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Zwei Monate Krieg in Äthiopien

Kriegsverbrechen aufklären - Rolle Eritreas untersuchen

Bozen, Göttingen, 5. Januar 2021

Simien-Nationalpark im Norden von Äthiopien. Foto: A. Davey, CC BY 2.0. Simien-Nationalpark im Norden von Äthiopien. Foto: A. Davey, CC BY 2.0.

Zwei Monate nach Beginn der Militäroffensive Äthiopiens in der Provinz Tigray zieht die Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV) eine kritische menschenrechtliche Bilanz der Kämpfe. Mindestens 2.000 Angehörige der Zivilbevölkerung seien getötet worden, wie Augenzeugenberichte nahelegten. Mehr als eine Million Menschen seien vor der Gewalt geflohen, berichtet die Menschenrechtsorganisation. Dringend müssten mutmaßliche Menschenrechtsverletzungen von unabhängiger Seite untersucht werden. Manche Gewalttaten seien vermutlich Kriegsverbrechen.

"Auch die Verwicklung Eritreas in den Krieg muss dringend geklärt werden. Eritreische Armeeangehörige werden für zahlreiche Übergriffe und Plünderungen verantwortlich gemacht", berichtet GfbV-Direktor Ulrich Delius. "Zwar leugnen die Regierungen Äthiopiens und Eritreas eine direkte Beteiligung des früher verfeindeten Nachbarlandes, es gibt jedoch erdrückende Beweise für die Präsenz des eritreischen Militärs in Tigray." Äthiopiens Regierung begann die Offensive am 4. November 2020 und erklärte sie am 28. November 2020 offiziell für beendet. Doch Kämpfe in verschiedenen Teilen Tigrays halten weiter an, berichten Augenzeugen.

"Dies ist keine begrenzte Militäroperation zur Durchsetzung des Gesetzes und keine rein inner-äthiopische Angelegenheit. Es ist ein ausgewachsener Krieg mit internationaler Beteiligung und Folgen für die gesamte Region", erklärt Delius. Statt der angekündigten Blitzintervention unter besonderer Berücksichtigung des Schutzes der Zivilbevölkerung werde geplündert, geraubt und gemordet, wie in den meisten anderen Kriegen. Tigray drohe ein lange anhaltender Guerilla-Krieg, da sich die Kämpfenden der dort dominierenden Volkbefreiungsfront Tigrays (TPLF) in schwer zugängliche Bergregionen zurückgezogen hätten. Die GfbV hatte immer wieder vor einem neuen Guerilla-Krieg im Norden Äthiopiens gewarnt.

"Es ist an der Zeit, dass die internationale Staatengemeinschaft endlich mehr Fragen an die Verantwortlichen für die Gewalt stellt und Rechenschaft einfordert", so Delius. "Auch Staatsräson rechtfertigt kein Wegschauen beim Beschuss und der Plünderung von Kirchen und Moscheen, bei Angriffen auf Gläubige und bei schwerem Artilleriefeuer auf dichtbevölkerte Wohngebiete in Städten."

Augenzeugen berichteten von vielen Toten unter der Zivilbevölkerung in den Städten Aksum, Wukro, Digum, Nebelet, Abi Adi und Hazwzen. Viele Landstriche vor allem im Südwesten Tigrays seien entvölkert. Die dortige Landbevölkerung sei vor der gewaltsamen Besetzung der Region durch mit der äthiopischen Armee verbündete Milizen aus der Nachbarprovinz Amhara geflohen. Den Milizen werden Zwangsrekrutierungen und Übergriffe auf Geflüchtete vorgeworfen. Amharen machen historische Landansprüche auf die Region geltend. "So berechtigt diese Landforderungen auch sein mögen: Ihre gewaltsame Durchsetzung schürt nur Flucht und neue Spannungen zwischen ethnischen Gemeinschaften", warnt Delius.