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Algeriens Rechtsanwälte streiken für Rechtsstaatlichkeit

Europäische Union schweigt zu wachsender Gewalt gegen friedliche Demonstranten

Bozen, Göttingen, 12. Juli 2019

Algeriens Rechtsanwälte streiken für Rechtsstaatlichkeit. Foto: Amine M'Siouri via Pexels. Algeriens Rechtsanwälte streiken für Rechtsstaatlichkeit. Foto: Amine M'Siouri via Pexels.

Die Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV) hat die Europäische Union aufgefordert, die wachsende Gewalt von Sicherheitskräften gegen die algerische Demokratiebewegung zu verurteilen. "Wenn in Algerien willkürlich friedliche Demonstranten niedergeknüppelt werden, darf Europa nicht wegschauen. Die systematische Einschüchterung der Protestbewegung durch die Armee braucht eine klare Antwort aus der EU", erklärte GfbV-Direktor Ulrich Delius am Freitag in Göttingen. Algerische Rechtsanwälte hatten am Donnerstag mit einem Generalstreik für mehr Rechtstaatlichkeit protestiert.

Mehr als 1.000 Anwältinnen und Anwälte zogen in ihren schwarzen Roben durch die Hauptstadt Algier und forderten die Freilassung von 34 Masiren (Berbern). Diese hatten bei den Demokratie-Protesten der letzten Wochen die masirische Fahne geschwenkt und waren dafür verhaftet worden. Die Juristen verlangen zudem den Rückzug der Armee aus dem öffentlichen Leben und Freiheit für alle politischen Gefangenen. Sie fordern, die Unabhängigkeit der Justiz zu gewährleisten und ein Ende der Rechtsprechung auf Telefonanruf. In Algerien sei es seit Jahrzehnten üblich, dass die Mächtigen des Staates per Telefonanruf die Verurteilung von Regierungskritikern durchsetzen, wie Richter vor Ort berichten.

Mit ihrem Streik kritisieren die Juristen auch die zunehmende Gewalt der Sicherheitskräfte gegen die Demokratiebewegung. Als am 5. Juli mehr als 100.000 Menschen für ein Ende von Willkür und Rechtlosigkeit protestierten, knüppelten Sicherheitskräfte die friedlichen Demonstranten systematisch nieder. Selbst unbeteiligte Passantinnen wurden wahllos aufgegriffen, in weit entfernte Haftzentren transportiert, eingeschüchtert und sexuell missbraucht. "Algeriens Kultur der Straflosigkeit muss endlich ein Ende haben. Europa muss die Willkür der Sicherheitskräfte anprangern, selbst wenn Frankreich um seine Interessen in Algerien fürchtet", so Delius.

Das wochenlange Schweigen des französischen Staatspräsidenten Emmanuel Macron, der sich ansonsten gerne als Anwalt der Entrechteten stilisiere, sei bezeichnend. Doch in Algerien stehe Frankreich auf der Seite des kompromittierten Bouteflika-Regimes. Wichtige algerische Gewährsleute französischer Interessen seien seit dem Sturz des früheren Staatspräsidenten Abdelasis Bouteflika am 2. April 2019 festgenommen worden. Doch Europa dürfe sich in Algerien nicht alleine von Frankreichs Interessen leiten lassen, forderte der Menschenrechtler.