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Atomkraft ist keine Alternative

Urankreislauf zu Lasten indigener Völker

Von Ulrich Delius, Markus Nitsch, Yvonne Bangert

Bozen, Göttingen, Dezember 2007

INHALT

1. Zusammenfassung | 2. Australien: Uranbergbau macht Ureinwohnerland zur Stätte des Todes | 3. Niger: Uranbergbau schürt Tuareg-Aufstand | 4. Kanada: Landrechte der First Nations vs. einen der größten Uranproduzenten der Welt | 5. Vom Uranabbau zum Endlager für Atommüll - Indianische Uranopfer in den USA | 6. "Strahlende Zukunft" - Indiens Uranbergbau und seine Folgen für die Adivasi

1. Zusammenfassung [ oben ]

Schild: Caution radioactive material Weltweit boomt die Uranindustrie. Es gibt ca. 50 aktive Minen in 16 Staaten. Der Markt wird beherrscht vom kanadischen Unternehmen CAMECO, der britisch-australischen Rio Tinto-Gruppe und dem französischen Unternehmen Areva, die allein fast 50% des Weltmarkts unter sich aufteilen. CAMECO aus dem kanadischen Saskatoon, Saskatechwan ist nach eigenen Angaben der größte Uranproduzent mit einem Anteil von 20% an der Welturanproduktion, der in den Uranminen in Kanada und den USA erwirtschaftet wird. Die Rio Tinto Gruppe mit Firmensitzen in London/Großbritannien und in Melbourne/Australien ist über ihre Anteile an der Energy Ressources of Australia (ERA; 68%) - dem drittgrößten Uranproduzenten der Welt - und der Rössingmine in Namibia (69%) am Urangeschäft beteiligt. ERA ist nach eigenen Angaben verantwortlich für 11% der Weltjahresproduktion an Uran.

Rund 70 Prozent der weltweiten Uranvorkommen befinden sich auf dem Land indigener Völker. Die größten Reserven liegen in Kanada und Australien. Weitere wichtige Uranproduzenten sind Kasachstan, Niger, Russland, Namibia und Usbekistan. Seit jeher sind Wirtschaft, Kultur und Religion der Ureinwohner eng mit der Umwelt verwoben, in der sie leben. In weit stärkerem Maße als in der industrialisierten Welt kommt die Zerstörung der Landschaft durch den Abbau von Rohstoffen in Australien, den USA, Kanada, Niger oder Indien einer Vernichtung der Lebensgrundlage von Indianern und Inuit, Aboriginal Australians und Tuareg, Adivasi in Indien und anderen indigenen Völkern gleich.

Der Uranboom wird begründet mit der Suche nach alternativen Brennstoffen, die das Klima weniger belasten als zum Beispiel Kohlekraftwerke. Aufgrund der außerordentlich umweltschädlichen Förderung und Aufbereitung des Urans ist Atomkraft jedoch keine umweltverträgliche Alternative, von der ungelösten Frage der Endlagerung radioaktiver Abfälle ganz zu schweigen. Das Menetekel der beiden Gaus in den Aromkraftwerken Tschernobyl in der heutigen Ukraine 1986 und Three Mile Island in den USA 1979 verblasst.

Ureinwohnerland wird in mehrfacher Hinsicht von der Uranindustrie berührt. Hier wird das Schwermetall nicht nur gefördert, sondern es wurden zum Beispiel auf dem traditionellen Land der Western Shoshone in Nevada/USA, auf dem Moruroa Atoll in französisch Polynesien oder in der Wüste der Aborigines in Australien auch Atomwaffen getestet. Auf der Suche nach Endlagern für radioaktiven Müll ist indianisches Land in den USA und Aborigineland in Australien erneut gefragt.

Der Widerstand zahlreicher indigener Völker gegen Uranförderung oder Endlagerung radioaktiven Mülls auf ihrem Land reicht weit zurück. Bereits 1984/85 blockierten kanadische Cree und Dene zusammen mehrere Tage lang die Zugangsstraßen zur Uranmine am Wollaston Lake. Auch in Australien formierte sich ein breites Bündnis von Mirrar-Aborigines und Umweltschützern gegen die Eröffnung der Jabiluka Mine im Kakadu National Park, einem Weltnaturerbegebiet der UNESCO. Am 23. März 1998 machten sich fast 3000 Menschen unter dem Motto "Jabiluka will be stopped" (Jabiluka wird verhindert) auf den Weg zum geplanten Bauplatz und behinderten die Arbeiten. Ihre Aktionen führten schließlich zu einem Moratorium für den Uranabbau in dieser Mine bis 2011.

In Süd Dakota/USA wehren sich die Lakota derzeit vehement gegen Uranförderung mit dem besonders umweltschädlichen In-situ-Verfahren. Dabei wird das Uranerz in der Erde chemisch gelöst und anschließend abgepumpt. Dieses Verfahren birgt unkalkulierbare Risiken einer radioaktiven Verseuchung des Grundwassers. Einen Boom erlebte der Uranbergbau bereits in den 1950er und 1960er Jahren im Gebiet der Navajo und Pueblo-Indianer im Südwesten der USA. Gefördert wurde dort auf dem Land der Navajo- und der Pueblo-Indianer. Auf die in diesem Halbwüstengebiet ohnehin empfindliche Umwelt wurde wenig Rücksicht genommen. Bei Unfällen wurden 1973 der Rio Paguate, der die Laguna-Indianer mit Wasser versorgt, und 1979 der Rio Puerco, wichtige Trinkwasserquelle für 1700 an seinen Ufern lebenden Navajos, verseucht. Die Navajo-Bergleute der Shiprock-Uranmine in New Mexiko wurden schlechter bezahlt, als andere Uran-Bergarbeiter. Zudem waren die Schächte der Mine schlecht belüftet und daher hochgradig strahlenbelastet. Der Kerr-McGee-Konzern, der hier von 1952 bis 1970 Uran förderte, ließ eine riesige ungesicherte Abraumhalde zurück. Doch weder die Bergleute, die an Atemwegserkrankungen oder Lungenkrebs litten, noch die Familien mit missgebildeten Kindern erhielten Entschädigungsleistungen oder Renten. Denn der Kausalzusammenhang zwischen Erkrankung und Radioaktivität wird bestritten.

Im Niger schürt der Uranbergbau den Konflikt zwischen Tuareg und der Zentralregierung. Seit Februar 2007 haben Tuareg erneut zu den Waffen gegriffen, mindestens 50 Armee-Soldaten des Niger starben seither bei Zusammenstößen und Überfällen der Rebellen. Die "Bewegung der Nigerier für Gerechtigkeit" (MNJ) droht mit der gewaltsamen Schließung von Uranminen. Minenarbeiter wurden bereits entführt. Die MNJ wirft den Betreiberfirmen vor, ohne Rücksicht auf die Gesundheit der Minenarbeiter und der lokalen Bevölkerung systematisch Vorschriften zum Schutz von Umwelt und Gesundheit zu ignorieren. Auch Umweltschutzorganisationen berichten über eine erhöhte Zahl von Lungenkrebs und anderen Atemwegserkrankungen in der Umgebung der Minen und kritisieren, dass die Bergbau-Unternehmen tatenlos bleiben. Die Tuareg wenden sich nicht grundsätzlich gegen den Uranbergbau, fordern aber eine stärkere Berücksichtigung der lokalen Bevölkerung bei der Planung und Durchführung neuer Bergbauprojekte sowie einen größeren Anteil ihrer Region an den Erlösen aus der Uranförderung.

Im Juli 2007 einigten sich US-Präsident George W. Bush und der indische Ministerpräsident Manmohan Singh über ihre Zusammenarbeit im Bereich der Atomwirtschaft. Für Indien bedeutete dies die de facto Anerkennung seines Status als Atommacht und eine Erleichterung des geplanten massiven Ausbaus der Atomenergie. Doch nahezu alle wirtschaftlich ausbeutbaren Uranvorkommen befinden sich auf dem Land der Adivasi, der Ureinwohner Indiens. Sie werden den Preis für den radikalen Fortschrittsglauben Indiens zahlen müssen, der keine Rücksicht auf die Menschenrechte von Minderheiten nimmt. Die Adivasi in der Umgebung des Ortes Jadugoda im indischen Bundesstaat Jharkand, wo seit 40 Jahren Uran gefördert wird, haben bereits schlechte Erfahrungen gemacht. Dort strömten am 24. Dezember 2006 über neun Stunden lang tausende Liter radioaktiven Abfalls in einen kleinen Fluss und in die Umgebung der Siedlung Dungridih. Dort leben überwiegend Adivasifamilien, die beim Bau der Anlage und der dazugehörigen Absetzbecken dorthin umgesiedelt wurden. Erst als die Bewohner des Dorfes die Leitung des Werkes, das von der zu 100 % in Staatsbesitz befindliche Uranium Corporation of India Limited (UCIL) betrieben wird, informierten, wurde das Leck geschlossen.

