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Kritik an Chinas Staudammbau im Himalaya

Gletscherschmelze durch Klimawandel bedroht Tibet und mehr als eine Milliarde Menschen in Asien - Dalai Lama in Sorge

Bozen, Göttingen, 20. Dezember 2010

Das Canyon Jiacha, Brahmaputra-Fluss in Zhangmu, Tibet. Das Canyon Jiacha, Brahmaputra-Fluss in Zhangmu, Tibet.

Die Sorge des Dalai Lama um das vom Klimawandel bedrohte Tibet ist mehr als begründet. Darauf hat die Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV) am Montag hingewiesen. "Das Schmelzen zehntausender Gletscher im Himalaya bedroht nicht nur die Tibeter, sondern weit mehr als eine Milliarde Menschen in ganz Süd- und Südostasien", sagte Ulrich Delius, GfbV- Asienreferent in Göttingen. "Chinas Antwort auf die Gletscherschmelze ist der Bau immer neuer Staudämme, der jedoch mehr Probleme schafft als löst." US-Geheimdokumenten zufolge, die Wikileaks Ende vergangener Woche veröffentlichte, hat das geistliche und weltliche Oberhaupt der Tibeter schon im Sommer 2009 gegenüber US-Diplomaten erklärt, die Umweltprobleme in seinem Land wie das Abschmelzen der Gletscher müssten sofort bekämpft werden, politische Gespräche mit Peking könnten notfalls einige Jahre ruhen.

Rund 82 Prozent der 46.000 Gletscher in Tibet sind nach Aussagen von Wissenschaftlern bislang von der Schmelze betroffen. Sie bilden eine Fläche von der dreifachen Größe Belgiens. Ihr Niedergang verläuft je nach Region unterschiedlich schnell. Einzelne Gletscher büßen jedes Jahr bis zu sieben Prozent ihres Umfangs ein. Die Schmelze wirkt sich auch auf die mehr als 6.000 Gletscherseen in Tibet aus mit zum Teil verheerenden Folgen. Sie treten über die Ufer und verursachen so in den oft engen Tälern Erdrutsche.

Chinas Behörden wollen den Klimawandel nutzen und in Tibet die Energiegewinnung durch Wasserkraft massiv ausbauen. Mehr als 100 Staudämme sollen in den kommenden Jahren an den sieben großen Flüssen Salween, Brahmaputra, Irrawaddy, Indus, Ganges, Gelber Fluss und Jangtse gebaut werden. Wer an den Flüssen wohnt, wird zwangsweise umgesiedelt. So müssen im Bezirk Lhundrub nördlich der Stadt Lhasa in den nächsten Wochen rund 4.000 tibetische Bauern ihre Häuser für immer verlassen, um einem Stausee Platz zu machen.

"Der Bau neuer Staudämme in einer der bedeutendsten Erdbeben- Regionen der Welt ist unverantwortlich, da angesichts verbreiteter schlechter Bauausführung Dammbrüche vorprogrammiert sind", warnte Delius. "Außerdem ist der Dammbau keine Lösung, da langfristig die Gletscherseen und Flüsse immer weniger Wasser führen werden." Daneben schüren die Wasserkraftprojekte Konflikte mit Chinas Nachbarstaaten, die um die Wasserversorgung ihrer Bevölkerung bangen.

Staudämme und Klimawandel werden auch die Zerstörung von 133.000 Quadratkilometern Feuchtgebieten in Tibet beschleunigen. Vom Verschwinden der Feuchtgebiete und vom Auftauen von 1,5 Millionen Quadratkilometern Dauerfrostböden in Tibet gehen akute Gefahren für das Weltklima aus, da diese Böden gigantische Kohlendioxidspeicher sind. "Chinas Regierung handelt kurzsichtig und stellt sich nicht ihrer enormen ökologischen Verantwortung", kritisierte Delius. "Mit dem Ausbau der Wasserkraft will sie nur billige Energie für ihre boomende Industrie erzeugen."