Gesellschaft für bedrohte Völker LogoHOME | INFO | -> NEWS <- | DOSSIER | TERMINE / BACHECA | KIOSK / EDICOLA | LADIN

Weltwasserwoche 2008

Gesellschaft für bedrohte Völker zieht kritische Bilanz: Wassernutzung geht mit schweren Menschenrechtsverletzungen einher

Bozen, 23. August 2008

Der Ilisu-Staudamm im Südosten der Türkei.Die kurdische archäologische Stätte von Hasankeyf in der Türkei.
Der Ilisu-Staudamm und die kurdische archäologische Stätte von Hasankeyf in der Türkei.

Zum Abschluss der Weltwasserwoche (18.-23. August 2008) zieht die Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV) wieder einmal kritisch Bilanz: der weitgehend irrationale und oft auch kriminelle Umgang mit dieser kostbaren Ressource schürt weltweit Menschenrechtsverletzungen. Anstatt den Menschen als Trinkwasser und in der Landwirtschaft zu dienen, fliesst weltweit immer mehr Wasser in die Energieproduktion, in die Wässeranlagen landwirtschaftlicher Monokulturen, die wiederum der Energieproduktion (Bio-Diesel) dienen oder in die Tränken der industriellen Viehzucht. Flüsse werden umgeleitet, ganze Landschaftsteil werden für neue Stausees überflutet und wieder einmal werden die Kosten vom schwächsten Glied der Gesellschaft getragen. Meist sind es indigene Völker, die machtlos der Zerstörung ihres Lebensraums und ihrer Lebensgrundlage beiwohnen müssen.

Im Norden Brasiliens bedroht z.B. die sogenannte Transposição, die Umleitung des Flusses São Francisco, die Lebensgrundlage zahlreiche indigener und afrobrasilianischer Siedlungen, die von Fischerei und Landwirtschaft leben. Die Umleitung des São Francisco würde die Region, die bereits unter den Staudämmen Sobradinho und Itaparica leidet, noch stärker austrocknen. Zudem würde der geplante Nord-Kanal bei Cabrobró gerade dort angestochen, wo seit Jahren das Volk der etwa 1.800 Kirirí um sein angestammtes Territorium kämpft. Auch die zusammen etwa 9.000 Tumbalalá- und Truka-Indianer haben schon mit Landbesetzungen gegen die Flussumleitung protestiert.

Auch für die etwa zwölf Millionen Ureinwohner Vietnams bedeutet der geplanten Ausbau der Wasserkraft eine neue Bedrohung ihrer Existenz. Allein in Zentralvietnam sollen 40 neue Staudämme errichtet werden. Mehrere zehntausend Ureinwohner wurden dafür bereits umgesiedelt. Gleichermassen düster sieht die Zukunft Tausender Mapuche-Indianer im Süden Chiles aus. Auf ihrem Land sollen acht neue Staudämme gebaut und der Bio-Bio-Damm soll erweitert werden, die Mapuche selbst sollen dafür von ihrem Land weichen. Das gleiche Problem trifft Ureinwohner in verschiedenen Teilen der Welt: in Chinas mit dem Bau des Drei-Schluchten-Staudamms, im Sudan durch den Merowe-Damm, in Indien ist es der Narmada-Damm und in Burma der Damm auf dem Fluss Salween.

Ein Beispiel, in dem Europa direkt mit mischt, ist der Ilisu-Staudamm am Fluss Tikrit und der zahlreiche internationale Konflikte in Bezug Wasserversorgung in Iraq und Syrien schürt. An dem Projekt nehmen die Schweizer Firma "Sulzer Hydro", die weltweit Staudämme baut, ihr österreichisches Schwesternunternehmen "Voest Alpine Technologie AG" und das Unternehmen Ed. Züblin aus Stuttgart teil. Geldgebern des Projekts ist u.a. die italienische Bank Unicredit dank ihre Teilnahme an Bank of Austria. Der Ilisu-Staudamm wird im Rahmen des Südostanatolien-Projektes (Güney Anadolu Projesi, GAP) gebaut und in frühestens acht Jahren fertig sein. Die Staumauer wird 1.820 Meter lang und 135 Meter hoch werden. Ein 313 Quadratkilometer großes Gebiet, in dem unter anderem weite Teile der archäologisch und kulturhistorisch außerordentlich bedeutsamen kurdischen Stadt Hasankeyf liegen, soll überflutet werden. 101 Städte und Dörfer werden teilweise, 82 weitere vollkommen im Stausee verschwinden. Bereits geräumt wurden 88 Dörfer und Städte, in denen 15.581 Menschen lebten. Die enteigneten und umgesiedelten kurdischen Kleinbauern warten noch immer auf eine angemessene Entschädigung. 43.733 Menschen leben in den übrigen 95 Siedlungen, die noch nicht zerstört wurden. Damit sind 60.000 Kurden unmittelbar von dem Großprojekt betroffen.

Wenn man schlussendlich bedenkt, dass weltweit jährlich 8 Millionen Menschen an den direkten Folgen von Wassermangel sterben und dass ganze Landteile keinen Zugang zu Trinkwasser haben, so fordert die Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV), dass das unentbehrliche Menschenrecht auf Trinkwasser weltweit für Regierungen und internationale Institutionen Priorität über den schier unendlichen Energiebedarf der industrialisierten Länder haben muss.


Siehe auch:
* www.gfbv.it: www.gfbv.it/2c-stampa/2008/080806de.html | www.gfbv.it/2c-stampa/2006/060822de.html | www.gfbv.it/2c-stampa/2006/060809de.html | www.gfbv.it/2c-stampa/2006/060628de.html | www.gfbv.it/2c-stampa/04-1/040713ade.html | www.gfbv.it/3dossier/h2o/staud.html | www.gfbv.it/3dossier/h2o/wasser.html | www.gfbv.it/3dossier/h2o/biobio.html | www.gfbv.it/3dossier/h2o/indien.html

* www: www.worldwaterweek.org | www.worldwater.org | www.irn.org/programs/merowe/ | http://de.wikipedia.org/wiki/Merowe-Staudamm | www.rivernet.org | www.ilisu.org.uk | www.independent.co.uk/news/world/middle-east/iraqi-dam-burst-would-drown-500000-398364.html

Letzte Aktual.: 26.8.2008 | Copyright | Suchmaschine | URL: www.gfbv.it/2c-stampa/2008/080823de.html | XHTML 1.0 / CSS / WAI AAA | WEBdesign: M. di Vieste; E-mail: info@gfbv.it.

HOME | -> NEWS <- | NEWS ARCHIV | NEWS 2007 | NEWS 2008
-> Versione italiana