Betrachtet man den Urankreislauf in seiner Gesamtheit, so schädigen Förderung, Nutzung und Lagerung von Uran und radioaktiven Abfällen die Umwelt, verletzen die Menschenrechte und übergehen die Landrechte zahlreicher indigener Völker. Traditionelle Siedlungsgebiete und rituelle Stätten werden zerstört und verseucht. Viele Ureinwohner leben als Viehzüchter, Kleinbauern oder Jäger und Sammler. Wenn ihre Böden und Gewässer durch den Uranabbau unbrauchbar werden, verlieren sie ihre Existenzgrundlage. Ureinwohner werden oft als billige Arbeitskräfte im Uranbergbau einem hohen Gesundheitsrisiko ausgesetzt. Nach Stilllegung der Bergwerke und Aufbereitungsanlagen ziehen sich die Firmen oft ohne Sanierungsmaßnahmen zurück. Radioaktives Haldenerz wurde sogar häufig als Baumaterial verwendet.

Deshalb fordert die Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV):

1. Von den Betreibern der Atomkraftwerke in der Bundesrepublik, kein Uran aus Minen zu verwenden, das auf Ureinwohnerland abgebaut wurde.
2. Von den Betreibern der Uranminen, die sich auf Ureinwohnerland befinden, sich bei zur Einhaltung der Mechanismen des internationalen Rechts gegenüber den indigenen Völkern zu verpflichten, wie sie in der Konvention 169 zu den Rechten der indigenen Völker der Internationalen Arbeitsorganisation ILO und in der Allgemeinen Erklärung zu den Rechten der Indigenen Völker der UN festgeschrieben sind.
3. Von der EU, in ihren Umweltrichtlinien bezüglich der Projekte zum Abbau von Uran und der Endlagerung nuklearer Abfälle gegenüber den Mitgliedsstaaten auf die Einhaltung der Menschenrechte der indigenen Völker zu drängen.
4. Von der Bundesregierung, ihren im Koalitionsvertrag festgeschriebenen Ausstieg aus der Atomenergie konsequent umzusetzen.

2. Australien: Uranbergbau macht Ureinwohnerland zur Stätte des Todes (Yelirrie) [ oben ]

Etwa 40 Prozent der weltweiten Uranreserven befinden sich in Australien. Von der Förderung des Erzes sind vor allem die Ureinwohner, die Aboriginal Australians, betroffen. Eine der Minen, die derzeit nicht ausgebeutet wird, trägt den Aborigine-Namen Yelirrie: Stätte des Todes. Die Aboriginal Australians kamen mit Uran erstmals durch die Atomwaffentests in Kontakt, die Großbritannien von 1956 bis 1967 auf Aborigine-Land in Maralinga in Südaustralien durchführte. Die dort lebenden Aborigines wurden in ein Reservat an der Küste umgesiedelt. Wer dabei übersehen wurde, diente als Versuchskaninchen für die Tests. Das Uran für die Produktion dieser Atomwaffen wurde in australischen Minen gefördert, die ihre Arbeit nach Abschluss der Waffentests wieder einstellten.

Als der Weltmarktpreis für Uran wieder anzog, begann die Suche nach Uranvorkommen erneut. 1969 wurde auf dem Land der Mirrar Uran entdeckt. Hier, im Kakadu-Nationalpark, der zum UN-Weltnaturerbe gehört, liegen zwei Uranminen, die Ranger Mine und die Jabiluka-Mine. Gegen den erbitterten Widerstand der Mirrar nahm die Ranger Mine 1981 die Förderung auf. Die Inbetriebnahme der Jabiluka-Mine konnte bisher verhindert werden. Nach jahrelangen Protesten verkündete der in London und Melbourne ansässige Betreiberkonzern Rio Tinto Zinc im Jahre 2001 ein Moratorium für zehn Jahre. Die seit Monaten steigenden Weltmarktpreise für Uran machen inzwischen aber auch solche Vorhaben im Uranbergbau wieder attraktiv, die noch vor kurzem als unrentabel gegolten hatten. So beginnt die Debatte um Jabiluka erneut.

Das Gebiet, in dem die Ranger Mine liegt, ist den Mirrar heilig. Einst begruben sie dort ihre Toten. Das Land wurde ihnen 1976 mit dem "Aborigines Land Rights Act" zugesprochen, allerdings ohne die Verfügungsrechte über die Rohstoffe. Yvonne Margarula, Sprecherin der Mirrar im Widerstand gegen den Uranbergbau, klagt an: "Der Uranbergbau hat unser Leben komplett umgekrempelt. Er hat uns unser Land genommen und hat es zerstört. Billabongs2 und Bäche sind für immer verschwunden. Wo einst nur Busch war, gibt es jetzt Berge aus giftigen Steinen und tiefe mit giftigem Schlamm gefüllte Löcher im Boden. Alle interessieren sich nur dafür, was heute geschieht oder im nächsten Jahr, aber kein Wissenschaftler kann uns genau erklären, was in einem Jahrhundert auf dem Minengelände geschehen wird, wenn sie alle fort sind. Versprechungen halten nicht lange an, aber die Probleme bleiben ewig."

1991 erwarb die Energy Ressources of Australia ERA, die zur Rio Tinto Zinc-Gruppe gehört, die Ranger Mine und gab im Herbst 2006 eine Verlängerung der Betriebszeit bis 2020 bekannt. "Obwohl das Uran der Ranger Mine auf dem Land der Mirrar abgebaut wird", klagt Margarula, "haben wir in keiner Weise von der Mine profitiert. Weder der Bergbau noch Millionen von Dollar an Gewinnen haben unsere Lebensqualität verbessert. Wir sind sehr besorgt darüber, dass es noch mehr Uranabbau geben könnte, denn unsere Fürsorge als traditionelle Besitzer des Landes gilt der Erde ebenso wie den Menschen. Wenn das Land vergiftet wird, kann dadurch das Leben von Menschen ruiniert werden. Gerade die Langzeitfolgen der Ranger Mine machen uns große Sorgen. Der Uranbergbau kann auf Dauer den Magela-Bach, die Billabongs und das Grundwasser verseuchen. Aber die Menschen, die flussabwärts von der Mine leben, trinken dieses Wasser, fangen darin ihren Fisch und spielen darin."

Seit Inbetriebnahme hat die Ranger Mine mehr als 30 Mio Tonnen radioaktiven Abraums produziert. 120 Leckagen des Pipelinesystems und Verletzungen der Lizenzbestimmungen sind dokumentiert. 2005 wurde die ERA wegen einer Reihe von schweren Sicherheitspannen angeklagt. Im selben Jahr gab das Unternehmen bekannt, den Betrieb an der weitgehend ausgebeuteten Mine aufrecht zu erhalten und auch das geringerwertige Gestein abzubauen. Die Uranmine Oympic Dam/Roxby Down ist seit 1988 in Betrieb. 2005 verkaufte die Western Mining Corporation die Mine an das australisch-britische Unternehmen BHP-Billiton, das sie durch entsprechende Investitionen zur größten Uranmine der Welt ausbauen will. Seit ihrer Öffnung hat diese Mine mindestens 60 Millionen Tonnen hochgradig verseuchten Abraum produziert. Mehrere Gesetze des Bundesstaates South Australia wurden für den Betrieb der Mine außer Kraft gesetzt, darunter das Umweltschutzgesetz, das Wasserschutzgesetz, das Gesetz zum Kulturerbe der Ureinwohner und das Gesetz zur Informationsfreiheit.

