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Nach öffentlicher Kritik an Erdbeben-Hilfe in Tibet

Chinesische Behörden verhaften tibetischen Schriftsteller - GfbV fordert sofortige Freilassung

Bozen, Göttingen, 9. März 2010

Der tibetische Schriftsteller Tagyal. Der tibetische Schriftsteller Tagyal.

Die Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV) hat am Dienstag die sofortige Freilassung des am vergangenen Freitag von chinesischen Sicherheitskräften verhafteten tibetischen Schriftstellers Tagyal gefordert. Er hatte in einem offenen Brief gemeinsam mit sieben anderen tibetischen Intellektuellen die Erdbeben-Hilfe Chinas in der Provinz Qinghai kritisiert und seine Trauer über die vielen Erdbebenopfer ausgedrückt. Dem Autor, der unter seinem Pseudonym "Shogdung" vielen Tibetern bekannt ist, wurde wie vielen anderen Helfern die Einreise in das Katastrophengebiet verwehrt. "Offenbar wollten die Behörden das Ausmaß der Katastrophe im Bezirk Yushu verschleiern", sagte der GfbV-Asienreferent Ulrich Delius. "So fällt die chinesische Staatsführung wieder in schlimmste Zeiten der Zensur zurück, obwohl sie versprochen hat, Naturkatastrophen nicht länger zu verheimlichen oder zu verharmlosen."

Buddhistische Mönche mussten in den Tagen nach dem Beben auf Anordnung der Behörden das Katastrophengebiet sogar verlassen. Sie hatten sich besonders engagiert an der Bergung von Verletzten beteiligt. Tibeter kritisieren, dass chinesische Helfer nur halbherzig an der Suche nach Verschütteten teilnahmen. Außerdem wird den Behörden vorgeworfen, die Folgen des Bebens herunterzuspielen. Während das offizielle China tagelang von wenigen hundert Toten sprach, wird inzwischen von mindestens 2.200 überwiegend tibetischen Opfern ausgegangen.

"Das Desaster von Sichuan darf sich nicht wiederholen", forderte Delius. "Kritiker staatlicher Fehlentscheidungen dürfen nicht rücksichtslos mundtot gemacht werden." Nach dem Erdbeben in der Provinz Sichuan im Mai 2008 waren mehrere chinesische Intellektuelle verhaftet worden, weil sie die Namen von 7.000 bei der Katastrophe getöteten Kindern dokumentierten. Wegen "Untergrabung der Staatsgewalt" wurde der Schriftsteller Tan Zuoren schließlich am 9. Februar 2010 zu fünf Jahren Gefängnis verurteilt. Der Künstler Ai Weiwei, der im August 2009 in einer Gerichtsverhandlung für ihn als Zeuge aussagen wollte, wurde von der Polizei zusammengeschlagen. Wenige Wochen später musste er sich in München wegen der dabei erlittenen schweren Verletzungen einer Notoperation unterziehen.