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Völkermord in Tschetschenien

Eine Dokumentation der Gesellschaft für bedrohte Völker

INHALTÜBERSICHT
TEIL 1 - Menschenrechtler und internationale Persönlichkeiten bilanzieren zum Krieg in Tschetschenien | Chronik des Krieges in Tschetschenien

TEIL 2 - Flucht und Vertreibung: Situation der internen und externen Flüchtlinge | a) Zahlen | b) Humanitäre Situation der Flüchtlinge, Vertriebenen und Zivilisten in Tschetschenien | c) Hinweise auf vertreibungsbedingte Todesfälle

TEIL 3 - Systematische Zerstörungen | Die Zerstörung der tschetschenischen Hauptstadt Grosny | Bombardierungen zivilier Ziele | a) Städte und Dörfer | b) Industrieanlagen

TEIL 4 - Angriffe auf Flüchtlingstrecks und medizinische Konvois | Massaker und Erschießungen | a. Erschießungen von Zivilsten | b) Massaker | 1. Das Massaker von Alkhan-Jurt | 2. Staropromyslowski | 3. Aldi | 4. Katyr-Jurt | Inhaftierungen und Filtrationslager | a) Inhaftierungen | b) Filtrationslager: Demütigung, Folter und Tod | c) Kriegsgefangene | Folterungen und Misshandlungen | a) Vergewaltigungen | Massengräber | Schicksale und Verluste russischer Soldaten

TEIL 5 - Beschneidung der Pressefreiheit, Informationsblockade | a ) Reise des BND Chefs Hanning nach Tschetschenien | Kommentare und Bilanzen | a) Benennen, Summieren und Definieren von Völkermord | b) Kommentare zur westlichen Politik | c) Russische Politiker und Militärs rechtfertigen den Völkermord| d) Kritische Stimmen aus Russland und Tschetschenien | e) Erklärungen internationaler Persönlichkeiten und Organisationen


Beschneidung der Pressefreiheit, Informationsblockade:
Aussperrungen von Journalisten, Menschenrechtlern, Hilfswerken, Repräsentanten internationaler Organisationenoben

November
1.11.1999 Obwohl die Grenze zwischen Inguschetien und Tschetschenien offiziell wieder geöffnet ist, bleibt die Zugangserlaubnis nach Inguschetien eine Frage von Willkür. Die russischen Behörden erlauben weder der internationalen Presse noch unabhängigen Beobachtern, nach Tschetschenien einzureisen, da es zu unsicher sei.
Amnesty International, News Release, EUR 46/39/99, 17.11.1999

Grozny. Fonte: Chechen Republic Online© Anfang November 1999 Abgesehen vom üblichen Akkreditierungsprozedere beim Außenministerium müssen Journalisten nun auch noch eine zusätzliche Akkreditierung erlangen, um die Kriegsgebiete zu besuchen. Seit der Fortsetzung des Krieges haben Journalisten nur limitierten Zugang zu den Kriegsgebieten sowie zu konfiszierten Berichten und zu Ausrüstung. Die Berichterstattung in den russischen Medien über die Geschehnisse in Tschetschenien war begrenzt und unregelmäßig. Es scheint, als hätten Journalisten und Herausgeber Selbstzensur geübt und Themen vermieden, die unangenehm für die Regierung sind.
1999 Country Reports on Human Rights Practices. Bureau of Democracy, Human Rights, and Labor.
U.S. Department of State, February 25, 2000. ( http://www.state.gov/www/global/human_rights/1999_hrp_report/russia.html)

Mitte November 1999 An der inguschetischen Grenze besucht ein OSZE-Inspektionstrupp Flüchtlingslager. Weiter - ins eigentliche Kampfgebiet - ließen die russischen Befehlshaber die Kommission nicht vor.
Jörg R. Mettke in Der Spiegel, 15.11.1999

4.11.1999 Der entscheidende Schritt von der Informationsverhinderung zum Versuch der Informationssteuerung war die Gründung des Moskauer Pressezentrums durch Regierung und Generalstab im September. Chef dieses Rosinformzentrums wurde Michail Margelow, ehedem zweiter Mann in der größten russischen Werbefernsehagentur "Video-International", die vor einem Jahr unter mysteriösen Umständen knapp der Pleite entkam. Jetzt organisiert Margelow im Auftrag des Kremls tägliche Pressebriefings mit Generälen und Kaukasus-Experten.
Berlin Online, 4.11.1999

5. 11.1999 Russland verweigert internationalen Hilfswerken den Zugang zu den Nachbarprovinzen Tschetscheniens.
Washington Post in Refugees Daily, 5.11.1999

11.11.1999 Journalisten sind an der Grenze zu Tschetschenien von einem russischen Offizier mit Maschinengewehr davon abgehalten worden, mit Flüchtlingen zu sprechen.
AP in Refugees Daily, 11.11.1999

11.11.1999 In Moskau erklärt der Sprecher der OSZE-Delegation, entgegen der ursprünglichen Abmachungen verweigere Russland der OSZE-Gruppe einen Besuch in den von russischen Truppen eroberten Teilen Tschetscheniens: "Die russische Seite hat beschlossen, unseren Besuch in Tschetschenien nicht zu ermöglichen."
dpa/AP-Bericht in Süddeutsche Zeitung, 12.11.1999

18.11.1999 Am 17. November veröffentlichte das russische Außenministerium eine Stellungnahme, in der es der UN-Hochkommissarin für Flüchtlinge, Mary Robinson, vorwarf, die Situation in Tschetschenien misszuverstehen. Ihr wurde keine Erlaubnis erteilt, das tschetschenische Kriegsgebiet zu besuchen.
Newsline, 18.11.1999

25.11.1999 Der BBC-Korrespondent für Tschetschenien, Ben Brown, stellt sich den Fragen seiner Leser. Auf die Frage, ob er Zensur oder die Behinderung seiner Arbeit erfahren hätte, antwortet Brown:
"Dieses Mal (im Vergleich zum ersten Tschetschenienkrieg) werden wir rausgehalten, damit die Regierung die eigene Propaganda verbreiten kann. Die Russen glauben, sie können mehr gewinnen als verlieren, wenn sie die Presse raushalten. Sie wollen nicht, dass die Reporter sehen, wie ihre Flugzeuge und Artillerie Zivilisten beschießen."
BBC, 25.11.1999

26.11.1999 Sergej Kowaljow, Duma-Abgeordneter und früherer Menschenrechtsbeauftragter der russischen Regierung: "Wie heißt es so schön: Der moderne Krieg ist zuerst ein Informationskrieg. Den gilt es zu gewinnen. Wie? Ganz einfach: Es wird nur eine Informationsquelle zugelassen, alles ist gut abgeschirmt gegen unabhängige Beobachter. Und die, die sich zu Wort melden, dürfen das nur unter der Aufsicht derer tun, die diese Informationen dann verbreiten.
taz, die tageszeitung, 26.11.1999

29.11.1999 Das wichtigste Element der neuen Strategie im Tschetschenienkrieg ist, keine Zeugen zuzulassen. Während des letzten Krieges spielten die Medien eine Schlüsselrolle dabei, Menschen gegen den Krieg aufzubringen. In Moskau ist man entschlossen, dies nicht noch einmal geschehen zu lassen. Befehlshaber des Militärs haben westliche Journalisten öffentlich beschuldigt, Tschetschenen geholfen zu haben, und haben ihren Zugang in die Region praktisch auf null herunter geschraubt. Die russische Presse ist beinahe vollständig mundtot gemacht worden.
TIME Europe, 29.11.1999 - http://www.time.com/time/europe/magazine/1999/1129/chechnya1129.html

29.11.1999 Sergej Kowaljow schreibt in der Zeitschrift Central European Economic Review, während der zweite Tschetschenienkrieg andauere, wird die in Russland übrig gebliebene Freiheit verschwinden. Schon jetzt seien solche Tendenzen zu beobachten. Zeitungen, Zeitschriften, Radio und Fernsehen verbiegen sich, um ihre Loyalität mit der Regierung unter Beweis zu stellen, sie wiederholten die offiziellen Lügen zum Krieg in Tschetschenien. Einige Behörden haben davor gewarnt, Unterschriftenlisten mit der Aufforderung zum Ende des Krieges zirkulieren zu lassen. Menschenrechtsaktivisten werden als CIA-Spione beschimpft.
Sergej Kowaljow: Why West Should Worry Chechnya paves way for authoritarianism, in Central European Economic Review, in www.hro.org/war/50.htm, 29.11.1999

Dezember
Dezember 1999 Weder Journalisten noch unabhängigen Beobachtern wird von den russischen Grenzposten offiziell erlaubt, den einzigen offenen Grenzübergang zwischen Tschetschenien und Inguschetien zu passieren. Die russischen Behörden geben an, dies sei zu ihrem eigenen Schutz. Tschetschenen, die an der Grenze von Amnesty International interviewt wurden, behaupten, dass die russischen Kräfte Videokameras oder Fotoapparate konfiszieren, die sie bei den Durchsuchungen der nach Tschetschenien einreisenden Personen finden. Ausländische Journalisten in Inguschetien berichteten Amnesty International, alle ihre Aktivitäten würden von den russischen Behörden überwacht. Manchen von ihnen wäre sogar mit dem Entzug ihrer Presse-Akkreditierung gedroht worden, falls sie versuchen sollten, die Grenze nach Tschetschenien auf eigene Faust zu überqueren. Einigen ausländischen Journalisten, die von Angehörigen des russischen Militärs begleitet wurden, wurde erlaubt, russische Truppen zu interviewen, die auf russisch kontrolliertem Territorium stationiert waren. Sie berichteten jedoch, dass sie auf diesen Reisen nicht nach Grosny oder in die Nähe einer Konfliktzone gebracht wurden. Andere Repräsentanten der ausländischen Presse sind unabhängig nach Tschetschenien eingereist, indem sie entweder kleine Straßen durch die gemeinsame Grenze mit Inguschetien nahmen (von denen viele von russischen Kräften vermint wurden) oder von Georgien nach Tschetschenien einreisten.
Amnesty International. Russian Federation: Chechnya. For the Motherland. Reported grave breaches of international humanitarian law. Persecution of ethnic Chechens in Moscow. December 1999.

2.12.1999 Der russische Außenminister Iwanow reagiert scharf auf eine Vorschlag des OSZE-Vorsitzenden Vollebaek zu einem Besuch in Tschetschenien: "Die russische Führung bestimmt selbst, wann der OSZE-Vorsitzende den Nordkaukasus besuchen kann."
dpa/afp-Meldung in Neue Zürcher Zeitung, 3.12.1999

12.12.1999 Wie BBC berichtete, wurde die Website der staatlichen russischen Nachrichtenagentur Itar-Tass von Unbekannten geknackt, die damit gegen den Angriff der russischen Armee auf Tschetschenien protestieren wollen. Die russische Nachrichtenagentur bezeichnete die Hacker als 'Computerterroristen', deren Identität nicht bekannt sei. Auch der Krieg in Tschetschenien wird angeblich gegen 'Terroristen' geführt.
BBC, 12.12.1999

27.12.1999 Russischen Fernsehsendern wurde schlicht untersagt, die Kampfhandlungen an der Front zu filmen, der Privatsender NTW brachte tagelang Aufnahmen westlicher Kamerateams, da die eigenen nicht in das Kampfgebiet gelassen wurden.
Markus Wehner in Frankfurter Allgemeine Zeitung, 28.12.1999

29.12.1999 Sechs spanische, britische und amerikanische Journalisten sowie ein Georgier wurden in der tschetschenischen Hauptstadt festgenommen, aus der Republik geschafft und dem Inlandsgeheimdienst in Moskau übergeben. Nach stundenlangen Verhören kamen sie einen Tag später wieder frei. Sie hätten keine Sonderakkreditierung für das Krisengebiet gehabt, teilte das Militär mit.
Ihre Namen sind: Marcus Warren/ Daily Telegraph; Rodrigo Fernandez/ El Pais; David Filipov/ Boston Globe; Daniel Williams/ The Washington Post; Ricardo Ortega und Teimuraz Gabashvili/ Antenna 3, Spanish Television Network
International Herald Tribune, 30.12.1999, Neue Zürcher Zeitung und dpa/AFP-Bericht in Süddeutsche Zeitung, 31.12.1999

31.12.1999 Die russische Bevölkerung kann sich heute ein besseres Bild von der Kriegsrealität machen als noch vor drei Wochen. Dies gilt jedoch nur für das Sendegebiet von regierungsunabhängigen Fernseh- und Radiostationen oder die Verteilungsregion kritischer Zeitungen. Doch auch dort werden gesteuerte Informationen verbreitet: Sie stammen aus der Küche des Machtclans um Moskaus Bürgermeister Luschkow und Ex-Ministerpräsident Primakow. Vorher wagten sie es aus Angst vor Stimmenverlusten nicht, offen gegen die Kriegspolitik der Regierung zu protestieren. Häppchenweise sendet die Fernsehstation TW-Zentr (von Luschkow jetzt unterstützt) von der ihm nahestehenden privaten Mediengruppe Media-Most Gegeninformationen aus. So liest man heute sachliche Berichte über die russische Mord- und Plünder-Orgie im Dorf Alkhan-Jurt, der bis zu 40 Personen zum Opfer fielen, sieht verzweifelte russische Mütter, die die Särge ihrer gefallenen Söhne in Empfang nehmen, und Bilder ausgebombter Wohnungen. Die Zeitung "Segodnja" ließ den Bürgerrechtler Sergej Grigorjanz mit einer bitterbösen Abrechnung mit dem Kreml zu Wort kommen.
Neue Zürcher Zeitung, 31.12.1999

Januar

Gruppi etnolinguistici del Caucaso 6.1.2000 Moskau hat entlang der ganzen Front in Tschetschenien eine Informationsblockade errichtet, die das eigene Land und die Welt von dem Krieg im Nordkaukasus abschneidet. Selbst Itar-Tass, seit Wochen Sprachrohr der staatlichen Propaganda, könne nicht mehr mitteilen als das, was die Militärs verkündet hätten. Die meisten russischen Journalisten in Tschetschenien werden gar nicht an die Front gelassen und wenn, dann nur in einem Militärfahrzeug unter Begleitung mehrerer Soldaten. Der Hauptnachrichtensprecher des russischen Privat-Fernsehsenders NTW, Jewgenij Kisseljow, würde es niemals wagen, seine wahre Meinung über den Krieg in Tschetschenien vor der Kamera zu sagen. Sein Unternehmen hat finanzielle Schwierigkeiten und der Kreml hat die Macht, es zu zerschlagen.
Für westliche Journalisten organisiert das russische Informationszentrum kontrollierte Stippvisiten in die sogenannten befreiten Gebiete Tschetscheniens. Wer sich unabhängig macht, hat zahlreiche Schikanen zu erwarten. Videobänder werden beschlagnahmt, jedes bedruckte Stück Papier wird von Militärs genau untersucht.
Diejenigen russischen Journalisten, die heute auf tschetschenischer Seite und direkt aus Grosny berichten, arbeiten fast ausnahmslos für westliche Fernseh- und Radiostationen und müssen mit erheblichem Druck aus Moskau rechnen. So wurde Andrej Babizkij, Reporter des amerikanischen "Radio Liberty" als Erfüllungsgehilfe der "Banditen und Terroristen" dargestellt. Die russische Reporterin der Agentur Reuters, Maria Ejsmont, die aus Grosny berichtete, wurde auf dem Moskauer Flughafen Wnukowo stundenlang vom Geheimdienst verhört. Unter anderem wurde ihr vorgeworfen, drogenabhängig zu sein. Im Gepäck ihrer tschetschenischen Begleiterin wurden drei Patronen entdeckt, die offensichtlich erst bei der Ankunft in Moskau dort hinein geschoben worden waren.
Kritik am Tschetschenien-Krieg aus dem Ausland fällt der Zensur zum Opfer. Im Fernsehen wird häufig nur der für Propaganda zuständige General Manilow gezeigt.
Westliche Medien können es kaum noch riskieren, ihre Reporter dem hohen Risiko für Leben und Freiheit auszusetzen, die russischen Medien sind weitgehend auf Kurs gebracht.
Markus Wehner in Frankfurter Allgemeine Zeitung, 7.1.2000

10.1.2000 Wladimir Putin hat erklärt, Moskau werde akzeptieren, dass internationale Hilfsorganisationen in Tschetschenien arbeiten könnten. Bisher konnten nur Flüchtlinge in Nachbarrepubliken versorgt werden.
ap-Bericht in Frankfurter Rundschau und Frankfurter Allgemeine Zeitung, 10.1.2000

12.1.2000 Tschetschenien ist ein Ort, an dem Journalisten umgebracht - bisher 18 Personen - oder festgenommen werden - allein neun Personen innerhalb der letzten Woche.
ABCNEWS, 12.1.2000

13.1.2000 Der Vorsitzende des 'Glasnost Schutz Fund', Alexej Simonov, sagte, es existiere eine komplette Informationsblockade, was den Tschetschenienkrieg anbelangt.
Radio Liberty, 13.1.2000

14.1.2000 Auf einer Pressekonferenz im russischen Informationszentrum teilte Sergej Iwanow, Staatssekretär im russischen Sicherheitsministerium mit, die höchste Regierungsebene werde sich in Kürze mit der 'Informationssicherheit' befassen. Pressefreiheit sei ein neues Phänomen in Russland und alleine der Ausdruck 'Informationssicherheit' zeige, wohin sich die Regierung entwickle, so der Kommentator Geory Harrisov,
Express Chronicle, 15.1.2000

17.1.2000 Jeff York vom Toronto Globe wurde in Wladikawkas, Nordossetien von russischen Einheiten festgenommen. York hatte versucht, die ständige Überwachung durch russische Behörden, insbesondere den FSB abzuschütteln. Während des Verhörs wurde klar, dass York niemanden über Tschetschenien befragen dürfte.
www.hro.org/war/117.htm, 18.1.2000

19.1.2000 Der Nordkaukasus-Korrespondent des Senders "Radio Liberty" Oleg Kusow berichtet über die massive Behinderung der journalistischen Arbeit seitens der russischen Militärbehörden: "Die Zensur seitens der russischen Streitkräfte hat sich massiv verhärtet. Ich hatte den Versuch unternommen, meine Arbeit in diesem Krieg, aus Richtung Mozdok kommend, aufzunehmen und stieß auf unwahrscheinliche Hindernisse. Journalisten westlicher Nachrichtenagenturen oder der Massenmedien haben praktisch überhaupt keine Möglichkeit, akkreditiert zu werden. Für russische Journalisten ist es, natürlich einfacher, auf der Seite der föderalen Streitkräfte zu arbeiten. Und sie gehen den Weg des geringsten Widerstandes und sind auf die Dienste von allerhand Pressezentren angewiesen, deren Information in Wirklichkeit weit von der Wahrheit entfernt ist. Was jedoch einzelne Versuche betrifft, von der Seite der föderalen Streitkräfte auf das tschetschenische Territorium zu gelangen, so enden diese für Journalisten, in der Regel, sehr bitter."
War and Human Rights, Nr. 118, 19.1.2000
www.hro.org/war/filtr/war_camps.htm

21.1.2000 Die Zeitung Nesawissimaja Gaseta forderte das Verteidigungs- und das Innenministerium auf, täglich die Verlustzahlen und die Namen der getöteten russischen Soldaten zu veröffentlichen. Die offiziell angegebenen Zahlen werfen nach Darstellung der Zeitung Zweifel auf. Zudem tauchten in der Statistik nicht die Verlustzahlen der pro-russischen Tschetschenen-Miliz auf, die in der Hauptstadt Grosny kämpfte. Der stellvertretende Stabschef der Kaukasus-Streitkräfte, Wadim Timtschenko, wies in einem Interview mit der Armeezeitung Krasnaja Swesda Berichte zurück, die Truppen verheimlichten die tatsächlichen Opferzahlen. Alle Toten und Verletzten gingen in die Verlustliste ein.
Yahoo Schlagzeilen, 21.1.2000 (www.yahoo.de)

26.1.2000 Der Radio Liberty Journalist Andrej Babizki wird in dem tschetschenischen Kriegsgebiet vermisst, das letzte Lebenszeichen stammt vom 15.1.2000. Möglicherweise wurde er von russischen Truppen festgenommen. Seit Beginn des Krieges hat Babizki immer wieder sehr kritisch aus und über Tschetschenien berichtet, den russischen Behörden und Generälen war er schon lange ein Dorn im Auge. Die russische Journalistengewerkschaft hat heute ihre Sorge über den Verbleib ihres Kollegen ausgedrückt.
BBC in www.hro.org/war/125.htm, 26.1.2000

28.1.2000 Die Verhaftung Andrej Babizkis löst eine Welle der Empörung unter den russischen Journalisten aus. Pawel Gusew, Verleger des Moskauer Komsomolets, sagte, der FSB hätte versucht, einen seiner Reporter in die Psychiatrie einzuweisen. Dieser Journalist hatte die Verbindungen zwischen Boris Beresowskj und militanten Tschetschenen recherchiert. Journalisten werden regelmäßig an ihrer Arbeit in Inguschetien und Tschetschenien gehindert. Am 29.12.1999 wurden sechs westliche Journalisten festgenommen. Ein Journalist klagte, das Problem, objektive Informationen zu bekommen, werde nicht nur schwieriger, sondern auch gefährlicher. Im Dezember seien 14 Journalisten Ziel von Angriffen geworden. Unabhängige Journalisten, welche die Behörden nicht "zähmen" können, werden einfach verprügelt, sagte er.
Institute for Peace and War Reporting, 28.1.2000 (wysiwyg://mainframe.69/http://...e/cau/cau_200001_16_01_eng.txt)

29.1.2000 Der Guardian meldet, die russischen Behörden hätten Andrej Babizki verhaftet. Ihm wird vorgeworfen, einer kriminellen Gruppierung anzugehören. Nach dieser Bekanntmachung protestierten etwa 100 Journalisten und Menschenrechtler gegen die Verhaftung des Journalisten, ein Vertreter sagte: 'Die Generäle werden weit gehen, damit Journalisten nicht sehen, was wirklich in Tschetschenien passiert. Diese Verhaftung ist absolut illegal. Babizki könnten fünf Jahre Haft drohen, würde er tatsächlich als Unterstützer der Tschetschenen verhaftet.
The Guradian, 29.1.2000

31.1.2000 In einer Pressemitteilung teilt Jelena Hoffmann, Bundestagsabgeordnete, mit, die russische Bevölkerung werde einseitig und nicht ausreichend über das Geschehen in Tschetschenien informiert. Journalisten, die in die Kriegsgebiete reisen wollten befinden sich in großer Gefahr, getötet und entführt zu werden.
Pressemitteilung, Jelena Hoffmann, 31.1.2000

