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Italien / Minderheiten

Die Regierung Berlusconi und ihr dürftiges Engagement. Kaum Platz für Andere in der Berlusconi-Republik

Von Wolfgang Mayr

Bozen, 6. März 2006

INDEX

Allgemeiner Überblick | Gefährdete Sprachgruppen | Italienische Rechte contra Slowenen | Ständige Konferenz der Sprachminderheiten - Nur ein Alibi? | Sinti und Roma - ausgegrenzt und diskriminiert | Alter und neuer Antisemitismus | Islamophobie und Angst vor Terror | Löchriges Asyl | RAI und Minderheiten - die Ausgesperrten | Armonizzare Babele: Dokumente

Ein Wolf im Schafspelz? Alleanza Nazionale und ihr ungebrochenes Verhältnis zum faschistischen Erbe, von Günther Pallaver
Noch lange nicht am Ziel. Nach dem ersten Schritt hat AN-Chef Gianfranco Fini noch viel zu tun: Antisemitische Bodensätze in Alleanza Nazionale, von Günther Pallaver


Allgemeiner Überblick [ top ]

Für die Mitte-Rechts-Regierung sind Minderheitenrechte nicht einmal ein Randthema. Die rechte Regierung lässt die Sprachminderheiten links liegen. Die Mitte-Rechts-Regierung kann nur eine dünne Bilanz ihrer Minderheitenpolitik vorlegen. Es war auch nichts anderes zu erwarten. Die Mitte-Rechts-Parteien zeigten und zeigen wenig Verständnis und kaum Sensibilität für die Anliegen von Sprachminderheiten. Die italienischen Mitte-Rechts-Parteien unterscheiden sich kaum von ihren politischen Verwandten beispielsweise in Österreich, wo Minderheitenrechte trotz Verfassungsauftrages meistens verschleppt, im besten Fall verwässert oder aber auch gar nicht umgesetzt werden.

Die Berlusconi-Regierung stellte für die kleinen Sprachgruppen zwar die notwendigen Geldmittel gemäß dem Rahmengesetzt zur Verfügung. Laut dem Minderheitengesetz, erlassen von der Mitte-Links-Regierung, erhalten die Sprachminderheiten für die Förderung ihrer Sprachen an den Schulen und für die Anwendung ihrer Sprache bei den Behörden entsprechende Finanzen. 2001 finanzierte die Regierung 47 minderheitensprachliche Schulprojekte in der Höhe von 5,5 Millionen Euro. Die Sprachminderheiten reichten insgesamt 180 Projekte ein. Im Schuljahr 2002/03 finanzierte der Staat 92 von insgesamt 112 eingereichten Projekten. Der Vorsitzende des Confemili, Domenico Morelli, kritisiert aber die teilweise späte Auszahlung.

Die Berlusconi-Regierung setzte letztendlich - und nicht aus eigenem Interesse heraus - Vorgaben der Mitte-Links-Vorgängerregierung um. Italien ist in der Minderheitenpolitik säumig, äußerst nachlässig. Es dauerte mehr als ein halbes Jahrhundert, bis eine Regierung endlich den Verfassungsauftrag laut Artikel 6 (Schutz der Minderheiten) umsetzte. Mit diesem Rahmengesetz als Durchführungsbestimmung zum Artikel 6 bekennt sich die Republik zu den Sprachminderheiten und damit auch zur zur autochthonen Mehrsprachigkeit.

Gefährdete Sprachgruppen [ top ]

Diese ist aber mehr als gefährdet. Das ergab die Studie Euromosaic der EU-Kommission von 1996. Von den 13 Sprachminderheiten Italiens sind weit mehr als die Hälfte in ihrer Substanz gefährdet und bedroht. Laut "euromosaic" gelten die albanische, griechische (Apulien und Kalabrien), die katalanische (Sardinien), die kroatische (Molise), die okzitanische Sprachminderheit (Piemont) und die sardische Sprache als "begrenzt" bzw. "nicht überlebensfähig". Als "bedroht" gelten Französisch (Aosta), Friulanisch und Slowenisch (Friaul).

Die Studie zeigt auch, dass dort, wo es Autonomie und Sprachenrechte gibt, die Minderheitensprachen gesichert sind. So gilt das Ladinisch als "relativ überlebensfähig", Deutsch in Südtirol als "vollkommen vital". "Euromosaic" stellt der Republik für ihre Minderheitenpolitik eine negative Note aus. Es braucht mehr als Absichtserklärungen des Regionenministers Enrico La Loggia. Immerhin sprach sich aber La Loggia für die Verwendung der Minderheitensprachen bei Behörden und an den Schulen aus. Für den Regionenminister ist die Sprachenvielfalt ein Reichtum für Italien.

Italienische Rechte contra Slowenen [ top ]

Erfolgreich hinausgezögert hat Alleanza Nazionale die Umsetzung des Slowenen-Gesetzes. Auf Druck der extrem-nationalistischen anti-slowenischen Triestiner Alleanza Nazionale ließ die Berlusconi-Regierung das Slowenen-Gesetz, vom Parlament bereits 2001 verabschiedet, unangetastet. Seit Jahrzehnten tragen italienische Nationalisten, allen voran die Lega Nazionale, auf dem Rücken der slowenischsprachigen Staatsbürger eine Revanchepolitik aus. Die Vertreibung der italienischen Bevölkerung aus Istrien und Dalmatien durch Tito-Partisanen, slowenische und kroatische Nationalisten kurz nach dem 2. Weltkrieg lastet die italienische Rechte der slowenischen Sprachminderheit an.

Die Rechte wehrt sich vehement gegen die Umsetzung der Zweisprachigkeit, wie im Slowenen-Gesetz (Nr. 38) aber auch im Rahmengesetz (Nr. 482 vom 15. Dezember 1999) vorgesehen. In einigen Dörfern und Weilern in der Umgebung von Triest, Gorizia und Muggia und in weiteren 29 Gemeinden entlang der italienisch-slowenischen Grenze können zweisprachige Ortstafeln errichtet werden. Die beiden Gesetze sehe auch die Ausgabe von zweisprachigen Dokumenten vor. Einige Ämter sollen zur Zweisprachigkeit verpflichtet werden.

