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Bangladeschs Hochland-Indigene geben Kampf um ihre Landrechte nicht auf

Der Lösung einen Schritt näher - und ihr doch so fern

Judith Kunze

Bozen, Göttingen, 30. Dezember 2010

Jumma-Angehörige auf einem Markt in Bangladesh. Foto: jankie/Flickr. Jumma-Angehörige auf einem Markt in Bangladesh. Foto: jankie/Flickr.

In den Chittagong Hill Tracts (CHT) im Südosten Bangladeschs leben zwölf autochthone Völker. Um Autonomiebestrebungen in diesem wirtschaftlich und strategisch wichtigen Gebiet vorzubeugen, verfolgten bis 1971 die ostpakistanischen und danach die bangladeschischen Regierungen eine kaltblütige Vertreibungspolitik gegenüber den Ureinwohnern des Hochlandes, den sogenannten Jumma. Trotz eines 1997 geschlossenen Friedensvertrags ist der Konflikt um ihren Landbesitz bis heute ungelöst.

Von den ursprünglich 700.000 Jumma wurden in den 1960er Jahren fast 100.000 zu Flüchtlingen, als circa 40 Prozent des gesamten Ackerlands für den Bau des Kaptai-Staudamms geflutet wurden. Ohne finanzielle Entschädigung oder alternativ zur Verfügung gestellte Landnutzungsrechte wurden sie zu Binnenflüchtlingen oder zogen in Lager nach Indien oder Burma.

Als in den 1970er Jahren die großangelegte Ansiedlung landloser bengalischer Bauern aus dem Deltagebiet in den CHT begann, setzten sich indigene Gruppen mit Waffengewalt gegen ihre Vertreibung und Unterdrückung zur Wehr. Der Staat schlug mit brachialer Gewalt zurück: Militärs besetzten die CHT und vertrieben die Jumma ohne Gnade. Sie errichteten Camps auf dem Land der Indigenen und stellten es zuziehenden Siedlern zur Verfügung. Diese erhielten Eigentumsnachweise über Land, das traditionell und kollektiv von den Ureinwohnern genutzt worden war, ohne dass ihr Besitz je urkundlich attestiert wurde. Erneut wurden rund 100.000 von ihnen vertrieben, während mehr als 500.000 bengalische Siedler mit gezielten Förderprogrammen in die CHT gebracht wurden.

Im Oktober 2010 hat Bangladeschs Regierung endlich einer wichtigen Forderung der Jumma nachgegeben: Die im September 2009 beschlossene Flurvermessung in den CHT wird ausgesetzt. Sie hätte die Klärung strittiger Landrechtsfragen zwischen den Ureinwohnern und den zugezogenen Siedlern mit hoher Wahrscheinlichkeit weiter verkompliziert. Außerdem fehlte ihr die Rechtsgrundlage.

Dennoch gibt es weiterhin schwere Vorwürfe gegen die Arbeit der CHT-Landkommission, die die Besitzverhältnisse abschließend regeln soll: Entscheidungen werden ohne Einbeziehung indigener Kommissionsmitglieder getroffen. Auch werden die Ureinwohner nur mangelhaft über die Möglichkeit informiert, Anträge für von ihnen beanspruchtes Land einreichen zu können. Deshalb ist zu befürchten, dass am Ende hauptsächlich die Anträge von Siedlern verhandelt werden und die indigene Bevölkerung der Region so wieder im Nachteil ist.

Eine Klärung der Landfrage ist dringend geboten, denn das Gewaltpotential in den CHT ist nach wie vor sehr hoch. Die Militärpräsenz wird mit der Nähe zur burmesischen und indischen Grenze gerechtfertigt. Doch immer wieder ignorieren oder unterstützen Armeeangehörige gewaltsame Übergriffe der Siedler gegen die Ureinwohner. Im Februar 2010 kam es in Baghaihat im Distrikt Rangamati zu Brandanschlägen auf 1.500 Häuser von Jumma-Familien. Auch die indigene militante United People's Democratic Front, die den Friedensvertrag für ein unverhältnismäßiges Zugeständnis hält, spielt mit ihren Anschlägen auf "verräterische" indigene Zivilisten und Vertretern genau den Kräften in die Hände, die eine Umsetzung des Abkommens verhindern wollen: der Oppositionspartei Bangladesh National Party, der Armee und den Siedlern.

Der Druck auf die Regierung von Premierministerin Scheich Hasina muss aufrecht erhalten werden, damit der Friedensvertrag, wie sie bei ihrer Wahl im Januar 2009 versprochen hatte, konsequent umgesetzt wird. Immerhin besteht zurzeit die Hoffnung, dass im Zuge der ohnehin geplanten Verfassungsänderung, mit der deren ursprünglich säkularer und demokratischer Charakter wieder mehr betont werden soll, auch die etwa 50 indigenen Völker Bangladeschs eine verfassungsrechtliche Anerkennung und politische Rechte erhalten.

Aus pogrom-bedrohte Völker 262-263 (5-6/2010)