Februar

Februar 2000 Der Fall Babizki stellt für viele Journalisten einen Wendepunkt im Kampf für die Pressefreiheit dar, erklärte die Journalisten-Gewerkschaft. Russlands Menschenrechtsbeauftragter Oleg Mironow pflichtete bei: Dies sei ein "Signal, dass jedem Reporter dasselbe passieren kann." Mit einer spektakulären Aktion setzten sich 30 russische Medien Mittwoch voriger Woche zur Wehr. Sie verteilten auf Moskaus Straßen und U-Bahnhöfen 300.000 gemeinsam finanzierte Gratis-Exemplare der "Obschtschaja gaseta". Die Regierung unterdrücke die freie Meinungsäußerung, hieß es in dem Sonderblatt, in dem zahlreiche Prominente zu Wort kamen - für die wachsende Unsicherheit im Lande sei allein der Geheimdienst verantwortlich. "Der Bolschewismus ist zu uns zurückgekehrt", glaubt Verfassungsexperte Sergej Alexejew, "auf einer Welle der totalen Propaganda und der Kriegshysterie."
Der Spiegel 8/2000

Anfang/Mitte Februar 2000 Wie viele Hunderte tschetschenische Zivilisten bei der Bombardierung von Katyr-Jurt, Alchan Kala, Schaami-Jurt, Sachen-Jurt und Gechi-Tschu getötet wurden, kann kaum ermittelt werden, weil die Russen weder Journalisten noch unabhängige Beobachter in diese Orte lassen.
Frankfurter Allgemeine Zeitung, 21.2.2000

7.2.2000 Anne Nivat, die Korrespondentin der französischen Zeitungen "Libération" und "Ouest-France" wurde im Haus ihres tschetschenischen Gastgebers Rezwan Warsanow in Novye Atagui (südlich von Grosny) vom FSB (Ex-KGB) Grosny kontrolliert. Ihre Aufzeichnungen, Filme, Kameras und ihr Telefon wurden konfisziert. Warsanow, ein Abgeordneter des tschetschenischen Parlamentes, wurde verhaftet.
Le Monde, 12.2.2000

11.2.2000 Jelena Bonner zeichnet den russischen Journalisten Andrej Babizki mit dem Andrej Sacharow Preis aus. Zur Begründung schreibt sie an den Präsidenten des Europäischen Parlaments: Ich zeichne ihn nicht aus, weil ich mit vielen Menschen in Russland und auf der Welt in großer Sorge um ihn bin, ich zeichne ihn aus, wegen Babizkis journalistischer Arbeit, die über viele Jahre heldenhaft war. Sie war ein Kampf für die Wahrheit, ein Kampf für das Recht, unabhängig von der Regierung Informationen zu bekommen. (...) Im ersten Tschetschenienkrieg bewegte sich Babizki im Herzen des militärischen Theaters. Er hat stark dazu beigetragen, dass in Russland ein Bewußtsein darüber entstand, dass es sich bei dem Krieg nicht um die Durchsetzung der Verfassung handelte, sondern um einen brutalen Krieg gegen ein gesamtes Volk. Seit Beginn des zweiten Krieges berichtet er wieder unter Bomben und Raketen und seine rauhe Stimme bringt uns die Wahrheit über den Tod der russischen Soldaten und den Tod Tausender unschuldiger Zivilisten. (...) er führt einen Kampf gegen die trügerische Propaganda für unser Recht auf Information, auf Glasnost, kurz auf Demokratie und Menschenrechte. Deshalb verleihe ich Andrej Babizki den Andrej Sacharow Preis.
Jelena Bonner homepage: www.wdn.com/asf/cgi/AFSdbs, 11.2.2000

17.2.2000 Lidjia Grafowa (Literaturnaja Gazeta) ist der Ansicht, alle Journalisten sollten ihre Proteste gegen die Aktionen der Regierung verstärken und Freiheit für Andrei Babizkij fordern. Grafowa beschuldigt die russische Presse, sie sei bereit, ihre Freiheit zu opfern": In unserem Land wird die Presse beschuldigt, dass der erste tschetschenische Krieg wegen der Journalisten verloren wurde. Nun fühle ich mich verbittert zugeben zu müssen, dass wir, die Presse, obwohl ich scharfe Artikel schreibe, die gegen diesen Krieg protestieren, eine inhzumane (...) Politik unterstützen. Schauten wir ein bisschen voraus, dann würden wir feststellen, dass der Krieg gegen Tschetschenien ein Krieg gegen ganz Russland ist."
War and Human Rights. February 18, 2000 (http://www.hro.org/war/151.htm)

17.2.2000 Die russischen Behörden haben sich den Aufrufen widersetzt, internationale Menschenrechtsorganisationen als Beobachter nach Tschetschenien zu lassen, und haben statt dessen einen speziellen Menschenrechtsbeauftragten, Wladimir Kalamanow, den Leiter des russischen Immigrationsdienstes zum Menschenrechtsbeauftragten, berufen.
Amnesty International, News Release, EUR 46/09/00, 17.2.2000

19.2.2000 In Tschetschenien müssen Menschen Hunderte von Kilometern zu Fuß gehen, um Lager zu erreichen. Nur sie können davon berichten, was wirklich in ihren Dörfern geschieht.
War and Human Rights. February 19, 2000. (http://www.hro.org/war/152.htm)

19.2.2000 Der 'Washington Post'-Korrespondent in Nazran/ Inguschetien berichtet über massive Behinderungen der journalistischen Arbeit in und um Tschetschenien:
"Es ist praktisch unmöglich, eine unabhängige Untersuchung dessen durchzuführen, was in Tschernokosowo geschieht; der Zugang nach Tschetschenien wurde von der russischen Seite streng beschränkt. Die offiziell genehmigten Fahrten von Journalisten finden in Begleitung von Miliz- und FSB-Eskorten (FSB = `Föderaler Sicherheitsdienst´) statt. Der Kreml verwarf die Bitten, Beobachter der USA, den Hohen Kommissar der UNO für Menschenrechte und Vertreter der OSZE nach Tschetschenien zuzulassen. Auch dem Internationalen Komitee des Roten Kreuzes wurde das Recht, gefangene Tschetschenen zu besuchen, verweigert.
'Filtrationslager', War and Human Rights, Nr. 152, 19.2.2000,
www.hro.org/war/filtr/war_camps.htm

20.2.2000 Die Flughafenbehörde in Moskau gibt bekannt, der FSB werde in Zukunft jegliches Foto-Material über den Krieg zu Untersuchungszwecken konfiszieren.
War and Human Rights. February 20, 2000. (http://www.hro.org/war/153.htm)

20.2.2000 Ausländische Journalisten, die im Hotel Assa in Nazran (Inguschetien) wohnen, stellen plötzlich fest, dass ein Kabel ihres PC durchtrennt wurde. Ihre Telefongespräche werden permanent abgehört.
War and Human Rights. February 20, 2000. (http://www.hro.org/war/153.htm)

20.2.2000 Das russische Außenministerium kritisiert die Stellungnahme der UN-Flüchtlingskommissarin Mary Robinson zur Lage in Tschetschenien vom 16.2.2000 auf das Schärfste. Am Ende der Erklärung des Ministeriums heißt es: "...unter diesen Umständen ruft ein Besuch der Hohen Flüchtlingskommissarin oder einer Repräsentantin im Nord-Kaukasus Zweifel bezüglich seiner Zweckmäßigkeit hervor. Das Außenministerium ist der Meinung, dass ihr Besuch die Verbesserung der Menschenrechtslage in Tschetschenien nicht fördern wird."
War and Human Rights. February 20, 2000. (http://www.hro.org/war/153.htm)

22.2.2000 Die russische Regierung verweigert der Bundestagsabgeordneten Claudia Roth (Grüne), Vorsitzende des parlamentarischen Komitees für Menschenrechte, die Einreise nach Tschetschenien.
War and Human Rights. February 23, 2000. (http://www.hro.org/war/156.htm)

22.2.2000 Den westlichen Journalisten ist es ausdrücklich verboten worden, sich frei in Tschetschenien zu bewegen, auch russische Soldaten dürfen nicht interviewt werden. Vor allem männliche Journalisten, die versuchen, sich über die Grenze zu schleichen, werden schnell festgenommen. Deshalb haben der englische Guardian und die Pariser Libération Frauen an die Front geschickt. Oft war die Libération-Journalistin die einzige westliche Journalistin im Kriegsgebiet. Sie verkleidete sich als Tschetschenin und mischte sich unter die Frauen. Erst am7. Februar wurde sie vom russischen Geheimdienst entdeckt und nach langen Verhören nach Moskau gebracht.
Neue Luzerner Zeitung, 22.2.2000

25./ 26.2.2000 Informationen zufolge, die von Amnesty International gesammelt wurden, schaffen die russischen Behörden - wenige Tage vor dem offiziellen Besuch des Europarat-Komitees für die Verhinderung von Folter - ca. 300 männliche und weibliche Gefangene aus Tschernokosowo an einen anderen Ort im Dorf Stanitsa Chervlyonnaya in Tschetschenien.
Amnesty International, News Release, EUR 46/20/00, 24.3.2000

28.02.2000 Dem Generalbevollmächtigten für Menschenrechte in der Russischen Föderation, Oleg Mironow, wird verweigert, gemeinsam mit seinem Kollegen Alvaro Gil-Robles, dem Europarats-Kommissar für Menschenrechte, eine Reise nach Tschetschenien zu unternehmen.
War and Human Rights. February 28, 2000. (http://www.hro.org/war/162.htm)

März

1.3.2000 In Moskau hat das russische Außenministerium nach wochenlanger Verweigerung eines entsprechenden Besuches die UNO-Menschenrechtskommissarin Mary Robinson offiziell zu einem Besuch nach Tschetschenien eingeladen. Der erst für April angesetzte Besuch wurde von Beobachtern als Zeichen der Geringschätzung Moskaus für Robinson gewertet.
Neue Zürcher Zeitung, 3.3.2000

3.3.2000 Wladimir Kalamanow, der spezielle Präsidentschafts-Abgesandte für Menschenrechte in Tschetschenien, gibt bekannt, dass Grosny für weitere ein bis zwei Monate geschlossen bleibt. Die Schließung sei eine Maßnahme für die Gewährleistung der Sicherheit von Zivilisten.
War and Human Rights. March 3, 2000. (http://www.hro.org/war/166.htm)

6.3.2000 ORT berichtet, dass Diensthabende, die die Uniform der Truppen des Innenministeriums trugen, eine Videokassette zerstört haben, die von Reportern des Senders in Tschetschenien aufgenommen wurde. Roman Perewezentsew von ORT zufolge versuchten die Reporter, die Anzahl der Ermordeten bei dem Vorfall in Pervomajskoje aufzudecken. Die Gruppe der Reporter war im Besitz einer offiziellen Akkreditierung gewesen.
War and Human Rights, 6.3.2000
http://www.hro.org/war/168.htm

14.3.2000 Der Radio Free Europe-Präsident Dine erklärte heute, dass die russischen Behörden angedroht hätten, jedes Interview mit den ‚tschetschenischen Terroristen‘ sei ein Bruch des russischen Gesetzes über den ‚Kampf gegen den Terrorismus‘. In ihrem Bemühen, alle Seiten des Krieges zu Wort kommen zu lassen, hatte Radio Free Europe Aslan Maschadow und Schamil Bassajew interviewt. Dina betonte, die Pressefreiheit sei das Fundament für andere Rechte und Moskaus Vorgehen gegen die Presse beeinträchtige demnach auch die übrigen Menschen- und Bürgerrechte.
Radio Free Europe, Presseerklärung, 14.3.2000

14.3.2000 In der Frankfurter Allgemeinen Zeitung beschreiben die Reporter Markus Wehner und Tim Wegner, wie schwer es für Journalisten ist, aus dem Kriegsgebiet zu berichten. Zuerst müssen sie eine Akkreditierung aus dem Büro des Chefpropagandisten für Tschetschenien Jastrschembskij erhalten. Doch der Ausweis allein reicht noch nicht aus. Um in eine Pressegruppe nach Tschetschenien aufgenommen zu werden, müsse man oft Wochen oder Monate warten. Dann geht es zum Hauptquartier der russischen Streitkräfte nach Mosdok, auch dort müsse man wieder lange warten. Immer wieder wird das Wetter als Grund für längere Wartezeiten bzw. das Ausfallen von schon zugesagten Reisen angegeben. Den Journalisten wird Theater vorgespielt und sie werden nur zu absolut Moskau treuen Soldaten gebracht.
Frankfurter Allgemeine Zeitung, 14.3.2000

16.3.2000 Der russische Journalist des Senders Radio Free Europe, Babizki hat den russischen Vize-Innenminster Iwan Golubew verklagt. Babizki hatte über Gräueltaten russischer Soldaten im Tschetschenienkrieg berichtet und sich dadurch den Zorn Wladimir Putins zugezogen.
Der Standard, 16.3.2000

16.3.2000 EU-Parlamentarier fordern von Russland die volle Aufklärung der Menschenrechtsverletzungen in Tschetschenien.
Stratfor News, www.stratfor.com, 16.3.2000

16.3.2000 Die russische Regierung gibt bekannt, dass die Delegation des Europarates von Besuchen in Tschetschenien ausgeschlossen werden wird, wenn Russland nicht Mitglied in der Menschenrechts- und Demokratiekörperschaft des Rates bleiben darf.
Stratfor News, dpa, AP, 16.3.2000

21.3.2000 Journalisten wurde Zugang zu dem berüchtigten Filtrationslager Tschernokosowo gewährt. Alle Knastkorridore seien in frischem Himmelblau gestrichen worden, die eisernen Zellentüren seien grün, die Insassen antworten im Chor auf die Fragen, es würde niemals jemand geprügelt oder anders misshandelt.
Der Spiegel 10/2000

30.3.2000 Rot Kreuz Präsident Jakob Kellenberger traf in Moskau ein, um mit Präsident Putin über die Wiederaufnahme der Tätigkeit des Roten Kreuzes in Tschetschenenien zu verhandlen. Bis dato wurde dem Roten Kreuz der Zugang zu den sogenannten ‚Filtrationslagern‘ verwehrt.
AFP, 30.3.2000

April

1.4.2000 Russland will humanitären Organisationen den Zugang zum vom Krieg zerstörten Tschetschenien gewähren. Dem Präsidenten des Internationalen Komitees vom Roten Kreuz, Jakob Kellenberger, versicherte Putin in Moskau, auch Filtrationslager dürften nun besucht werden. Plötzlich will die russische Regierung auch beweisen, dass ihre Justiz in der Lage ist, Menschenrechtsverletzungen nachzugehen. Oberst Budanow, der eine 18-jährige Frau vergewaltigt und ermordet hatte, wurde festgenommen und dem Untersuchungsrichter übergeben.
Tagesanzeiger, 1.4.2000

April 2000 Russland lässt Hilfsorganisationen in Inguschetien nicht eigenständig arbeiten und blockiert den direkten Zugang zu bedürftigen Menschen innerhalb Tschetscheniens.
Human Rights Watch, April 2000
http://www.hrw.org/campaigns/geneva/chechnya.htm

3.4.2000 Trotz der Berichte von russischen Behörden, die Besuche von internationalen Delegationen in Filtrationslagern hätten keinerlei Beweise für Menschenrechtsverletzungen erbracht, liegen Amnesty International Zeugenaussagen vor, denen zufolge Schritte unternommen wurden, um die internationalen Delegationen an der Wahrheitsfindung zu hindern. Im Lager "Internat" seien Gefangene in einen Bus in einer entfernten Ecke des Lagers gesteckt worden, als der Besuch der Delegation erwartet wurde. Darüber hinaus gibt es zahlreiche Aussagen ehemaliger Gefangener, sie hätten keine internationale Untersuchung miterlebt.
Amnesty International, News Release, EUR 46/24/00, 3.4.2000

5.4.2000 Ohne plausible Erklärung lässt Putin das fest vereinbarte Gespräch mit UN-Hochkommissarin Robinson platzen. Schon während Robinsons Reise zeigten sich die Gastgeber wenig kooperativ. Entgegen aller Abmachungen wurde Robinson der Besuch von Orten verweigert, wo Massaker stattgefunden haben sollen. Auch Filtrationslager durfte Robinson nicht sehen.
Afp, ap-Berichte in Die Presse, Berliner Morgenpost, Frankfurter Rundschau, Frankfurter AllgemeineZeitung, Neue Züricher Zeitung, 5.4.2000

6.4.2000 Während ihres Besuchs in Tschetschenien bat die Hohe Flüchtlingskommissarin der UN, Mary Robinson, um den Besuch einiger geheimer Filtrationslager, die von Amnesty International als solche entlarvt wurden, z.B. "PAP-1" und "PAP-5" in Grosny sowie fünf weitere Stellen, darunter auch das sogenannte "Internat" in Urus-Martan. Die russischen Behörden erlaubten ihr jedoch nicht, diese Orte zu besuchen und rechtfertigten ihre Verweigerung mit Sicherheitsüberlegungen und schlechtem Wetter.
Amnesty International, News Release, EUR 46/27/00, 6.4.2000
(http://www.amnesty.org/news/2000/44602700.htm)

11.4.2000 Amnesty International und Human Rights Watch haben in einem gemeinsamen Statement an den UNHCR die Informationspolitik der russischen Regierung kritisiert. Obwohl beide Organisationen umfangreiches Beweismaterial zu schweren Menschenrechtsverletzungen von russischer Seite an tschetschenischen Zivilisten vorgelegt haben, zeigen die russischen Behörden keinerlei Interesse daran, diesen Anschuldigungen nachzugehen. Öffentlich sagt die russische Regierung, es gebe keine Filtrationslager und Häftlinge würden nicht geschlagen. Die beiden Organisationen kritisieren die leere Rhetorik der Regierung und den fehlenden politischen Willen, die Menschenrechtsverletzungen aufzuklären. Diese Tendenz hätte sich auch schon im ersten Tschetschenienkrieg 1994-96 beobachten lassen. Die beiden Menschenrechtsorganisationen drängen darauf, dass eine unabhängige Untersuchungskommission sich der schweren Vorwürfe annimmt.
Joint Statement by Amnesty International and Human Rights Watch on Chechnya, 11.4.2000

12.4.2000 Der UN-Menschenrechtskommission in Genf liegt ein Entwurf der EU für eine Resolution zu Tschetschenien vor. In diesem Entwurf geht es nur um die Einrichtung einer nationalen, also russischen Untersuchungskommission zur Aufklärung von Menschenrechtsverletzungen russischer Truppen in Tschetschenien, die EU fordert also keine internationale Kommission. Gegen diese Forderung hatten sich zu Anfang der EU-internen Beratungen besonders Deutschland und England gewandt. Schweden, Dänemark, Irland, Niederlande, Belgien und Luxemburg hatten vorab eine internationale Kommission gefordert.
Die Tageszeitung TAZ, 13.4.2000

13.4.2000 Gerd Poppe, der Menschenrechtsbeauftragte der Bundesregierung, verteidigt die Haltung Deutschlands in der EU zu einer nationalen Untersuchungskommission der Kriegsverbrechen in Tschetschenien. In einem Interview mit dem WDR Morgenecho sagt er auf die von der TAZ (s.o.) erhobenen Vorwürfe wörtlich: ‚Ja, das ist ziemlicher Unsinn, was dort berichtet wurde. Es geht auch nur zurück auf einen Pressebericht eines Journalisten. Eigentlich ist das Gegenteil richtig. Wir haben gerade mit den NGOs sehr intensiv über die Menschenrechtskommission in Genf geredet. (...)‘
WDR Morgenecho, 13.4.2000

28.4.2000 Russlands Ministerium für Presse, Fernsehen und Massenkommunikationsmittel hat am Donnerstag (27.4.2000) die Redaktion der Nowaja Gaseta offiziell wegen der Veröffentlichung eines Interviews mit Aslan Maschadow verwarnt. Dies ist bereits die zweite Verwarnung, die das Ministerium innerhalb von sechs Tagen gegen eine Zeitung ausspricht.
Interfax, 28.4.2000

Mai

5.5.2000 Nur wenige Gruppierungen in Russland wenden sich offen gegen den Tschetschenienkrieg und diesen wird die Arbeit zunehmend schwer gemacht. Der Vorsitzende der Stiftung zum Schutz der Transparenz, Alexej Simonow, befürchtet "schlimme Zeiten" für die russischen Menschenrechtler. Kreml und Regierung seien bestrebt, unabhängige Gruppen, die zunehmend wieder als staatsgefährdend gelten, durch gelenkte und verbürokratisierte staatliche Strukturen auszuhebeln. Die Tendenz wurde deutlich, als das Justizministerium alle nichtstaatlichen Bewegungen verpflichtete, sich umregistrieren zu lassen. Mehreren unabhängigen Menschenrechtsbewegungen wurde dabei die Verlängerung der Zulassung wegen angeblicher Formfehler verweigert. Ein Drittel aller Menschenrechtsgruppen ist dadurch bereits aus dem Rennen. Den übrigen wollen nun die Finanzämter den Todesstoß versetzen: Gemeinnützige Organisationen sollen künftig bei der Besteuerung mit profitorientierten Unternehmen über einen Leisten geschlagen werden und 30% aller Spenden und Zuschüsse, darunter auch Beihilfen von internationalen Dachorganisationen wie amnesty international und Greenpeace müssen an den Fiskus als Gewinnsteuer abgeführt werden.
Der Tagesspiegel, 5.5.2000

12.5.2000 Mehrere Büros des Medienkonzerns Media-Most wurden gestern Vormittag von maskierten und bewaffneten Mitarbeitern des Innenministeriums, der Steuerpolizei und der Staatsanwaltschaft in Moskau heimgesucht. Im Gegensatz zum propagandistischen Einheitsbrei der staatlichen Medien erlaubte sich Media-Most im Zusammenhang mit dem Tschetschenienkrieg und der Person Putin, auch unangenehme Fragen zu stellen. Im Media-Most eigenen Fernsehsender NTW hieß es, "die Invasion" zeige vier Tage nach der Amtseinführung von Präsident Wladimir Putin, wie gefährdet die von ihm postulierte Demokratie in Russland sei.
Hamburger Abendblatt, Financial Times Deutschland, taz, 12.5.2000

17.5.2000 Bei den "Mainzer Tagen der Fernseh-Kritik" berichtete der langjährige ZDF-Korrespondent für Russland, Dirk Sager, über die Schwierigkeiten der Berichterstattung im Tschetschenienkrieg. "Wir wissen nicht mehr, was passiert", so Sager. Die russischen Behörden hätten den Aufenthalt von Journalisten im Kriegsgebiet unmöglich gemacht. Anzutreffen seien dort nur noch Berichterstatter, "die an der kurzen Leine des Militärs geführt werden".
Südwest Presse, 18.5.2000

Juni

1.6.2000 Russische Zollbeamte beschlagnahmten am Mittwoch auf dem Moskauer Flughafen einen Bericht von Amnesty International über Menschenrechtsverletzungen in Tschetschenien. Die beiden Kartons mit Kopien des Berichts sind der ai-Mitarbeiterin mit der Begründung abgenommen worden, es handele sich um "antirussisches Material".
AP, 1.6.2000

1.6.2000 Taissia Issajewa, eine Journalistin, die besonders für internationale
Nachrichtenagenturen in Tschetschenien arbeitete, wurde in der Stadt Zaramaga
während einer Polizeikontrolle in Nordossetien festgenommen. Die Journalistin wurde
einige Tage später freigelassen, nachdem sich mehrere Menschenrechtsorganisationen
für sie eingesetzt hatten.
FIDH: Tchétchénie: un an de crimes impunis, Oktober 2000, S. 9