Bereits bei der Debatte um die beiden Gesetze versuchte das Mitte-Rechts-Bündnis die Verabschiedung zu verhindern. Seit dem Amtsantritt setzte die Mitte-Rechts-Regierung nur Teile des Rahmengesetzes um, das Slowenen-Gesetz wurde aus ethnisch-ideologischen Gründen erst gar nicht aus der Schulbade geholt. Beide Gesetze müssen in Kraft treten, wenn 15 Prozent der Bevölkerung oder ein Drittel der Gemeinderäte die Schutzartikel beanspruchen. In Triest beanspruchten 14 Gemeinderäte des Mitte-Links-Bündnisses für Triest die Zweisprachigkeits- und Minderheitenbestimmungen. Für die Beanspruchung der Rechte aus dem Slowenen-Gesetz (Nr. 8), konkret für die Schaffung einer zweisprachigen Zone in der näheren Umgebung von Triest, muß der Regionalrat seine Zustimmung geben.

Die Rechtsparteien sperren sich gerade deshalb gegen die restlose Umsetzung des Minderheiten- und des Slowenengesetzes. Die Zwei- und Mehrsprachigkeit wird als ein Anschlag auf die Einheit des Staates empfunden. Gerade das Slowenen-Gesetz weist eine Reihe von Mängel auf, betont beispielsweise der slowenische Intellektuelle Samo Pahor. Die Bevölkerungsmehrheiten können jederzeit das Gesetz aushebeln. Das ist in der Gemeinde Görz in der Provinz Udine mit dem Minderheitenschutzgesetz (482) passiert. Außerdem verweigert das Gesetz die amtliche Anerkennung für die slowenische Sprache. Das Gesetz verweigert auch die Verwendung der slowenischen Sprache mit den Behörden und deren Zentralstellen in Cividale, Gorizia und Triest. Das kommt einer totalen Verweigerung des minimalsten Schutzes gleich, der laut eines Verfassungsgerichtsurteils (28/1982) direkt aus dem Artikel 6 der Verfassung abzuleiten ist.

Pahor kommt zum Schluß, dass das Slowenengesetz nicht den Minderheitenschutzbestimmungen nachkommt, die im Vertrag von Osimo 1954 (Artikel 8) garantiert sind und die auch im regionalen Sonderstatut von 1954 enthalten sind. Das Gesetz Nr. 38 ist für Pahor ein Rückschritt und nimmt nicht zur Kenntnis, dass es bereits Schutzbestimmungen gibt, die - wie auch vom Verfassungsgericht 1966 (Nr. 15) gefordert - berücksichtigt werden müssen.

Ständige Konferenz der Sprachminderheiten - Nur ein Alibi? [ top ]

Die Nichtumsetzung des Slowenengesetzes wird auch nicht wettgemacht mit der Einsetzung der Ständigen Konferenz der Sprachminderheiten. Es war löblicherweise Regionenminister La Loggia, der im Jänner 2006 die Konferenz - bestehend auch aus Vertretern der Sprachminderheiten - einberief. Am Ende der Legislatur. Diese Regierung nahm die Minderheiten nicht sonderlich ernst.

Weitere Beispiele gibt es noch genügend. Die Regierung erklärte die ratifizierte Rahmenkonvention zum Schutz für nationale Minderheiten des Europarates kurzerhand für erfüllt - weil die Schutzbestimmungen bereits im Minderheitenschutzgesetz enthalten sind. Die Haushaltskommission des Parlaments konnte sich in der Woche der Parlamentsauflösung nicht dazu durchringen, die Charta der Regional- und Minderheitensprachen des Europarates zur Ratifizierung zu empfehlen. Finanzgründe machte die Kommission geltend. Die Förderung der Minderheitensprachen darf nichts kosten.

Sinti und Roma - ausgegrenzt und diskriminiert [ top ]

Das European Roma Rights Centre (ERRC) hat dem Berlusconi-Staat vorgeworfen, die Angehörigen der Sinti und Roma aus ethnischen Gründen zu diskriminieren. Allein deren "Unterbringung" in "campi nomadi" ist laut ERRC eine eklatante Verletzung der Menschenrechte, weil eine offensichtliche und totale Ausgrenzung. Die meisten "Camps" befinden sich an Mülldeponien, Autobahnen, auf Ödland. Drei Viertel dieser "Camps" sind ohne hygienische Einrichtungen. Die Bewohner sind laut ERRC behördliche und polizeilicher Willkür und Zwangsräumungen ausgesetzt. Immer wieder kommt es zu mutwilligen Zerstörungen der menschenunwürdigen Behausungen. Darunter leiden besonders die Kinder.

Italien ist das einzige EU-Land mit einem öffentlich organisiertes Netz an Ghettos. Damit wird den Roma die Teilnahme an der Gesellschaft oder auch nur den Kontakt mit ihr oder die Integration unmöglich gemacht. Das ERRC (siehe: www.gfbv.it/3dossier/errc-dt.html, www.gfbv.it/3dossier/sinti-rom/20041026-de.html) richtete deshalb auch entsprechende Schreiben an internationale Gremien. In einem Brief an Innenminister Pisanu beklagte das ERRC die Lage der Sinti und Roma.

Laut offiziellen Angaben leben 130.000 Sinti und Roma in Italien. Einige NGO's (siehe - "rapporto alternativo": www.december18.net/web/docpapers/doc2654.pdf, Seite 30 und 31) schätzen die Zahl der Roma mit italienischer Staatsbürgerschaft auf 90.000, die Zahl der im Ausland geborenen Roma (oder derer, die in Italien von eingewanderten Eltern geboren wurden), zwischen 45.000 und 70.000 (es handelt sich da bei besonders um Personen aus Ex-Jugoslawien). Roma mit ordentlichen Aufenthaltspapieren erhalten meist kurze Aufenthaltsgenehmigungen. Der weitaus größte Teil der an Roma vergebenen Genehmigungen hat die Dauer von einem bis zu sechs Monaten.

Alter und neuer Antisemitismus [ top ]

Die lange unter Verschluss gehaltene Studie des EU-Beobachtungszentrums zu Fremdenhaß und Ausländerfeindlichkeit (siehe: www.gfbv.it/3dossier/eu-min/jued-ant.html) bestätigte auch starke antisemitischer Tendenzen in Italien. Rechtsradikale Schmierereien sind die sichtbaren Zeichen dafür. Das minderheiten- und ausländerfeindliche Klima fördert laut Studie auch den "Hass auf Juden". Ein italienischer Antisemitismus blüht, obwohl es kaum italienische Juden gibt. Antisemitismus ohne Juden, polnische Verhältnisse in Italien. Alte antijüdische Klischees halten sich hartnäckig.

