Katalogen von Empfehlungen vor. Die "Haag"-Empfehlung formuliert Bildungsrechte von nationalen Minderheiten (1997), die "Oslo"-Empfehlungen von 1998 Sprachenrechte und die "Lund"-Empfehlungen politische Mitwirkungsrechte (99). In der "Lund"-Empfehlung spricht sich Max van der Stoel für Autonomieregelungen aus.

Diese entsprechen den Empfehlungen und einer entsprechenden Entschließung der Parlamentarischen Versammlung des Europarates vom Sommer 2004 zur Schaffung einer Autonomiekonvention. Empfehlung und Entschließungen waren die Folgen des Berichts des Schweizer Parlamentariers Andreas Gross (www.andigross.ch/html/auton_coe.pdf).

Wirkungsbereich .: oben :.
Der räumliche Geltungsbereich der Agentur für Menschenrechte lässt sich nicht nur auf die Union beschränken. Nicht von ungefähr ist die Achtung der Menschenrechte in Drittländern ein Thema der Außenpolitik der Union. Der Hohe Vertreter für die gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik GASP benötigt aus diesem Grund ein spezialisiertes Menschenrechtsbüro. Diese Aufgabe sollte die Agentur übernehmen. Die räumliche Einschränkung des Wirkungsbereichs der Agentur auf die Union ist wenig zielführend. Die EU wird auch mit den jugoslawischen Nachfolgestaaten in einigen Jahren Beitrittsverhandlungen aufnehmen. Bereits jetzt kann die EU Druck auf diese Staaten ausüben, die "ethnischen Säuberungen" zurückzunehmen, indem die Vertriebenen in ihre Heimatdörfer und Städte zurückkehren können. Auch im europäischen Raum wird das 1. Kapitel der EU-Grundrechtecharta - Würde des Menschen - verletzt.

Die Würde des Menschen muss auch als Richtschnur in der Handelspolitik der EU gelten. Ein Grund mehr für die EU-Ratifizierung der ILO-Konvention 169 zum Schutz indigener Völker, die damit auch in den Geltungsbereich der Agentur fallen. Ein Höchstmaß an Arbeitseffizienz ist nur dann möglich, wenn in der EU-Kommission ein Kommissar für Menschenrechte ernannt wird. Er soll sicherstellen, dass alle Aktivitäten der Kommission mit den Menschenrechten im Einklang stehen und systematisch die Menschenrechte in alle Dienste der Kommission einfließen. Dadurch werden auch Überschneidungen mit bestehenden Organisationen vermieden.

Auftrag .: oben :.
Die Agentur muss allgemeine Informationen über Menschenrechte im Rahmen der Anwendung des Gemeinschaftsrechts und grundrechtsbezogene Daten beschaffen. Auf der Grundlage dieser Informationen erstellt die Agentur "Weißbücher" über die Menschenrechtssituation in der EU und in der Welt. Die Sammlung der Informationen und deren Analyse soll in Zusammenarbeit mit bereits bestehenden Institutionen (Union und ihre Organe, das Europaparlament und Mitgliedsstaaten), mit NGO, mit dem Europarat, der OSZE und der UN-Menschenrechtskommission erfolgen. Ein entsprechendes Forum soll die Kooperation institutionalisieren.

Die einzelnen EU-Organe müssen verpflichtend der Agentur ihre Informationen vorlegen und auch regelmäßig Bericht erstatten. Verpflichtend muss die Agentur aber auch Informationen und Berichte der NGO in ihre Arbeit aufnehmen. Die Analysen der gesammelten Informationen sollen von der Agentur als Menschenrechtsreporte veröffentlicht werden, die Empfehlungen als "Weißbücher" mit entsprechenden EU-Richtlinien. Über eine homepage soll die Öffentlichkeit Zugriff haben zur Arbeit der Agentur. Reporte der Agentur dürfen niemals als "Verschlusssache" der Öffentlichkeit vorenthalten werden. Die Europäische Stelle zur Beobachtung von Rassismus und Fremdenfeindlichkeit fügte der eigenen Arbeit großen Schaden zu, als sie aus politischen Gründen die Studie über den Antisemitismus in der EU ein Jahr lang unter Verschluss hielt.

Die Agentur und die NGO .: oben :.
Die Zusammenarbeit der Agentur mit NGO, Forschungseinrichtungen zu Fragen der Menschenrechte muss institutionell garantiert werden. Über die homepage der Agentur kann eine virtuelle Vernetzung als erster Schritt erfolgen.

Zusammenarbeit mit Europarat und UN-Menschenrechtskommission .: oben :.
Als Modell gilt die bereits praktizierte Zusammenarbeit zwischen der Beobachtungsstelle und der Kommission gegen Rassismus und Intoleranz des Europarates. In der Agentur muss die Menschenrechtsabteilung des Europarats und auch die UN-Menschenrechtskommission vertreten sein. Die bereits bestehenden Einrichtungen der Mitgliedsstaaten sind zur Zusammenarbeit mit der Agentur verpflichtet. Die Agentur ist verpflichtet, mit den Menschenrechtsorganisationen zusammenzuarbeiten. Das auf Wunsch des Europaparlaments eingerichtete Sachverständigennetz muss in die Agentur eingegliedert werden. Die Sachverständigen arbeiten ohne politische Vorgaben, Vorgaben ergeben sich aus der EU-Grundrechtecharta und der EU-Verfassung.

Die Struktur der Agentur .: oben :.
Die Agentur muss innerhalb der EU-"Architektur" (Parlament, Kommission, Rat und Mitgliedsstaaten) unabhängig sein. Eine entsprechende eigene Budgetlinie, garantiert durch eine legale Basis, sichert die Unabhängigkeit. Die Effizienz der Agentur, Transparenz und Repräsentativität ist nicht gegeben, wenn - wie die Kommission vorgibt - die personelle und finanzielle Ausstattung der Agentur begrenzt wird. Die von der Kommission vorgeschlagene Begrenzung der personellen und finanziellen Ausstattung der Agentur ist eine von vornherein festgelegte Gängelung. In den Leitungsgremien der Agentur sollen nicht ausschließlich Vertreter der Kommission, des Parlaments, der Mitgliedsstaaten und des Europarates vertreten sein. Sinnvoll und notwendig sind auch Vertreter der NGO und Fachleute.


Siehe auch:
* www.gfbv.it: www.gfbv.it/3dossier/eu-min/ue-agen25-de.html | www.gfbv.it/3dossier/eu-min/protok-oes.html | www.gfbv.it/2c-stampa/04-1/041209ade.html | www.gfbv.it/2c-stampa/04-1/041201de.html | www.gfbv.it/2c-stampa/04-1/041025de.html | www.gfbv.it/2c-stampa/04-1/041018de.html | www.gfbv.it/2c-stampa/04-1/040823de.html | www.gfbv.it/2c-stampa/04-1/040806de.html | www.gfbv.it/3dossier/3indice.html#eu-min

* www: europa.eu.int/comm/justice_home/news/consulting_public/fundamental_rights_agency/communication_com2004_693_de.pdf | europa.eu.int/comm/justice_home/news/consulting_public/fundamental_rights_agency/list_of_questions_de.pdf | eumc.eu.int/eumc/index.php | europa.eu.int/yourvoice/index_de.htm

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