13.6.2000 Der Medien-Mogul Wladimir Gussinskj wurde heute festgenommen. Begründet wurde die Festnahme mit Betrugsvorwürfen. Präsident Putin hält sich im Moment zu seinem ersten Staatsbesuch in Deutschland auf und sagte den empörten Journalisten, es gehe nicht um die Beschneidung der Pressefreiheit, sondern um Gussinskjs falsches Verhalten als Geschäftsmann.
BBC, 13.6.2000

17.6.2000 Der Medien-Zar Gussinskij wurde heute abend nach nationalen und internationalen Protesten überraschend freigelassen.
BBC, 17.6.2000

20.6.2000 Ein Moskauer Gericht hat die Klage Wladimir Gussinskijs abgewiesen: Zu Unrecht gingen die Anwälte des Medienunternehmens gegen eine "ungesetzliche Verhaftung" vor, denn er befände sich doch schon wieder auf freiem Fuss. Gegen die Abweisung der Klage wollen die Anwälte Gussinskijs nun Berufung einlegen.
dpa, 21.6.2000

28.6.2000 Ein weiterer Repräsentant des Medienkonzerns Media-Most, der schon im Mai Drangsalierungen russischer Behörden ausgesetzt war, ist an der Ausreise aus Russland gehindert worden. Er wurde am Flughafen abgepasst. Ihm wurde gesagt, dass er zeitweise nicht ins Ausland reisen dürfe. Gründe hierfür gaben die russischen Behörden nicht an.
Radio Free Europe, 28.6.2000

Juli

8./9. 7. 2000 Die Parlamentarierversammlung der OSZE hat in Bukarest den von den russischen Behörden verfolgten Reporter Andrej Babizki für seine kritische Berichterstattung über den Tschetschenienkrieg ausgezeichnet. Der Preis ist mit 20.000 US-Dollar dotiert.
Die tageszeitung TAZ, 8./9. 7.2000

24.7.2000 In Tschetschenien gibt es heute drei bis vier Zeitungen, die legal erscheinen. Die einzige, die als unabhängig gelten kann, ist der "Grosnenski Rabotschi" (Arbeiter von Grosny). Unter der Aufsicht der pro-russischen Machthaber in Tschetschenien erscheint in Gudermes die Zeitung "Gums" mit einer Auflage von 1000 Exemplaren. Das Blatt "Marscho" (Freiheit) wurde eingestellt, nachdem ein Redakteur es gewagt hatte, über Kriegsverbrechen im Dorf Gechi zu berichten. Im Pressezentrum der föderalen Streitkräfte entsteht die Zeitung "Swobodnaja Tschetschnja" (Freies Tschetschenien) mit einer für regionale Verhältnisse gewaltigen Auflage von 8000. Sie wird umsonst verteilt, ihr Inhalt besteht fast ausschließlich aus Propaganda.
Berliner Morgenpost, 24.7.2000

27.7.2000 Der Medien-Zar Gussinskji konnte das Land verlassen, nachdem ihm mitgeteilt wurde, dass die Staatsanwaltschaft das Ermittlungsverfahren gegen ihn eingestellt hat. Im Zuge der Ermittlungen kam es zu mehreren spektakulären Hausdurchsuchungen von maskierten Sondereinsatzkommandos und zu einer vorübergehenden Festnahme des Journalisten. Im Gegenzug zur Ermittlungseinstellung soll Gussinskji versprochen haben, in Zukunft die Kritik am Kreml in seinen Medien abzuschwächen.
E-Mail von Gisbert Mrozek Journalist aus Moskau, 27.7.2000

September

5.9.2000 Der russische Medien- und Finanzmogul Beresowski hat Präsident Putin vorgeworfen, er wolle die Pressefreiheit in Russland abschaffen. Wörtlich sagte er: "Dadurch, dass sie mir das Ultimatum gestellt haben, haben sie der Gesellschaft eine wichtige Frage gestellt: Haben Massenmedien, die nicht vom Staat kontrolliert werden, in Russland ein Recht zu existieren. Wenn ich auf das Ultimatum eingehe, wird es keine Fernsehinformation, sondern nur noch Fernsehpropaganda geben." Mit diesem Vorstoß reagierte Beresowski auf ein Ultimatum, das ihm angeblich ein "ranghoher Mitarbeiter" des Präsidentenamtes gestellt habe: Entweder er übergebe binnen zwei Wochen das ORT-Aktienpaket dem Staat, oder man werde ihn "Gussinski hinterherschicken."
Radio Free Europe, Radio Liberty, Hamburger Abendblatt, 5.9.2000

6.9.2000 Politiker in Russland haben scharf kritisiert, dass es im russischen Haushalt einen Posten gibt, der für die Medien-Aktivitäten der Regierung reserviert ist. Deutlich wird von der Zurückhaltung von Informationen gesprochen, hierfür werden etwa sieben Millionen US-Dollar veranschlagt. Dieses Informationskonzept, welches von einem früheren KGB-Offizier zusammengestellt wurde, identifiziert sowohl interne als auch externe "Medienfeinde". Putin hatte dieses Konzept im Juni angenommen.
Kommersant, 6.9.2000

8.9.2000 Reporter ohne Grenzen appellierte an das Russische Verteidigungsministerium, russische Soldaten, die Anfang der Woche einen tschetschenischen Kameramann zusammengeschlagen hatten, zur Verantwortung zu ziehen. Ruslan Musajew, der für AP arbeitet, wurde am 5.9. festgenommen, er wurde am nächsten Tag freigelassen, nachdem er von Soldaten brutal zusammengeschlagen worden war.
AFP, 8.9.2000

11.9.2000 Heute unterzeichnete Putin die neue "Doktrin zur Informationssicherheit", die maßgeblich vom Sicherheitsrat Russlands konzipiert wurde. Das 46 Seiten starke Dokument ist nur eine Maßnahme, die der Kreml sich in den letzten Wochen hat einfallen lassen, um die Pressefreiheit einzuschränken. Wörtlich sagte der Sprecher des Sicherheitsrates, das Ziel der neuen Doktrin sei es, dass die Russen und das Ausland "wahre Informationen über die Regierungspolitik und die offizielle russische Position zu gesellschaftlich wichtigen Ereignissen in Russland und international bekommen". "Der Kreml versucht, die Medien fester in Griff zu bekommen", sagte der Chef von Echo Moskvy einer unabhängigen Radiostation in Moskau.
Financial Times, 12.9.2000

16.9.2000 Der Kreml will das Fernsehen, die für die meisten Russen einzige Informationsquelle, uneingeschränkt kontrollieren. Seit Putins Amtsantritt als Premierminister habe sich die Propaganda- und Zensurmaßnahmen bereits vervielfacht. Die am 26.6. verabschiedete neue "Doktrin der Informationssicherheit" bekommen die Moskauer Journalisten schon zu spüren: "Es begann mit der Entführung unseres Journalisten Babizki in Tschetschenien. Wir werden nicht zu Pressekonferenzen eingeladen, nicht mehr in Kreml-Pools aufgenommen und wie Verräter, wie amerikanische Agenten behandelt", so Sawik Schuster vom Büro des Senders Radio Liberty." Es ist ein Irrglaube, dass die Macht gewinnt, wenn es keine Opposition und keine Pressefreiheit mehr gibt", sagt der bekannte Leitartikler Otto Lazis. "Dies ist die dumme Vorstellung von Beamten mit sehr beschränkten Gehirnen."
Frankfurter Rundschau, 16.9.2000

17.9.2000 Die russische Staatsführung hat Berichte über eine angebliche bevorstehende Zensur für Fernsehbilder aus Tschetschenien dementiert: "Es kann keine Rede davon sein, dass eine Zensur in Tschetschenien eingeführt wird", so der Kreml-Sprecher Jastrschembski in Moskau.
dpa, 18.9.2000

28.9.2000 Präsident Putin hat heute ein Dekret unterzeichnet, welches bewirkt, dass Moskau und nicht die lokalen Behörden, die Vorsitzenden der regionalen Fernsehstationen einsetzt. Damit will er eine größere Kontrolle über die regionalen und lokalen Fernsehsendungen erhalten. Das Dekret stellt einen weiteren Schritt der Beschneidung der Pressefreiheit dar.
RIA Nowosti, 28.9.2000

Oktober

2.10.2000 Der wegen seienr kritischen Reportatgen angefeindete Journalist Babizki muss sich seit heute vor Gericht verantworten. Der Reporter sei der Nutzung eines gefälschten Passes angeklagt, so der Fernesehsender NTW aus Machatschkala, wo der Prozess statt findet.
dpa, AP, 2.10.2000

a ) Reise des BND Chefs Hanning nach Tschetschenienoben

April 2000 Vom 22.- 23. März hielt sich eine dreiköpfige Delegation des Bundesnachrichtendienstes BND in Russland und Tschetschenien auf. Dies wurde erst Anfang April bekannt.

7.4.2000 die Bundesregierung will den Vorwurf, der BND habe Russland im Tschetschenienkrieg mit Informationen versorgt, nicht kommentieren. August Hanning hat mit Einwilligung der russischen Regierung den Ort Gudermes besucht. Es sei dabei um eine Anfrage der russischen Regierung an den BND über die Zusammenarbeit bei der Bekämpfung des internationalen Terrorismus gegangen, so der Geheimdienstkooridinator Ernst Uhrlau.
Financial Times Deutschland, 7.4.2000

7.4.2000 "Wäre an dem Verdacht, der deutsche Auslands-Geheimdienst habe den Russen kriegswichtige Informationen für den Feldzug in Tschetschenien geliefert, auch nur ein Promille wahr, es wäre ein Verbrechen", kommentiert die Süddeutsche Zeitung. Der ungehinderte Zugang des BND ins tschetschenische Kriegsgebiet ist auch deshalb prekär, weil zeitgleich den Menschenrechtsbeauftragten internationaler Organisationen die Einreise nach Tschetschenien verwehrt wird.
Süddeutsche Zeitung, 8.4.2000

7.4.2000 Gerade in den letzen Tagen und Wochen hatte der grüne Außenminister eine dezidiertere Menschenrechtspolitik gefordert. Der BND ist direkt dem Kanzleramt unterstellt und bis jetzt gibt es nur widersprüchliche Informationen darüber, ob das Außenministerium über die Reise Hannings informiert war oder nicht. Der Bundestag jedoch war nicht informiert worden.
Süddeutsche Zeitung, 7.4.2000

8.4.2000 Das Notärzte-Komitee Cap Anamur nannte die Reise des Geheimdienstchefs heute eine "faustdicke Sauerei" ‚Cap Anamur hat für das Verhalten der Bundesregierung keine Worte, so der Verein.
Yahoo News, 8.4.2000 (www.yahoo.dailynews.com)

10.4.2000 In einem offenen Brief an Bundeskanzler Schröder und Außenminister Fischer erklärte die Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV)heute, die Entsendung des BND-Teams erinnere an den Hitler-Stalin-Pakt. Empört schreibt die GfbV, das Ziel der Geheimdienstler sei es gewesen, mit den Mördern der tschetschenischen Frauen, Kindern und Männer, die vor ein internationales Kriegsverbrechertribunal gehörten, Informationen über Terrorismus auszutauschen. Dadurch habe sich der BND der offenen Parteinahme für Genozid schuldig gemacht.
Offener Brief der Gesellschaft für bedrohte Völker, 10.4.2000

10.4.2000 Das Hamburger Abendblatt kommentiert, wenn der BND Moskau mit kriegswichtigen Informationen versorgt haben sollte, sei dies ein Verbrechen. Auch der BND müsse inzwischen wissen, was Russland unter einer ‚Anti-Terror-Operation‘ versteht. Schließlich werde im Kaukasus eine ganze Republik ausradiert. Unter keinen Umständen hätte der BND-Chef da nach Tschetschenien reisen dürfen - noch dazu vor der UN-Menschenrechtskommissarin.
Hamburger Abendblatt, 10.4.2000

10.4.2000 Hermann Gröhe, Bundestagsabgeordneter der CDU, hat die rückhaltlose Aufklärung der Kooperation zwischen dem deutschen und dem russischen Geheimdienst im Tschetschenien-Krieg gefordert. Es müsse überprüft werden, ob die Grenze des Informationsaustauschs zur Terrorismusbekämpfung überschritten wurde und ob der BND in Bezug auf Tschetschenien tatsächlich mit Moskau zusammengearbeitet habe.
Frankfurter Rundschau, 11.4.2000

12.4.2000 August Hanning ist auf eigenen Wunsch nach Tschetschenien gefahren, nicht aufgrund einer Einladung Russlands.
dpa, 12.4.2000

11.4.2000 Auch Abgeordnete der Grünen treten vehement für die Aufklärung der BND Reise nach Tschetschenien ein. Fraktionschef Rezzo Schlauch sagte wörtlich: "Für uns ist die Sache nicht aufgeklärt. Die Grünen sehen sich in ihrer Auffassung bestätigt, dass der BND einer strengen parlamentarischen Kontrolle bedarf." Antje Radcke meinte, es sei "unerträglich, sich vorzustellen, dass der BND beteiligt ist, die russische Regierung beim Krieg gegen die Zivilbevölkerung zu unterstützen."
Gerade jetzt, nach der Reise des BND verbreite der russische Geheimdienst FSB neue Informationen über tschetschenische "Terroristen".
Berliner Zeitung, 12.4.2000

13.4.2000 Eine Sendung des WDR-Nachrichtenmagazins Monitor brachte das Thema der Tschetschenienreise des BND nochmals in die Medien und sorgte für großen Aufruhr. Besonders empörend ist dabei ein von Monitor aufgezeichnetes Interview mit Nikolaj Kowaljow, dem ehemaligen russischen Geheimdienstchef. Er sagt über den BND: ‚Ich habe mit ihnen stets eine gemeinsame Sprache gefunden. Profis sind überall Profis, und so fiel es uns leicht, mit ihnen zusammenzuarbeiten. Deutsche Geheimdienstler sind hochprofessionell. ‚ Bereits im ersten Tschetschenienkrieg habe es eine Zusammenarbeit mit dem BND gegeben: ‚ Es ging um den Austausch von Informationen. Wir erhielten Informationen über die Stützpunkte zur Ausbildung der Terroristen, wer zu dieser oder jener Terrorgruppe gehörte," so Kowaljow. Der BND betreibt in der Nähe der chinesischen Stadt Sinkiang im Grenzgebiet zu Russland eine geheime Abhörstation. Von hier aus hört der BND den Funkverkehr der Tschetschenien-Kämpfer ab, die in Afghanistan ausgebildet werden. Monitor meldet, dass die Geheimagenten des BND in Inguschetien auch tschetschenische Flüchtlinge über die Militäroperationen in ihrem Land ausgefragt hätten.
Monitor, BND im Tschetschenien-Krieg, 13.4.2000

13.4.2000 Heute tagte das Parlamentarische Kontrollgremium des Bundestages (PKG) zur BND-Reise nach Tschetschenien. Das PKG habe keine Einwände gegen diese Reise, Hannings Besuch habe deutschen Interessen gedient. Nur der Abgeordnete der Grünen, Hans-Christian Ströbele, stimmte gegen diese Verlautbarung.
Reuters, 13.4.2000

13.4.2000 Richard Meng von der Frankfurter Rundschau kritisiert die deutsche Außenpolitik und Minister Fischer; durch die ‚Spezial-Außenpolitik des BND mit der zwielichtigen Geheimreise nach Tschetschenien‘, sei die politische Glaubwürdigkeit beschädigt worden.
Frankfurter Rundschau, 13.4.2000

13.4.2000 Die Angst vor einem Flächenbrand von Afghanistan bis zum Schwarzen Meer, das neue Feindbild des radikalen Islamismus und vor allem harte Interessen an Ressourcen, Öl und die strategische Lage des Kaukasus, trieben nicht nur den deutschen Geheimdienst zu Kontakten mit dem russischen Partner. Auch die National Security Agency, die britischen Dienste MI-5 und MI-6, der französische Geheimdienst und der israelische Mossad sind im Kaukasus die Speerspitze ihrer Regierungen. Aber nur der BND war unklug genug, tatsächlich nach Tschetschenien zu reisen.
Die Zeit, 13.4.2000

13.4.2000 Das Auswärtige Amt wusste von den Bemühungen des BND, eine Delegation ins Kriegsgebiet nach Tschetschenien zu entsenden. Das Bundeskanzleramt legte dem Auswärtigen Amt rechtzeitig vor der Reise die entsprechenden Pläne vor.
Spiegel Online, 13.4.2000

16.4.2000 Die Gesellschaft für bedrohte Völker hat Strafanzeige gegen den Chef des Bundesnachrichtendienstes August Hanning erhoben. Es bestehe der dringende Verdacht, dass Hanning Beihilfe zum Völkermord geleistet habe.
AFP, Kölner Stadtanzeiger, 16.4.2000

14.4.2000 ‚Es muss nicht alles zutreffen, was in einem Bericht steht‘, hieß es nach der Monitor-Sendung aus Pullach.
Berliner Morgenpost, 14.4.2000

20.4.2000 Die unabhängige russische Tageszeitung Nesawissimaja Gaseta schreibt zum BND Besuch in Tschetschenien: ‚Durch diese Reise könnte die Regierung der BRD die von ihr gewünschten Informationen bekommen, sozusagen aus erster Hand. Man kann sich leicht vorstellten, dass Berlin seinen Verbündeten diese wichtigen Informationen nicht vorenthalten wollte. Und allgemein gesehen könnte diese ja auch zu mehr Verständnis für die wirkliche Situation in Tschetschenien und zu einer ausgewogeneren Haltung des Westens führen.
Nesawissimaja Gaseta, 20.4.2000

Kommentare und Bilanzenoben

a) Benennen, Summieren und Definieren von Völkermord

Oktober

2.10.1999 Tschetschenischen Angaben zufolge kamen bei den bisherigen Luftangriffen auf die Kaukasusrepublik 590 Menschen ums Leben, 3.000 weitere wurden verletzt. Bei der Mehrzahl der Opfer soll es sich um Zivilisten handeln.
Junge Welt, 2.10.1999

24.10.1999 Die Zahl der seit Beginn der Bombardierungen gestorbenen Zivilisten beträgt 2.500.
Amnesty International Report EUR 46/38/99. The Russian Federation: Chechen Republic. Humanity is indivisible. Open Letter to the United Nations from the Secretary General of Amnesty International. November 1999.
http://www.amnesty.org/ailib/aipub/1999/EUR/44603899.htm

28.10.1999 Insgesamt sollen nach Angaben der tschetschenischen Behörden vom 5.9.1999 bis zum 28.10.1999 über 3.265 Zivilisten durch die russischen Angriffe ums Leben gekommen und 5.000 verletzt worden sein.
BBC News: Chechen cities under fire, 7.11.2000

November

4.11.1999 Die Witwe von Andrej Sacharow, Frau Jelena Bonner, sagte vor dem Auswärtigen Ausschuss des US-Senats über Tschetschenien aus. In ihrem letzten Absatz fasst sie die Lage zusammen: Flächenbombardements, Bombardierungen von Städten, Dörfern und Flüchtlingskonvois stellen eine schwere Verletzung der Genfer Konventionen über den Schutz von Zivilisten in Kriegszeiten und den Protokollen zur Konvention dar. Dies zeigt die extreme Missachtung dieser wichtigen internationalen Abkommen durch die russische Regierung. Die Methoden der Kriegsführung zeigen, dass dies kein Krieg gegen Terroristen ist. Die russischen Generäle versuchen, einen großen Teil der tschetschenischen Nation auszulöschen. Das Ziel ist es, Tschetschenien, ohne die Tschetschenen, als Teil der Russischen Föderation zu behalten: dies ist Völkermord. Dies ist nicht wieder eine Verletzung von Menschenrechten, dies ist ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit. Der Völkermord kann nicht länger eine innerrussische Angelegenheit bleiben, egal, wie lange Präsident Jelzin und Putin dies betonen mögen.
Jelena Bonner in Reliefweb, 4.11.2000 (www.reliefWeb.int)

6.11.1999 Ein Journalist des Guardian fordert: 1. Der Internationale Währungsfond solle weitere Zahlungen einfrieren, bis in Tschetschenien ein Waffenstillstand herrsche. 2. Jelzin solle, am besten von Clinton, mitgeteilt werden, dass Putin im Augenblick für den Westen kein Mann zum Verhandeln sei. 3. Die Krise müsse internationalisiert werden, Hilfsorganisationen und Medien freien Zugang nach Tschetschenien erhalten.
The Guardian, 6.11.1999

10.11.1999 Ein tschetschenischer Sprecher teilte mit, dass bisher mehr als 4.000 Zivilisten in den seit zwei Monaten andauernden willkürlichen Bombenangriffen der Russen getötet wurden.
http://www.pgs.ca/pages/war/ca2/os991110.htm, 10.11.1999

Mitte November 1999 Das US Flüchtlingskommitte USCR bilanziert, dass sich die Situation im Oktober und November für die internen und externen Flüchtlinge sowie für die in Tschetschenien verbliebenen Bürger verschärft habe. Etwa 1, 4 Millionen Menschen seien in den sogenannten Sicherheitszonen gefangen. Russische Flugzeuge und Artillerie bombardierten Grosny, Gudermes und die umliegenden Dörfer, sie machten Zehntausende zu Flüchtlingen und töteten etwa 3.600 Menschen. Die Zahl der Verletzten ist noch weitaus höher. Anfang November schon sprachen die russischen Militärs offen darüber, die Kontrolle über ganz Tschetschenien erhalten zu wollen.
USCR in www.refugees.org, 15.11.1999

Mitte November 1999 Die russische Menschenrechtsorganisation "Memorial" hat in einer Untersuchung am Beispiel der Bombardierung des Zentralmarktes in Grosny, des Dorfes Elistanschi und mehrerer ziviler Ziele nachgewiesen, dass ranghohe Politiker und der Generalstab versucht haben, die wahren Gründe der Vorfälle, bei denen Hunderte von Zivilisten getötet wurden, zu vertuschen. "Memorial" lastet den Politikern und Militärs direkte Verantwortung für die Vernichtung der tschetschenischen Zivilbevölkerung an. Die russischen Truppen bombardierten in Tschetschenien in vielen Fällen wahllos und hätten damit eine Massenflucht von Menschen verursacht, was zu einer humanitären Katastrophe geführt habe. Es gebe keinerlei bestätigende Hinweise für ein gezieltes und erfolgreiches Bombardement ausschließlich der Stützpunkte der Tschetschenen und für das Bestreben, unnötige Opfer unter der Zivilbevölkerung zu vermeiden.
ap/afp/rtr-Bericht in Frankfurter Allgemeine Zeitung, 15.11.1999

16.11.1999 In ihrem Statement sagte die Hochkommissarin für Flüchtlinge, Mary Robinson, zu der Situation in Tschetschenien: "Besonders besorgt bin ich über folgende Vergehen, welche von unabhängigen Quellen berichtet wurden und welche großes Leid und den Tod vieler hervorriefen:
Ungezielte und unausgewogener Waffeneinsatz, welcher zum Tod vieler Zivilisten führte
Die schwächeren Teile der Bevölkerung, Kinder, Kranke und Alte, sind nicht in der Lage, vor den Bomben zu fliehen. Ihnen wird keine Möglichkeit geboten, zu fliehen."
Mary Robinson in www.reliefWeb.int, 16.11.2000