So glauben 35 Prozent befragter Jugendlicher, dass "Juden das Kapital" kontrollieren. Auch unter Erwachsenen festigen sich wieder antisemitische Stereotypen (siehe "rapporto alternativo" 2004 - www.december18.net/web/docpapers/doc2654.pdf, Seite 25 bis 27). Zwölf Prozent gehen davon aus, dass den deutschen und österreichischen Nazis sowie deren europäischen Helfershelfer weniger Juden zum Opfer gefallen sind. Mehr als die Hälfte vermutet, dass die Mehrheit der italienischen Juden Israel loyaler gegenüberstehen als Italien. Im Gegensatz zu anderen EU-Ländern ist der Prozentsatz von erklärten italienischen Antisemiten von 23 auf 15 Prozent abgesunken. Außerdem kann Israel in Italien auf weitaus größere Sympathiewerte zählen in den meisten anderen EU-Staaten.

Die Mitte-Rechts-Allianz von Ministerpräsident Silvio Berlusconi, auf israelfreundliche Politik bedacht, weist aber auch in den eigenen Reihen erklärte Antisemiten auf. Bei einer Debatte im Regionalrat der Marchen 2004 kritisierte der Fraktionssprecher von Forza Italia einen Regionalassessoren der regierenden Mitte-Links-Koalition mit antisemitischen Untertönen. Der Assessor sei aufgrund seiner Zugehörigkeit zur jüdischen Kultusgemeinde nur Gast in Italien und sollte sich deshalb als solcher verhalten. Ein Fall von vielen. Auch innerhalb der Regierungspartei Alleanza Nazionale, deren Vorsitzender Gianfranco Fini auf respektabler Weise auf Distanz zur eigenen antisemitischen Vergangenheit ging, ist der alte Antisemitismus noch immer recht lebendig.

Amos Luzzatto von der Vereinigung der jüdischen Kultusgemeinden (Unione Comunità Ebraiche) wirft dem demokratischen Italien vor, sich nie mit dem eigenen Antisemitismus auseinandergesetzt zu haben. Es ist ein Mythos, so Luzzatto, dass es in Italien keinen Antisemitismus gibt. Laut Luzzatto glauben die Italiener an das Klischee, brave Leute zu sein, mit großem Herzen, in dem kein Platz für Antisemitismus ist. Die Aufarbeitung der faschistischen Vergangenheit drang nicht tiefer in die öffentliche Meinung ein, ist sich Luzzatto sicher. Deshalb gibt es nicht nur wieder den traditionellen Antisemitismus der Rechten, auch ein Teil der Linken ist antisemitisch vergiftet.

Auf dem Umweg der romantischen Verklärung der Palästinenser, mitsamt Verharmlosung oder Rechtfertigung des Terrorismus und einer geradezu religiösen Verehrung für Yassir Arafat, gelangt die Partei Rifondazione Comunista auch auf das Terrain des einschlägigen Antisemitismus, wie er bei Neonazis und arabischen Extremisten vorzufinden ist. Die Jugend von Rifondazione Comunista hatte im Juli 2005 in Mailand eine symbolische Mauer aufgebaut, um gegen den Mauerbau zwischen Israel und den autonomen Gebieten zu demonstrieren. Diese Mauer wurde mit Karikaturen geschmückt, in denen Juden – ganz wie in der NS-Propaganda – mit gekrümmerter Nase als gewalttätige Bösewichte dargestellt werden.

"Solche Bilder fand man in den NS-Zeitungen", sagt Yasha Reibmann, Sprecher der jüdischen Kultusgemeinde Mailand. Auf einem von den Kommunisten verteilten Flugblatt war zudem eine Karte von Nahost abgebildet, auf der es nur einen palästinensischen Staat gibt, aber kein Israel. "Wo ist da der Unterschied zum Jihad", fragt Yasha Reibman. Rifondazione Comunista reagierte ausweichend auf die Kritik, um eine deutliche und bedingungslose Verurteilung des Antisemitismus in den eigenen Reihen drückte man sich. Die antisemitischen Tendenzen in Rifondazione Comunista sind seit längerem bekannt. Reibmann hatte mit Parteichef Fausto Bertinotti auch einen Kurs abgesprochen, um die jungen Leute über die jüdische Welt zu informieren. Abgehalten wurde der Kurs bisher aber nicht. Nach den jüngsten Vorfällen wurde ein neuer Anlauf versprochen.

Islamophobie und Angst vor Terror [ top ]

Die Beteiligung Italiens am US-Krieg gegen den islamistischen Terror förderte eine anti-islamische Grundhaltung in der italienischen Öffentlichkeit. Von den mehr als 2,3 Millionen Einwanderern (siehe: www.migration-info.de/migration_und_bevoelkerung/artikel/050401.htm) stammt ein großer Teil aus arabischen und islamischen Ländern. Eine Befragung von 1.000 Bürgern ergab, dass mehr als die Hälfte dem Islam fundamentalistische Tendenzen unterstellen. Ein Fünftel der Befragten sieht gar keinen Unterschied zwischen dem gemäßigten und dem radikalen Islam. Diese Aussagen bestätigt auch eine Studie des EU-Beobachtungszentrums gegen Rassimus und Fremdenfeindlichkeit (siehe: http://eumc.eu.int/eumc/index.php).

Es verwundert deshalb auch nicht, dass sich fast die Hälfte der Befragten vor dem Islam fürchten. Die teilweise undifferenzierte Berichterstattung über arabische und moslemische Länder führt zu Frontstellungen, der Westen gegen den Islam, es wird der Kampf der Kulturen beschworen. Dabei wird vergessen, dass sich beispielsweise in Algerien laizistische Kräfte gegen den Islamismus zur Wehr setzten, ohne jede westliche Hilfe. Die Angst vor dem Islam fördert Angriffe auf Moscheen, Sicherheitskräfte gehen bei Demonstrationen mit unverhältnismäßiger Härte gegen arabische und moslemische Einwanderer vor (siehe "rapporto alternativo": www.december18.net/web/docpapers/doc2654.pdf, Seite 24 und 5). Auch Senats-Präsident Pera beschreibt in einem seiner neuen Bücher den notwendigen Kampf der Kulturen zwischen dem Westen und der islamischen Welt.