Die dritte zurzeit ausgebeutete Uranmine, die Beverly-Mine, ist im Besitz der US-amerikanischen General Atomics und wird seit 2001 von deren Tochterunternehmen Heathgate in dem höchst umstrittenen In-situ-Verfahren betrieben. Dabei werden Säuren in eine Grundwasserschicht gepumpt, die Uran und andere Schwermetalle aus dem Boden lösen. Diese Flüssigkeit wird an die Oberfläche gepumpt, anschließend der relativ geringe Gehalt an Uran herausgelöst und das mit radioaktiven Partikeln, Schwermetallen und Säuren verschmutzte Wasser ins Grundwasser zurückgeleitet. Maßnahmen zur Gewässerreinigung gibt es nicht. Eine ganze Reihe weiterer Uranbergbauprojekte befinden sich derzeit in unterschiedlichen Planungsphasen. Dazu gehören die Vorkommen Honeymoon (des kanadischen Unternehmens SXR Uranium One) und Prominent Hill (der Ixiana Ltd) in Südaustralien, Jabiluka (Energy Resoruces of Australia und Rio Tinto) und Koongarra (Cogema/ Frankreich), Rum Jungle (Compass resoruces) im Northern Territory, mehrere Vorkommen im Herzen Westaustraliens, bei denen das Uran in Kalkstein eingelagert ist, Manyinge (Paladin Resources) und Kintyre (Rio Tinto) ebenfalls in Westaustralien sowie Valhalla (Summit Resources) in Queensland.

Auch bei der Suche nach Stätten für die Endlagerung radioaktiver Abfälle wird das Land der Aboriginal Australians herangezogen. 2004 konnten die Kupa Piti Kungka Tjuta, eine Gruppe älterer Aborigine-Frauen, Überlebende der britischen Atombombentests der 1950er und 1960er Jahre, erfolgreich ein Endlager auf ihrem Land abwehren. "Die Leute sagten, dass man gegen eine Regierung nicht gewinnen kann", erinnert sich eine von ihnen. "Die Regierung hat das große Geld, um sich frei zu kaufen, aber wir haben nie aufgegeben. Wir haben (Premierminister) Howard gesagt, dass er sich um uns kümmern sollte, anstatt zu versuchen uns zu töten. Am Ende hatte nicht er die Macht, sondern wir haben gesiegt. Er hatte nur das Geld, aber Geld kann nicht siegen. Wir haben gesiegt, mit der Kraft unserer Herzen."

Im Dezember 2005 verabschiedete das Parlament das Gesetz zur Verwaltung radioaktiver Abfälle, in dem sowohl der Regierung des Northern Territory als auch den dortigen Landcouncils der Ureinwohner, die ihre Interessen vertreten, das Recht entzogen wird, gegen ein mögliches Endlager vorzugehen. Gesetze zum Kulturerbe der Aboriginal Australians sowie die Umwelt- und Artenschutzgesetze sollen bei der Eignungsprüfung nicht zur Anwendung kommen. Das Gesetz überträgt dem verantwortlichen Minister die alleinige Entscheidungsgewalt. Der Aborigine Steven McCormack meint: "Das Land ist nicht leer. Menschen leben in unmittelbarer Nähe der Stätte. Wir jagen und sammeln hier. Ich bin der Hüter eines heiligen Ortes, der innerhalb des vorgesehenen Gebietes liegt. Wir wollen dieses Gift hier nicht."

3. Niger: Uranbergbau schürt Tuareg-Aufstand [ oben ]

Der Streit um die Fortführung des Uranbergbaus steht im Zentrum eines neuen Tuareg-Aufstandes, der im Februar 2007 im Norden des Niger ausgebrochen ist. So griffen 25 bewaffnete Tuareg am 19. April 2007 ein Lager von 250 Minen-Arbeitern südlich der Stadt Arlit an. Der Ort gilt als Zentrum des Uranbergbaus im Niger. Unter den Angegriffenen befanden sich auch 40 Angestellte der französischen Bergbaufirma Areva, die bis zum Sommer 2007 weitestgehend den Uranbergbau im Niger kontrollierte.

Spätestens seit im Juli 2007 ein chinesischer Angestellter, der nach Uran schürfenden Firma China Nuclear Engineering and Construction Corporation von Tuareg entführt und eine Woche lang festgehalten wurde, wird dieser erneute Konflikt im Sahelgebiet in vielen Hauptstädten mit Sorge verfolgt. Zwar nahm die Entführung ein glückliches Ende, doch die "Bewegung der Nigerier für Gerechtigkeit" (MNJ) machte damit deutlich, dass die Armee die Kontrolle über weite Teile im Norden des Nigers verloren hat. Insbesondere ausländische Mitarbeiter von Bergbaugesellschaften leben dort gefährlich. Die MNJ verlangte eine vorübergehende Einstellung des Bergbaus und forderte alle Unternehmen auf, ihr Personal abzuziehen: Wenige Tage später drohte die MNJ auch der Firma Somina, einem im Jahr 2005 gegründeten Joint Venture zwischen China und der Regierung des Niger. Das Unternehmen will ab dem Jahr 2009 in der neuen Mine Azelik jährlich 700 Tonnen Uran fördern. Die chinesische Regierung zeigte sich sehr besorgt über die Drohungen.

Massive Kritik an Bergbau-Unternehmen
Die Schockwellen der Entführung des chinesischen Angestellten sind bis heute nicht nur in den Bergbauzentren, sondern auch in der Hauptstadt Niamey und an den Uran-Märkten zu spüren. So stellten einige Firmen ihre Prospektion vorübergehend aus Sicherheitsgründen ein. Am 29. Oktober 2007 erneuerte die MNJ ihre Drohungen gegenüber dem Areva-Konzern, dem wichtigsten Betreiber der Minen, weil das Unternehmen die indigene Bevölkerung der Region missachte und marginalisiere. Die Aktivitäten des Konzerns seien "illegal", erklärten die Aufständischen. Massiv kritisiert die MNJ die Zustände in den Minen.

An den unzureichenden gesundheitlichen Schutzmaßnahmen in den Minen üben Tuareg schon lange Kritik. Die angesehene französische Hilfsorganisation "Médecins du Monde," Unweltschutzverbände und Tuareg-Organisationen warfen der Areva in einem im April 2007 veröffentlichten detaillierten Report vor, bewusst Arbeitsschutzvorschriften zu missachten und Arbeiter ohne ausreichende Schutzkleidung einer Strahlung auszusetzen, die 40 mal über dem erlaubten Werten liegt. Viele Minenarbeiter klagten über Krankheiten und eine erhöhte Zahl von Lungenkrebserkrankungen. Auch werde Wasser in der Umgebung der Mine verseucht, ohne dass das die Areva etwas dagegen unternehme. Nach Einschätzung der französischen Umweltschutzorganisation CRIIRAD, die in Frankreich seit Jahrzehnten die Folgen ziviler und militärischer Nutzung der Atomkraft untersucht, sind sowohl die Erde, als auch das Wasser sowie große Mengen Schrott in gefährlichem Ausmaß radioaktiv verseucht. Massiv kritisieren die Umweltschützer die Areva, weil sie umfassende und unabhängige Recherchen zum Grad der Verseuchung behindere.

Gesundheit der Bevölkerung wird vernachlässigt
Besonders katastrophal sei die Vernachlässigung der Sorgfaltspflicht gegenüber den eigenen Mitarbeitern und der lokalen Bevölkerung. Die Betriebsärzte der Minengesellschaft würden zwar regelmäßig die Arbeiter medizinisch untersuchen. Doch diese Arztvisiten seien eine Farce, weil grundsätzlich jeder Zusammenhang zwischen Lungenerkrankungen, Krebs und der Arbeit in den Medien geleugnet werde. Einer der Betriebsärzte erklärte in einem Interview gegenüber einem Filmteam, das größte medizinische Problem in den Uranminen sei der Umgang mit Ölen, die in dem Bergwerk eingesetzt und bei einigen Arbeitern Hautallergien auslösen würden.
Die Ignoranz der Bergwerksgesellschaft gegenüber den Gefahren des Uranbergbaus erinnert an die Leugnung der Risiken der US-amerikanischen Atomversuche auf dem Bikini-Atoll im Pazifik in den 40er-Jahren des letzten Jahrhunderts. Auch damals erklärte man den direkt Betroffenen, dass von der radioaktiven Strahlung, die durch Atomtests verursacht wurde, keine Gefahren ausgingen. Wenn in Arlit auch heute noch Arbeiter radioaktiv verstrahlte Teile der Bohrinstrumente zur Auszeichnung für besondere Verdienste erhalten und diese dann mit dem Wissen der Betreibergesellschaft der Minen im Haushalt zum Kochen und für andere Zwecke einsetzen, dann ist dies mehr als ein grob fahrlässiger Umgang der Minengesellschaft mit der Gesundheit ihrer Mitarbeiter und der umliegenden Bevölkerung.