Ende November 1999 Das Kinderzentrum 'Kleiner Stern' veröffentlichte eine Einschätzung der Lage im Kriegsgebiet. Die Organisation geht davon aus, dass etwa 60.000 bis 100.000 Menschen umkamen. 40% davon seien Kinder. Die Infrastruktur und die Gesundsheitsversorgung seien zusammengebrochen. Die internationale Hilfe laufe langsam an, werde aber durch die hohen Sicherheitsrisiken stark behindert.
www.warchild.org

25.11.1999 Interview mit dem Menschenrechtler und Duma-Abgeordneten Sergej Kowaljow: "Die befehlshabenden Generäle suchen Revanche für den ersten Krieg. Doch wichtiger ist etwas anderes: Die Armee will wieder zu einer realen, geachteten Macht im Land werden. Der Krieg soll sie zur politischen Kraft machen. Das ist eine gefährliche Tendenz. In Tschetschenien herrscht heute militärische Willkür. In den besetzten Gebieten agiert die Armee ohne politische Kontrolle. Vor Ort entscheiden die Generäle. Ein Völkermord ist dieser Krieg noch nicht. Mit der Zeit wird er sich zum Partisanenkrieg wandeln, den die Armee nicht gewinnen kann. Es sei denn, er wird zum Vernichtungskrieg. Die Konsequenz daraus kann nur Völkermord sein."
http://www.stern.de, 25.11.1999

29.11.1999 Der Menschenrechtler Sergej Kowaljow schreibt: Tschetschenien stirbt und braucht internationale Hilfe. Ich bin tief überzeugt, dass dieses Land stirbt, Tschetschenien zieht Russland mit in den Abgrund. Das heißt, auch Russland braucht internationale Hilfe. Heute gibt es nur eine Möglichkeit, solche Hilfe zu leisten: Der Westen muss vollen Druck auf beide Seiten des Konflikts ausüben. Ich werde mich nicht wiederholen: Der wichtigste Punkt ist: Wenn sie Russland helfen, wird Europa in seine eigene Zukunft investieren.
Sergej Kowaljow, Central European Economic Review, www.hro.org/war/50.htm, 29.11.1999

Dezember

Dezember 1999 die ehemalige ARD-Korrespondentin in Moskau, Sonia Mikich, schreibt im ai-journal: " Brennender Kaukausus - ein Land soll zerstört werden. Es ist viel näher an Europa als Osttimor. Und die Verwüstungen sind schlimmer als alles, was Sarajewo oder Pristina je erdulden mußten. Über 200.000 Bewohner der kleinen Kaukasusrepublik sind geflüchtet, ihre Häuser brennen, ihre Felder werden vermint, ihr Hab und Gut wird von plündernden russischen Soldaten gestohlen. Vor ein paar Monaten hätte man so etwas 'humanitäre Katastrophe' genannt. Aber es ist nicht Mode, nicht profitabel, nicht image-fördernd, sich für dieses Kaukasusvolk einzusetzen. Zu gerne haben Politiker und Öffentlichkeit im Westen die russische Propaganda-Lüge geschluckt, es handele sich nicht um einen Vernichtungsfeldzug, sondern um eine Aktion gegen Terroristen. Zu flott haben sie genickt, wenn der Kreml vor der islamischen Osama-Bin-Laden-Verschwörung warnte."
Dezember 1999 ai-Journal

8.12.1999 In Frankfurt verurteilt Außenminister Fischer das russische Ultimatum an Grosnys Bevölkerung als nicht hinnehmbaren "Akt der Barbarei". Er habe dem russischen Außenminister Iwanow mitgeteilt, er erwarte eine Rücknahme des Ultimatums und eine baldige Beendigung des Krieges, gestand aber auch ein, dass die Einflussmöglichkeiten des Westens auf diesen Konflikt sehr begrenzt seien.
Frankfurter Allgemeine Zeitung, 9.12.1999

9.12.1999 Der Direktor des Harvard Projekts über Studien zum Kalten Krieg, Mark Kramer, schreibt in der Los Angeles Times, Augenzeugen der Schlacht von Corregidor im Zweiten Weltkrieg hätten gesagt, der Tod würde von überall herunter regnen. Diese Bilder wiederholten sich im Moment in Tschetschenien, wo russische Truppen alles zerstörten, was ihnen im Weg sei. Moskaus Ziel scheint es immer mehr zu sein, die Tschetschenen als Nation auszulöschen.
Los Angeles Times, 9.12.1999

9.12.1999 Aus dem Friedensappell der IPPNW zum Tag der Menschenrechte: "Die Kriegshandlungen zwischen den russischen Truppen und den Widerstandskämpfern in Tschetschenien erreichen das Ausmaß von Völkermord. Das Bombardement von Städten und Dörfern der russischen Teilrepublik hat bisher schon Tausende von Opfern unter der Zivilbevölkerung gefordert. Nach Schätzungen humanitärer Organisationen haben bislang bis zu 240.000 Flüchtlinge ihre Heimat verlassen und in Inguschetien Zuflucht gefunden.
http://www.ippnw.de

16.12.1999 André Glucksmann auf einer Konferenz in Moskau unter dem Titel "Tschetschenien - die nicht gelernte Lektion": "Herr Putin, Sie glauben, dass wir falsch informiert sind, aber das sind wir nicht. Wir haben ihren Freund Boris Beresowski gehört, der gesagt hat, es sei nicht bewiesen, wer die Häuser in Moskau in die Luft gesprengt hat. Heute wissen wir zumindest, dass den Reichstag in Berlin weder die Kommunisten noch die Juden angezündet haben." Im Konferenzsaal der Nachrichtenagentur Itar-Tass herrscht Schweigen. Das Ultimatum an die Bevölkerung Grosnys sei beispiellos in der Geschichte - mit zwei Ausnahmen, fährt Glucksmann fort: Hitlers Ultimatum an Warschau und Pol Pots Ultimatum an Phnom Pen. "Während ich spreche, sterben in Grosny friedliche Menschen."
Frankfurter Allgemeine Zeitung, 17.12.1999

16.12.1999 Bernard Henri Lévy auf einer Konferenz in Moskau unter dem Titel "Tschetschenien - die nicht gelernte Lektion": "Sie kämpfen mit Terroristen, Herr General, aber Sie sind selbst ein Terrorist."
Frankfurter Allgemeine Zeitung, 17.12.1999

16.12.1999 Der Schriftsteller Anatoli Pristawkin ruft auf einer Konferenz in Moskau unter dem Titel "Tschetschenien - die nicht gelernte Lektion" dazu auf, sich vom Image des tschetschenischen "Feindvolkes" abzukehren und den Krieg zu beenden, der sonst in einen Partisanenkrieg münden würde.
Frankfurter Allgemeine Zeitung, 17.12.1999

Januar

4.1.2000 Valentina Mel´nikowa von der Union der Soldatenmütterkomitees fordert in einer Livesendung im Radio "Echo Moskwy" Aufklärung über das Schicksal der Tschetschenen, die von russischen Einheiten nach den "Säuberungen" von eingenommenen Ortschaften festgenommen wurden. Außerdem bezeichnet sie die Lager, in denen Menschen verschwinden, als einen "kolossalen Verstoß" (gegen die Menschenrechte).
War and Human Rights, Nr. 103, 4.1.2000,
www.hro.org/war/filtr/war_camps.htm

5.1.2000 Menschenrechtler schätzen, dass in Tschetschenien bislang etwa 10.000 Zivilisten umgekommen sind.
Stern auf der homepage http://www.stern.de, 5.1.2000

5.1.2000 Der Präsident der Assoziation der Psychiater und Psychologen der Tschetschenischen Republik, Prof. Musa Dal´sajew, verurteilte in einem Interview mit Radio Liberty die Einrichtung von Filtrationslagern: "Jede ungerechtfertigte, ungesetzliche Unterbringung sogar in gut ausgestattete Filtrationslager kann nicht ohne Folgen bleiben." Er warnte vor psychischen Störungen und erinnerte daran, dass "im letzten Krieg eine große Zahl von Menschen, die aus den Filtrationslagern kamen, zu Invaliden wurden, und ein großer Teil von ihnen ist einfach gestorben."
War and Human Rights, Nr. 104, 5.1.2000, www.hro.org/war/filtr/war_camps.htm

6.1.2000 Die Journalistin, Irena Brezna, beschreibt in einer Glosse für das Bieler Tageblatt die Sinnlosigkeit und Absurdität des Krieges: '(...) Die Moskauer Filialen von Lacoste und Calvin Klein schenken ihre Winterkollektion den Flüchtlingen in Inguschetien, (...) der Psychiaterkongress in Madrid beschließt, dem russischen Premier Putin seinen besten US-Fachmann für Minderwertigkeitskomplexe zur Verfügung zu stellen, und die Anonymen Alkoholiker in Hinterzarten bieten Boris Jelzin eine Ehrenmitgliedschaft an (...) Der Moskauer McDonald's lädt tausend Chickenburger vor den Toren des Untersuchungsgefängnisses Matrosskaja Tischina ab, wo täglich neue Passanten tschetschenischer Nationalität hineingeprügelt werden, und eine Ladung Hamburger wird unter den arm- und beinlosen Tschetschenien-Veteranen im Militärspital in Rostow verteilt. (...) die Atomlobby druckt ein Handbuch für das Verhalten bei nuklearer Verseuchung auf Tschetschenisch, Georgisch, Armenisch und Aserbaidschanisch für den Fall, dass eine Bombe die radioaktiven Abfälle im zehn Kilomenter von Grosny entfernten Lager freisetzten sollte (...) da die Radioaktivität durch den Fluss Terek ins Kaspische Meer gelangen wird und von dort in die weite Welt, die sich nun endlich so verantwortungsvoll zeigt.
6.1.2000 Irena Brezna in Bieler Tageblatt

12.-20.1.2000 Repräsentanten von Memorial waren vom 12.-20.1.2000 in Inguschetien und Tschetschenien. Ihr Report über schwere Menschenrechtsverletzungen wurde Mitte Januar veröffentlicht. Zusammenfassend schreiben sie, es läge ihnen massenhaft Material über willentliche Bombardierungen von bewohnten Gebieten, Straßen, Städten und Dörfern vor. Besonders viele Opfer forderte der Einsatz von Boden-Boden Raketen in Grosny am 21. Oktober 1999, bei dem etwa 150 Menschen umkamen. Ähnliche Angriffe fanden auch dieses Jahr statt.
Memorial auf der homepage www.memo.ru, Mitte Januar

17.1.2000 Der Kommentator der New York Times schreibt, die russische Kampagne, allen Widerstand in Tschetschenien auszulöschen, sei nicht länger eine Triumphparade. Die russischen Verluste hätten zugenommen. Dadurch käme Putin, so kurz vor den Präsidentschaftswahlen in Bedrängnis.
The New York Times, 17.1.2000

17.1.2000 Der Migrations- und Flüchtlingspolitische Sprecher der Fraktion Bündnis 90 / Die Grünen des Landtags von Nordrhein-Westfalen, Jamal Karsli, fasst seine Meinung zum Krieg in Tschetschien zusammen und vergleicht Milosevic mit Putin: "Vom Balkan auf den Kaukasus: Das Kosovo des Jahres 2000 heißt Tschetschenien. Seit vielen Wochen mordet und zerstört der zweite russische Feldzug in der Teilrepublik. Tausende Tote und zerstörte Städte und Dörfer, allem voran eine bis auf die Grundmauern verwüstete Hauptstadt Grosny.
Hier ist es Grosny, im Kosovo war es Pristina. (...) Einen signifikanten Unterschied dieser beiden Tragödien gibt es jedoch: Milosevic wurde von einer internationalen Koalition gestoppt. Die russische Regierung wird hingegen immer noch aus der Perspektive der vergangenen Ost-West-Konfrontation betrachtet.
Presseerklärung Jamal Karsli, 17.1.2000

24.1.2000 Die Hilfsorganisation ''Ärzte ohne Grenzen' hat in einem Brief an Präsident Clinton die Kriegsverbrechen Russlands in Tschetschenien verurteilt. Städte, Krankenhäuser, Marktplätze und Flüchtlingskonvois seien bombardiert worden. die USA solle auf ein Kriegsende hinwirken, das Leiden der Zivilisten entspreche dem der Albaner, die im vergangenen Jahr vor serbischen Soldaten aus dem Kosovo geflohen seien.
Tagesschau Archiv, 24.1.2000 www.tagesschau.de

Februar

7.2.2000 Ein Redakteur der Frankfurter Rundschau bilanziert zum ‚Sieg‘ über Grosny: Verloren hat die russische Generalität - mag sie auch Putins Wahl gewinnen helfen - das, was sie als ihre Ehre zu bezeichnen beliebte. Verloren hat sie Grosny in ihrem scheinbaren Sieg. Verlieren wird sie den nun folgenden Partisanenkrieg, gerade wenn sie ihn bis zum Untergang des letzten kämpfenden Tschetschenen sozusagen gewinnt. So beginnt die Ära des Wladimir Putin: mit dem Verlust des Vorschusses an Vertrauen in jede Vernunft, die von Mäßigung geformt ist.
Karl Grobe in Frankfurter Rundschau, 7.2.2000
14.2.2000 Jelena Bonner schließt sich der Erklärung des Amerikanischen Komitees für Tschetschenien an. In Auszügen: "Die Verweigerung des Zugangs für internationale Beobachter verleitet zu der Annahme, dass Russland nicht nur Menschenrechtsverletzungen und Massentötungen zu verbergenn versucht, sondern auch anhaltende Verbrechen gegen die Menschlichkeit sowie Genozid. Während der letzten sechs Jahre ist die tschetschenische Bevölkerung fast halbiert worden. Wenn die internationale Gemeinschaft die noch lebenden Tschetschenen nicht beschützt, dann werden wir alle an der Schuld für dieses Verbrechen gegen die Menschlichkeit teilhaben."
World Data Network, 14.2.2000 http://www.wdn.com

17.2.2000 Tschetschenische Quellen sprechen von bis jetzt 15.000 getöteten Zivilisten, die russische Seite meint, es seien mehrere Hundert Personen gestorben.
Nachrichtendienst Stratfor, www.Stratfor.com, 17.2.2000

24.2.2000 Der grüne Europaabgeordnete Daniel Cohn-Bendit nannte Wladimir Putin wegen seines Vorgehens im Kaukasus einen ‚Mörder‘. Ein Volk werde massakriert, sagte Cohn-Bendit im französischen Fernsehen. Stalin habe die Tschetschenen 1944 deportieren lassen, Putin bringe sie heute um. Moskau sei dabei, eine‘ tschetschenische Taliban‘ hervorzubringen.
Financial Times Deutschland, 24.2.2000

26.2.2000 Human Rights Watch meint, es werde ein Muster summarischer Exekutionen in ganz Grosny deutlich. Auf die jüngsten Berichte reagierte die Militärführung wie üblich mit beleidigten Dementis. Die Anschuldigungen seien unwahr und beruhten allein auf Gerüchten. Zwar trifft es zu , dass die Umstände der genannten Vorfälle genauer ermittelt und weitere Zeugen befragt werden müssen. Aber es läge an der russischen Führung, selber den Berichten und Fakten auf den Grund zu gehen. Statt dessen hat Moskau die Stadt Grosny abgeriegelt . Der Kreml weigert sich gegen die ständige Präsenz ausländischer Beobachter im Kriegsgebiet. Dies legt den Verdacht nahe, dass Moskau das wahre Ausmass der Kriegsverbrechen vertuschen will.
Neue Züricher Zeitung, 26.2.2000

26.2.2000 Der tschechische Präsident Vaclav Havel rief die internationale Gemeinschaft dazu auf, gegen die russische Kriegsführung im Kaukausus zu protestieren. Im tschechischen Fernsehen nannte er das russische Vorgehen im Kaukasus das ‚Abschlachten einer Nation‘.
Neue Züricher Zeitung, 28.2.2000

März

1.3.2000 In einem Interview mit der britischen Zeitung The Guardian sagte der EU-Kommissar für Außenbeziehungen: Einiges des Leids, welches der tschetschenischen Bevölkerung zugefügt wurde, wird Narben hinterlassen, die lange Zeit nicht heilen werden. Es gibt so etwas wie geistige Verschmutzung, wenn man die Augen vor solch systematischen und entsetzlichen Menschenrechtsverletzungen, wie sie in Tschetschenien passieren, verschließt."
The Guardian, 1.3.2000

15.3.2000 Madina Magomadowa, Vorsitzende der Vereinigung 'Mütter Tschetscheniens', Wiktor Popkow, Direktor der 'Omega' Gesellschaft, Chris Hunter, Direktor des Zentrums für Friedensstiftung und kommunale Entwicklung in Moskau, Junsei Teresawa, buddhistischer Mönch des 'Nipponzan Myuohoji' Tempel, und Tadashi Aoyama, Direktor des Bürgerfonds für Frieden, unterzeichnen einen dringenden Appell zur Situation in Tschetschenien. Darin heißt es unter anderem: "Wir verurteilen die willkürliche Ermordung von Zivilisten in Tschetschenien und die Bombardierung von Dörfern und Städten sowie andere Angriffe auf zivile Objekte, darunter Krankenhäuser und Gebäude, die religiösen Zwecken dienen. Der Großteil der Republik ist zerstört worden. Medizinisches Personal und Patienten sind von russischen Soldaten erschossen worden. Wir verurteilen die Benutzung verbotener Waffen durch russische Truppen. Sobald sie die Kontrolle über bewohnte Gebiete erlangt haben, schüchtern russische Truppen die Lokalbevölkerung ein, in vielen Fällen nehmen sie Personen fest oder bringen sie um. Was die russischen Behörden als Antiterror-Kampagne bezeichnen, ist nichts anderes als eine weit gefächerte Schikanierung der Zivilbevölkerung, ohne jeglichen Respekt vor menschlichem Leben und menschlicher Würde. Kein Zivilist in Tschetschenien kann sich in irgend einem Teil seines Heimatlandes sicher fühlen. Bewegungsfreiheit wird nicht gewährt, da jeder Zivilist eine speziellen Genehmigung erhalten muss, um sich von einem Distrikt der Republik in den anderen zu bewegen. Die willkürlichen Massenverhaftungen, die die Bevölkerung in allen Teilen Tschetscheniens bedrohen, enden oft in der Inhaftierung in russisch kontrollierten Filtrationslagern, wo Schläge, Folter, Vergewaltigung und Morde an der Tagesordnung sind. [...] 200.000 Flüchtlinge, die in Inguschetien leben, sind armseligen Verhältnissen ausgesetzt und bekommen nur unzureichend Hilfe. [...] Interne Flüchtlinge innerhalb Tschetscheniens sind noch schlechteren Bedingungen ausgesetzt als die in Inguschetien, da für sie so gut wie keine Hilfe bereit gestellt wird. Sogar die grundlegendsten Dinge wie Elektrizität, Gas zum Heizen und Kochen sowie Grundnahrungsmittel und Medikamente fehlen."
War and Human Rights, 15. 3.2000 http://www.hro.org/war/168_a.htm

23.3.2000 Internationaler Aufruf gegen den Krieg in Tschetschenien, verfasst von dem französischen Philosophen André Glucksmann: "Grosny geschleift, ohne dass ein Finger sich rührt. Dörfer niedergebrannt, ohne dass ein Finger sich rührt. Verwundeten den "Gnadenschuss" gegeben, ohne dass ein Finger sich rührt. Körper gefoltert, Frauen und Männer vergewaltigt, ohne dass ein Finger sich rührt. Das Volk zertreten, ohne dass ein Finger sich rührt. Internationales Schweigen, in bester Komplizenschaft(...)"
Zu den 200 Unterzeichnern gehören:
Timothy Garton Ash, Andrej Babizki, Wolf Biermann, Norbert Blüm, Jelena Bonner, Daniel Cohn-Bendit, John le Carré, Noam Chomsky, Umberto Eco, Bora Cosic, Günter Grass, Elfriede Jelinek etc.
Die Tageszeitung TAZ, 23.3.2000

31.3.2000 Die Welt veröffentlicht einen Artikel von Mustafa Edilbiew, dem Chefredakteur der in Moskau erscheinenden Zeitung ‚Kawkas‘. "Die Leichtigkeit des Erfolgs und der dringende Wunsch, Revanche zu nehmen für die Niederlage im ersten Krieg, verwirrte den russischen Militärs und Politikern die Köpfe. Sie begannen, Wohnviertel und zivile Objekte zu bombardieren und mit schwerer Artillerie und Raketen zu beschießen. Unter dem Vorwand der ‚Säuberung‘ wurden Siedlungen in Konzentrationslager verwandelt. Vergewaltigung, Plünderung und Mord wurden zur üblichen Vorgehensweise der russischen Truppen.
Die so genannte ‚anti-terroristische Operation‘ Putins wurde schrittweise zum Genozid und zum Krieg gegen das tschetschenische Volk. So ist es zu erklären, dass die Kräfte des Widerstands in Tschetschenien aktiv wurden, als Russlands militärische Befehlshaber das Ende der militärischen Etappe der ‚anti-terroristischen Operation‘ verkündeten. Und dieser nationale Widerstand wird stärker werden, der Krieg in Tschetschenien hat gerade erst begonnen."
Die Welt, 31.3.2000

April

4.4.2000 Die in den Vereinigten Staaten angesiedelte Organisation 'Physicians for Human Rights' führte eine Kongress-Anhörung mit den Ergebnissen ihrer Umfrage bei tschetschenischen Flüchtlingen durch. 60% der 1.140 Befragten haben gesehen, wie russische Soldaten Missbrauch an Nicht-Familienmitgliedern verübt haben. Mehr als 16% berichteten von Missbrauch gegen Mitglieder ihres eigenen Haushalts. Mehr als 40% einer Zufallsauswahl, die aus der UNHCR-Registrierungsliste von 180.000 Flüchtlingen getroffen wurde, wurden Zeuge einer Tötung. 6% mussten mit ansehen, wie ein Mitglied ihres Haushalts getötet wurde.
Physicians for Human Rights in Refugees Daily, 5.4.2000 www.unhcr.ch/refworld/

Mai

26.5.2000 Der Kommentator der Neuen Züricher Zeitung erklärt: Acht Monate nach Beginn des zweiten Tschetschenienkriegs ist die Situation verfahrener denn je. Eine Friedenslösung müsste gegen die russische Militärführung durchgedrückt werden. Die ist jedoch von dem Wahn besessen, die Schmach des ersten Krieges tilgen zu müssen. Auch Putin ist ein Gefangener seiner Politik: Er hat die Rückkehr der abtrünnigen Republik unter Moskaus Obermacht zu einem Musterbeispiel für den Kampf für einen starken Zentralstaat gemacht. Lenkt er in Tschetschenien ein, so stirbt auch die Hoffnung vieler Wähler, Putin könne Russland nach einem Jahrzehnt der Enttäuschungen wieder in eine stolze Nation verwandeln. Trotz der hohen Opferzahlen steht die öffentliche Meinung noch hinter dem Krieg. Militärisch sei Moskau durchaus in der Lage, sich über Jahre in der Republik festzukrallen. Der Bau umfangreicher Verteidigungsstellungen und gut geschützter Garnisonen zeige, dass Moskau genau das im Sinn habe.
Neue Züricher Zeitung, 26.5.2000

