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Internationaler Solidaritätstag mit Kobani (1. November)

Die syrisch-kurdische Stadt Kobani ist noch immer in Gefahr - schwere Vorwürfe gegen die Türkei

Bozen, Göttingen, 30. Oktober 2015

Eine Kundgebung der kurdischen Gemeinschaft Südtirols in Bozen für Kobane, 1. November 2014. Foto: Mauro di Vieste. Eine Kundgebung der kurdischen Gemeinschaft Südtirols in Bozen für Kobane, 1. November 2014. Foto: Mauro di Vieste.

Die Bewohner der syrisch-kurdischen Stadt Kobani schweben ein Jahr nach den opferreichen Kämpfen mit dem "Islamischen Staat" und der anschließenden Vertreibung der Terrormilizen noch immer in großer Gefahr. Anlässlich des internationalen Solidaritätstages mit Kobani (1.11.) erhob die Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV) am Freitag schwere Vorwürfe gegen die Türkei, die inzwischen Stellungen der kurdischen Verteidiger jenseits der Grenze beschießen lässt. "Vor einem Jahr hat Ankara die Radikalislamisten unterstützt oder zumindest geduldet, jetzt lässt die türkische Regierung Kobani von ihrer eigenen Armee beschießen, um die Kurden zu schwächen und selbst die Kontrolle über ihre Siedlungsgebiete zu übernehmen", kritisierte die Menschenrechtsorganisation. Außerdem setzt die Türkei die rund 150.000 Zivilisten, die inzwischen nach Kobani zurückgekehrt sind, enormem Leid aus, denn sie blockiert Hilfslieferungen wie dringend benötigte Nahrungsmittel, Medikamente und Trinkwasser.

Der IS wurde zwar aus Kobani vertrieben, würde jedoch jederzeit wieder gegen die Stadt vorrücken, sollte der entschiedene kurdische Widerstand erlahmen. 1.000 bis 1.500 kurdische Kämpfer und etwa 500 Zivilisten haben in der Schlacht um Kobani ihr Leben verloren, rund 5.000 wurden verletzt und in Notkrankenhäusern oder in den kurdischen Gemeinden der angrenzenden Türkei versorgt. "Doch immer wieder haben türkische Behörden Kurden die Behandlung in der Türkei verweigert. Nicht selten mussten Verwundete tagelang am Grenzübergang warten", kritisierte die GfbV. Die rund 400.000 Einwohner der Stadt und des Kreises Kobani waren während der Kämpfe fast ausnahmslos geflohen. Aus Flüchtlingslagern oder Privatquartieren in der mehrheitlich kurdischen Südosttürkei kehren wöchentlich etwa 1.000 Menschen trotz katastrophaler Verhältnisse nach Kobani zurück. Viele sind jedoch auch weiter nach Europa geflüchtet, denn die Stadt ist zu 80 Prozent zerstört, berichten Gewährsleute der GfbV vor Ort. Dort gibt es nur zwei notdürftig eingerichtete Krankenhäuser, ein ziviles und ein militärisches. Der Grenzübergang von der Türkei nach Kobani wird nur etwa zweimal pro Woche und nur für Rückkehrer geöffnet.

Der internationale Solidaritätstag mit Kobani wurde erstmals am 1. November 2014 begangen. Exil-Kurden und ihre Freunde in Europa, Amerika, Asien, Afrika und Australien hatten mit Unterstützung der GfbV und anderer Organisationen dazu aufgerufen, den Bürgerinnen und Bürgern von Kobani symbolisch beizustehen. Die Terrormilizen des IS hatten bereits Ende 2013 versucht, die nordsyrische Stadt einzunehmen, waren aber an den kurdischen Volksverteidigungseinheiten (YPG) gescheitert. Mitte September 2014 startete der IS eine Großoffensive, am 28. September wurde Stadtgebiet unmittelbar angegriffen. Nach monatelangen heftigen und blutigen Häuserkämpfen erhielten die Kurden Luftunterstützung und Waffen durch die USA. Die türkische Regierung verweigerte den Eingekesselten bis Anfang November jegliche Hilfe. Schließlich erlaubte Ankara unter dem Druck der internationalen Öffentlichkeit 150 kurdischen Peschmerga-Kämpfern aus Irakisch-Kurdistan, nach Kobani zu kommen, um die Verteidiger mit schweren Waffen zu unterstützen.