Pera vergaß zu erwähnen, dass das italienische Königreich und dessen faschistischen Erben das arabische und islamische Libyen mit brutalem Terror überzogen hatten. Ein gern verdrängte Kampf der Kulturen (siehe: www.gfbv.it/2c-stampa/2005/051005de.html).

Löchriges Asyl [ top ]

Die Caritas (siehe: www.caritas.bz.it/ge/searchResult.asp), katholische Laienorganisationen und Menschenrechtsorganisationen (siehe: www.gfbv.it/2c-stampa/2005/050617de.html) kritisieren die Asyl-Politik der Berlusconi-Regierung (siehe auch: www.migration-info.de/migration_und_bevoelkerung/artikel/030704.htm). Mit dem umstrittenen Bossi-Fini-Gesetz und der entsprechenden Durchführungsbestimmung wurde die restriktive Flüchtlingspolitik noch verschärft. In Italien gestrandete Flüchtlinge können um Asyl ansuchen. Die Grenzpolizei überprüft die Anfragen. In Zweifelsfällen werden Flüchtlinge in "Identifikationszentren" eingewiesen und "kaserniert". Sie erhalten keine Aufenthaltsgenehmigung. Verlassen Flüchtlinge ohne Erlaubnis diese Zentren, wird der Asylantrag annulliert. Dies ist ein Verstoß gegen die EU-Grundrechtecharta, die Genfer Flüchtlingskonvention aber auch gegen die Freizügigkeit für Flüchtlinge. Die Internierung in diesen Identifikationszentren verletzt die Menschenwürde. Das US-Komitee für Flüchtlinge wie auch Amnesty international kritisierten diese Zentren als "Lagerhaltung".

Künftig übernehmen sieben Gebietskommissionen die bisherige Aufgabe der zentralen Asylkommission in Rom. Innerhalb eines Monats müssen die Asylverfahren abgewickelt werden. Dies kommt zwar der Bürokratie zugute, nicht aber Flüchtlingen, die meist vor Gewalt flüchten, Vertriebene sind oder Opfer von Kriegen. Die knapp bemessene Zeit reicht nicht aus, die Fluchtursachen zu recherchieren. Lehnt die Gebietskommission zweimal den Asylantrag ab, kann sich der Flüchtling mit einem Rekurs an ein Zivilgericht wenden. In der Zwischenzeit muß der Flüchtling aber Italien verlassen. Eine zynische Regelung. Wohin wird der Flüchtling ausgewiesen?

Von den mehr als 13.000 Flüchtlingen, die jährlich in Italien um Asyl ansuchen, dürfen 3000 auf italienischem Staatsgebiet bleiben. 2004 wurden laut Angaben der Zentralkommission 9019 Entscheidungen gefällt. Von diesen wurden nur 781 als Flüchtlinge im Sinne der Genfer Konvention anerkannt. 2350 Personen erhielten zwar nicht die Anerkennung, dennoch einen indirekten Schutz durch die Empfehlung an die zuständige Quästur, eine befristete Aufenthaltsgenehmigung aus humanitären Gründen auszustellen. Offensichtlich will die Regierung das Problem Kleinreden.

Diese Praxis prangerte die Gefangenenhilfsorganisation Amnesty International als menschenunwürdig an. Besonders die Rückweisung von Flüchtlingen auf hoher See widerspricht laut AI völkerrechtlichen Normen. Seit Amtsantritt der Mitte-Rechts-Regierung verschärfte sich die Lage der Asylbewerber. Die Lega Nord, Teil der Mitte-Rechts-Allianz, empfahl angesichts der immer wieder strandenden Flüchtlingsboote den Einsatz des Militärs. Die Boote, überfüllt mit Flüchtlingen, sollten laut Lega von der Marine versenkt werden (siehe "rapporto alternativo": www.december18.net/web/docpapers/doc2654.pdf, Seiten 27, 28 und 29).

RAI und Minderheiten - die Ausgesperrten [ top ]

Für die italienische Minderheitenpolitik braucht es mehr als Absichtserklärungen des Regionenministers Enrico La Loggia. Immerhin sprach sich aber La Loggia für die Verwendung der Minderheitensprachen bei Behörden und an den Schulen aus. Für den Regionenminister ist die Sprachenvielfalt ein Reichtum für Italien. Nicht alle scheinen davon überzeugt zu sein, beispielsweise das Telekommunikationsministerium und der öffentlich-rechtliche Rundfunk Rai. Völlig enttäuscht reagiert deshalb Confemili-Vorsitzender Domenico Morelli auf die Aussperrung der Sprachminderheiten vom öffentlich-rechtlichen Rundfunk. Morelli wirft Telekommunikationsminister Gasparri und der RAI-Führung vor, die Medienbestimmungen aus dem Minderheitenschutzgesetz ignoriert und boykottiert zu haben. Nur die deutschsprachigen Südtiroler und die Angehörigen der slowenischen Sprachgruppe in Friaul-Julisch-Venetien verfügen über ein akzeptables, weil fast vollständiges, Radioprogramm in ihren Sprachen. Die große Mehrheit der Sprachminderheiten ist von der RAI ausgesperrt. Trotz anderslautender gesetzlicher Regelung.

Eine Umfrage der Europäischen Akademie Bozen ergab, dass der Großteil der kleinen Sprachgruppen bereits mit einem Minimalangebot der RAI zufrieden wäre. Laut Eurac-Umfrage soll die RAI im Fernsehen wöchentlich knappe sieben Minuten in den jeweiligen Minderheitensprachen ausstrahlen, im Radio eine knappe halbe Stunde. Keine Forderungen, die als überzogen zurückgewiesen werden können. Die Studie war auf der Tagung "armonizzare Babele" der RAI-Journalistengewerkschaft Usigrai, des Confemili, der Europäischen Akademie und des Südtiroler Volksgruppen-Instituts im März 1999 in Bozen vorgestellt worden.

An der Aktualität hat sich nichts geändert. Im Schlussdokument wurde die damalige Mitte-Links-Regierung aufgefordert, "Maßnahmen zu ergreifen, damit alle Sprachminderheiten eine angemessene Präsenz im öffentlich-rechtlichen Rundfunk erhalten und zwar zur Sicherung des Rechts zu informieren und informiert zu werden". Die gesetzliche Grundlagen dafür sind gegeben, durch das Minderheitenschutzgesetzt (Nr. 482), durch die ratifizierte Rahmenkonvention zum Schutz nationaler Minderheiten des Europarates und durch den EU-Vertrag von Maastricht, der in den Artikeln 126 und 128 im sprachlichen und kulturellen Pluralismus eine Grundlage für das gemeinsame europäische Haus sieht.