Der Norden des Niger profitiert kaum vom Bergbau
Die Tuareg fordern von der Areva mehr Respekt gegenüber Natur und Umwelt, eine angemessene Gesundheitsversorgung, insbesondere für die Opfer erhöhter radioaktiver Strahlung, eine verstärkte Förderung von Aus- und Fortbildung sowie mehr Arbeitsplätze für Tuareg-Personal. Auch die Regierung des Niger verfolgt die Aktivitäten des Unternehmens mit Argwohn. Grund dafür ist vor allem die Preispolitik der Firma. Zu wenig profitiere der Niger von den stark gestiegenen Rohstoffpreisen, kritisiert die Regierung. Während Areva 41 Euro pro Kilo Uran zahle, liege der Weltmarktpreis inzwischen bei 186 Euro, warf Premierminister Seini Oumarou dem Unternehmen im August vor. "Das Volk des Niger profitiert nicht von diesen Einkünften", kritisiert auch Ali Idrissa, der Koordinator des Netzwerkes "Publish What You Pay" im Niger den Uranbergbau. Das Netzwerk setzt sich für mehr Transparenz bei der Verwertung der Einkünfte aus der Bergbauindustrie ein. Obwohl rund 100.000 Tonnen Uran in den letzten vier Jahrzehnten im Niger gefördert worden seien, zähle das Land bis heute zu den Ärmsten in der Welt. Die Lebenserwartung liege noch immer nur bei 45 Jahren, 71 Prozent der Erwachsenen könnten weder lesen noch schreiben und 60 Prozent der Bevölkerung lebten von weniger als einem Euro pro Tag. Besonders in den Bergbaugebieten im Norden des Landes sei die Unterentwicklung und Verarmung der Bevölkerung zu spüren.

Bis heute kommen gerade 5,5 Prozent der Einnahmen aus dem Bergbau dem Niger zugute. Ein Großteil dieser Einnahmen wird in den Uranbergbau und den Ausbau der Infrastruktur für die Minenindustrie investiert. So wurde zum Beispiel eine Straße in den Minenzentren gebaut, doch der allgemeine Lebensstandard und die Entwicklung der Region wurden nicht verbessert. Nicht nur die MNJ fordert bessere Arbeits- und Lebensbedingungen in den Bergbaugebieten. Auch ein Zusammenschluss von Nichtregierungsorganisationen appellierte im August 2007 an die Areva, 647 Millionen US-Dollar Schadensersatz für die Jahrzehnte ungerechter Förderung von Uran zu leisten.

Französische Firma verliert Monopolstellung
Nigers Regierung verstärkte im Sommer 2007 ihren Druck auf das französische Unternehmen, indem es der Firma vorwarf, die Tuareg-Revolte zu unterstützen, um französische Uran-Interessen zu sichern. Schließlich wurde Ende Juli 2007 der Leiter der im Niger tätigen Areva-Niederlassung ausgewiesen. Am 1. August 2007 gab die Firma dem Druck nach und erklärte sich bereit, die Aufkaufpreise für Uran zu erhöhen und dem Niger zu gestatten, einen Teil des Urans zu höheren Weltmarktpreisen selbst zu verkaufen. Somit hat die Areva ihre Monopolstellung im Niger verloren, 60 Uran-Schürflizenzen wurden inzwischen an 20 internationale Unternehmen aus China, Kanada, Großbritannien und Indien vergeben.

Die französische Areva-Gruppe - bekannter unter ihrem früheren Namen Cogema - ist der drittgrößte Uranproduzent der Welt. Im Niger ist das Unternehmen seit 40 Jahren aktiv, zurzeit betreibt es dort zwei Bergwerke. Nach dem Staat ist die Firma der zweitwichtigste Arbeitgeber des Landes.

Regierung des Niger setzt auf militärische "Lösung"
Die Tuareg begründen ihre Revolte mit nicht eingehaltenen Versprechungen der Regierung für die Entwicklung im Norden des Niger. Schon einmal hatten sie zu Beginn der 90er Jahre zu den Waffen gegriffen und sich aufgelehnt. Erst nach mehreren Jahren der Kämpfe und Menschenrechtsverletzungen, denen rund 2000 Menschen zum Opfer fielen, war die Revolte 1995 mit einem Friedensabkommen beigelegt worden. Kritiker halten der MNJ entgegen, dass seit der Unterzeichnung dieses Abkommens 1996 viel Geld in den Norden geflossen sei. Auch seien Tuareg überdurchschnittlich stark in Verwaltung und Armee integriert worden und hätten auch Ministerposten erhalten. Andere Bevölkerungsgruppen verfolgten diese Unterstützung sogar mit Argwohn.

Trotz dieser Hilfen ist auch in den Tuareg-Gebieten die Unzufriedenheit noch immer groß, so dass die MNJ keine Rekrutierungsprobleme hat. Im Februar 2007 begann sie mit Überfällen auf Polizeistationen und Kasernen, verminte Straßen und entführte Soldaten. Niemand hatte erwartet, dass sie so schnell und so massiv militärische Gewinne verbuchen könnte. Inzwischen vergeht keine Woche, ohne dass neue Überfälle gemeldet werden. Die Regierung reagierte in gewohnter Weise mit Arroganz und lehnte jedes Gespräch ab. Die Rebellen seien nichts weiter als "Banditen", erklärte sie. Solche Äußerungen schürten nur noch weiter die Gewalt, so dass schließlich am 5. Juli alle politischen Parteien des Niger an die Regierung appellierten, den Dialog mit den Rebellen zu suchen, statt nur auf eine militärische "Lösung" zu setzen. Doch bislang gibt es keine Anzeichen für eine Verhandlungsbereitschaft. Stattdessen lässt Niamey mit Söldnern aus Russland und russischen Hubschraubern Jagd auf die Tuareg-Rebellen machen.

Pressefreiheit wird unterdrückt
Die Behörden gehen mit brutaler Härte auch gegen in- und ausländische Journalisten vor, die über die Hintergründe der Tuareg-Revolte objektiv informieren. So wurden Zeitungen und Radiosender geschlossen, Journalisten der Deutschen Welle und von Radio France Internationale wurden verhaftet. Ein französischer Dokumentarfilmer wurde festgenommen und ausgewiesen. Massiv wird die Pressefreiheit verletzt, um Berichte über die Revolte zu unterdrücken. Ein untaugliches Mittel, um das Land zu befrieden, das tatsächlich die Gewalt nur weiter schürt: Seit Februar 2007 sind rund 50 Soldaten Kämpfen und Überfällen zum Opfer gefallen, mehrere Dutzend Armeeangehörige wurden von Tuareg verschleppt.

Besonders besorgniserregend sind jüngste Berichte von Massakern, die Anfang Oktober 2007 nahe der algerischen Grenze von Soldaten begangen worden sein sollen. Nach Augenzeugenberichten seien dabei rund 30 Zivilisten allein aufgrund ihrer ethnischen Abstammung als Tuareg getötet worden.

So schürt der Uranbergbau im Niger die Marginalisierung der Tuareg-Bevölkerung und den Konflikt zwischen aufständischen Tuareg-Bewegungen und der Regierung des Niger. Die Tuareg, die rund ein Zehntel der Bevölkerung der 13 Millionen Einwohner des Landes stellen, lehnen den Uranbergbau nicht grundsätzlich ab, fordern aber mehr Mitbestimmung, eine stärkere Einbeziehung der Tuareg und anderer lokaler Arbeitskräfte, eine bessere gesundheitliche und soziale Betreuung der lokalen Einwohner, größere Rücksicht auf die Umwelt und mehr Hilfen für die Entwicklung des nördlichen Niger.

