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Äthiopien: Der Kampf des Oromo

Ein Jahrhundert des Wiederstandes um das Überleben und die Freiheit

"Alle Völker haben das Recht auf Selbstbestimmung. Kraft dieses Rechts entscheiden sie frei über ihren politischen Status und gestalten in Freiheit ihre wirtschaftliche, soziale und kulturelle Entwicklung."

Artikel 1 des Internationalen Pakts über bürgerliche und politische Rechte

Karte Äthiopiens mit der Region Oromia in grünDas Land des Kaffee
Äthiopien gehört zum Horn von Afrika und zeigt enorme Unterschiede zwischen den Völkern im Norden (Amharen 16%, Tigriner 5%) Aristokraten, Christen, Semiten, und Monarchisten, und die Völker im Süden, die kuschitisch und egalitär sind. Die Oromo gehören zu den Völkern des Südens und mit 20 Millionen Angehörigen machen sie die Hälfte der äthiopischen Bevölkerung aus. Seit Jahrtausenden bewohnen sie ein anderes Land und haben eine eigene sprachliche und kulturelle Identität.

Das Land der Oromo heißt Oromia. Mit einer Fläche von 600.000 km2 erstreckt es sich von den Grenzen mit Sudan zu den Grenzen mit Somalien, und von den Grenzen des Afar-Land bis zur abessinischen Hochebene. Es ist ein Gebirgsland (die Berge sind bis zu 4340m hoch), es gibt 10 See und die 16 Flüsse versorgen den ganzen Horn von Afrika mit hydroelektrischer Energie. Oromia ist der Geburtsort des Kaffees, genauer noch stammt der Kaffe aus der Region Kaffa von der es auch den Namen erhält. Derzeitig produziert Kaffa 80% des Kaffeeexports Äthiopiens. Das Land ist außerdem reich an Gold, Marmor, Platin, Nickel und Eisen, es produziert in Überfluss Felle, Leder, Hülsenfrüchte und Samenöl und es besitzt 3/4 des Viehbestands des Horns von Afrika. Diese Tatsachen allein erklären bereits weshalb das Land der Oromo so strategisch ist und weshalb die Oromo unterdrückt werden.

Ein Völkermord ohne Erinnerung
Gegen Ende des 19. Jahrhunderts war das Volk der Oromo frei und im Gada-System organisiert, ein komplexes demokratisches und egalitäres politisches System. Doch die europäischen Großmächte, die den Rest Afrikas eroberten, sahen in Menelik II, Kaiser des abessinischen Reiches (im Norden des heutigen Äthiopiens), den einzigen schwarzen Partner in ihrer Eroberung Afrikas und so forderten sie ihn dazu auf, die Völker des Südens zu "zivilisieren". Ende des 19. Jahrhunderts metzelte der abessinische Kaiser Millionen von Oromo mit englischen Feuerwaffen nieder, der Rest wurde im eigenen Land versklavt oder verkauft (ein Völkermord). Es war eine regelrechte Kolonisation, auch wenn sie von Afrikanern auf andere Afrikaner ausgeübt wurde. In der Zwischenzeit raubten englische Truppen die Bergwerke Oromias aus.

Nach dem Tod von Menelik II ging die Macht an Haile Salassie über, der die Beschlagnahme des Lands institutionalisierte und die amarische Sprache als Sprache aller Völker des Lands anordnete.. Haile Salassie verfestigte ein Feudal- und Sklavensystem, in dem die niedrigste soziale Schicht hauptsächlich von Oromos gebildet wurde. Reichtümer und Land gingen beinahe vollständig in die Hände der Großgrundbesitzer und der abessinischen Kirche, während sich englische Gesellschaften an der Baumwolle der Oromo bereicherten.

Doppelte Täuschung: die Faschisten waren nicht Befreier; die Oromo arbeiteten nicht mit den Eindringlingen zusammen
Die kurze italienische Kolonialisierung (1935-41), vom Völkermord an der Zivilbevölkerung und den Gebrauch von Senfgas gekennzeichnet, versuchte die Unterdrückung der Oromo auszunutzen. Die Faschisten, die dank der Arbeit von Missionaren und Forschern über die Unterdrückung der Oromo Bescheid wussten, versuchten, sich als Befreier vorzustellen. Sie setzten dem abessinischen Kaisertum ein Ende, sie schufen das Amharische ab und ordneten das Italienische und die Sprache der Oromo an. Amharische Großgrundbesitzer wurden teilweise der bewirtschafteten Böden enteignet, die in einigen Zonen an oromischen Bauern verteilt wurden. Die Oromo, wie auch viele andere unterdrückte Völkern, hofften auf den Schutz der italienischen Truppen und gewährten ursprünglich ihre Mitarbeit. Doch bald verstanden sie, dass die italienische Kolonialisierung allen äthiopischen Völkern Schaden zugefügt hätte. Statt der amarischen Unterdrückung gab es jetzt die italienische Kolonialisierung, die in einigen Fällen versuchte, die Unterdrückung der Oromo zum eigenen Vorteil auszunutzen und in anderen Fällen die amarischen Strukturen ausnutzte, um die eigene Herrschaft aufzuzwingen. So wuchs zwischen 1935 und '41 in vielen Zonen Oromias der Widerstand gegen die Italiener. Mit der Ankunft der Engländer nahm Haile Salassie wieder die Macht an sich. Die Oromo, die sich für den Widerstand gegen die Faschisten mit den Völkern, die für ihren Genozid verantwortlich waren, vereinigt hatten, wurden wieder zu Sklaven. Ihre Aufstände gegen die feudalen und kaiserlichen Unterdrückung wurden in einem Blutbad niedergeschlagen. Die westlichen Ländern fanden im Negus Salassie ihren Verbündeten im Horn von Afrika wieder und unterstützen ihn mit Begeisterung. In der Zwischenzeit wurde der Großteil des in Oromia und in den beschlagnahmten Ländereien produzierten Kaffees in die USA exportiert.