Die Sprachminderheiten und die Rai, ein klarer Fall von Diskriminierung.

ARMONIZZARE BABELE
Für eine Minderheitenpolitik des öffentlich-rechtlichen Rundfunks in Italien
Tagung in Bozen, 18.-20. März 1999 [ top ]

Um die oben genannte Tagung angemessen vorbereiten zu können, wird Confemili in Zusammenarbeit mit der Europäischen Akademie Bozen ein Dokument mit Informationen über folgende Punkte ausarbeiten:

Der folgende Fragebogen wird allen Confemili-Mitgliedern und allen interessierten Personen, die einer Sprachminderheit angehören, zugeschickt. Die Antworten müssen sich natürlich auf die Sendungen in der Minderheitensprache beziehen.

INFORMATIONSKARTE

I. DIE AKTUELLE SITUATION

a) Minderheiten und RAI
1. Sendet die RAI Programme in der Sprache der Minderheit?
Programmi radiofonici RAI nella lingua della minoranza Programmi televisivi RAI nella lingua della minoranza

2. Wenn ja, wie oft:
Programmi radio Rai Programmi televisivi Rai

Wöchentliche Dauer (in Stunden) der Programme
Grafico della Durata settimanale delle trasmissioni in ore della RAI

b) Minderheiten und private Sender
1. Übertragen private Sender Programme in der Minderheitensprache?
Programmi radiofonici di stazioni private nella lingua della minoranza Programmi televisivi di stazioni private nella lingua della minoranza

2. Wenn ja, wie oft:
Quantità di programmi radiofonici di stazioni private nella lingua della minoranza Quantità di programmi televisivi di stazioni private nella lingua della minoranza

Wöchentliche Dauer (in Stunden) der Programme
Grafico della Durata settimanale delle trasmissioni in ore delle emittenti private

c) Andere Dienste
Empfangen Sie Sendungen - in einer Minderheitensprache - von Radio/TV-Sendern, die NICHT vom Territorium der selben Minderheit aus senden?
Ricezione di trasmissioni da stazioni NON ubicate nel territorio delle minoranze stesse: radio Ricezione di trasmissioni da stazioni NON ubicate nel territorio delle minoranze stesse: TV Ricezione di trasmissioni da stazioni NON ubicate nel territorio delle minoranze stesse: satellite

Wenn ja, verfügen diese Sendungen über ein breiteres Publikum (natürlich nur Schätzungen)
Grafico della ricezione da stazioni radio/TV NON ubicate nel territorio delle minoranze stesse

Wenn nein, braucht Ihre Gemeinschaft einen Verstärker, um TV/Radio-Programme in der eigenen Sprache empfangen zu können?
Bisogno o meno di ripetitori per ricevere dei programmi radio/TV prodotti nella propria lingua: in altre province Bisogno o meno di ripetitori per ricevere dei programmi radio/TV prodotti nella propria lingua: in altre regioni Bisogno o meno di ripetitori per ricevere dei programmi radio/TV prodotti nella propria lingua: all'estero

II. RADIO-TV UND DIE EUROPÄISCHE CHARTA

Die Charta der Regional- und Minderheitensprachen des Europarates sieht für den öffentlich-rechtlichen Rundfunkdienst verschiedene Schutzstandards der Minderheitensprache vor. Der bei Punkt 1 angeführte Standard würde einem maximalen Schutz entsprechen, der im konkreten Fall leider nicht immer durchführbar ist. Geben Sie deshalb die wirklichkeitsnächste Lösung an (nur eine).

Die Standard der Charta der Regional- und Minderheitensprachen des Europarates
Die verschiedenen Standard sind wie folgt definiert:

III. DIE FORDERUNGEN DER MINDERHEITEN

In Bezug auf Punkt II, geben Sie an:
1. Mindestens wie viel Zeit wöchentlich sollten die Programme in der Minderheitensprache dauern?
Mindestens Dauer der Programme in der Minderheitensprache

2. Wer sollte diese Sendungen erarbeiten?
Wer sollte diese Sendungen erarbeiten? Öffentlicher Dienst Wer sollte diese Sendungen erarbeiten? Privaten

Schlußdokument
"Armonizzare Babele" - Öffentlich-rechtlicher Rundfunk und Minderheiten

Anläßlich der Studientagung "Armonizzare Babele", veranstaltet von Confemili und Usigrai in Zusammenarbeit mit der Europäischen Akademie Bozen und dem Südtiroler Volksgruppeninstitut, verabschieden die Teilnehmer folgendes Schlußdokument:
ANGESICHTS der Bedeutung, die einer angemessenen Medienpräsenz für die verschiedenen europäischen Kulturgemeinschaften zukommt, auch im Lichte des Vertrages von Maastricht, der in den Artikeln 126 und 128 im sprachlichen und kulturellen Pluralismus eine Grundlage für das gemeinsame europäische Haus sieht;
HERVORGEHOBEN, daß die vom italienischen Parlament bereits ratifizierte Rahmen-konvention zum Schutz der nationalen Minderheiten geeignete Maßnahmen vorsieht, um den Minderheiten selbst den Zugang zu den Medien zu erleichtern;
FESTGESTELLT, daß bedauerlicherweise das Rahmengesetz für den Schutz der Sprachminderheiten und jenes für die slowenische Minderheit zur Zeit zwar im Parlament diskutiert wird, aber deren Genehmigung immer noch auf sich warten läßt, so daß die gegenwärtige Rechtsunsicherheit fortbesteht, wird der

DRINGENDE APPELL

an das MINISTERRATSPRÄSIDIUM und an die RAI gerichtet:
- Maßnahmen zu ergreifen, damit alle Sprachminderheiten Italiens eine angemessene Präsenz im öffentlich-rechtlichen Rundfunk erhalten und zwar zur Sicherung des Rechtes zu informieren und informiert zu werden;
- sich im Rahmen der jeweiligen Zuständigkeiten für die Erarbeitung eines technisch-redaktionellen Gesamtprojektes einzusehen, um die derzeitigen bruchstückhaften und unzulänglichen Ansätze zu überwinden, auch durch eine rasche Überarbeitung und Ergänzung der bestehenden Konventionen;
DAS PARLAMENT
- hingegen wird ersucht, ehestens die beiden erwähnten Gesetzentwürfe zu verabschieden uns auf diesem Wege den Minderheiten jenes Mindestmaß an Schutz zu sichern, wie es der Art. 6 der Verfassung vorsieht.
Die Vertreter der sprachlichen Minderheiten der Gemischten Gruppe des Abgeordnetenhauses werden ersucht, soweit als möglich einvernehmlich mit anderen parlamentarischen Gruppen weitere gesetzliche Maßnahmen zur Absicherung der sprachlichen Minderheiten zu erarbeiten, auch auf der Grundlage von entsprechenden Vereinbarungen zwischen Regierung und RAI.