4. Kanada: Landrechte der First Nations vs. einen der größten Uranproduzenten der Welt [ oben ]

Kanada hat eine lange Geschichte im Uranbergbau auf indianischem Land. Beim Großen Bären See im Land der Dene First Nation von Sahtu in den Nordwest Territorien wurde das Uran für die Atombomben abgebaut, die 1945 Nagasaki und Hiroschima zerstörten. Die Dene, die im Bergbau arbeiteten, wurden über die Gesundheitsrisiken nicht aufgeklärt. In den 1960er Jahren starben viele von ihnen, nachdem sie an Lungen-, Darm- oder Nierenkrebs erkrankt waren. Untersuchungen aus dem Jahre 1974 über den Uranbergbau im Gebiet um den Elliot Lake in Nordontario wiesen ebenfalls einen Zusammenhang zwischen dem Umgang mit Uranerz und Krebserkrankungen nach.

Kanada birgt zusammen mit Australien die größten Uranreserven weltweit. Ein Drittel der Welturanproduktion wird allein in der kanadischen Provinz Saskatchewan gefördert. Oft sind von den Vorhaben auch die Landrechte der First Nations berührt, wie die Ureinwohner Kanadas genannt werden. Sie setzen sich zur Wehr, wenn sie bei der Planung von Abbauvorhaben übergangen werden, denn sie wollen ihr Land und ihre Gewässer vor den Risiken einer nuklearen Verseuchung schützen. So ist der Versuch des Unternehmens Ur-Energy (TSX:URE), das in den USA und in Kanada Uranvorkommen ausbeutet, bis zu 20 Probebohrungen in der Nähe des Thelon-River im Mackenzie Valley im Südosten der Nordwest-Territorien (NWT) niederzubringen, im Mai 2007 vorerst gescheitert. Die Umweltbehörde Mackenzie Valley Environmental Review Board hatte dem Minister für indianische Angelegenheiten Jim Prentice dringend empfohlen, Bohrungen in diesem für die Dene Nation der NWT aus spirituellen Gründen wichtigen Gebiet grundsätzlich zu unterlassen. Damit ist das Vorhaben zunächst einmal blockiert.

Der Thelon fließt durch eines der letzten nahezu unberührten Naturgebiete der Erde aus den Nordwestterritorien östlich des Großen Sklaven Sees durch Nunavut, das Autonomiegebiet der Inuit, nach Westen bis zum Baker Lake. Hier leben Grissly-Bären, Elche, Wölfe, Moschusochsen und Karibus. Als Herz und Seele der Dene bezeichnen es die indianische Flussanrainer aus der Gemeinde Lutsel K'e.

Entlang des Thelon durchwühlen mindestens 40 Unternehmen die Tundra auf der Suche nach Uran, seit der Preis für ein Pfund Uran von sieben Dollar vor einigen Jahren auf über 100 Dollar empor geschnellt ist. Mehr als 1000 Genehmigungen, nach Uran zu suchen, Förderanträge und Abbaulizenzen gibt es inzwischen auf dem Gebiet der NWT und in Nunavut. Diese Genehmigungen stehen zum Teil im Widerspruch zu Umweltauflagen, einige überschneiden sich auch mit geplanten Schutzgebieten und Parks. Zudem ist das Gebiet Gegenstand eines Abkommens zwischen den Dene und der Bundesregierung, alle das Land betreffenden Maßnahmen zu unterlassen, bis ein anhängiges Landrechtsverfahren abgeschlossen ist.

Die Dene von Lutsel K'e sind gegen jeglichen Uranabbau entlang des Thelon. Adeline Jonasson, Häuptling der Lutsel K'e Dene, gab Anfang Mai in einem offenen Brief an alle Rohstoffe fördernden Unternehmen bekannt, dass diese sich gar nicht erst um Projekte zur Entwicklung des Thelon-Gebietes bemühen sollten, da die Dene nicht an solchen Projekten interessiert seien. "Wir sind absolut gegen eine Uranmine im Gebiet des Thelon", schreibt sie darin, "und deshalb werden wir auch die Voruntersuchungen nicht unterstützen.

Auch die Algonkin in der kanadischen Provinz Ontario setzen sich gegen den geplanten Uranabbau in der Nähe des Shabot Lake im Osten der Provinz zur Wehr. Das Unternehmen Frontenac Ventures sucht dort nach Uran, dessen Förderung die Ardoch Algonkin First Nation verhindern will. Sie erhebt Anspruch auf das Land auf der Grundlage eines Claims, den ihre Vorfahren bereits 1772 angemeldet hatten.Demnach hätte die Regierung der Provinz Ontario das für den Uranbergbau vorgesehene Land nicht an das Unternehmen verkaufen dürfen, ohne zuvor eine Einigung mit der Ardoch Algonkin First Nation zu erzielen. Die First Nation bestätigt, sie habe niemals die Hoheitsrechte über dieses Land an den kanadischen Staat abgetreten. "Dieses Land ist unsere Heimat", sagt Doreen

Davis, Häuptling der Shabot Obaadjian Algokin, Nachbarn der Ardoch-Algonkin. "Unsere Vorfahren haben hier gejagt, gefischt und Pelztiere erlegt. Wir haben weiter Ansprüche auf dieses Land". Tatsächlich haben die Algonquin vor 15 Jahren mit Landrechtsverhandlungen mit den Regierungen des Bundes und der Provinz begonnen. Somit sind die Eigentumsverhältnisse an dem von Frontenac Ventures erworbenen Land noch gar nicht geklärt. In der Provinz Saskatchewan liegen die größten Uranvorkommen Kanadas. Im Athabasca-Becken in dieser Provinz befinden sich Vorkommen mit besonders hochgradigem Uranerz mit einem Urananteil von 19 bis 25 Prozent. Ein Drittel des weltweit geförderten Urans stammt aus diesem Gebiet. An manchen Orten, z.B. den Minen McArthur

River und Cigar Lake im Osten des Athabasca-Beckens, gibt es Stellen, die 20.000 US-Dollar pro Tonne Erzgestein wert sind. Die Uranförderung der Mine Cigar Lake durch das Unternehmen Cameco liegt derzeit auf Eis. Hier wollte die französische Areva-Gruppe ab 2007 für mindestens 30 Jahre geschätzte 7000 Tonne Uran pro Jahr fördern. Doch im Oktober 2006 wurde bekannt, dass die bereits seit 2004 im Probebetrieb laufende Mine zum zweiten Mal unter Wasser stand. Schon am 6. April 2006 hatte es in 329 Metern Tiefe einen beträchtlichen Wassereinbruch gegeben. Bevor der Normalbetrieb aufgenommen werden kann, muss das verseuchte Wasser zunächst abgepumpt und gereinigt werden. Die Genehmigung der kanadischen Atomaufsichtsbehörde läuft am 31. Dezember 2007 aus. Wie es danach weitergeht, weiß niemand. Das Unternehmen Cameco bezeichnet dieses Vorkommen als das größte noch nicht ausgebeutete Vorkommen an besonders hochgradigem Uran und rechnet trotz aller Widrigkeiten damit, ab 2010 mit der Förderung zu beginnen.

5. Vom Uranabbau zum Endlager für Atommüll - Indianische Uranofper in den USA [ oben ]

Corbin Harney, der 'große alte Mann des anti-nuklearen Widerstands' der Western Shoshone (1920 - 2007); Foto: eMöller In den USA wird auf Indianerland Uran nicht nur abgebaut, es wurden auch Waffentests durchgeführt, zum Beispiel in der Nevada Test Site, dem traditionellen Land der Western Shoshone Nation. Je nach der Windrichtung nach den Tests mit Atomraketen schlug sich der deren Fall Out auch auf den Farmen, dem Vieh und dem Land der Western Shoshone nieder. Auch der Yucca Mountain, der noch immer als Endlager für radioaktive Abfälle und Brennelemente der USA im Gespräch ist, liegt auf traditionellem Shoshone-Land. Er ist der heilige Berg der Western Shoshone und hat für sie die gleiche Bedeutung, wie der Petersdom in Rom für gläubige Katholiken. Der Berg soll für das nukleare Endlager mit Höhlen und Stollen durchzogen werden.