Die Revolution, Menghistu und eine tragische Seite in der Geschichte des Befreiungskampfs der Völker
Nach zahlreichen Streiks, Schülerprotesten und Bauernaufständen, vor allem der Oromo, wurde Salassie 1974 abgesetzt. Eine amaraischen Militärkommission, Dergure genannt, riss die Macht unrechtmäßig an sich. Anführer dieser Kommission war Oberts Menghistu, der bald die ursprünglichen Prinzipien der Volksrevolution (Selbstbestimmung) verleugnete. Der rote Negus, bat den amerikanischen Präsidenten Carter um Unterstützung, doch die Verhandlungen scheiterten. Der Oberst verlor nicht den Mut, er definierte sich Sozialistisch, obwohl sein Programm anfangs dem sozialistischen Ideal nicht entsprach und wurde so von Moskau aus unterstützt. Unter dem Druck der Bevölkerung leitete Menghistu eine Landwirtschaftsreform ein, doch er setzte auch die Zerstörung der ethnischen Identitäten des Landes fort und machte sich einer Massendeportation von Millionen von Oromo schuldig. Menghistu stand stellvertretend für die amarischen Elite und sein Staat war ein Kolonialstaat dar. Die Erythräer, die in der marxistische Front bereits Haile Salassie bekämpft hatten, kämpften weiterhin für die nationale Unabhängigkeit, obwohl sich Menghistu als "sozialistisch" definiert hatte. Die Bevölkerung der Oromo, der Tigriner und der Somalia folgten dem Beispiel der Erythräer. Auf Grund schmutziger Kriegsspiele im Horn von Afrika, musste die Front der Erythräer (marxistisch und sozialistisch) 1977 gegen die Sowjetische Union kämpfen. Das ist eine der traurigsten und vergessensten Seiten in der Geschichte der Volksbefreiungskämpfe.

Im Bild der geltende Bündnisse, wurden kubanische Kontingente gegen Eritrea gerichtet. Kuba, das Land das vom Che Guevara befreit wurde, schoss gegen die guevarische Front der Eritreer, die für die Unabhängigkeit, eine Umgestaltung der Politik und die soziale Wiedergeburt kämpften. Viele Kubaner weigerten sich, zu schießen. Es ist überflüssig zu erwähnen, dass die Außenpolitik Kubas im Horn Afrikas von der übergeordnetem Sowjetunion festgelegt wurde. Kuba und die Urss waren ausschlaggebend im Sieg der Äthiopier gegen die Somalier des Diktators Siad Barre, der zu diesem Zeitpunkt mit den USA verbündet war. Der Angriff Somaliens gegen Äthiopien war von den USA gelenkt worden, was uns jedoch nicht vergessen lassen darf, dass in Ogaden (Region Äthiopiens) ein somalisches Volk lebte, das dem äthiopischen Kolonialismus und der Unterdrückung Menghistus zum Opfer fiel. In diesem Fall unterstützte das somalische Volk das Militär Siad Barres, doch die Aggression gegen Äthiopien wurde von der äthiopisch-kubanisch-sovjetischen Allianz niedergeschlagen.

Die eritreische, oromische und tigrinische Front kämpften gegen eine Kolonialmacht, die von Salassie bis zu Menghistu identisch geblieben war und 1991 gelang es ihnen, die Militärherrschaft abzusetzten. Viele Oromo, die während der Diktatur von Äthiopien geflüchtet waren, kamen zurück. Alle waren voller Hoffnungen. War das der Anfang einer neuen Epoche?

Die äthiopische Kolonialisierung in der Globalisierung
Eine Oromo-Frau beschrieb mir den Jubel am Flughafen von Addis Abeba, als Millionen von Männer und Frauen der Oromo in ihr Land zurückkamen und sich mit ihren Verwandten, die die Herrschaft der Dergue überlebt hatten, wieder umarmen konnten. In den darauf folgenden Jahren regierten die Front der Tigriner (Minderheit im Norden) und die der Oromo zusammen. Nach 30 Jahren Krieg hatte die eritreische Bevölkerung ihre Unabhängigkeit errungen. In Äthiopien wuchs die allgemeine Beliebtheit des OLF (Oromo Liberation Front - Oromo Freiheitsbewegung).