Bozen, 20. März 1999

Ein Wolf im Schafspelz?
Alleanza Nazionale und ihr ungebrochenes Verhältnis zum faschistischen Erbe [ top ]

Von Günther Pallaver

Hat sich die neofaschistische Partei MSI mit der Umwandlung in Alleanza Nazionale nur ein neues Fell übergezogen, unter dem sich immer noch der rechte Wolf verbirgt? Oder muss man einräumen, dass die Partei von Gianfranco Fini einen echten Wandel vollzogen hat? Dieser Frage gehen sieben Autoren im Buch "La destra allo specchio" nach. Zweifelsohne, Alleanza Nazionale hat einen Wandel durchgemacht. Am augenfälligsten in ihrer Wirtschaftspolitik. Die allseitige Präsenz des Staates, vom MSI wie vom Faschismus zum Dogma erhoben, ist zu Gunsten einer liberalistischen Politik ersetzt worden, die der italienische Ministerpräsident Silvio Berlusconi diktiert. Und dennoch wird auch heute noch versucht, an einen korporativen Staat anzuknüpfen, wie ihn der Faschismus konzipiert hatte. Immerhin träumen noch 77 Prozent davon.

Im Gegensatz dazu ist der Wertekatalog von AN nicht weit entfernt von jenem unter Giorgio Almirantes MSI. Allerdings mit dem Unterschied, dass früher der Bezug zum Faschismus öffentlich war und zur Identität des MSI gehörte. Noch 1994 hatte Fini Mussolini als den größten Staatsmann des Jahrhunderts bezeichnet. Heute ist dieser faschistische Bezug sozusagen ins Private abgedrängt worden. Wie Roberto Chiarini schreibt, ist die faschistische Identität von AN nicht ausgelöscht, als vielmehr in die eigenen Reihen zurückgedrängt worden. Eine kritische Aufarbeitung der Vergangenheit hat es nicht gegeben, die Distanzierung vom Faschismus durch die Tür ist mit der Rückkehr durchs Fenster wieder ausgeglichen worden. Und was besonders alarmierend ist: Unter den jüngsten AN-Mitgliedern nimmt die Sympathie für Mussolini wieder rapide zu. Immerhin sind nach wie vor 64 Prozent der AN-Funktionäre der Meinung, dass der Faschismus auch heute noch das beste politische System wäre (3 %)oder zumindest ein gutes politisches System war (61 %).

Und in der Rangordnung der beliebtesten Autoren nimmt Giovanni Gentile, Unterrichtsminister unter dem Duce (88,6%), Platz eins vor seinem Meister Mussolini (76,2 %) und dem Naziverehrer Julius Evola (68,7%) ein. Der Wandel zur Regierungspartei an der Seite der liberal-nationalen Forza Italia hat Alleanza Nazionale aus der Ächtung hervortreten lassen, an der die neofaschistische Vorgängerpartei MSI noch zu leiden hatte. Hinter dem neuen Image sieht auch das österreichische Nachrichtenmagazin "Format" die alten Werte -bis hin zur offenen Mussolini-Huldigung. Seit Juni 2001, unmittelbar nach Berlusconis und Finis Wahlsieg, wird vor der Gruft Mussolinis in seinem Geburtsort Predappio wieder Ehrenwache gehalten. Dem Verein "Associazione Guardia d'onore" gehören auch Jugendliche von Alleanza Nazionale an. Die Sprüche, die Format am Grab Mussolinis auffangen konnte, gingen von der Mussolini-Verehrung bis zu Tiraden des "Kulturimperialismus der Linken".

Die ideologische Substanz von AN, bestätigt auch das Buch über "die Rechte im Spiegel", ist dieselbe geblieben, die Ziele wurden nur anders formuliert. An die Stelle des Kampfes gegen das demokratische System ist der Kampf gegen die Parteienherrschaft getreten. Bei der Reform des Staates forciert AN den starken Staatspräsidenten, um darunter den "ducismo" zu verstecken. An die Stelle von "Recht und Ordnung" ist heute "Freiheit und Ordnung" getreten, wobei die Freiheit, so Chiarini, meist nur an der Spitze der Partei hängen geblieben ist, während das postfaschistische Fußvolk mit der "Ordnung" mehr anzufangen weiß, die seit jeher dem genetischen Kodex der italienischen Rechten angehört. Auch der wohl anerkannteste Forscher zu MSI und AN, Piero Ignazi, ist überzeugt, "dass derzeit die ideologische Substanz nach wie vor dieselbe ist". Der kulturelle Unterbau, ergänzt Rinaldo Vignati, führt zu einer Politik des Nationalismus und Autoritarismus. Nicht von ungefähr ist auch die Partei durch eine ausgeprägte autoritäre Hierarchie gekennzeichnet.

Günther Pallaver (Südtiroler Wochenmagazin FF 37/2001); Roberto Chiarini - Marco Maraffi (Hg.): La destra allo specchio. La cultura politica di Alleanza nazionale (Marsilio Editori, Venezia 2001. 239 Seiten, 13 Euro).