Doch der Urankreislauf, der die Indianer in den USA zu Uranopfern macht, beginnt bereits mit dem Abbau des Erzes. In den 1950er und 1960er Jahren arbeiteten im Südwesten der USA zahlreiche Navajo im Uranbergbau ohne jede Sicherheitsmaßnahmen und in schlecht belüfteten Schachtanlagen. Die Strahlenwerte lagen 1959 in der Shiprock-Mine in New Mexiko, die vom Kerr-McGee-Konzern ausgebeutet wurde, um das 90fache über dem damals zulässigen Grenzwert. Gleichzeitig verdienten die Navajo-Bergleute aber nur zwei Drittel des außerhalb des Reservats für diese Arbeit üblichen Lohnes.

Als die Mine 1970 erschöpft war und still gelegt wurde, ließ Kerr-McGee riesige ungesicherte Abraumhalden zurück, in denen noch immer der größte Teil der im Uranerz ursprünglich vorhandenen Strahlung eingelagert war. Teile des Abraums wurden im Haus- und Straßenbau verwendet. Viele Navajo-Minenarbeiter starben in den Jahren nach der Schließung der Mine an Atemwegserkrankungen, Lungenkrebs und anderen Krebsarten. Auch viele Menschen, in deren Häusern Minenabraum verbaut worden war, erkrankten. Ihre Familien erhielten jedoch weder Renten noch Entschädigungen, denn der Kausalzusammenhang zwischen Uranbergbau und Erkrankung wird bestritten. Dabei hatte der Uranabbau die indianischen Anwohner der Mine und auch die Bergarbeiter radioaktiver Strahlung und giftigen Schwermetallen in der Luft, im Boden und im Wasser ausgesetzt. Der Stammesrat hat inzwischen den Staranwalt John C. Hueston, der als Anklagevertreter gegen den wegen Korruption angeklagten Gründer des Enron-Konzerns Kenneth L. Lay bekannt geworden ist, angeheuert. Hueston ist mit einer Navajo-Frau verheiratet. Er soll die US-Umweltbehörde davon überzeugen, dass sie die noch nachweisbaren Schäden dokumentiert und die Uranindustrie dazu bewegen, die Beseitigung dieser Schäden zu finanzieren.

Bevor Ende der 1970er Jahre die Uranförderung zunächst eingestellt wurde, kam es noch zu weiteren schweren Zwischenfällen. 1973 erfuhren die Bewohner des Laguna Pueblo in New Mexiko von der US-Umweltbehörde EPA, dass die Jackpile-Uranmine des Anaconda-Konzerns den Rio Paguate, das einzige Oberflächengewässer des Pueblo, dauerhaft verseucht hatte. Die Mine war zwischen 1952 und 1981 in Betrieb. 1979 brach bei Churchrock in New Mexiko der Damm, der unter Wasser gesetzten Abraum einer Uranmühle der United Nuclear Corporation zurückhielt und ergoss fast 400 Millionen Liter hochradioaktiven Wassers in den Rio Puerco. Der Fluss war die einzige Wasserquelle für 1700 Navajo-Indianer.

Auch die Black Hills in Süd Dakota wurden seit den 1970er Jahren von Uranminen durchlöchert. "Der radioaktive Staub aus mehr als 87 Minen, die es in diesem den Lakota heiligen Bergmassiv gibt, wird seit nun mehr als 40 Jahren durch ganz Süd Dakota geweht, ganz zu schweigen davon, was noch heute an Radioaktivität auf dem Wasserwege transportiert wird", so die 58jährige Oglala Sioux Indianerin Charmaine White Face, die 2007 mit dem Nuclear-Free Future Award für Widerstand ausgezeichnet wurde. Die Biologin ist Koordinatorin der NGO Defenders of the Black Hills. Die Defenders kämpfen gegen Uranabbau mit dem In-situ-Verfahren im Süden der Black Hills. Dabei wird das Uran unterirdisch im Gestein gelöst und anschließend an die Oberfläche gepumpt. Wenn die geologischen Gegebenheiten des Untergrundes nicht stabil genug sind, kann diese Mischung sich aber auch im Grundwasser verteilen und zum Beispiel in Quellen wieder an die Oberfläche treten. Langfristig besteht überdies die Gefahr, dass nach dem Ende der Förderarbeiten die Mine und der Abraum sich selbst überlassen werden, mit unkalkulierbaren Risiken für das gesamte umgebende Grundwassersystem.

"Die Lakota Formation beispielsweise, die im Bereich der Inyan Kara-Grundwasserader liegt und für den Uranabbau im In-situ-Verfahren vorgesehen ist", so White Face, "tritt in mehreren artesischen Quellen zutage, die den Cheyenne River speisen. Wie viel Vieh, wie viele Pferde, wie viel Wild, Fische, Schildkröten, Frösche trinken dieses Wasser oder leben darin. Der Cheyenne River ist bereits durch Uran aus Wyoming verseucht. Man sollte ihn nicht zusätzlich durch verseuchte Grundwasserflüsse belasten, die ebenfalls in ihn münden."

Die US-Umweltschutzorganisation Environmental Working Group hat auf Basis von Untersuchungen des Bureau of Land Management, der US-Verwaltungsbehörde für öffentliches Land, darauf hingewiesen, dass ein regelrechter Run auf Bergbaulizenzen für die Suche nach neuen Uranvorkommen eingesetzt hat. In den ersten neun Monaten des Jahres 2006 wurden allein in Wyoming 20.000 neue Lizenzen für Uranexploration beantragt, in Nevada waren es sogar 90.000. Sehr groß ist das Interesse der Uranunternehmen auch in Arizona, Colorado, New Mexico, Oregon, South Dakota, und Utah. 2007 setzte sich dieser Trend fort. Bis Ende März dieses Jahres wurden allein in Colorado 2.700 neue Uranabbaulizenzen beantragt, 2004 waren es gerade 104 im gesamten Jahr. Alle diese Staaten im Westen und Südwesten der USA sind traditionelles Indianerland.

Fast 40 Jahre lang war der Bau neuer Atomkraftwerke in den USA kein ernsthaft diskutiertes Thema. Aber inzwischen kursieren Zahlen von bis zu 29 neuen Reaktoren, die in den kommenden Jahren errichtet werden sollen. Doch für Edward McGaffigan, ehemals Mitglied in der Nuclear Regulatory Commission (Kernaufsichtsbehörde), ist das größere Problem, dem sich die Nation endlich stellen müsse, das der ungelösten Endlagerung von hochgradig verseuchtem Abraum und verbrauchten Brennstäben, die sich in dutzenden kommerziellen Zwischenlagern im ganzen Land stapeln. McGaffigan riet dazu, den lange favorisierten Standort im Yucca Mountain aufzugeben und mit der Suche nach einem Endlager von vorn zu beginnen. "Meiner Meinung nach war der gesamte Yucca Mountain Prozess von Anfang an gekennzeichnet von schlechter Gesetzgebung, schlechter Aufsichtspolitik, schlechter Wissenschaftspolitik, schlechter Personalpolitik und schlechter Finanzpolitik", meint McGaffigan.

Doch das US-Energieministerium sieht dies offenbar anders. Am 4. Oktober 2007 stellte es zwei auf das Projekt Yucca Mountain bezogene Gesetzesentwürfe vor, zu denen die Öffentlichkeit innerhalb von 90 Tagen, d.h. bis zum 10. Januar 2008, Stellung nehmen kann. Die Western Shoshone Nation, vertreten durch das Western Shoshone Defense Project (WSDP), sind ein wichtiger Teil dieser kritischen Öffentlichkeit. Sie befürchten große Gesundheitsrisiken für die Bewohner der Regionen, durch die gegebenenfalls die Atommülltransporte über riesige Entfernungen aus dem ganzen Land zu dem Depot im Yucca Mountain geführt werden müssten. Außerdem berufen sie sich auf den Vertrag von Ruby Valley (1863), der ihre Rechte an dem für Projekt und Transportwege benötigten Land festschreibt. Das UN-Komitee zur Beseitigung von Rassendiskriminierung (CERD) hatte kürzlich die US-Regierung aufgefordert, jegliche das umstrittene Shoshone-Land betreffenden Maßnahmen zu unterlassen, also auch keinerlei Nutzungsgenehmigungen zu erteilen, bis der Landrechtsstreit zwischen den Western Shoshone und den USA beigelegt ist.