Juni

3.6.2000 Die Berichte des russischen Verteidigungsministeriums über die "sichere Kontrolle" fast aller Orte Tschetscheniens seien ein konjunktureller Bluff. Wenn man der Wahrheit ins Auge sehe, so sei es jetzt, "da die tschetschenischen Bandenformationen nicht zerschlagen, sondern lediglich zerstreut sind, noch sehr weit bis zum Abschluss der antiterroristischen Operation." Jetzt beginne eine schwere und opferreiche Etappe des Partisanenkrieges.
Komsomolskaja Prawda, 3.6.2000

4.6.2000 Die russische Führung erkläre zwar immer wieder, sie hätte einen großen Teil des tschetschenischen Territoriums von "Banditen und Terroristen" befreit, und die tschetschenische Bevölkerung habe genug von diesen "Banditen", trotzdem kommt es immer wieder zu Angriffen auf russische Einheiten, gerade in den angeblich "befreiten" Gebieten. Daraus zieht der Kommentator des Tagesanzeiger den Schluss, dass die Bevölkerung die russischen Truppen als Besatzer betrachtet und die tschetschenischen Kämpfer in ihrem Partisanenkrieg unterstützt. Die russische Führung sei im Kaukasus mit Problemen beschäftigt, welche die Zukunft des ganzen Landes wesentlich beeinflussen werden. Wie kann Russland demokratischen Prinzipien treu bleiben, gute Beziehungen mit dem Rest der Welt pflegen und gleichzeitig den Kaukasus unter seiner Herrschaft behalten? Auf diese Frage müsse Putin, zu dessen Wahlsieg der blutige Krieg im Nordkaukasus wesentlich beigetragen habe, eine Antwort finden.
Tagesanzeiger, 4.6.2000

Juli

August

5./6.8.2000 Die Neue Züricher Zeitung zum Jahrestag des Kriegsbeginns in Tschetschenien: "Moskau hat sich mit seinem Kriegseinsatz zwar wieder auf tschetschenischem Boden festgekrallt, aber mit ungewissen Perspektiven und zum Preis eines enormen Blutzolls. Allein auf russischer Seite kamen nach offiziellen Angaben im Verlauf der einjährigen Kämpfe fast 2600 Mann ums Leben. Die tatsächliche Zahl dürfte höher liegen. Während auf der Seite der Zivilbevölkerung und der Guerilla die Zahl der Todesopfer vermutlich in die Zehntausende geht. Es kann kein Zweifel bestehen, dass Moskau mit dem blindwütigen Feldzug selbst die Brutalität der tschetschenischen Verbrecherbanden in den Schatten gestellt hat. Indem russische Artillerie und Kampfbomber gnadenlos eine Ortschaft um die andere vernichteten, vergalten sie Terror mit Terror. Recht gut belegt sind Dutzende Fälle willkürlicher Erschießungen, wofür die russische Justiz bisher keinen einzigen Militärangehörigen zur Rechenschaft gezogen hat. Und die verbreitete Praxis russischer Militärs, Einwohner zu verhaften und gegen Bestechungsgelder wieder frei zulassen, erinnert fatal an ein neues Entführungsgeschäft, diesmal mit umgekehrten Vorzeichen.
Neue Züricher Zeitung, 5./6.8.2000

8.8.2000 Mit dem Überfall tschetschenischer Kämpfer auf Dagestan begann vor genau einem Jahr der erneute Krieg in Tschetschenien. Das Bieler Tagblatt bilanziert, fast 2600 Soldaten seien in den letzten zwölf Monaten gefallen, mehr als 7500 Soldaten seien verwundet worden. Mehr als 150.000 Menschen seien aus ihren Häusern geflohen und hätten größtenteils in der Nachbarrepublik Inguschetien Zuflucht gefunden. Die westliche Kritik am Tschetschenienkrieg sei trotz erschütternder Berichte abgeflaut. Sanktionen der EU seien wieder aufgehoben worden und Putin habe gezielt die Warnung vor der Gefahr der Ausbreitung des islamischen Extremismus als Argument für den Krieg eingesetzt. Der Krieg dauere immer noch an.
Bieler Tagblatt, 8.8.2000

14.8.2000 Andrej Sokolow: "Ein Sieg der russischen Truppen nach einem Jahr Krieg im Kaukasus ist trotz aller Beteuerungen der Militärs nicht näher gerückt. Tag für Tag sterben russische Soldaten. Der jüngste Bombenanschlag auf dem Moskauer Puschkin-Platz brachte das Gespenst des Terrors, als dessen unerbittlicher Jäger Putin sich profilieren will, in die russischen Städte zurück."
Salzburger Nachrichten, 14.8.2000

September

6.9.2000 Vor dem Milleniumsgipfel in New York hat Human Rights Watch Präsident Clinton noch einmal an Tschetschenien erinnert. Die Organisation fordert den amerikanischen Präsidenten auf, von Wladimir Putin die Untersuchung der massiven Menschenrechtsverletzungen in Tschetschenien zu verlangen. Besonders vier Punkte sollten dabei angesprochen werden: Ein transparenter und fairer Prozeß sollte all denjenigen gemacht werden, die für die Menschenrechtsverletzungen verantwortlich sind. Es sollte den UN-Menschenrechtsspezialisten erlaubt sein, sich uneingeschränkt in Tschetschenien zu bewegen. Die OSZE sollte nach Tschetschenien zurückkehren dürfen und Putin sollte einen klaren Zeitplan für all diese Aktivitäten vorlegen. Gleichzeitig belegt Human Rights Watch in einem Memorandum, dass die Verbrechen in Tschetschenien nicht ausreichend oder gar nicht geahndet wurden.
Human Rights Watch Presseerklärung, 6.9.2000

Oktober

30.10.2000 Anläßlich des Besuchs des russischen Präsidenten Putin zum EU-Russland-Gipfel in Paris, veröffentlichten europäische Intellektuelle einen Aufruf gegen den Krieg. Ein Ende des Krieges und die Öffnung Tschetscheniens für humanitäre Hilfe und internationale Beobachter, Gespräche mit dem Präsidenten Tschetscheniens, Maschadow, werden gefordert. "Die kalte Jahreszeit steht jetzt vor der Tür und wird das Elend und die Hoffnungslosigkeit der Bevölkerung noch verschlimmern; einer Bevölkerung, die -da sie sich nicht ergeben hat- in ihrer ausradierten Hauptstadt, ihren verbrannten Dörfern, auf ihren verminten Wegen und Böden des Allernötigsten beraubt ist-, einer Bevölkerung, die Bomben, willkürliche Razzien, Folterungen und Massenerschießungen ausgesetzt ist. Wie im Kosovo ist die Hälfte in Lager (in Inguschetien) geflohen, wo nichts für den Winter voprbereitet ist."
Aufruf z. B. in die tageszeitung TAZ, 26.10.2000

b) Kommentare zur westlichen Politikoben

Oktober

21.10.1999 In einer Glosse spielt das WDR Magazin,Monitor, den Fall durch, die NATO würde, so wie in Jugoslawien auch, in Tschetschenien eingreifen. Die Realität wird zuerst bilanziert, der Völkermord in Tschetschenien benannt: Mehr als ein Zehntel der tschetschenischen Bevölkerung musste fliehen, sie haben alle Grauenvolles hinter sich. Die Kriegsmaschinerie des Kreml hat ein Drittel Tschetscheniens erobert, ganze Landstriche sind zerbombt, Dörfer planmäßig in Schutt und Asche gelegt. Dann kommt das Spiel: Die deutsche Regierung habe sich dazu entschieden, zum zweiten Mal in diesem Jahr klar Stellung zu beziehen, Scharping vergleicht Tschetschenien mit den deutschen Verbrechen während des Holocaust.
Monitor, 21.10.1999

26.10.1999 Aus einem Brief von Gregor Gysi an Bundeskanzler Gerhard Schröder: "Es genügt nicht, darüber Bestürzung zu äußern und Gespräche zu führen. So verfestigt sich nur der fatale Eindruck, dass auf der einen Seite zwar Menschenrechtsverletzungen kritisiert werden, andererseits aber die deutsche Außenpolitik nichts unternimmt, um eine sofortige Beendigung der Kriegshandlungen zu erreichen und die Konfliktparteien an den Verhandlungstisch zu bringen. Ich fordere Sie, Herr Bundeskanzler, deshalb im Namen der PDS-Fraktion des Deutschen Bundestages dringend auf:
Ihre Verantwortung für die Einhaltung des Völkerrechts wahrzunehmen und den russischen Krieg gegen Tschetschenien sowie die Menschenrechtsverletzungen gegen dieses Volk entschieden zu verurteilen; deutsche Kredite und finanzielle Leistungen, mit denen Russland direkt oder indirekt diesen Krieg weiter finanzieren kann, einzufrieren. Eine Ausnahme dürften lediglich die humanitären Hilfsformen bilden, die der russischen Bevölkerung unmittelbar zugute kommen;
sich auf internationaler Ebene dafür einzusetzen, die Möglichkeiten wirkungsvoller wirtschaftlicher Sanktionen gegen Russland zu prüfen; dafür Sorge zu tragen, dass sich Russland für diesen Krieg und die darin begangenen Menschenrechtsverletzungen verantworten muss!"
PDS-Online-Pressedienst, 5.11.1999

27.10.1999 Achtzig namhafte Intellektuelle aus Frankreich, Russland, Deutschland und weiteren Ländern haben sich mit einer Erklärung unter dem Titel 'Stopp den Massakern' gegen den Krieg in Tschetschenien gewandt. Darin heißt es unter anderem: "Der Krieg im Kaukasus ist das Vorspiel zu einem neuen Afghanistan: Russische Panzer machen tabula rasa und in den Ruinen ergreifen Fundamentalisten die Macht. Wir schämen uns für das Schweigen der UNO, der NATO, der OSZE und der EU."
Tagesspiegel online, http://www.tagesspiegel.de/archiv/1999/10/27/ak-po-eu-7378.html, 27.10.2000

November

4.11.1999 In Bonn wirft Amnesty International den UN vor, "unzureichend" auf die Menschenrechtsverletzungen in Tschetschenien zu reagieren. Der Russland-Experte der deutschen Sektion, Wittschorek, sagte, das Schweigen müsse ein Ende haben; der UN-Sicherheitsrat müsse trotz des Sitzes von Russland auf die Einhaltung der im September getroffenen Resolution zum Schutz der Zivilisten drängen. Direkte Angriffe auf Zivilisten und zivile Ziele dürften nicht toleriert werden.
epd-Meldung in Frankfurter Rundschau, 5.11.1999

4.11.1999 In Berlin hat der Bundestag in einem fraktionsübergreifenden Antrag an Russland appelliert, die Menschenrechte in Tschetschenien zu wahren. Der CDU-Abgeordete Schockenhoff rügte, dass die Bundesregierung dazu bisher nicht klarer reagiert habe. Solange Russland mit einem "brutalen Krieg" die Menschenrechte verletze, stelle sich das Land "außerhalb des Fundaments, auf dem Europa gebaut wird."
Richard Meng in Frankfurter Rundschau, 5.11.1999

10.11.1999 Die grüne Europaabgeordnete Elisabeth Schroedter sagte im Interview mit der tageszeitung taz, wenn der Westen jetzt nicht ernsthaft an der Konfliktbefriedung Anteil nehme und versuche klarzustellen, dass der Tschetschenien-Krieg keine innere Angelegenheit Russlands sei, weil internationale Menschenrechte nicht die inneren Angelegenheiten eines Landes sein könnten, setze er sich dem Vorwurf der Doppelmoral aus.
die tageszeitung taz, 11.11.1999

17.11.1999 'Ärzte ohne Grenzen' in einem offenen Brief an die Staats- und Regierungschefs, die die OSZE-Konferenz in Istanbul besuchen: "Über zwei Monate lang ist die tschetschenische Bevölkerung das Ziel systematischer, willkürlicher Bombardierungen durch russische Truppen gewesen. Unter dem Vorzeichen der Terrorismus-Bekämpfung ist sie kollektiven Vergeltungsmaßnahmen ausgesetzt, die hauptsächlich Zivilisten treffen. Krankenhäuser, Märkte und Schulen sind wiederholt Ziele von Angriffen der russischen Armee gewesen. [...] In Anbetracht der systematischen Verletzung internationalen humanitären Rechts und der Regeln der OSZE, die die Menschenrechte und die Rechte von Minderheiten betreffen, fordern wir Sie auf, während des Zusammentreffens in Istanbul, allen Druck, der in Ihrer Macht steht, gegenüber den Vertretern Russlands auszuüben, nämlich die willkürlichen Bombardierungen der tschetschenischen Bevölkerung sofort einzustellen, denjenigen, die Tschetschenien verlassen und außerhalb des Landes Zuflucht finden wollen, die Möglichkeit dazu zu geben und den Flüchtlingen und Verwundeten Zugang zu humanitärer Hilfe zu gewährleisten.
Ärzte ohne Grenzen, 17.11.1999 (http://www.msf.org)

30.11.1999 Gregor Gysi und Fraktion: "Die bisherigen Aktivitäten der Bundesregierung waren wenig geeignet, das politische und ökonomische Gewicht der Bundesrepublik Deutschland mit dem Ziel geltend zu machen, zu einer politischen Lösung des Konflikts beizutragen und wirksame Hilfe für die Flüchtlinge zu leisten. Sie werden von russischer Seite offenbar nicht ernst genommen, weil sie halbherzig und unglaubwürdig sind. ... Deshalb ist es geboten, entschlossenere Maßnahmen zu ergreifen, die Russland die Kriegsführung erschweren oder zumindest eine Hinwendung der russischen Seite zu einer politisch-zivilen Konfliktlösung befördern könnten."
Deutscher Bundestag, 14. Wahlperiode. Entschließungsantrag der Fraktion der PDS. Zur Regierungserklärung des Bundeskanzlers zum bevorstehenden Europäischen Rat in Helsinki am 10./11. Dezember 1999. Drucksache 14/2289, 2.12.1999

Dezember

10.12.1999 Dr. Karl-Heinz Gerstenberg, Sprecher von Bündnis 90/ Die Grünen in Sachsen: "Mit dem barbarischen Ultimatum zur Räumung Grosnys werden der Bruch des Völkerrechts und die Verletzungen der Menschenrechte auf die Spitze getrieben. Notwendig sind die sofortige Rücknahme des Ultimatums, der Stopp der militärischen Aktionen sowie der Rückzug der russischen Truppen aus Tschetschenien. Eine demokratische, menschenrechtsorientierte Außenpolitik darf sich nicht weiter auf diplomatische Noten und politische Appelle an die russische Regierung beschränken. Jetzt gilt es zu handeln statt nur zu reden. Dazu gehört die Einstellung aller Finanzhilfen, durch die bisher vor allem die Korruption einer kleinen Elite sanktioniert und die Selbstzerstörung der russischen Föderation vorangetrieben wurde. Umumgänglich sind wirtschaftliche Sanktionen der EU, die nicht zuletzt an der starken Abhängigkeit Russlands vom Erdölexport anknüpfen sollten. Ziel muss eine politische Lösung sein, die durch Vermittlung der OSZE und nur unter Einbeziehung der gewählten tschetschenischen Regierung mit Präsident Maschadow zustande kommen kann."
Pressedienst, Bündnis 90/ Die Grünen, 10.12.1999

11.12.1999 Die europäischen Staats- und Regierungschefs haben zwischen dem Übel einer drohenden Massenerschießung in Grosny und dem Übel einer offenen Drohung gegen Jelzin abgewogen. "Wir dürfen jetzt in dieser heißen Phase des russischen Wahlkampfes nicht den Falschen die Macht in die Hände spielen", lautete darum die Botschaft aus Helsinki.
Berliner Morgenpost, 11.12.1999

11.12.1999 Irwin Cotler, Juraprofessor und kanadischer Abgeordneter, schreibt in der National Post, was die Welt bräuchte, sei eine 'Mobilisierung der Schande', die den Menschenrechtsverbrechern entgegengebracht werden sollte, in der Hoffnung, dass Russland seinem Ruf in der Welt nicht gleichgültig gegenüber steht. Das Schlimme ist, dass Grosny- und große Teile Tschetscheniens- schon zerstört sind; aber es ist immer noch möglich, die Menschen zu retten. Wenn dies nicht passiert, wird Grosny ein zweites Guernica.
National Post Canada, 11.12.1999

Januar

5.1.2000 Zbigniew Brzezinski, ehemaliger US-Sicherheitsberater kritisiert die Rolle der USA im Tschetschenienkrieg: Das Stillhalten der USA im Angesicht des Schlachtens in Tschetschenien, hat viele Russen davon überzeugt, dass diese Politik sie nichts kosten wird. Clintons Bemerkung, er hege keinerlei Sympathie für die Tschetschenen, war ein grünes Licht für Putin, den Krieg weiterzuführen, bis der letzte Tschetschene vernichtet ist. Sogar den russischen Sprachgebrauch von der 'Befreiung Grosnys' hat Clinton in einem Artikel im Times Magazine wiederholt. Bis jetzt habe Putin mehr Ähnlichkeit mit Milosevic als mit Pinochet. Die USA dachte auch einmal, sie könne vernünftig mit Milosevic verhandeln. Vieles in Serbien hätte verhindert werden können, hätte sich die Politik des Westens nicht auf falsche Voraussetzungen gegründet.
Wall Street Journal, Europe Edition, 5.1.2000

27.1.2000 In der WDR-Sendung Monitor wird die rot-grüne Tschetschenien-Politik unter die Lupe genommen: Nicht einmal ein Jahr sei es her, dass sich Außenminister Fischer von niemandem übertreffen ließ, wenn es um die Verteidigung der Menschenrechte ging. Damals war in Jugoslawien Krieg, jetzt sei wieder Krieg, doch die Regierung hülle ihre Kritik in diplomatische Floskeln.
Monitor, 27.1.2000

Februar

18.2.2000 Der Kommentator der Neuen Züricher Zeitung kritisiert das Verhalten der Repräsentanten des Westens in Russland. Robertson, Solana und andere pilgerten nach Moskau, um dem Zerstörer Grosnys die Hand zu schütteln. Die angebliche Wut würde über Schüssel und seiner neu gebildeten Regierung in Österreich ausgeschüttet, Russland aber lasse man machen. Auch Bundesaußenminister Fischer sei da keine Ausnahme, er vertrete die Meinung, die Zukunft Russland sei eine der entscheidenden Zukunftsfragen Europas. Deutschland werde sich deshalb für eine größtmögliche Nähe zu Russland und gegen eine Ausgrenzung und Isolation einsetzen.
Neue Züricher Zeitung, 18.2.2000

26.2.2000 Der tschechische Staatspräsident Vaclav Havel rief die internationale Gemeinschaft zu einer "festen und lauten Reaktion" gegen die russische Kriegführung in Tschetschenien auf. Das russische Vorgehen könne nun ohne zu zögern als das "Abschlachten einer Nation" bezeichnet werden. Dieser Krieg habe nichts mit dem Kampf gegen Terrorismus zu tun. Europa habe immer für eine Beschwichtigungspolitik zu zahlen gehat, wenn es sie angewandt habe.
Ap-Bericht in Neue Zürcher Zeitung, 28.2.2000

März

9.3.2000 Jelena Bonner appelliert gemeinsam mit weiteren Moskauer Intellektuellen an den Westen, den neuen Stalinismus unter Putin nicht zu ignorieren: "Die Politik des Westens gegenüber Putin erinnert jetzt an die Haltung gegenüber Jelzin. Als die Parlamentarier der Europäischen Union die Frage nach der Mitgliedschaft Russlands lediglich zurückstellten, begünstigte das den Völkermord in Tschetschenien und wirkte sich als Schützenhilfe für Putin aus."
Die Weltwoche, 9.3.2000

21.3.2000 Die Welt interviewt den französischen Philosophen André Glucksmann. Dieser kritisiert die Haltung des Westens im Tschetschenienkrieg. Wörtlich sagt er: ‚Es gibt in Russland auch mutige Angehörige der einheimischen Intelligenzija wie Babizki und viele zweifelnde Leute im Volk, die sich nicht immer manipulieren lassen. Nennen wir also die Massaker auch wirklich Massaker! Weisen wir darauf hin, dass Grosny die erste Stadt ist, die seit der Bombardierung Warschaus durch die Wehrmacht fast völlig dem Boden gleich gemacht wurde! Niemand hat Clinton zu dem Euphemismus gezwungen, Grosny wäre ‚befreit‘ worden, niemand hat unseren Außenminister Védrine gezwungen, den Schlächter Putin einen ‚russischen Patrioten‘ zu nennen, und niemand hat von Joschka Fischer verlangt, seinen Amtskollegen Iwanow als ‚meinen Freund‘ zu bezeichnen. Diese diplomatische Komplizenschaft der Kanzleien ist nicht nur ethisch fatal, sondern auch selbstmörderisch.
Die Welt, 21.3.2000

31.3.2000 In der Frankfurter Allgemeinen Zeitung bilanziert der französische Philosoph und Menschenrechtler André Glucksmann zum Völkermord in Tschetschenien: "Von der Spitze eines Leichenberges blickt Putin auf uns herab. Sein mit Bomben und Kanonen geführter Präsidentenwahlkampf lässt die frommen Erklärungen, mit denen die Nato erst vor einem Jahr ihre Intervention im Kosovo umgab, vorsintflutlich und lächerlich erscheinen. (...) Unsere politischen Führer sollten noch einmal über ihre "Leistung" im Kosovo nachdenken. Sie haben keinen reinen und interesselosen "moralischen Krieg" geführt. (..) sonst müssten sie uns erklären, wieso das in Grosny monatelang bombardierte Kind weniger "Mensch" ist als der Bub aus dem Kosovo, der auf den albanischen Wegen des Exodus umkam. Sie müssten uns verraten, wieso die gevierteilte Frau aus deinem tschetschenischen Dorf, die mit Händen und Füßen zwischen zwei Autos gebunden und in Stücke zerrissen wurde, weniger "Frau" ist als jene, die in einer Scheune auf dem Balkan vergewaltigt wurde. Sie antworten: Putin hat die Bombe, Milosevic nicht. Armseliges Alibi! (...) Wenn die demokratische Gemeinschaft nun angesichts der "Säuberung" Tschetscheniens abdankt und Putin freie Hand lässt, verleugnet sie sich. Dem, der es hören will, gibt sie so zu verstehen, dass Belgrads einziger Fehler darin bestand, nicht über ein Arsenal chemischer, biologischer oder atomarer Massenvernichtungswaffen zu verfügen. Viel Spaß beim Aufräumen!
Frankfurter Allgemeine Zeitung, 31.3.2000