Noch lange nicht am Ziel
Nach dem ersten Schritt hat AN-Chef Gianfranco Fini noch viel zu tun: Antisemitische Bodensätze in Alleanza Nazionale [ top ]

Von Günther Pallaver

Zehn Jahre lang hatte sich Gianfranco Fini um eine politische Reise nach Israel bemüht, nachdem er 1995 Alleanza Nazionale gegründet hatte und nach Auschwitz gefahren war, um sich auf dem Weg zur Regierungspartei von der faschistischen Tradition schrittweise zu entfernen. Als er dann am 24. November 2003 das Holocoust-Museum Yad Vashem besuchte, erklärte er wörtlich: "Die Rassengesetze waren eine vom Faschismus gewollte Schande" (..) Es gibt keine Rechtfertigung für die Peiniger von gestern, nicht nur für jene, die getötet haben, sondern auch für jene, die einen unschuldigen Menschen hätten retten können und es nicht getan haben." In seine Kritik der Rassengesetze bezog Fini erstmals explizit den Faschismus und die blutige Politik der Repubblica di Salò mit ein, wie der Präsident der jüdischen Gemeinschaft Italiens, Amos Luzzatto, anerkennend vermerkte.

Eine ähnlich lautende Verurteilung von Rassismus und Antisemitismus hatte die Partei Finis erstmals beim Parteitag von Fiuggi (1995) vorgenommen, als sich der Movimento Sociale Italiano (MSI) mit der Umwandlung in Alleanza Nazionale auch ein neues Parteiprogramm gab. Fast einstimmig wurde folgende Grundsatzerklärung zu den Rassengesetzen von 1938 verabschiedet: "Als Menschen und Italiener werden wir immer die unmenschliche Schande der Rassengesetze wie ein brennendes Feuer in unserem Gewissen verspüren". Zum Antisemitismus insgesamt drückte AN ihre "ausdrückliche, endgültige und berufungsunfähige Verurteilung" jeder Form von Antisemitismus und Antijudaismus aus. Dasselbe gilt laut AN für den Rassismus, der als Form des Totalitarismus verurteilt wird.

Bis zu diesem Zeitpunkt hatte der MSI die Rassengesetze entweder bagatellisiert oder darauf verwiesen, dass Mussolini dem Druck Hitlerdeutschlands habe nachgeben müssen, der Faschismus in der Praxis die Rassengesetze aber so gut wie nicht angewandt habe. An dieser Lebenslüge hielt auch das demokratische Nachkriegsitalien fest. Obgleich es deutliche Unterschiede in der "Judenpolitik" zwischen NS-Deutschland und dem faschistischem Italien gab, waren die Rassengesetze in Italien nicht toter Buchstabe geblieben. Schon vor Verabschiedung der Gesetze erschien die faschistisch-antisemitische Zeitschrift "La difesa della Razza" (Die Verteidigung der Rasse). Redaktionssekretär war Giorgio Almirante, der nach 1945 den MSI gründete und später zum unumstrittenen Leader des italienischen Neofaschismus aufstieg.

Das Gesetz selbst erinnert stark an die Nürnberger Rassengesetze. Den jüdischen Bürgern wurde das Leben unter den Füßen weggezogen: Aberkennung der italienischen Staatsbürgerschaft, Ausschluss aus den Schulen, den Berufskammern, öffentlichen Ämtern, Verbot von "Mischehen", Streichung aus dem Telefonverzeichnis, Verbot der Anstellung in "arischen Häusern", bis hin zur Untersagung von Aufenthalten an Meeres- und Ferienorten, um nur die wichtigsten Maßnahmen zu erwähnen. Kurz bevor Mussolini am 25. Juli 1943 verhaftet wurde, hatte er noch seine Minister beauftragt, Konzentrationslager für Juden zu errichten. Dank der Vorarbeiten des Faschismus, der eigene Listen jüdischer BürgerInnen angelegt hatte, konnte die SS ab 1943 in Zusammenarbeit mit der Repubblica di Salò Tausende von Juden in die Konzentrations- und Vernichtungslager verschleppen.

Fini hatte in Israel Rassengesetz und Salò eindeutig verurteilt, aber auch in die Zukunft geblickt, wenn er meinte: "Rassismus und Antisemitismus liegen nicht hinter uns, sie gehören nicht einer abgeschlossenen historischen Epoche an, sondern existieren in unterschiedlichen und versteckten Formen." Vielleicht wollte Fini mit dieser Feststellung auf die Umfrageergebnisse des "Eurobarometers" Bezug nehmen, nach denen für mehr als die Hälfte der UnionsbürgerInnen Israel eine "Gefahr für den Frieden" darstellt. Aber genauso gut könnte man Fini einen Hinwies auf den Antisemitismus in Italien und insbesondere in seiner Partei unterstellen.

Aus einer vom Corriere della Sera am 10. November 2003 veröffentlichten Umfrage geht hervor, dass 22% der Italiener der Meinung sind, Juden seien nicht echte Italiener und sollten Italien verlassen (8%). 11% (doppelt so viele mit Grundschulabschluß) haben zu Juden kein Vertrauen, 20% behaupten, die jüdische Religion sei intolerant, 39% sind überzeugt, Juden hätten ein besonderes Verhältnis zum Geld, 38% finden es an der Zeit, dass die Juden endlich aufhören sollten, sich als Opfer des Holocoust und der Verfolgung aufzuspielen. 51% sind der Meinung, dass Juden im Vergleich zu den Italienern eine andere Mentalität und andere Lebensformen hätten (im April 2002 waren es noch 43% gewesen). Die Verurteilung von Faschismus und Rassismus durch Parteichef Fini hat die Basis von AN mit zwiespältigen Gefühlen aufgenommen. Trotz ähnlicher, wenn auch nicht so eindeutiger Aussagen hatten die meisten Anhänger Finis das Programm von Fiuggi noch eher als strategische Variante für die Regierungsfähigkeit bebrachtet: Am Vormittag verurteilten die Parteitagsdelegierten Faschismus und Antisemitismus, am Nachmittag fuhren sie nach Predappio zur Huldigung Mussolinis.

Diese Doppelbödigkeit drückt sich auch in der Einstellung zu neofaschistischen Ideologen aus. In einer 2001 veröffentlichten Umfrage unter Parteitagsdelegierten wurde eine Rangordnung von Autoren erstellt, die nach Meinung der Befragten für die Sozialisation der Jugendlichen besonders wichtig sind. Nach dem faschistischen Unterrichtsminister und Philosophen Giovanni Gentile (90%) und Benito Mussolini (82%) finden wir Julius Evola (70%). Dieser propagierte eine aristokratische, militärisch aufgebaute Gesellschaft und war als Bewunderer des Nationalsozialismus Theoretiker der Rassenideologie. Seine Bücher wie "Indirizzi per una educazione razziale" (Anweisungen für eine rassische Erziehung), "Il mito del sangue" (Der Mythos des Blutes) oder "Sintesi di dottrina della razza" (Kleine Rassenlehre) sind in den letzten Jahren immer wieder neu aufgelegt worden.