Zudem ist die Sicherheit dieses Endlagers keineswegs unumstritten. Zukünftige Klimaänderungen (feuchtes Klima anstatt Wüstenklima), Erdbeben und Vulkanausbrüche werden als mögliche Gefahren genannt. Blockiert bleibt bis auf weiteres die Alternative eines Zwischenlagers auf dem Land der Skull Valley Goshute in Utah. Auf ihrem Reservat sollen 44.000 Tonnen Atommüll aus Reaktoren auf einer Fläche in unmittelbarer Nachbarschaft eines Dorfes der Goshute und nur ca. 60 km von Utahs Hauptstadt Salt Lake City entfernt zwischengelagert werden. 40 Jahre lang soll der hochradioaktive Müll in Containern aus Stahl und Beton oberirdisch gelagert werden. Das Projekt hat das kleine Volk der Skull Valley Goshute gespalten. Gerade 125 Menschen zählen sie noch. Ein Teil will gemeinsam mit dem Firmenkonsortium, das den Lagerplatz betreiben will, das Projekt verwirklichen und von den satten Gebühren profitieren, die Übrigen wollen gemeinsam mit dem Staat Utah die Atommülldeponie verhindern, solange nicht garantiert ist, dass es sichere Transportwege gibt und die Betreiber über eine gültige Lizenz verfügen. Beides ist derzeit nicht erfüllt, denn das Bureau of Land Management, legte im September 2006 den Plan für die Transportwege auf Eis, das Büro für indianische Angelegenheiten (BIA) lehnte gleichzeitig den Pachtvertrag zwischen den privaten Deponiebetreibern und den Befürwortern unter den Goshute ab. Wie lange es dauern wird, bis das formale Genehmigungsverfahren abgeschlossen ist, steht in den Sternen.

6. "Strahlende Zukunft" - Indiens Uranbergbau und seine Folgen für die Adivasi [ oben ]

Im Bestreben, Indien als machtpolitisches Gegengewicht zu China zu stärken, verabschiedete der US-Kongress im Dezember 2006 mit großer Mehrheit den Hyde-Act und erkannte Indien dadurch als militärische Atommacht an, obwohl Indien den Atomsperrvertrag nicht unterzeichnet hat. Auch der geplante massive Ausbau der zivilen Kernenergie des Landes wird so erheblich erleichtert. Im Juli 2007 einigten sich Indien und die USA dann auf die Inhalte ihrer zukünftigen Kooperation. Damit wird auch der Import von Uran möglich. Trotzdem hat Indien bereits angekündigt, weiter den eigenen Uranabbau zu fördern, um unabhängig zu bleiben. Den Preis für diese Politik werden vor allem die indigenen Adivasi zu zahlen haben. Denn die Uranvorkommen des Subkontinents liegen fast ausschließlich auf ihrem Land.

Das zurzeit einzige Uranabbaugebiet Indiens liegt in der Gegend von Jadugoda im indischen Bundesstaat Jharkand. Dort leben vor allem Angehörige der Adivasivölker Ho und Santhal. Im Dorf Dungridih nahe Jadugoda strömten am 24. Dezember 2006 neun Stunden lang tausende Liter radioaktiven Abfalls in einen kleinen Fluss und in die Umgebung der Siedlung. Sie wird überwiegend von Adivasifamilien bewohnt, die beim Bau der Anlage und der dazugehörigen Absetzbecken dorthin umgesiedelt wurden. Die Mine wird von der zu 100 Prozent in Staatsbesitz befindlichen Uranium Corporation of India Limited (UCIL) betrieben. Erst als die Bewohner des Dorfes die Leitung des Werkes informierten, wurde das Leck geschlossen. 1986 war schon einmal der Damm eines der mit radioaktivem Abraum gefüllten Absetzbecken gebrochen. Trotzdem existierten offensichtlich keine Warnvorrichtungen. Der ausgetretene Abfall bildete auf dem Fluss einen Giftteppich, der die Wasservorräte zahlreicher flussabwärts gelegener Gemeinden verseuchte und einen Großteil der im Fluss und in der Uferregion lebenden Tierwelt vernichtete. Das genaue Ausmaß des Schadens ist schwer abzuschätzen und es kann nur spekuliert werden, welche gesundheitlichen Folgen der Unfall für die Adivasi haben wird.

Uranbergbau in Jadugoda
Uranerz wird von der UCIL im Gebiet von Jadugoda seit 1967 im Untertagebau gefördert. Gegenwärtig gibt es dort drei Minen, Bhatin, Narwapahar und Jadugoda, welche die in Jadugoda selbst befindliche Uranmühle mit Erz versorgen. Dieses wird dort zu einem feinen Pulver zermahlen, aus dem dann mit Hilfe von Säuren das Uran herausgelöst wird. Das so gewonnene und nach seiner auffälligen Färbung "Yellowcake" genannte Uranpulver besteht zu 7080 Prozent aus Uranverbindungen und ist eine wichtige Zwischenstufe bei der Produktion von Kernbrennstoffen.

Die Uranmühle in Jadugoda stellt aus täglich etwa 1.000 Tonnen Uranerz pro Jahr etwa 200 Tonnen Yellowcake her. Die nicht genutzten 99,94 Prozent des Erzes ergeben im gleichen Zeitraum eine Abraummenge von geschätzten 330.000 - 360.000 Tonnen. Diese ist noch stark säurehaltig und wird daher zunächst mit Kalk neutralisiert. Anschließend werden die groben Bestandteile - etwa 50 Prozent des Abraums - von den feinen Bestandteilen getrennt. Erstere werden zum Auffüllen der Förderstollen verwendet. Die feineren Bestandteile des Abraums werden mit Wasser vermischt und durch eine - teilweise über die Dächer eines Dorfes verlaufende - Rohrleitung in Absetzbecken gepumpt. In Jadugoda existieren bislang drei Absetzbecken, die insgesamt eine Fläche von mehr als 78 ha einnehmen und mehrere zehntausend Tonnen radioaktiven Abraums enthalten. Der Bau eines vierten Beckens wird in absehbarer Zeit erforderlich sein.

Der Abraum in den Absetzbecken enthält immer ca. 80 Prozent der ursprünglichen Radioaktivität des Erzes. Dazu kommen noch die Rückstände der Säuren, mit denen das Uran ausgewaschen wurde sowie die im Uranerz enthaltenen Schwermetalle Zink, Blei, Mangan, Cadmium und das hochgiftige Halbmetall Arsen. Die Absetzbecken sind weder eingezäunt noch abgedeckt. So verdunstet im Verlauf der Trockenzeit das Wasser aus den Becken und der Wind kann den giftigen Staub in die Umgebung verteilen. Während der Monsunzeit laufen die Becken dagegen häufig über, so dass sich ihr Inhalt in den nächstliegenden Fluss ergießt. Da der Boden der Absetzbecken nicht abgedichtet ist, können die Giftstoffe ständig ins Erdreich versickern. Außerdem wurden die Absetzbecken von Jadugoda für geraume Zeit illegal als Endlager für radioaktive Abfälle anderer Produktionsanlagen, Forschungseinrichtungen und Krankenhäusern aus dem ganzen Land genutzt.

Fehlende Sicherheitsvorkehrungen
Bemühungen, um die vor allem aus Adivasi der Ho und Santhal bestehende Bevölkerung in den angrenzenden Dörfern oder die Arbeitskräfte in Uranmine und -mühle vor der Radioaktivität zu schützen, gibt es kaum. Nach dem indischen Atomgesetz sind Siedlungen innerhalb eines Radius von 5 km um Atommülldeponien und Absetzbecken nuklearer Abfälle nicht erlaubt. Dessen ungeachtet leben in diesem Bereich 30.000 Menschen. Sieben Dörfer befinden sich innerhalb eines Umkreises von 1,5 km. Das eingangs erwähnte Dorf Dungridih liegt sogar in nur 40 m Entfernung von einem Absetzbecken. Die Dämme der Absetzbecken dienten lange als Viehweiden und Spielplatz. Oft werden sie von den Adivasi auch als Wege genutzt. In den Überlaufzonen der Becken wird Getreide angebaut. LKWs transportieren das Uranerz auf offenen Ladeflächen durch die Dörfer zur Mühle und verlieren Teile ihrer Ladung auf den Straßen. Fässer mit radioaktivem Inhalt werden an öffentlich zugänglichen Orten gelagert. 28 Zudem finden Teile des radioaktiven Abraums Verwendung für Geländeaufschüttungen oder werden als Baumaterial verwendet.