April

4.4.2000 In der Berliner Morgenpost fordert der ehemalige Bundesaußenminister Kinkel, der Völkermord in Tschetschenien müsse sofort aufhören. Putin müsse sich jetzt zu einem mutigen Friedensschritt durchringen, den er sich als Wahlkämpfer vielleicht noch nicht leisten konnte. Deshalb appelliert Kinkel an die Bundesregierung, sich bei der Tagung des Europarats in Straßburg für den Ausschluss Russland aus dem Europarat einzusetzen.
Berliner Morgenpost, 4.4.2000

12.4.2000 Die FDP-Bundestagsfraktion setzt sich für eine Tschetschenienresolution der UN-Menschenrechtskommission ein, diese solle der Bundestag beschließen. Wörtlich heiß es in dem FDP-Antrag:
"Die internationale Staatengemeinschaft darf nicht länger hinnehmen, dass ihre Appelle keinerlei Wirkung entfalten. Bei aller Anerkennung des russischen Bedürfnisses nach Stabilität muss die neue Regierung unter Wladimir Putin zur Einhaltung ihrer Zusagen, aber auch ihrer völkerrechtlichen Pflichten aufgefordert werden. Die gegenwärtig in Genf stattfindende 56. VN-Menschenrechtskommission bietet hierfür den geeigneten Rahmen."
Deutscher Bundestag, Drucksache 14/3186, 12.4.2000

17.4.2000 Die österreichische Zeitung ‚Die Presse‘ kommentiert, der Westen habe sich vor längerem entschieden, auf den Tschetschenien-Feldherren Putin keinen Druck zu machen (weder politisch noch finanziell), sondern Putin zu hofieren und per Dialog Sorge zu äußern. Es sei nur so, dass Moskau selbst diesen Dialog diktiere und am Faktum des Krieges hätte er noch kein Jota geändert.
Die Presse, 17.4.2000

19.4.2000 Der neugewählte russische Präsident beginnt mit seinen Antrittsbesuchen im Westen. Als erstes besucht er Tony Blair, hier offenbart sich das Dilemma der europäischen Russlandpolitik. Einerseits wird betont, dass Russland nicht ausgegrenzt werden soll, andererseits demonstrierte die englische Öffentlichkeit in Protestaktionen das große Unverständnis darüber, dass Putin angesichts des Vernichtungsfeldzugs in Tschetschenien hofiert wird.
Kommentar von Christian S. Krebs in den Nürnberger Nachrichten, 19.4.2000

21.4.2000 Erhard Eppler bilanziert im Deutschen Allgemeinen Sonntagsblatt zum Tschetschenienkrieg, in Tschetschenien tobe ein Krieg, der offiziell kein Krieg sein durfte. Wenn der Tschetschenienkrieg tatsächlich ein Mittel im Wahlkampf Putins für das Präsidentenamt war, so wünscht Eppler dem Präsidenten, dass er "auf die Nase fällt". Eppler geht jedoch auch davon aus, dass die tschetschenischen Politiker einen Teil der Verantwortung für den Krieg in ihrem Land tragen. Der internationale Gewaltverzicht sei im 21. Jahrhundert kein Allheilmittel für die europäischen Staaten mehr. Solange Krieg zwischen atomar gerüsteten Blöcken Tod bedeutete, sei die Frage nach Krieg und Frieden eine Frage nach Leben und Tod gewesen. Im 21. Jahrhundert jedoch sei Krieg eine Form der Gewalt. Unsere Aufgabe sei es, der Gewalt vorzubeugen, sie zu verhindern, zu zähmen und notfalls zu brechen, ob sie sich Krieg nennt oder nicht.
Deutsches Allgemeines Sonntagsblatt Nr. 16/2000, 21.4.2000

Mai

2.5.2000 In der Frankfurter Rundschau kommentiert Florian Hassel die Politik des Westens. Wie während des ersten Krieges gebe sich der Westen mit kritischen Worten zufrieden, lasse Moskau aber im Übrigen gewähren. Seit sieben Monaten exerziere Russland nun das gesamte Instrumentarium der Kriegsverbrechen: Bombardement und Blockade unbeteiligter Zivilisten, Auslöschung ganzer Städte und Dörfer, Kidnapping und Mord an tschetschenischen Männern, systematische Plünderungen, Vergewaltigungen und Vertreibungen. Diese Verbrechen erfüllten die Definition des Völkermords, trotzdem lande Moskau immer wieder Propagandacoups in der westlichen Welt. All dies überrasche jedoch nicht. US-Präsident Nixon und der spätere Außenminister Kissinger hätten für ihre Verbrechen im Vietnamkrieg sicher auch vor ein Kriegsverbrechertribunal gehört, leben aber beide nun in Frieden. Russlands Präsident Putin wird noch vor seiner Vereidigung von der Queen zum Tee geladen. Nach wie vor gelte, dass ein Land nur groß genug sein müsse, um sich seine Verbrechen leisten zu können.
Florian Hassel in Frankfurter Rundschau, 2.5.2000

Mai 2000 In der Zeitschrift ‚Internationale Politik bilanziert der russische Menschenrechtler, Präsident des Instituts für Menschenrechte und ehemalige Menschenrechtsbeauftragter der Duma, Sergej Kowaljow: " Wie kann man sich damit abfinden, was in Tschetschenien passiert? Dort wird doch im Prinzip nach dem jugoslawischen Muster gehandelt, nur unzivilisierter, womit nicht die Motivation der Kriegstreiber, sondern die Logik des Geschehens gemeint ist. Dies ist der zweite Krieg innerhalb der letzten fünf Jahre, den Russland auf kaukasischem Territorium führt. Ich betonte es damals und wiederhole es jetzt: Nicht nur die Regierung von Präsident Boris Jelzin trägt die Schuld an den Opfern im ersten Krieg 1994 bis 1996, sondern ebenso die westlichen Staatsoberhäupter. Sie hätten, wenn sie gewollt hätten, dieses Blutbad verhindern können. (...) Warum wendet man sich nicht an die internationalen juristischen Instanzen? Warum erhebt man keine Klage beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg? (...) Mit der Aufnahme Russlands in den Europarat übernahm Europa die Verpflichtung, Russland zur Erfüllung einer Reihe von Bedingungen zu bewegen. Inzwischen hat die Parlamentarische Versammlung des Europarats entschieden, das Stimmrecht der russischen Delegation auszusetzen. (...) Ich hoffe jedenfalls, dass eine entschiedene, rigorose und zugleich konstruktive Haltung der europäischen Länder zu Russland nicht nur den Anstoß zur Beendigung der Barbarei im Nordkaukasus gibt, sondern auch die Grundlage für eine zukünftige Zusammenarbeit schafft.
Internationale Politik Mai 2000 Nr. 5, 55. Jahr

13.5.2000 Die Neue Züricher Zeitung kritisiert den Nicht-Ausschluss Russlands aus dem Europarat wegen Tschetschenien scharf: Im Namen Europas hätten die Politiker die eigenen Grundwerte verraten. Die Seele des Europarats sei 51 Jahre und 1 Woche nach ihrer Geburt gestorben
Neue Züricher Zeitung, 13.5.2000

15.5.2000 Die russlandfreundliche Politik des Europarates kommentiert die Stuttgarter Zeitung damit, die Organisation sei auf den ältesten Taschenspielertrick hereingefallen: " Setze ein Gremium ein und tue nichts - denn das Morden im Kaukasus geht mit unverminderter Brutalität weiter."
Stuttgarter Zeitung, 15.5.2000

Juni

3.6.2000 Am Wochenende wird US-Präsident Clinton den russischen Präsidenten treffen. Die Kommentatoren der Moscow Times empfehlen ihm, in Sachen Tschetschenien die Realität genau anzuschauen. Bis jetzt sei die amerikanische Politik zu Tschetschenien reine Rhetorik gewesen. Das Versagen des Westens in Anbetracht der Verbrechen im Kaukasus habe ernsthafte Fragen hervorgerufen. Wird Russland mit einem solch brutalem Krieg einfach ungestraft davonkommen? Wie dramatisch müssen die Dinge liegen, bevor die internationale Gemeinschaft reagiert? Oder lernen wir aus der Politik des Westens, dass ein Land, welches so mächtig ist wie Russland, seine eigenen Bürger morden, foltern, töten, vergewaltigen und verschleppen kann, ohne dass jemand reagiert? Clinton hat heute die Chance, Moskau zu zeigen, dass Menschenrechte wirklich überall gelten und dass Russland keine Ausnahme darstellt.
The Moscow Times, 3.6.2000

17.6.2000 Zwei Tage lang fand in Berlin ein deutsch-russischer Gipfel statt. Er sollte einen Neuanfang der deutsch-russischen Beziehungen sein. Dies jedoch wurde nicht erreicht. Die Berliner Morgenpost kommentiert, die alten Lasten seien geblieben: die russischen Schulden, der Krieg in Tschetschenien, die Nato-Erweiterung. Kritik der Bundesregierung, die im Vorfeld zu einer Abkühlung der Beziehungen geführt hatte, perlt an dem Kreml-Chef ab. Putin wolle Respekt für sich und sein Land, er wolle einen eigenen Weg finden, der Westen müsse diesen Weg kritisch begleiten.
Berliner Morgenpost, 17.6.2000

17.6.2000 Kommentatoren verschiedener Zeitungen befassen sich kritisch mit dem Besuch Putins in Berlin. Die Frankfurter Rundschau schreibt: Irgendwie kommt einem das alles doch bekannt vor: Die Chemie stimmt, die Herren haben einen Draht zueinander gefunden, die Familien wollen sich zur Weihnachtszeit in Moskau treffen. Nichts gegen gute persönliche Beziehungen in der Politik, aber der notwendige Neuanfang der deutsch-russischen Beziehungen sollte nicht gleich Assoziationen zu der Männerfreundschaft der Saunagänger Kohl und Jelzin wecken.
Frankfurter Rundschau, 17.6.2000

c) Russische Politiker und Militärs rechtfertigen den Völkermordoben

September

22.9.1999 TV5 steht unter dem Einfluss des Moskauer OB und Präsidenten in spe Juri Luschkow. Der bezeichnete am letzten Donnerstag Tschetschenien als "eine Gemeinschaft von Banditen, die in Terrorismus, Sklavenhandel und Diebstahl engagiert sind." Wladimir Putin sagte: "Die Terroristen verstecken sich auf tschetschenischem Territorium." Deshalb müsse es unter "Quarantäne" gestellt werden.
Jungle World , 22.9.1999

Oktober

5.10.1999 Ein Kommandeur der russischen Streitkräfte, Generalleutnant Gennadi Troschew, sagte: "Wir werden die Rebellen mit allen uns zur Verfügung stehenden Mitteln vernichten."
Hamburger Abendblatt, 5.10.1999

9.10.1999 Presseberichten zufolge hat der russische Außenminister Igor Iwanow öffentlich zugegeben, dass die zwei-wöchige Luft- und Landkampagne zu Verlusten unter der Zivilbevölkerung geführt hat.
Amnesty International Report EUR 46/38/99. The Russian Federation: Chechen Republic. Humanity is indivisible. Open Letter to the United Nations from the Secretary General of Amnesty International. November 1999.
http://www.amnesty.org/ailib/aipub/1999/EUR/44603899.htm

12.10.1999 Der russische Verteidigungsminister Igor Sergejew erklärte bei einem GUS-Verteidigungsministertreffen, das Ziel sei die volle Kontrolle Tschetscheniens und die "endgültige Vernichtung der bewaffneten Banden in Tschetschenien."
Berlin Online, 13.10.1999, http://www.BerlinOnline.de

13.10.1999 Die Militäroperation in Tschetschenien wird aus zusätzlichen Einnahmen des föderalen Haushaltes finanziert, erklärte Premierminister Wladimir Putin. Auf die Aussage des geschäftsführenden IWF-Direktors Michel Camdessus diesbezüglich eingehend, unterstrich er, dass diese Ausgaben überhaupt nichts mit den IWF-Geldern zu tun haben.
Deutsche Welle Monitor, 14.10.1999

22.10.1999 Die russischen Behörden haben unterschiedliche und sich widersprechende Kommentare über die Geschehnisse im Markt von Grosny am Nachmittag des 21. Oktober abgegeben. Aleksandr Mikhailow, Vorsitzender des russischen Informationszentrums (gegründet von der Regierung, um Informationen in Bezug auf den Konflikt in Tschetschenien herauszugeben), behauptet am 22. Oktober in der Fernsehsendung "Segodnya", dass am 21. Oktober keine russischen Militärangriffe auf Grosny stattgefunden haben, weder aus der Luft noch mit Bodenraketen. Ferner behauptet er, die Explosionen im Markt wären möglicherweise von den tschetschenischen Kämpfern selbst ausgelöst worden.
Amnesty International. Russian Federation: Chechnya. For the Motherland. Reported grave breaches of international humanitarian law. Persecution of ethnic Chechens in Moscow. December 1999.

22.10.1999 Auf einer Pressekonferenz während eines offiziellen Besuchs in Helsinki sagte der russische Premierminister Wladimir Putin:" Ich kann bestätigen, dass es im Markt von Grosny eine Explosion gegeben hat. Aber ich möchte betonen, dass es kein regulärer Markt war - es war ein Waffen-Markt - so wird dieser Ort in Grosny genannt. Es ist ein Lagerhaus für Waffen. Und dieser Ort ist einer der Kommandoposten der tschetschenischen Gangstergruppen. Wir schließen die Tatsache nicht aus, dass die Explosion, die dort stattfand, das Ergebnis von Kämpfen zwischen zwei sich bekriegenden Gangstergruppen war. Es liegen auch Informationen vor, dass eine besondere Operation der russischen föderativen Kräfte ebenfalls dort stattfand. Diese Art von Operationen werden regelmäßig durchgeführt. Aber diese Operationen haben keine Verbindung zu den Geschehnissen in Grosny."
Amnesty International. Russian Federation: Chechnya. For the Motherland. Reported grave breaches of international humanitarian law. Persecution of ethnic Chechens in Moscow. December 1999.

23.10.1999 Waleri Manilow, erster stellvertretender Vorsitzender des Generalstabs der Russischen Streitkräfte (First Deputy Chief of the General Staff of the Russian Forces), sagt in der Sendung "Segodnya":"... Die Operation am 21. Oktober in Grosny war keine Militäroperation, es war eine besondere [Sicherheits-] Operation. Als Resultat dieser besonderen Operation begannen zwei kriegerische Gangstergruppen in der Nähe eines der größten Lagerhäuser, für Waffen und Sprengstoff zu kämpfen. ... Es ist möglich, dass das Waffenlager dabei getroffen wurde und es so zu gewaltigen Explosionen kam."
Amnesty International. Russian Federation: Chechnya. For the Motherland. Reported grave breaches of international humanitarian law. Persecution of ethnic Chechens in Moscow. December 1999.

23.10.1999 Generalmajor Ruslan-Auschew, Präsident von Inguschetien und Veteran des Afghanistan-Kriegs, weist die Berichte von einer Explosion im Waffenlager entschieden zurück.: "Sogar wenn die größten Waffenlager im Fernen Osten explodierten, gab es lediglich ein oder zwei Verletzte. Hier haben wir einen so präzisen Treffer, so viele Leichen und so viele Verletzte. Für mich als Soldat ist es eindeutig, dass dies ein Angriff mit taktischen Raketen war. Diese Entscheidungen werden an oberster Stelle getroffen, besonders die Entscheidung, Bodenraketen zu benutzen oder nicht, die im Prinzip Träger von Nuklearwaffen sind. Ich denke, der Präsident weiß darüber Bescheid. Wer würde sonst die Verantwortung dafür übernehmen, Raketen-Truppen zu benutzen?"
Amnesty International. Russian Federation: Chechnya. For the Motherland. Reported grave breaches of international humanitarian law. Persecution of ethnic Chechens in Moscow. December 1999.

23.10.1999 Der russische Ministerpräsident Wladimir Putin stritt eine Beteiligung russischer Spezialeinheiten an den Explosionen auf dem Marktplatz von Grosny ab. Das russische Militär räumte dagegen die Zerstörung eines angeblichen Waffenbasars an dem Markt durch eine "Spezialoperation" ein. Das russische Militär räumte doch eine indirekte Beteiligung an dem Massaker auf einem Markt der tschetschenischen Hauptstadt Grosny ein, gab zugleich aber Tschetschenen die Schuld an der Tragödie. Russische Spezialeinheiten hätten bei einem Einsatz am Donnerstag in Grosny zwei verschiedene Gruppen der tschetschenischen Kämpfer gegeneinander aufgewiegelt, sagte der stellvertretende Generalstabschef Waleri Manilow, ohne Einzelheiten zu nennen.
ARD-Tagesschau auf der homepage: http://www.tagesschau.de, 23.10.1999

26.10.1999 Generalmajor Wladimir Schamanow, Kommandeur der Russisch-föderativen Streitkräfte "Zapad", sagt, die Explosionen in Grosny am 21. Oktober wären das Resultat eines russischen Angriffs gewesen. Auf die Frage hin, wer denn bevollmächtigt gewesen sei, den Angriff anzuordnen, antwortet der General, es läge außerhalb seiner Befugnis und sei von höchster Stelle angeordnet worden.
Amnesty International. Russian Federation: Chechnya. For the Motherland. Reported grave breaches of international humanitarian law. Persecution of ethnic Chechens in Moscow. December 1999.

November

1.11.1999 Der russische Ministerpräsident Putin hat in mehreren Rundfunk- und Fernsehgesprächen "manche Fehler" der russischen Truppen in Tschetschenien zugegeben, den Militäreinsatz jedoch verteidigt. Berichte über russische Bombardements tschetschenischer Zivilisten wies er als "böse Propaganda der Terroristen" zurück.. Ziel des Militäreinsatzes sei die "Vernichtung von Terroristen, nicht aber die Eroberung Tschetscheniens".
Frankfurter Allgemeine Zeitung, 2.11.1999

1.11.1999 Die russische Regierung bestreitet, dass die Offensive in Tschetschenien Zivilisten das Leben gekostet hat.
Human Rights Watch, 1.11.1999 (http://www.hrw.org/press/1999/nov/chechb1101.htm)

Anfang November 1999 In Moskau gibt es laut Presseberichten schwerwiegende Differenzen zwischen Kreml und Militär über das weitere Vorgehen der russischen Armee in Tschetschenien. Das Oberkommando der Armee habe mit Rücktritt gedroht, sollte die russische Führung Verhandlungen mit den Tschetschenen aufnehmen, berichtet die Zeitung Moskowski Komsomolets. Vize-Generalstabschef Manilow sagte, das Ziel sei die "völlige Vernichtung oder die Kapitulation der Terroristen", - "die Arbeit ist noch lange nicht getan." General Kasanzew, Oberbefehlshaber für den Militärbezirk Nordkaukasus, hatte geäußert, falls Moskau den Krieg nun beende, würde das von der Armee als "Verrat" angesehen.
Tomas Avenarius in Süddeutsche Zeitung, 8.11.1999, und Frankfurter Allgemeine Zeitung, 9.11.1999

3.11.1999 In einem Interview mit der Zeitung Junge Welt sagte Gennadi Raikow, stellvertretender Vorsitzender Komitee für Sicherheit in der Duma auf die Frage, ob sich der Angriff auf das Stadtzentrum Grosnys noch als 'antiterroristische' Maßnahme gelte, es würden nur Positionen der Banditen beschossen. 'Die Genfer Konvention erlaubt ein solches Vorgehen gegen bewaffnete Banden.'
Junge Welt, 4.11.1999

10.11.1999 Der Kommandeur der russischen Streitkräfte Kasanzew erklärte, seine Truppen könnten den Krieg "innerhalb einer Woche beenden", sollte er den Befehl Jelzins dazu erhalten. "Ich könnte mit Bomben alles einebnen; dann kommen die Überlebenden gleich mit der weißen Flagge angelaufen."
rtr/AFP/dpa/taz-Bericht in die tageszeitung taz, 11.11.1999

16.11.1999 Russlands Außenminister Igor Iwanow behauptete in einem BBC Fernseh-Interview, Moskaus Militärkampagne in Tschetschenien habe keine humanitäre Krise ausgelöst.
Reuters in Refugees Daily, 16.11.1999

16.11.1999 Vor dem OSZE-Gipfeltreffen in Istanbul wird der Ton zwischen Russland und den westlichen Staaten immer schärfer. Der Westen macht eine spätere Ratifizierung des zur Unterzeichnung stehenden KSE-Rüstungskontrollvertrags von einem Kurswechsel Moskaus in Tschetschenien abhängig; Moskau droht im Gegenzug mit einem Boykott der OSZE-Beschlüsse. Der russische Außenminister Iwanow schrieb in der Financial Times, bei der westlichen Kritik handele es sich um eine "Kampagne" gegen Russland.
Richard Meng in Frankfurter Rundschau, 17.11.1999

18.11.1999 Auf der OSZE-Konferenz in Istanbul verbat sich Jelzin jede Einmischung in innere Angelegenheiten; mit "Banditen und Mördern" gebe es keine Verhandlungen. Im Gegenteil müssten die
Banditen "vollständig eliminiert" und vor Gericht gestellt werden, damit sich "die Pest des Terrorismus" nicht über die Grenzen hinaus ausbreite,sagte er. Schließlich verließ Jelzin das OSZE-Gipfeltreffen vorzeitig.
Wolfgang Koydl in der Süddeutschen Zeitung, 19.11.1999

Mitte November 1999 Der offizielle Tschetschenien-Beauftragte Moskaus, Nikolaj Koschmann, äußert:"Grosny hat es nicht verdient, jemals wieder aufgebaut zu werden."
Tomas Avenarius in der Süddeutschen Zeitung, 22.11.1999

15.11.1999 In Moskau sagte Jelzin, er habe vor, auf dem OSZE-Gipfel in Istanbul den Tschetschenien-Feldzug zu verteidigen. Er werde den westlichen Ländern beweisen, "dass sie kein Recht haben, Russland zu beschuldigen, weil es Kopfabreißer, Banditen und Terroristen auf seinem Territorium vernichtet."
dpa/afp-Bericht in Frankfurter Rundschau, 16.11.1999

17.11.1999 Die Staatsduma hat mit 238 zu 31 Stimmen die Haltung von Ministerpräsident Putin im Tschetschenienkrieg gebilligt. Das Parlament empfahl der russischen Führung keine Verhandlungen, sondern einen schnellen Abschluss der "antiterroristischen Operationen" in Tschetschenien.
Frankfurter Allgemeine Zeitung, 18.11.1999

22.11.1999 In Moskau verteidigt der russische Schriftsteller und Literaturnobelpreisträger Alexander Solschenizyn in einem Fernsehinterview die Vorgehensweise der russischen Armee im Kaukasus. "Wir sind nicht die Aggressoren", sagte er, schließlich seien die Russen angegriffen worden. Der "Terror" in Tschetschenien dürfe nicht weiter geduldet werden.
dpa/afp-Meldung in der Neuen Zürcher Zeitung, 23.11.1999

30.11.1999 Russland hält die Ankündigungen von IWF-Direktor Camdessus, Moskau wegen des Tschetschenienkrieges den Kredithahn zuzudrehen, für unangemessen.
Elke Windisch, Moskau, 30.11.1999

