GfbV Logo HOME | INFO | NEWS | DOSSIER | TERMINE / BACHECA | KIOSK / EDICOLA | LADIN

Minderheiten und europäische Verfassung

Sprachenpluralismus und Religionsfreiheit sichern!

An Außenminister Franco Frattini
Zur Kenntnisnahme an Europaminister Rocco Buttiglione

Bozen, 1. Oktober 2003

Sehr geehrter Herr Außenminister,
Die Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV) appelliert an Sie, den EU-Verfassungsentwurf zugunsten der Sprachminderheiten zu ergänzen. Das in der Grundrechtcharta und im Verfassungsentwurf enthaltene Diskriminierungsverbot sowie der Verweis auf die sprachliche Vielfalt reichen nicht aus, die 40 Millionen Angehörigen der Sprachminderheiten mit den Mehrheits-Angehörigen gleichzustellen. Im gemeinsamen Haus Europa darf es keine Benachteiligung mehr geben, auch keine sprachliche Diskriminierung.

Laut der Studie "euromosaic" der EU-Kommission haben von den 48 Minderheitensprachen in der EU 23 nur noch eine "begrenzte" oder gar "keine" Überlebensfähigkeit. Zwölf weitere Minderheitensprachen werden als "bedroht" eingestuft. Von ihrem Gesamtbudget von mehr als 90 Billionen Euro stellt die EU dem Bureau for lesser used languages Eblul nur 2,5 Millionen Euro zur Verfügung. Viel zu wenig, um die faktisch benachteiligten Minderheitensprachen zu fördern. Der Europarat stellte bereits die Weichen zur Anerkennung der Sprachminderheiten. Ein Großteil der EU-Länder und der neuen Mitglieder folgten dem Europarat und ratifizierten die Rahmenkonvention zum Schutz nationaler Minderheiten und die Charta der Regional- und Minderheitensprachen des Europarates. Warum findet diese Entwicklung keinen Niederschlag in der EU-Verfassung? Wir erinnern Sie an ihr Interview mit der in Bozen erschienen Tageszeitung "il mattino". Dort kündigten Sie an, sich im EU-Konvent für Minderheitenrechte in der EU-Verfassung einzusetzen. Wo bleibt das Versprechen?

Die GfbV fordert Sie deshalb auf, den Verfassungsentwurf nachzubessern. Eine Forderung, die auch das Europaparlament an die italienische EU-Ratspräsidentschaft erhebt. Die GfbV setzt sich für einen Artikel zur Anerkennung aller sprachlichen und ethnischen Minderheiten im Rahmen der EU-Verfassung ein, der z.B. an Artikel 27 des Internationalen Paktes über die bürgerlichen und politischen Rechte angelehnt ist: "Angehörige von sprachlichen und/oder ethnischen Minderheiten haben das Recht, gemeinsam und öffentlich ihre Sprache zu gebrauchen und ihre eigene Kultur zu pflegen.

Wie z.B. aus der Diskussion um die Gleichstellung von Mann und Frau bekannt ist, ist die faktische Benachteiligung ganzer Gruppen oft nur schwer auszumerzen. Deshalb fordern wir, dass der Artikel zum Diskriminierungsverbot um folgenden Absatz ergänzt wird, der eine "affermative action" nach us-amerikanischem Vorbild ermöglichen soll: "Angehörigen von Gruppen, die faktisch benachteiligt werden, sollen besonders gefördert werden". Zurecht erinnerte Ihr Fraktionskollege Michl Ebner auf der Studientagung der Europäischen Volkspartei-Europäische Demokraten (EVP-ED) in Kopenhagen daran, dass der Konvent die Kopenhagener EU-Aufnahme-Kriterien aus dem Jahr 1993 nicht berücksichtigt hat. Im Konventsentwurf fehlt der in den Beitrittskriterien enthaltene Verweis auf die Anerkennung und Förderung der Minderheiten.

Die GfbV begrüßt die Ablehnung des Europaparlaments, in der Verfassung das Christentum als das religiöse Erbe festzuschreiben. In Europa gibt es neben dem Christentum das Judentum und einen eigenständigen Islam auf dem Balkan. In Bosnien zerstörten kroatische Truppen im Namen des Katholizismus und serbische Verbände mit dem Segen der orthodoxen Kirche ein muslimisch geprägtes Land. Hauptopfer der "ethnischen Säuberungen" waren muslimische Bosnier. Mit der Festschreibung des Christentums in der Verfassung werden die muslimischen Europäer auf dem Balkan - nach den ethnischen Säuberungen - ausgegrenzt, wie auch die Millionen Zuwanderer aus moslemischen Ländern. Auch das Judentum ist Teil der europäischen Glaubenstradition. Der alleinige Verweis auf die christliche Religion in der EU-Verfassung wäre eine weitere Diskriminierung der jüdischen Gemeinden. Ein nicht zulässiger Akt auch angesichts des Völkermordes an den Juden durch Nazi-Deutschland und der vielen Helfershelfer in Europa.


Siehe auch:
* www.gfbv.it: www.gfbv.it/2c-stampa/03-2/030630ade.html | www.gfbv.it/2c-stampa/03-2/030925de.html | www.gfbv.it/2c-stampa/03-1/030326ade.html | www.gfbv.it/2c-stampa/1-01/19-2-dt.html | www.gfbv.it/3dossier/edicolmin/altre.html | www.gfbv.it/3dossier/rai3-99/min-medien-de.html | www.gfbv.it/3dossier/rai3-99/min-medien-eu.html | www.gfbv.it/3dossier/eu-min/regenbogen.html

* www: www.eblul.org | www.ciemen.org | europa.eu.int/futurum | www.uoc.edu/euromosaic

Letzte Aktual.: 1.10.2003 | Copyright | Suchmaschine | URL: www.gfbv.it/2c-stampa/03-2/031001de.html | XHTML 1.0 / CSS | WEBdesign, Info: M. di Vieste
HOME | NEWS | ARCHIVIO NEWS | NEWS 2003 | Versione italiana