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Burma: Rohingya-Flüchtlinge

In den Fängen von Menschenhändlern

Von Ilaria Cimino

Bozen, Göttingen, 10. Dezember 2015

Die muslimischen Rohingya in Burma sind Staatenlose im eigenen Land. Foto: United to End Genocide/Flickr BY-NC-ND 2.0. Die muslimischen Rohingya in Burma sind Staatenlose im eigenen Land. Foto: United to End Genocide/Flickr BY-NC-ND 2.0.

"Mit Booten und Autos haben sie uns nach Songkhla [im Süden von Thailand, d. Red.] gebracht und uns auf Fischkutter gesteckt. Sie haben uns gezwungen, dort zu arbeiten. Vier Jahre lang mussten wir hart arbeiten", klagt ein junger Rohingya, der in die Fänge von Menschenhändler geraten ist. 2014 konnte er schließlich fliehen.

Seit der Eskalation der Gewalt im Juni 2012 flüchten Zehntausende Rohingya aus dem Rakhine-Staat Burmas in die Nachbarländer Thailand oder Malaysia. Da sie nicht legal ausreisen können, vertrauen sie sich Schleusern an, die sie über die Grenze bringen. Diese entpuppen sich oft als Menschenhändler. Sie halten Rohingya-Flüchtlinge fest und foltern sie, um Telefonnummern von Angehörigen zu erhalten. Dann werden diese erpresst, Geld für die Freilassung zahlen. Falls die Angehörigen das Lösegeld nicht aufbringen können, werden Rohingya-Flüchtlinge zur Sklavenarbeit auf Kautschukplantagen oder Fischtrawlern verkauft. Drei Jahre lang funktionierte das dreckige Geschäft mit den Flüchtlingen reibungslos, auch weil die thailändische Armee und lokale Behörden weggesehen haben.

Thailands Regierung ignorierte lange die alarmierenden Berichte von Menschenrechtlern. Doch im Mai 2015 handelte sie endlich, nachdem mehr als 190 Massengräber mit den Leichen Hunderte gefolterte und ermordeter Rohingya-Flüchtlinge im thailändisch-malaysischen Grenzgebiet gefunden worden waren. Dutzende illegale Lager der Menschenhändler wurden geschlossen und gegen 74 Personen Strafverfahren eingeleitet (Stand Oktober 2015). So wurde ein Verwaltungsangestellter im August 2015 zu 22 Jahren Haft verurteilt. Er wollte einen Rohingya für 1.500 Euro verkaufen. Unter den Beschuldigten ist auch ein thailändischer General, aber erstaunlich wenig Soldaten und Polizisten. Dabei konnten die Menschenhändler in der hoch gesicherten Bürgerkriegsregion Südthailand nicht ohne die Deckung der Armee handeln. Denn sie hat überall Kontrollpunkte und Militärcamps errichtet, um Aufstände muslimischer Rebellen niederzuschlagen, die dort mehr Selbstbestimmung fordern. Doch es wurden bisher nur 50 Polizisten, die die Menschenhändler unterstützt haben, strafversetzt.

Paween Pongsirin, Generalmajor der Polizei, der die Ermittlungen gegen die Menschenhändler geleitet hat, fürchtet inzwischen um sein Leben. Er hat Angst vor Racheakten der Schleppermafia und von Sicherheitskräften, die mit ihr kooperieren. Weitere Ermittlungen gegen andere Verantwortliche für diese Verbrechen gegen die Menschlichkeit soll es nach dem Willen der in Bangkok regierenden Militärjunta nicht mehr geben. Thailands plötzliches Engagement gegen Menschenhändler ist nicht Folge eines neuen Respekts vor Menschenrechten. Das Land ist aktiv geworden, um wirtschaftliche Nachteile im Handel mit den USA zu vermeiden: Jedes Jahr veröffentlicht das US-Außenministerium einen Bericht zum Kampf gegen Menschenhandel. Die USA machen Wirtschaftskooperationen davon abhängig, je nachdem wie ein Land in diesem Bericht eingestuft ist.

Mit den Razzien hat Thailand dem Menschenhandel einen empfindlichen Rückschlag zugefügt. Doch Menschenrechtler sind davon überzeugt, dass Menschenhändler bereits nach neuen Routen suchen, um Rohingya aus Burma zu schleusen. Denn angesichts der dortigen anhaltenden Verfolgung wird die Zahl der Rohingya-Flüchtlinge nicht abnehmen. Thailand schweigt geflissentlich darüber, dass es für das dreckige Geschäft mit den Schleusern mitverantwortlich ist. Das Land hat bis heute nicht die Genfer Flüchtlingskonvention ratifiziert. Das bedeutet, dass Rohingya nicht legal nach Thailand einreisen können. Und so werden Menschenhändler weiterhin mit der Erpressung von Rohingya-Flüchtlingen ein Vermögen verdienen.

[Zur Autorin] Ilaria Cimino erwarb an der Universität LUISS (Freie Internationale Unversität für Sozialstudien) in Rom einen Masterabschluss in Jura. Derzeit macht sie an der Georg-August Universität Göttingen ihren Magister im Studiengang für ausländische Studierende mit abgeschlossenem ausländischem rechtswissenschaftlichen Universitätsstudium. Zudem unterstützt sie ehrenamtlich das Asien-Referat der Gesellschaft für bedrohte Völkerund arbeitet dort vor allem zu den Rohingya.

Aus pogrom-bedrohte Völker 289 (4/2015)