Dezember

1.12.1999 Der russische Verteidigungsminister Sergejew sagte, die 'Militäroperation' in Tschetschenien werde einen bis drei Monate dauern.
Center for defence information www.cdi.org, 1.12.1999

2.12.1999 Der russische Befehlshaber der östlichen Front, General Gennadij Troschew, erklärte das Vorgehen seiner Soldaten folgendermaßen:" Wenn wir aus einem Haus beschossen werden, wird das Haus zerstört. Wenn wir aus einem Ort beschossen werden, wird der Ort zerstört."
dpa/ap/afp-Bericht in Frankfurter Rundschau, 3.12.1999

3.12.1999 In Moskau verschärft das Außenministerium seine Kritik am Westen; die Allianz wird beschuldigt, an einer "Zuspitzung der Situation um Tschetschenien" interessiert zu sein. Der Nato wird "Zynismus" vorgeworfen, da ihre Aufrufe zur Mäßigung in Tschetschenien unglaubwürdig seien, wenn man sich ihr Vorgehen gegen das ehemalige Jugoslawien ansehe.
Frankfurter Allgemeine Zeitung, 4.12.1999 und rtr/dpa-Meldung in die tageszeitung taz, 4./5.12.1999

3.12.1999 In Bezug auf den Angriff auf den Flüchtlingstreck nahe Goity erklärt das russische Verteidigungsministerium, die Berichte der Medien über diesen Vorfall würden auf Falschinformationen beruhen.
Amnesty International. Russian Federation: Chechnya. For the Motherland. Reported grave breaches of international humanitarian law. Persecution of ethnic Chechens in Moscow. December 1999

6.12.1999 Das russische Militär stellt der Bevölkerung Grosnys ein Ultimatum. Bis zum 11.12.1999 sei die Stadt zu verlassen - wer bleibt, werde als Terrorist und Bandit betrachtet und vernichtet. Russische Flieger werfen entsprechende Flugblätter über der Stadt ab. Generalstabschef Manilow erklärt, diese Flugblätter seien ein "Versuch psychologischer Einflußnahme und ein "Akt der Humanität gegenüber der Zivilbevölkerung."
die tageszeitung taz, 8.12.1999

8.12.1999 Als Reaktion auf die scharfe Kritik der USA auf das russische Vorgehen im Kaukasus verweist Jelzin in Peking auf das umfangreiche Atomwaffenarsenal Russlands: "Clinton hat es sich erlaubt, Druck auf Russland auszuüben. Er muß wohl (...) vergessen haben, was Russland ist, und dass Russland über ein komplettes Arsenal an Atomwaffen verfügt."
dpa/AP/AFP-Meldung in Süddeutsche Zeitung, 10.12.1999

10.12.1999 In Moskau hat der Minister für Katastrophenschutz, Schojgu, Gesprächsbereitschaft mit dem tschetschenischen Präsidenten Maschadow oder anderen tschetschenischen Führern gezeigt, um die Frage der Flüchtlingsevakuierung aus Grosny zu regeln. "Ich bin bereit, mich mit jedem zu treffen- dem Teufel, Maschadow, (...)-, wenn es zu Ergebnissen führt und sie die Zivilisten - alte Leute, Frauen und Kinder- aus Grosny herauslassen", sagte er. Er bestritt die Existenz eines Ultimatums an die Bevölkerung Grosnys. Der russische Politiker Lebed äußerte in Moskau seine Befürchtung, der Tschetschenien-Krieg könne eine internationale Isolierung Russlands bewirken.
Frankfurter Allgemeine Zeitung, 11.12.1999

10.12.1999 In Moskau erinnert Bürgermeister Luschkow an etwa 45 000 Zivilisten, die noch in Grosny eingeschlossen seien. Er äußert Befürchtungen, ob diese alle vor Ablauf des Ultimatums die Stadt verlassen können und ob die, die es nicht schafften, alle vernichtet werden sollten? Er kritisierte, dies sei kein Kampf gegen Terroristen mehr.
ap/dpa/afp-Meldung in Frankfurter Rundschau, 11.12.1999

10.12.1999 Boris Jelzin verurteilte jede Einmischung des Westens in den Krieg in Tschetschenien als 'Einmischung in innere Angelegenheiten anderer Staaten'. Der Trend, dass der Westen seine kulturellen Werte und Weltanschauungen der internationalen Gemeinschaft aufzwinge, müsse gestoppt werden.
Hamburger Abendblatt, 11.12.1999

13.12.99 Das russische Abgeordnetenhaus beschließt ein Amnestieangebot an die tschetschenischen Kämpfer: Wer bis Anfang Februar die Waffen abgebe, gehe straffrei aus mit Ausnahme von Tschetschenen, die sich schwerer Verbrechen schuldig gemacht hätten.
AP/Reuters/dpa-Bericht in Süddeutsche Zeitung, 14.12.1999

13.12.1999 Zu Beginn der Kaukasus-Reise des OSZE-Vorsitzenden Knut Vollebaek hat sich Moskau jegliche Kritik am Tschetschenien-Krieg verbeten. Wörtlich sagte Ministerpräsident Putin: Russland wird es nicht hinnehmen, dass man mit ihm aus einer Position der Stärke heraus spricht. Er wird dafür alle diplomatischen und militärisch-politischen Hebel in Gang setzen. Einer dieser Hebel sei die neue Interkontinentalrakete für Atomsprengköpfe, die in Putins Anwesenheit getestet worden war. Es sei nach dem 'Kalten Krieg' nicht wie erwartet eine Stabilisierung der internationalen Lage eingetreten, so Putin.
Interfax, 14.12.1999

15.12.1999 Die russische Regierung lehnte ein Angebot der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) zur Vermittlung im Tschetschenienkrieg erneut ab. OSZE-Chef Knut Vollebaek hatte die russische Armee aufgefordert, den Beschuss Grosnys sofort einzustellen. Die Fluchtkorridore seien völlig unzureichend, sagte er.
AFP/Reuters/taz-Bericht in die tageszeitung taz, 16.12.1999

15.12.1999 Der russische Vize-Generalstabschef Walerij Manilow lehnte Gespräche mit dem tschetschenischen Präsidenten Aslan Maschadow über dessen Kompromissvorschlag zur Beendigung des Krieges ab. Manilow sagte, solange sich Maschadow nicht von "Terroristen" lossage und nicht die Notwendigkeit sehe, "Banditen zu eliminieren", sei er kein geeigneter Verhandlungspartner.
afp/dpa-Bericht in Frankfurter Rundschau, 16.12.1999

Mitte bis Ende Dezember 1999 Major General Schamanow, Kommandeur der westlichen Gruppe der Streitkräfte, war der zuständige Befehlshaber für die Militäreinheiten in Alkhan-Jurt. Er leugnete schlicht, dass Misshandlungen in Alkhan-Jurt stattgefunden haben, und drohte Journalisten und anderen, die nach den Verantwortlichen für die Misshandlungen in Alkhan-Jurt suchen: "Untersteht euch, die Soldaten und Offiziere der russischen Armee zu belasten. Sie führen heute eine heilige Handlung durch - sie verteidigen Russland. Und untersteht euch, den russischen Soldaten mit euren dreckigen Händen zu besudeln!" Trotz seiner führenden Rolle bei den Gräueltaten in Alkhan-Jurt erhielt Major General Schamanow am 28. Dezember Russlands höchste Ehre, die Medaille des russischen Helden, während Präsident Boris Jelzin die Armeeoperation in Tschetschenien als "fehlerfrei" bezeichnete.
Human Rights Watch. Russia/ Chechnya. "No Happiness Remains". Civilian Killings, Pillage, and Rape in Alkhan-Jurt, Chechnya. Vol. 12, No. 5 (D) - April 2000. (http://www.hrw.org)

23.12.1999 Nikolai Koschman, Russlands Hauptrepräsentant in Tschetschenien, gibt bekannt, dass eine Untersuchung stattfinden wird, die ihre Ergebnisse innerhalb von zehn Tagen veröffentlichen soll, leugnet jedoch, dass Morde stattgefunden haben, obwohl er genau mit den Beweisen konfrontiert wurde, als er Alkhan-Jurt am 17. Dezember besuchte.
Human Rights Watch. Russia/ Chechnya. "No Happiness Remains". Civilian Killings, Pillage, and Rape in Alkhan-Jurt, Chechnya. Vol. 12, No. 5 (D) - April 2000. (http://www.hrw.org)

28.12.1999 Als einseitig und tendenziös hat das russische Außenministerium einen Bericht von amnesty international über Menschenrechtsverletzungen in Tschetschenien bezeichnet. Der Bericht gründe sich auf "nicht wahrheitsgemäße Augenzeugenberichte und Erfindungen. Vor dem Hintergrund der ungeheuren Bemühungen Russlands, der Bevölkerung Tschetscheniens Hilfe zu leisten, muss die Behauptung von Amnesty empören, dass die russische Regierung eine Kampagne zur Bestrafung einer ganzen ethnischen Gruppe führt", zitierte Interfax den Außenministeriumssprecher Rachmanin. Die russischen Soldaten in Tschetschenien hätten die strikte Anweisung, Opfer unter der Zivilbevölkerung und Zerstörungen an öffentlichen Gebäuden zu vermeiden.
dpa-Bericht in Neue Zürcher Zeitung, 29.12.1999

30.12.1999 Der stellvertretende Chef der Kreml-Verwaltung, Igor Schabdurassulow, sagte der russischen Zeitung "Rossijskije Westi, Friedensgespräche könne es erst geben, wenn Tschetschenien anerkenne, dass es ein unlöslicher Bestandteil der Russischen Föderation sei. Nur innerhalb der Föderation seien "Elemente einer Autonomie" möglich.
dpa/AFP-Bericht in Süddeutsche Zeitung, 31.12.1999

Januar

1.1.2000 In Gudermens, der zweitgrößten Stadt Tschetscheniens hat Präsident Putin heute Jagdmesser an seine Soldaten verteilt, eine wohlkalkulierte, kaltblütige Geste, die in die Zukunft deutet, so der Kommentator des Guardian.
The Guardian, 2.1.2000

1.1.2000 Während eines Besuchs von Putin bei seinen Soldaten in Tschetschenien sagte er, bei dieser Kampagne in Tschetschenien gehe es nicht nur um die Wiederherstellung der Ehre des Landes, sondern auch darum, wie ein Zerfall der Russlands verhindert werden könne.
Radio Free Europe, Radio Liberty, 3.1.2000

8./9.1.2000 Viele Ortschaften in Tschetschenien, darunter Alkhan-Kala und Alchan-Jurt, müssten von Neuem "gesäubert" werden, sagte Schamanow. Die Truppenpräsenz sei vielerorts unzureichend, um Gebiete erfolgreich zu verteidigen.
AFP-Bericht in Süddeutsche Zeitung, 8./9.1.2000

10.1.2000 Der russische General Kazanzew hat die ihm unterstellten Eliteeinheiten des Innenministeriums für die jüngsten Rückschläge im Kaukasus verantwortlich. Er verlangte härteres Durchgreifen der Soldaten gegenüber den Tschetschenen und warf den Soldaten "Weichherzigkeit" vor. Die Truppen seien beim Kampf um Argun und Schali am 9.1. "schlampig" gewesen und hätten die Häuser großer Familien nicht ordentlich "gesäubert". "Es war unser weiches Herz, unser Vertrauen, das sich meist auf nichts gründet", das zu den Verlusten geführt habe. Vom 12.1. an gelten nur noch Kinder bis zu zehn Jahren, Frauen und Alte als Flüchtlinge, sagte er. Alle Männer würden überprüft.
AFP/taz-Bericht in die tageszeitung, 12.1.2000, und AFP-Bericht in Süddeutsche Zeitung, 12.1.2000

Mitte Januar 2000 In Moskau wirft der russische Außenminister Iwanow den USA vor, einen Vertreter der tschetschenischen Seperatisten, Ilja Achmadow, empfangen zu haben. Auf diese Weise unterstütze Washington de facto die Terroristen in Tschetschenien. Solche Kontakte könnten von den Tschetschenen als Ermunterung aufgefasst werden, sagte er.
Reuters/AFP/dpa-Bericht in Süddeutsche Zeitung 15./16.1.2000

15.1.2000 In Moskau räumt Interimspräsident Putin ein, Russland brauche für einen Sieg in Tschetschenien "Zeit und Geduld". Die Armee sei auf verstärkte Unterstützung der Zivilbevölkerung angewiesen - mit einem "Bombenteppich" sei der Erfolg nicht zu erreichen, sagte Putin im staatlichen Fernsehen ORT.
AFP/dpa-Meldung in die tageszeitung taz, 17.1.2000

Mitte Januar 2000 In Moskau erklärt Verteidigungsminister Sergejew, zum Abschluss der militärischen Operation in Tschetschenien müssten nun "die Einheiten der Banditen und Terrorgruppen, die aus ausländischen Söldnern bestehen, liquidiert werden". Auch Putin hatte am 13./14.1. angekündigt, der Feldzug werde nun in einzelnen Schritten zu Ende gebracht.
dpa/AP-Bericht in Süddeutsche Zeitung, 18.1.2000

19.1.2000 Russland will den Krieg bis Ende Februar gewinnen. Diese Datum nannte ein hochrangiger russischer General.
dpa, 19.1.2000

27.1.2000 Russland hat die von der Europäischen Union verhängten Sanktionen wegen des Tschetschenien-Krieges als unangemessen kritisiert. "Die Verbindung von politischen Meinungsverschiedenheiten mit Handels- und Wirtschaftsbeziehungen ist unangebracht." Die EU-Außenminister hatten zuvor in Brüssel geringfügige Sanktionen gegen Russland beschlossen. So sollen Mittel für Hilfsprojekte aus dem Tacis-Programm umgeschichtet werden. Dies würde de facto ein Einfrieren von 90 Millionen Euro bedeuten.
Yahoo Schlagzeilen, 27.1.2000 (www.yahoo.com)

27.1.2000 Ministerpräsident Putin sagt, die Armee sei seit Jahren unterfinanziert gewesen. Er plant, die Ausgaben für das Militär um 50% in diesem Jahr zu erhöhen.
The Guardian, 28.1.2000

28.1.2000 In einem Interview mit der Moskauer Nezawisimaja Gazeta sagte der frühere russische Premierminister Stepaschin, die Invasion Tschetscheniens sei Monate vor den Bombenanschlägen in Moskau und anderen russischen Städten geplant gewesen. Nach Stepaschin hatte die russische Führung, einschließlich des FSB-Chefs Putin, die Invasion für August-September 1999 geplant. Als Premierminister, sagte Stepaschin, hätte er die Invasion nur des nördlichen Teils von Tschetschenien favorisiert.
Radio Free Europe/Radio Liberty, 28.1.2000

30.1.2000 In Moskau zeichnete der russische Patriarch Alexej den Chef des russischen Generalstabs, General Kwaschnin, und seinen Stellvertreter General Manilow mit hohen kirchlichen Orden aus. Der Patriarch sprach sich für eine Fortsetzung der "antiterroristischen Operation" in Tschetschenien aus. Westliche Kritik an den Leiden der tschetschenischen Zivilbevölkerung wies er zurück.
Frankfurter Allgemeine Zeitung, 31.1.2000, und Reuters-Meldung in Neue Zürcher Zeitung, 31.1.2000

Februar

Anfang Februar 2000 In Moskau antwortet General Manilow auf die Frage, warum der Krieg einer Übermacht von mehr als 100 000 Mann gegen einige Tausend "Terroristen" so lange gedauert habe: Die Dauer dieses Krieges sei zu erklären mit der "Menschlichkeit und Güte", welche die russische Armee in Tschetschenien habe walten lassen.
Markus Wehner in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung, 5.2.2000

Februar 2000 Putin äußert sich über den Journalisten Andrei Babizki: "Er hat für den Feind gearbeitet. Er war keine neutrale Informationsquelle. Er hat für die Kriminellen gearbeitet."
Radio Free Europe/ Radio Liberty, Februar 2000

10.2.2000 Wladimir Putin hat angekündigt, dass die russische Regierung für den wirtschaftlichen Aufbau Tschetscheniens bis zu zwei Milliarden Rubel (etwa 142 Millionen Mark) ausgeben wolle. Die von Putin angegebene Summe erscheint angesichts der Zerstörungen in Tschetschenien als sehr gering. Nach Expertenschätzungen bräuchte Tschetschenien mindestens 20 Milliarden Mark an finanzieller Hilfe.
dpa-Bericht in Süddeutsche Zeitung, 11.2.2000

17.2.2000 Der russische Außenminister Igor Iwanow begründet vor der Parlamentarischen Versammlung des Europarates den Krieg gegen Tschetschenien. Auszüge aus seiner Rede: "Als aber die Terroristen und Banditen, die sich in Tschetschenien eingenistet hatten, in benachbarte Republiken der Russischen Föderation eingefallen waren, eine Reihe von blutigen Terrorakten verübt hatten, in deren Ergebnis mehr als anderhalbtausend friedliche Einwohner ums Leben kamen, wurde es endgültig klar, dass diese Krebsgeschwulst entfernt werden musste....
Russland verteidigt heute praktisch die gemeinsamen Grenzen Europas vor der barbarischen Invasion des internationalen Terrorismus, der konsequent und beharrlich die Achse seines Einflusses aufbaut: Afghanistan -Zentralasien - Kaukasus - Balkanhalbinsel. ... Und all das geschieht an den Südgrenzen Europas und schafft unmittelbare Gefahr für die Sicherheit unseres Kontinents, das Leben und das Wohlergehen jeden Europäers. ....
Um dem Extremismus in der Region ein Ende zu setzen, dort wieder Stabilität und gute Nachbarschaft herzustellen, ist ein konzeptionelles Vorgehen erforderlich, das sich auf alle kaukasischen Staaten ausdehnen soll....
Das Hauptziel der Antiterroroperation besteht darin, auf dem leidgeprüften Boden Tschetscheniens die Verfassungsordnung und das Recht wiederherzustellen. Ich möchte speziell betonen, dass es dabei gerade um eine Antiterroroperation geht - das ist kein Konflikt. Wir stehen mit dem tschetschenischen Volk, das der mittelalterlichen Sklaverei und Gesetzlosigkeit zum Opfer gefallen ist, nicht im Konflikt .... Der Kampf wird ausschließlich gegen Banditen und Terroristen geführt."
Frankfurter Rundschau, 17.2.2000

17.2.2000 Die russische Regierung hat Wladimir Kalamanow zum Menschenrechtsbeauftragten für Tschetschenien berufen, während der Sprecher von Wladimir Putin für Tschetschenien, Sergej Jastreschembski, Berichten widersprach, denen zufolge russische Armeeangehörige tschetschenische Zivilisten in Lagern folterten, vergewaltigten und exekutierten.
Michael R. Gordon in International Herald Tribune, 18.2.2000

17.2.2000 Der Leiter der Hauptabteilung für die Vollstreckung von Strafen im russischen Justizministerium, Wladimir Yelunin, wies in einem Interview alle Behauptungen bezüglich Folter und Misshandlung in Filtrationslagern zurück. Das einzige von Wladimir Yelunin festgestellte Problem war, dass es dort "dunkel und feucht" ist.
Amnesty International, News Release, EUR 46/09/00, 17.2.2000

17.2.2000 Presseerklärung des Außenministeriums der Russischen Föderation: "Wie bekannt wurde, hält sich I. Ahmadow, der sich für den 'Außenminister' Tschetscheniens ausgibt, auf Einladung der 'Deutsch-Kaukasischen-Gesellschaft' in Berlin auf. Für Ahmadow ist ein Gespräch mit dem Beauftragten des Auswärtigen Amtes für Menschenrechte und humanitäre Hilfe, G. Poppe, sowie eine Pressekonferenz arrangiert worden. Der Empfang, der Ahmadow in der deutschen Hauptstadt erwiesen wurde, gibt Anlass, die Aufrichtigkeit der Erklärungen der Deutschen Seite zu bezweifeln, wonach sie die territoriale Integrität Russlands respektiert und das Recht unseres Landes zur Bekämpfung des internationalen Terrorismus anerkennt. Es muss klar sein, dass wir eine solche Aufwertung des tschetschenischen Emissärs in Deutschland nicht anders bewerten können als eine Einmischung in die inneren Angelegenheiten Russlands und faktische Beihilfe für Separatisten und Terroristen."
http://www.russische-botschaft.de, 18.2.2000

17.2.2000 Vize-Generalstabschef Manilow gab in Moskau bekannt, die Berichte über Folterungen und Vergewaltigungen im Filtrationslager Tschernokosowo würden untersucht werden.
Schweizer Zeitung NEWS auf der homepage: www.news.ch, 18.2.2000

18.2.2000 Der neue Kreml-Beauftragte für Menschenrechte in Tschetschenien, Wladimir Kalamanow, hat erstmals zugegeben, dass im Krieg gegen Tschetschenien die Menschenrechte verletzt werden. In Tschetschenien würden Grundrechte "aus objektiven oder subjektiven Gründen" nicht beachtet, sagte er im Rundfunk. Das Verteidigungsministerium will Berichte über Folter und Vergewaltigung prüfen.
AFP, Reuters, Frankfurter Allgemeine Zeitung, Daily Telegraph, Süddeutsche Zeitung, die tageszeitung TAZ, Frankfurter Rundschau, 19.2.2000

18.2.2000 Die Militäroperation in Tschetschenien sei "in ihre Abschlussphase getreten", zitierte die Nachrichtenagentur Interfax den Vizegeneralstabschef Waleri Manilow. Als Begründung dafür führte er unter anderem an, dass das von den Tschetschenen kontrollierte Gebiet "immer kleiner" werde.
Handelsblatt, 18.2.2000

20.2.2000 Gegen die Kritik der Menschenrechtskommissarin der UN, Mary Robinson, an der Lage der Bevölkerung in Tschetschenien hat Moskau scharf protestiert. Die einseitigen, voreingenommenen und "anti-russischen" Aussagen Robinsons stellten die Zweckmäßigkeit ihres geplanten Besuchs in Tschetschenien in Frage, erklärte das russischen Außenministerium in ungewöhnlich scharfer Form.
dpa/ap/afp-Bericht in Frankfurter Rundschau, 21.2.2000

19.2.2000 Der russische Verteidigungsminister Sergejew sagte, die bewaffneten Einheiten, würden ihren Auftrag in Tschetschenin bald beenden. Danach würden die Truppen des Innenministeriums die Macht in Tschetschenien übernehmen. Die militärische Phase des Krieges sei also bald abgeschlossen.
BBC, 20.2.2000

22.2.2000 Ungeachtet der westlichen Kritik am Tschetschenienkrieg hat Putin seiner Armee zu ihrer Offensive in der Kaukausus-Republik gratuliert. Den vier für die Kriegsführung zuständigen Generälen verlieh Putin per Dekret einen weiteren Stern.
die tageszeitung TAZ, 22.2.2000

23.2.2000 Putin stellt den Tschetschenen die Autonomie in Aussicht. Als erstes aber werde der Feldzug in Tschetschenien mit 'der Zerschlagung der Terroristen' beendet, so Putin, er fügte jedoch hinzu, niemand wolle das tschetschenische Volk versklaven.
AP, 24.2.2000