Es kann kaum verwundern, dass dieser extrem sorglose Umgang mit dem Uran Auswirkungen auf die Gesundheit der Anwohner hat. Besonders schlecht bestellt ist es um die Gesundheit der 7.000 Arbeiter in Mine und Mühle - die überwiegende Mehrzahl von ihnen Adivasi. Als einzige Schutzmaßnahme erhalten sie Handschuhe. Berichten der indischen Presse zufolge gab es zahlreiche Todesfälle. Bekannt sind die Zahlen für den Zeitraum 1994-1997. Ihnen zufolge starben im Jahr 1994 dort 17 und in den Folgejahren 14, 19 und 21 Arbeiter. Kranke Arbeiter werden in einem werkseigenen Krankenhaus behandelt. Ihre Krankenakten sind ein ebenso gut gehütetes Geheimnis wie die von ihren Dosimetern gemessene Strahlenbelastung. Angesichts dieser Missstände verbreiteten sich unter der Belegschaft mit der Zeit Angst und Unzufriedenheit. Die UCIL begegnete dem durch den Einsatz von Leiharbeitern, die problemlos ausgetauscht werden konnten, sobald sie erste Anzeichen von Krankheit zeigten.

Gesundheitsschäden
Zu den im Gebiet von Jadugoda auffälligen Gesundheitsschäden gehören zahlreiche Krebserkrankungen und erblich bedingte Missbildungen bei Neugeborenen wie z.B. Down-Syndrom und zusammengewachsene Finger oder Zehen. Vor allem Minenarbeiter leiden häufig an Tuberkulose und Lungenkrebs. Vielfach beklagt werden allgemeine Erschöpfungszustände, Appetitlosigkeit und Erkrankungen der Atemwege. Deutliche Zunahmen gibt es auch bei der Zahl der Fehl- und Totgeburten, bei Impotenz und Kindersterblichkeit sowie bei Blutarmut, Erkrankungen des Nervensystems wie Parkinson und bei Hautkrankheiten wie z.B. Krötenhaut. Beobachtungen von Dorfkrankenschwestern bestätigen übereinstimmend zahlreiche Fehl- und Totgeburten34 sowie Fälle von Unfruchtbarkeit und Menstruationsproblemen. Eine Delegation der National Commission for Women, die kürzlich eines der betroffenen Dörfer, Telaitannd, besuchte, sah sich diesbezüglich mit einer Flut von Klagen der Dorfbewohnerinnen konfrontiert. Auch in der Tier- und Pflanzenwelt finden sich zunehmend Anzeichen für Strahlenschäden. Kälber werden ohne Schwänze geboren, Fische entwickeln bislang unbekannte Geschwüre und die Mutation von Früchten führt zu samenlosen Varianten.

Staatliche Verschleierungstaktik
Offizielle Stellen und der Staatsbetrieb UCIL bezeichnen dessen ungeachtet Kernenergie als sichere und zukunftsträchtige Form der Energiegewinnung. Die für die friedliche und militärische Nutzung notwendige Förderung und Aufbereitung des Urans stellt ihnen zufolge keinerlei Gesundheitsrisiko dar. Wenn die seltenen eigenen Untersuchungen doch Auffälligkeiten ergeben, dann wird einfach jeglicher ursächliche Zusammenhang mit dem Uranbergbau bestritten. Stattdessen werden alle möglichen anderen Ursachen wie schlechte Ernährung, Alkoholismus, mangelnde Hygiene und genetische Veranlagung der Adivasi ins Feld geführt. Zusätzlich abgesichert wird diese Verschleierungstaktik durch das indische Atomgesetz, das alle Daten, die in Zusammenhang mit dem indischen Atomprogramm stehen, unter strenge Geheimhaltung stellt. Selbst der unbefugte Besitz eines Geigerzählers ist unter Strafe gestellt.

Jadugoda als einziges Uranabbaugebiet Indiens ist von zentraler Bedeutung für die Autonomie des indischen Atomprogramms. Selbst einfachste Sicherheitsmaßnahmen und eine Aufklärung der Bevölkerung über die gesundheitlichen Gefahren lassen sich mit dessen möglichst reibungslosen Voranschreiten offensichtlich nicht vereinbaren. Erst mit den Aufklärungskampagnen der 1991 gegründeten Jharkandi´s Organisation against Radiation (JOAR) erfuhr die Mehrheit der Adivasi, dass ihre Krankheiten nicht von den Göttern gewollt, sondern von Menschen gemacht sind. Im Jahr 2004 wurde JOAR für seine Arbeit mit dem Nuclear-free Future Award ausgezeichnet. Die Organisation setzt sich für eine Verbesserung der Sicherheitsvorkehrungen und der medizinischen Versorgung, vor allem aber für eine angemessene Entschädigung der beim Ausbau des Urankomplexes von ihrem Land Vertriebenen ein. Jadugoda ähnelt in dieser Hinsicht vielen anderen Umsiedlungsfällen: Es wurde zunächst viel versprochen und hinterher gleichgültig, ob es sich um Entschädigung in Geld und Land oder um zugesagte Arbeitsplätze handelte - sehr wenig gehalten. Allzu oft haben die Adivasi selbst für geringe Entschädigungssummen lange kämpfen müssen. Und auch der Wert der wenigen von der UCIL für einige von ihnen zur Verfügung gestellten Arbeitsplätze ist in Anbetracht der mit ihnen verbundenen Gesundheitsrisiken eher zweifelhafter Natur.

Neue Minenprojekte
Langsam aber sicher erschöpfen sich die Vorkommen von Jadugoda, so dass die Erschließung neuer Abbaugebiete immer dringlicher wird. Dies gilt umso mehr, als Indien die Kernenergie auch als vermeintlich Klima schonende Form der Energieerzeugung entdeckt hat und nun ebenso umfangreiche, wie angesichts der miserablen Sicherheitsstandards der indischen Atomindustrie beunruhigende Ausbaupläne schmiedet.

Gegenwärtig verfügt Indien über 14 Reaktoren mit einer Leistung von 2.720 Megawatt. Acht weitere mit einer Leistung von zusammen 3.960 Megawatt befinden sich derzeit im Bau. Bis zum Jahr 2020 soll die Gesamtkapazität auf insgesamt 20.000 Megawatt erweitert werden. Gegenwärtig in der Diskussion ist die Ausbeutung der Vorkommen von Turamdih, Bagjata und Banduhuran in Jharkhand, Lambapur und Peddagattu in Andhra Pradesh und Domiasiat in Meghalaya.41 In jedem dieser Gebiete wären wiederum vor allem Adivasi betroffen. Besonderes Interesse hat das Gebiet um Domiasiat geweckt, wo die wohl ergiebigsten Uranvorkommen Indiens oberflächennah und leicht abbaubar lagern. Voraussichtlich 30.000 Adivasi müssten dort ihr Land verlassen.42 Der Widerstand ist hier wie auch an den anderen Orten allerdings erheblich. Das abschreckende Beispiel Jadugodas hat sich herumgesprochen.


Siehe auch:
* www.gfbv.it: www.gfbv.it/2c-stampa/2007/070627de.html | www.gfbv.it/3dossier/ind-nord/shoshone.html | www.gfbv.it/3dossier/ind-voelker/dekade.html www.gfbv.it/3dossier/asia/adivasi.html | www.gfbv.it/3dossier/ind-nord/lubicon.html | www.gfbv.it/3dossier/ind-nord/indtrust.html | www.gfbv.it/3dossier/linkgfbv.html

* www: www.no2nuclearpower.org.uk | www.dominionpaper.ca/articles/1414 | www.aafna.ca/Uranium_mining.html | www.cameco.com/operations/uranium/cigar_lake/ | www.silkwoodproject.com/SILKWOOD.Charmaine.Shortsightedness.htm | www.h-o-m-e.org/Yucca/index.htm | www.youtube.com/watch?v=XAb9UjzdixQ | www.aidindia.org | www.bhopal.net | www.indianenvironment.net | www.caroptionsonline.com | www.downtoearth.org.in

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