Den antisemitischen Bodensatz unter den Anhängern von Finis Parteigängern belegten in der ersten Hälfte der 90er Jahre eine Reihe von Umfragen. Aber auch in Ermangelung von gezielten Untersuchungen zu diesem Thema kommen die Widersprüchlichkeiten zwischen Finis Verurteilung des Antisemitismus in Israel und den Vorbehalten eines Teils seiner Anhänger in Italien immer wieder an die politische Oberfläche, wie dies wahllos herausgefischte Beispielen belegen. In der toskanischen Stadt Lucca hat sich der gesamte Mitte-Rechts-Block bei einem Beschlussantrag über den Holocaust der Stimme enthalten, nur weil darin vom "faschistischen Regime" die Rede war. In der Stadt Latina wollen die Vertreter von Alleanza Nazionale den Gemeinderatssaal nach Benito Mussolini benennen. In Mailand wurde Fini wegen seiner Israelpolitik von jungen Gefolgsleuten mit den Worten empfangen: "Unser Traum ist es, eines morgens aufzuwachen und zu sehen, dass aus Israel Palästina geworden ist".

Wenn Fini die Verurteilung von Rassismus und Antisemitismus nicht nur als notwendigen Obulus betrachtet, den er zu bezahlen hat, um in die Familie der cristdemokratischen Parteien aufgenommen zu werden, wird es mit der Fahrt nach Israel allein nicht getan sein. Wenn er alles ernst nimmt, was er gesagt hat, so beginnt erst jetzt die tägliche Knochenarbeit in seiner eigenen Partei. Und wenn Fini es wirklich erst nimmt mit dem, was er in Yad Vashem gesagt hat, dann hätte er als derzeit stellvertretender Regierungschef Italiens die moralische Pflicht, dass nach fast 50 Jahren das Terracini-Gesetz aus dem Jahre 1955 endlich angewandt wird. Dieses sieht die Auszahlung von monatlich 350 Euro für die Opfer politischer und rassischer Verfolgung vor. Eine Reihe von abstrusen bürokratischen Hürden, die in erster Linie von den Beamten des Finanz- und Schatzministeriums erfunden wurden, hat bislang fast immer verhindert, dass die entsprechenden Anträge angenommen wurden.

Die Bürokratie behauptet nämlich, dass das Rassengesetz von 1938 allein keine spezifische Diskriminierung darstellt und es deshalb seitens der AntragstellerInnen ergänzender Beweise für erlittenes Unrechts bedarf. Die zweite bürokratische Hürde betrifft den Wirkungszeitraum. Das Gesetz setzt den Anspruchsbeginn mit dem Jahr 1922 für die politisch und das Jahr 1938 für die rassisch Verfolgten an, das Ende mit "dem Fall des Faschismus". Der "Fall des Faschismus" wurde absurderweise mit dem Fall Mussolinis am 25. Juli 1943 angesetzt, wodurch die Repubblica di Salò ausgespart blieb, also genau jene Zeit, in der die schrecklichsten Gräueltaten begangen wurden. Es bedurfte des Urteils des Verfassungsgerichtshofes und des Rechungshofes (2003), um diese absurden Hürden zu beseitigen. Dem zum Trotze hat das Präsidium des Ministerrats im Dezember 2002 eine Studienkommission zur "Festlegung von Maßnahmen zur Beschleunigung der bürokratischen Abwicklung" eingesetzt, die nach wie vor tagt. Die Bürokratie wiederum verlangt in der Zwischenzeit nach wie vor unmögliche Dokumente und blockiert jedes Verfahren mit dem Hinweis, auf das Ergebnis der Studienkommission zu warten.

Seit Einführung der Rassengesetze im November 1938 sind jetzt 65 Jahre vergangen. Wenn noch ein bisschen zugewartet wird, werden auch die wenigen, die heute noch leben und einen Anspruch auf diese kleine Entschädigung haben, gestorben sein. Die Worte Finis in Israel waren ein wichtiger symbolischer Schritt, die konkreten Schritte in Italien stehen noch aus.

Günther Pallaver, Journalist und Univ.-Prof am Institut für Politikwissenschaft der Universität Innsbruck.

Wolfgang Mayr


Siehe auch:
* www.gfbv.it: www.gfbv.it/2c-stampa/2006/060316de.html | www.gfbv.it/3dossier/rai3-99/rai-a.html | www.gfbv.it/3dossier/errc-dt.html | www.gfbv.it/3dossier/eu-min/autonom.html | www.gfbv.it/3dossier/vielfalt-dt.html | www.gfbv.it/3dossier/3indice.html#eu-min

* www: www.eurac.edu/Press/Academia/19/Art_14.asp | www.ingentaconnect.com/content/uwp/mmf/2001/00000005/00000001/art00008 | www.arbitalia.it/stampa/klubi_gazetarvet_arbereshe/2005/gennaio05.htm | www.occitania.it/ousitanio/old/00_01_t1.htm | www.affariregionali.it/Ministro/Discorsi/SchedaDiscorso.aspx?start=20&numero=60 | www.provincia.udine.it/p2k/Home/Ente/Uffici/Istituzionale/Promozione%20delle%20idenit_/Lingua%20Friulana%20e%20altre%20Lingue%20Minoritarie/Approfondimenti/_p2k.asp?9190 | www.dom.it/index.php | web.uniud.it/cip/e_min_reg_legge482.htm | www.eurominority.org/version/eng/ | www.ugei.it/portale/component/option,com_frontpage/Itemid,1/ | www.eurac.edu/Press/Academia/16/Artikel3.asp | www.cestim.it/09razzismo.htm#uebit | www.centrodirittiumani.unipd.it/a_bollettino/2324/10.asp?menu=bollettino | www.december18.net/web/docpapers/doc2654.pdf | www.occitania.it/ousitanio/old/00_02_t1.htm | www.stranieri.it | www.stranieriinitalia.com | www.caritasroma.it/immigrazione | www.liberonweb.com/asp/libro.asp?ISBN=8831777122 | www.coe.int/t/e/human_rights/minorities/2._framework_convention_(monitoring)/2._monitoring_mechanism/3._state_reports_and_unmik_kosovo_report/2._second_cycle/2_SR_Italy_ang.asp

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