Anfang der 90er Jahre wurde die Selbstbestimmung der Oromo den wirtschaftlichen und geostrategischen höheren Interessen in der Region ein Dorn im Auge. Viele Politiker und Vertreter der Oromo wurden umgebracht. Musiker, Dichter und Nationalisten der Oromo wurden öffentlich hingerichtet. Zwischen ´92 und ´95 kehrte das OLF in die Wälder zurück, die oromischen Guerillakämpfer nahmen die Waffen und den Kampf gegen die äthiopische Armee wieder auf. Während sich der Völkermord an den Oromo abspielte, behauptete sich die Herrschaft des tigrinischen Führers Meles Zenawi, der größte Verbündete der Vereinigten Staaten. Die bedingungslose und mächtige Hilfe der USA war und ist für die Terrordiktatur Meles Zenawis ausschlaggebend. Seine Armee besetzt bis heute Oromia, steckt ihre Wälder in Brand, foltert die Bevölkerung, vergewaltigt Frauen, schisst auf Studentengruppen, verfolgt die Völker im Süden und macht sich eines Völkermords schuldig, der in einem einzigen Tag Hunderte von Toten fordert (wie die kürzlich in Gambela der Fall war). Nicht genug, Meles Zenawi verkauft das Land zu Spottpreisen an multinationale Konzerne, weshalb er auch von der französischen Elite triumphal empfangen wird, und dank der großzügigen Finanzierungen von Weltbank und Internationalem Währungsfond privatisiert er finanziert, privatisiert er alle Güter des Landes, die so in den Besitz ausländischer Partner und der an der Macht sitzenden Mafia-Familien des Landes übergehen.

Die wirtschaftliche Enteignung und die direkte Kolonialisierung durch die Vertreibung der oromischen Bauern aus ihrem Land (die Verschleppung nennt sich offiziell "resettlement") sind nur Teilausdruck einer Unterdrückung, in der der amerikanische Imperialismus und die wichtigsten Institutionen zu Komplizen des Massakers an eines der ältesten und zahlreichsten Völker Afrikas werden. Inzwischen demonstrieren zahlreichen oromischen Gemeinschaften in den Vereinigten Staaten gegen die rassistische Politik des Weißen Hauses im Horn von Afrika, aber sämtliche demokratische Bewegungen für die Selbstbestimmung der Völker schweigen Welt gegenüber der Tragödie der Oromo.

Die praktische Anwendung der Apartheid
Am 17 April 2001 werden 45 oromische Studenten während der Demonstration in Addis Abeba umgebracht, weitere Hundert werden verletzt und zweitausend werden verhaftet. Die Jugendlichen verlangten die Absetzung des Schuldirektors, der starke Bindungen mit der Regierung hatte (Quelle: BBC). Während Demonstrationen, die die eigenen Landrechte und das Recht auf Selbstbestimmung gültig machen wollen, werden im Laufe des Jahres 2003 230 Oromo grausam getötet (Amnesty International). Im Frühjahr 2004 werden Hunderte von oromischen Studenten von der Universität verwiesen und nächtlichen Streifzüge der Polizei terrorisieren und verprügeln oromische Jugendliche. Die Studenten wollten eine Aufführung über die Oromo-Kultur organisieren. In Mai dieses Jahres flüchteten 400 bis 700 Jugendliche zwischen 14 und 20 Jahren vor den Verfolgungen nach Kenia (IRIN news).

Seit Jahren zeigen oromische Schüler die Verfolgungen, denen sie in Schulen und Universitäten zum Opfer fallen, an: Vergiftungen, Massenmorde, Folterungen und Vergewaltigungen. Nach mehr als einem Jahrhundert erhielten sie 1992 das Recht, ihre eigene Sprache in Oromia lernen zu dürfen. Heute aber werden sie in den Schulen und Universitäten, in denen sie die eigene Sprache, die ihnen über als ein Jahrhundert lang verweigert wurde, terrorisiert und verfolgt.


Siehe auch:
* www.gfbv.it: www.gfbv.it/2c-stampa/04-1/041109de.html | www.gfbv.it/2c-stampa/04-1/040303de.html | www.gfbv.it/2c-stampa/04-1/040116de.html | www.gfbv.it/2c-stampa/04-1/040113de.html

* www: www.oromoliberationfront.org | www.uni-potsdam.de/u/mrz/un/int-bill/ipbprde.htm

Letzte Aktual.: 21.4.2005 | Copyright | Suchmaschine | URL: www.gfbv.it/3dossier/africa/oromo-de.html | XHTML 1.0 / CSS / WAI AAA | WEBdesign, Info: M. di Vieste

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