24.2.2000 Russland habe einen großen Fehler gemacht, als es Tschetschenien in den vergangenen Jahren "absolut ohne Kontrolle" seinem Schicksal überlassen hätte, erklärte Interimspräsident Wladimir Putin. Das tschetschenische Volk habe man so zur "Geisel von Banditen und Terroristen" gemacht. Russland wolle Tschetschenien nicht versklaven. "Wir haben nicht das Recht, das tschetschenische Volk in die Enge zu treiben und es in die Lage eines Besiegten zu bringen", sagte Putin dem Petersburger Rundfunksender "Baltika". Es müsse eine politische Lösung gefunden werden. Es gebe in Tschetschenien Kräfte, mit denen man verhandeln könne.
Frankfurter Allgemeine Zeitung, 25.2.2000

25.2.2000 Tschetschenien sei zu einer "Festung der kriminellen Welt" geworden, die Armee habe aber mit den "Banditen" Schluss gemacht, schreibt Interimspräsident Wladimir Putrin in einem "offenen Brief an die Wähler", in dem er sein Programm für die Präsidentschaftswahlen vorstellt. Er werde für eine "Diktatur des Gesetzes" sorgen.
Afp-Bericht in Frankfurter Rundschau, 26.2.2000

26.2.2000 Auf Berichte von Human Rights Watch, im Lager Tschernokosowo würden Gefangene gefoltert, entgegnete der russische Justizminister Tschajka, die Bedingungen dort seien "normal, so wie in anderen Untersuchungsgefängnissen Russlands".
Frankfurter Allgemeine Zeitung, 26.2.2000

27.2.2000 Der russische Menschenrechtsbeauftragte Wladimir Kalamanow widerspicht erneut internationalen Medienberichten über Vergewaltigungen und Folter durch russische Soldaten im Lager von Tschernokosowo.
afp-Bericht in Neue Zürcher Zeitung, 28.2.2000

29.2.2000 Berichten zufolge sagte Präsident Putin, er bezweifle, dass Babizki gefährlich genug sei, um seine Gefangenschaft zu rechtfertigen. Er wurde freigelassen, während die Untersuchungen noch andauern, und es ist ihm nicht erlaubt, das Stadtgebiet von Moskau zu verlassen.
Amnesty International, News Release, EUR 46/13/00, 29.2.2000

März

1.3.2000 Den Krieg im Kaukausus hat die russische Militärführung am Dienstag offiziell für beendet erklärt. Nach eigenen Angaben sei auch die letzte Hochburg der Tschetschenen gefallen: Schatoi im Süden Tschetscheniens.
Reuters, Göttinger Tageblatt, Frankfurter Allgemeine Zeitung, Frankfurter Rundschau, 1.3.2000

Anfang März 2000 Der russische Militäranwalt teilt Human Rights Watch mit, dass er noch nie etwas von den 60 Massenexekutionen durch russische Soldaten im Distrikt Aldi von Grosny gehört habe. Er kündigte jedoch die Untersuchung der Vorwürfe an. Bereits zehn Tage später hatte er seine angeblichen Untersuchungen abgeschlossen und herausgefunden, dass russische Soldaten nicht daran beteiligt waren - eine Schlussfolgerung, der viele Zeugenaussagen widersprechen. Die russischen Behörden haben Amnesty Internationals Untersuchungsergebnisse über die Existenz geheimer Filtrationslager öffentlich verurteilt und abgestritten, dass Inhaftierte in Tschetschenien gefoltert werden.
Human Rights Watch, 11.4.2000
http://www.hrw.org/campaigns/geneva/item4-oral.htm.htm

1.3.2000 Der russische Innenminister Ruschailo sagte, er sehe die militärische Phase des fünfmonatigen Krieges in Tschetschenien vor dem Ende.
Reuters, 1.3.2000

5.3.2000 Der russische Ministerpräsident Putin hat in einem BBC-Interview westliche Berichte über russische Kriegsverbrechen in Tschetschenien als "Fälschungen und Lügen" bezeichnet. Die russische Regierung habe es nicht nötig, gegen Zivilisten vorzugehen, da die Bevölkerung den Truppen dabei helfe, Tschetschenien von "äußerer Einmischung" zu befreien. "Wir haben nicht das Ziel, die Menschen in Tschetschenien in einen Käfig zu jagen und unter dem Syndrom einer besiegten Nation leiden zu lassen." Die Tschetschenen seien "kein besiegtes, sondern ein befreites Volk." Putin kündigte an, die militärische Phase der "Operation" gegen die tschetschenischen "Rebellen" werde in Kürze abgeschlossen - danach komme die Zeit des Wiederaufbaus, der Versorgung mit Nahrungsmitteln und der Einrichtung von Regierungsorganen, denn den Tschetschenen müsse "die Möglichkeit gegeben werden, die Zukunft ihrer Republik politisch zu entscheiden." Weiterhin hält Putin eine Nato-Mitgliedschaft Russlands nicht für ausgeschlossen.
dpa/AFP-Meldung in Süddeutsche Zeitung, 6.3.2000, und dpa-Meldung in Frankfurter Allgemeine Zeitung, 6.3.2000

6.3.2000 Russlands Justizminister Juri Tschaika nannte den wochenlang vermissten Kriegsberichtserstatter Andrej Babizki einen Verbrecher.
Reuters, 6.3.2000

7.3.2000 Boris Nemzow schrieb in der Zeitung Der Standard einen Artikel über den Tschetschenienkrieg und Russland. Er zieht ein Fazit: "Wären die grausamen Ereignisse in Tschetschenien 1991 passiert, wäre unsere demokratische Arbeit in großer Gefahr gewesen. Unsere Verfassungstradition ist zwar erst zehn Jahre alt, doch die Menschen in Russland haben lange genug die milde Luft der Demokratie geatmet. Wir wollen keine andere. Wir wollen nicht zurück in die Kälte. Im Tschetschenien-Krieg ging es also nicht nur darum, den russischen Staat zu schützen, sondern auch unsere demokratische Verfassung zu bewahren. Dafür haben Russen und Tschetschenen einen hohen Preis gezahlt. Es liegt nun an uns , alles zu tun, damit diese Menschen nicht umsonst gestorben sind."
Der Standard, 7.3.2000

13.3.2000 Russische Sprecher beschreiben die seit fünf Monaten andauernde Militärkampagne als eine Antiterror-Operation und bestreiten, dass Truppen Gräueltaten verübt haben. Sie räumen ein, dass es einige Ausschreitungen gegeben hat, sagen jedoch gleichzeitig, diese kämen in allen bewaffneten Konflikten vor.
Russia Today, 13.3.2000
http://www.russiatoday.com/chechnyainfocus/news.php3?id=141951

17.3.2000 Putin lehnt es ab, über ein Ende des Krieges in Tschetschenien zu verhandeln. Wörtlich sagte er gegenüber der Radiostation Majak, wer mit ‚solchen Banditen‘ spreche, könne gleich seine Soldaten abziehen, ein Fehler, den die Russen schon einmal gemacht hätten.
Der Standard, 18.3.2000

20.3.2000 Russland wird demnächst überschüssige Truppen aus Tschetschenien abziehen, so Putin. "Die Streitkräfte der Rebellen sind zerschlagen und organisierten Widerstand gibt es nicht mehr", sagte Putin in einem Interview. Konkrete Zahlen oder ein Datum für den Beginn des Truppenabzugs nannte er nicht. Einen vollständigen Abzug schloss Putin kategorisch aus: "Denn wenn wir abziehen, dann konsolidieren sich die Rebellen erneut. Wir schneiden die Gebirgsregion ab und führen dort dann Spezial-Operationen durch. Dort laufen noch genug dieser Tiere herum, und sie könnten sich zu Rudeln zusammenschließen und Ausfälle versuchen", sagte Putin über die Tschetschenen.
dpa, AP, AFP-Bericht in Süddeutsche Zeitung, 20.3.2000

29.3.2000 Der Chef des Generalstabs der russischen Armee, General Anatoli Kwaschnin, bestätigte, dass ein russischer Panzerfahrer wegen der Ermordung einer Frau, die vorher offensichtlich vergewaltigt wurde, festgenommen wurde.
Human Rights Watch, 30.3.2000
http://www.hrw.org/press/2000/03/chech0330.htm

29.3.2000 Der stellvertretende russische Außenminister Ordschonikidse hat ausländischen Medien bei der Berichterstattung über den Tschetschenienkrieg einen "Informationskrieg gegen Russland" vorgeworfen. Es sei oft schwer, zwischen ihren Berichten und der "Propaganda tschetschenischer Terroristen" zu unterscheiden, so Ordschonikidse.
epd, dpa-Bericht in Süddeutsche Zeitung, 30.3.2000

30.3.2000 Der russische Repräsentant für Tschetschenien teilte heute mit, dass Moskau 10.38 Billionen Rubel (384 Euro) für den Wiederaufbau Tschetscheniens bereitstelle.
AFP, 31.3.2000

30.3.2000 Erstmals in diesem Tschetschenienkrieg hat der russische Generalstabschef Kwaschnin öffentlich erklärt, ein russischer Offizier sei wegen Vergewaltigung und Mord festgenommen worden. Offensichtlich startet der Kreml anlässlich des Besuch von UN-Menschenrechtskommissarin Mary Robinson eine Propagandaoffensive in Sachen Menschenrechte.
Frankfurter Rundschau, 31.3.2000

April

6.4.2000 Nach Vorwürfen massiver Menschenrechtsverletzungen in Tschetschenien hat Russland drei Fachleuten des Europarats ständigen Zugang zu der Kaukasus-Republik zugesagt. Sie sollen in zwei Wochen ihre Arbeit im Büro des russischen Menschenrechtsbeauftragten, Kalamanow, aufnehmen und dort zunächst sechs Monate bleiben.
dpa, AP, Frankfruter Allgemeine Zeitung, Frankfurter Rundschau, Süddeutsche Zeitung, 6.4.2000

6.4.2000 In einem Appell der russischen Kulturschaffenden verteidigen diese das Vorgehen ihrer Regierung im Kaukasus: "Ja, wir wollen frei, wohlhabend und glücklich leben, aber vor allem müssen wir unsere eigene Sicherheit gewährleisten. Mit der Wahl Wladimir Putins zum neuen Präsidenten, eines Menschen, der die Verantwortung für die Operation in Tschetschenien übernahm, bekundeten die Bürger Russlands deutlich ihren Willen. Wir rufen alle - sowohl unsere Partner als auch Opponenten - dazu auf, diesem Willen Rechnung zu tragen." Unterzeichner sind Schriftsteller, Regisseure, Musiker.
Pressemitteilung der russischen Botschaft in Berlin, unter www.russische-botschaft.de, 7.4.2000

7.4.2000 Der russische Premier Putin hat bei einem Treffen mit dem portugiesischen Außenminister Gama und Javier Solana angekündigt, einen Plan für eine politische Lösung für Tschetschenien am Ende dieser Woche vorlegen.
Radio Free Europe, 10.4.2000

7.4.2000 Der Sekretär des russischen Sicherheitsrats, Iwanow, sagte, Moskau schließe vorbeugende Schläge gegen ‚Rebellenlager‘ auch in Afghanistan nicht aus. Es gibt die Vermutung, dass tschetschenische Kämpfer von den afghanischen Taliban unterstützt würden.
dpa, 8.4.2000

7.4.2000 Russland wird den Krieg gegen Tschetschenien auch trotz des drohenden Ausschlusses aus dem Europarat weiterführen. Gleichzeitig drohte der für Tschetschenien zuständige Sprecher Jastrschembski, Russland würde sich nun ganz der Kritik aus dem Europarat verschließen.
Süddeutsche Zeitung, Hamburger Abendblatt, 8.4.2000

11.4.2000 Wladimir Kalamanow, spezieller Repräsentant des russischen Präsidenten für Menschenrechte in Tschetschenien, sagt auf einer Presse-Konferenz in Genf, die von Amnesty International interviewten Opfer und Zeugen von Folter, Vergewaltigung inbegriffen, durch russische Soldaten in geheimen Filtrationslagern in Tschetschenien seien "zu gestresst" gewesen und daher nicht als glaubwürdig zu betrachten.
Amnesty International, News Release, EUR 46/26/00, 11.4.2000

12.4.2000 Der russische Sonderbeauftragte ‚für den Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten‘ in Tschetschenien, Kalmanow, hat die westlichen Staaten und UN-Hochkommissarin Mary Robinson scharf angegriffen. Russland werde ‚die Politik der Ausrottung des internationalen Terrorismus entschieden fortführen ’,so Kalamanow. Er beschuldigte Robinson, eine Hysterie um Tschetschenien zu provozieren.‘
Frankfurter Rundschau, 12.4.2000

12.4.2000 Der russische Präsident Putin hat nach starker Kritik des Westens eine Untersuchung der Vorwürfe von Menschenrechtsverletzungen in Tschetschenien angekündigt. Sowohl Verbrechen von ‚Rebellen‘ als auch von Angehörigen der russischen Truppen würden untersucht und bestraft, so Putin.
Dpa-Bericht in YahooNews auf der homepage: www.yahoo.com, 13.4.2000

12.4.2000 Die russische Regierung steht nach eigenen Angaben in direkten Verhandlungen mit den Vertretern Tschetscheniens über ein Ende des Krieges im Kaukasus. Wörtlich sagte Außenminister Iwanow: ‚Die russische Führung ist immer für eine politische Lösung in Tschetschenien eingetreten und war offen für einen Dialog.‘
AP, 13.4.2000

17.4.2000 Der Kommandant der russischen Truppen in Tschetschenien Troschew hat erneut betont, dass er nicht mit einem schnellen Ende des Feldzuges in Tschetschenien rechnet: "Die russische Armee hat noch sehr viel zu tun, um die Region nach den siebenmonatigen Kämpfen zu befrieden", sagte er wörtlich.
Reuters, 18.4.2000

18.4.2000 "Aslan Maschadow ist für Russland ein Verbrecher", so Premier Putin auf die Bemühungen des tschetschenischen Präsidenten um eine Aufnahme eines Dialogs mit Moskau. Putin lehnte Maschadows Angebot, die Waffen schweigen zu lassen ab.
Hamburger Abendblatt, 19.4.2000, Süddeutsche Zeitung, die tageszeitung TAZ, Frankfurter Rundschau, Frankfurter Allgemeine Zeitung, 22. - 24.4.2000

20.4.2000 Das Oberhaupt der russisch-orthodoxen Kirche hat Wladimir Putins Militärengagement in Tschetschenien gerechtfertigt. Gleichzeitig verurteilte Alexij II in einer in Moskau veröffentlichten Erklärung die jüngste Kritik der UN-Hochkommissarin für Menschenrechte Robinson und des Europarates, der Russland mit dem Ausschluss gedroht hatte.
Deutsche Sonntagszeitung 21.4.2000

27.4.2000 Putin erklärte bei einer Sitzung des Regierungspräsidiums: "Welche Probleme es bei der Normalisierung der Lage in Tschetschenien auch gibt, wie hoch auch die Verluste sein mögen, es ist eine Tatsache, dass es dort keine Banditen-Macht mehr gibt."
dpa, 27.4.2000

29./30. 4.2000 Russland hat eine Einheit für den permanenten Einsatz in Tschetschenien zusammengestellt, so Verteidigungsminister Sergejew. Die Einheit soll etwa 25.000 Mann umfassen. Sergejew sagte, die Stationierung dieser permanenten Einheit sei ein weiterer Schritt, den Krieg in Tschetschenien zu beenden.
International Herald Tribune, 29./30.4.2000

29.4.2000 Moskau lehnt immer noch jede Verhandlung mit dem legal gewählten Präsidenten Tschetscheniens, Aslan Maschadow, ab. Im Moment verhandele Moskau lediglich mit den von Russland eingesetzten Bezirksverwaltern, angeblich in Ermangelung einer Persönlichkeit, die alle Tschetschenen vereinen könnte.
dpa, 29.4.2000

Mai

2.5.2000 Russlands Innenminister hat die Lage in Tschetschenien als kompliziert bezeichnet: "Wir geben uns nicht der Illusion hin, dass die Situation in vielen Bezirken mehr oder weniger stabil ist." Im März hatte die russische Regierung noch erklärt, die Armee habe auch die letzten Tschetschenen-Hochburgen unter Kontrolle.
Reuters, 3.5.2000

8.5.2000 Präsident Putin hat bei der traditionellen Militärparade in Moskau mit Blick auf den Tschetschenien-Krieg vor Terror und Gewalt in Russland gewarnt.
dpa, 9.5.2000

8.5.2000 Tschetschenien soll unter die Direktverwaltung Moskaus gestellt werden, dies kündigte Präsident Putin während eines Besuchs in Kursk an. Nach seiner Auffassung sind "politische Maßnahmen und Wahlen in Tschetschenien erst möglich, wenn eine elementare Ordnung und Lebensbedingungen für die Bevölkerung hergestellt" seien. Dies könne in eineinhalb bis zwei Jahren geschehen.
Berner Zeitung, 9.5.2000

10.5.2000 Die russischen Medien haben in den letzten Wochen immer wieder von tschetschenischen Konzentrationen in der Grenzregion in Dagestan gesprochen. Heute verwarnte General Gennadi Troschew die Tschetschenen prophylaktisch. Jeder Versuch der Tschetschenen, nach Dagestan einzudringen, sei zum Scheitern verurteilt. Wenn die Tschetschenen versuchen sollten, in Dagestan einzudringen, würde keiner von ihnen lebend wieder raus kommen.
Radio Free Europe, 11.5.2000

13.5.2000 Die Zeitung Free Republic veröffentlicht einen Artikel des russischen Außenministers Igor Iwanow. Dieser kritisiert die Haltung der Europäer im Tschetschenienkrieg. Er warnt den Westen vor der Gefahr des internationalen Terrorismus. Weiterhin behauptet er, Russland habe nichts zu verstecken, sondern sei im Gegenteil offener im Umgang mit Informationen als je zuvor. Russland kooperiere eng mit den Vereinten Nationen, insbesondere mit dem Hochkommissariat für Flüchtlinge, Unicef, der Weltgesundheitsorganisation und dem Internationalen Roten Kreuz. Auch die Menschenrechtssituation werde nicht geheimgehalten.
Free Republic, 13.5.2000

21.5.2000 Russland hat dem Europarat vorgeworfen, die "islamistischen Rebellen" in Tschetschenien moralisch zu unterstützen. Der für Tschetschenien zuständige Regierungssprecher Sergej Jastrschembski sagte am Monag in Moskau, es sei ein Telefonat zwischen dem Ratspräsidenten Lord Russell-Johnston und dem tschetschenischen Führer Aslan Maschadow abgehört worden.
Reuters, 22.5.2000

23.5.2000 Russland will nach dem militärischen Eingreifen in der Teilrepublik Tschetschenien im Krisenfall auch Einheiten in andere ehemalige Sowjetrepubliken entsenden. Besonders den asiatischen Republiken Tadschikistan und Kirgisien bot Russland seine Hilfe an. Nach Ansicht Russlands unterstützt die afghanische Taliban-Führung neben Widerstandskämpfern in Tschetschenien auch militante Gruppierungen in den mittelasiatischen Republiken.
Handelsblatt, 24.5.2000

24.5.2000 Die Rede des deutschen Literatur-Nobelpreisträgers Günter Grass gegen den Tschetschenienkrieg ist in Russland auf ein geteiles Echo gestoßen. So schreibt der ehemalige Dissident und Schriftsteller Wassili Aksjonow: "Ich denke, das ist der erste gerechte Krieg, den Russland seit einem halben Jahrhundert führt. Ein Krieg gegen Fanaktiker und Banditen."
Berliner Zeitung, 25.5.2000

26.5.2000 Präsident Putin hat Russland in sieben Verwaltungseinheiten aufgeteilt. In die zwei schwierigsten und strategisch wichtigsten Verwaltungsbezirke, den Nordkaukasus und den Fernen Osten, schickt er zwei Veteranen aus dem Tschetschenienkrieg. Armeegeneral Wiktor Kasanzew wird die Macht im Nordkaukasus, General Konstatin Pulikowski im Fernen Osten übernehmen. Nur zwei der neuen Generalgouverneure sind Zivilpersonen.
Der Standard, 26.5.2000

25.5.2000 Die russische Regierung ließ verlauten, sie plane, für den Wiederaufbau Tschetscheniens in diesem Jahr etwa 500 Millionen DM auszugeben.
Neue Züricher Zeitung, 26.5.2000

25.5.2000 Beim jüngsten verteidigungspolitischen Treffen bot Russland unter Hinweis auf seinen militärischen "Erfolg" in Tschetschenien den ehemaligen Sowjetrepubliken Tadschikistan und Kirgistan umfassende Truppenhilfe an. In diesen Ländern gibt es mehr oder weniger offene ethnische Konflikte.
Der Standard, 26.5.2000

26.5.2000 Die russische Regierung spricht von der Möglichkeit, Attacken gegen die Terroristen-Ausbildungslager in Afghanistan zu fliegen. "Im Prinzip gibt es zahlreiche Möglichkeiten, wenn in einem Gebiet eine potentielle oder mögliche Gefahr für Russland entsteht," warnte Außenminister Iwanow. Die Russen gehen davon aus, dass die afghanischen Taliban Gotteskrieger für Tschetschenien ausbilden und dass über Afghanistan auch Waffen in die Kaukasusrepublik gelangen. Ein neuer offener Konflikt in Zentralasien scheint mittlerweile immer wahrscheinlicher, möglicherweise würden die USA diesmal Russland unterstützen. Moskau kommt dabei die Allianz gegen die Extremisten gelegen: Setzt Russland seine Drohung gegen die Taliban um und sollte es dabei gelingen, Osama bin Laden auszuschalten, würde der Westen in Sachen Tschetschenien in Zukunft wohl beide Augen zudrücken.
Die Südostschweiz, 26.5.2000

25.5.2000 Die russischen Streitkräfte in Tschetschenien erwarten eine Ausweitung des Widerstandes der Tschetschenen auf das gesamte Land. Die Lage im Kriegsgebiet wurde weiterhin als ‚schwierig‘ bezeichnet.
Interfax, dpa, AFP, 26.5.2000

28.5.2000 Der russische Präsident Putin hat die Verfolgung aller in Tschetschenien verübten Gesetzesverstöße angekündigt, egal wer sie begangen habe. Betroffen seien auch russische Soldaten, die der Menschenrechtsverletzungen für schuldig befunden worden seien.
Reuters, 29.5.2000

28.5.2000 In einem Interview im Magazin Focus sagte Russlands Vizegeneralstabschef Manilow, dass es noch eineinhalb bis zwei Jahre dauern wird, bis ein funktionierendes Machtsystem in Tschetschenien aufgebaut ist. Es seien im Moment rund 20.000 Mann in Tschetschenien stationiert.
Focus, 29.5.2000, S. 290

29.5.2000 Präsident Putin betonte, dass Russland einen "festen Plan für eine friedliche Regelung im Nordkaukasus" habe. "Russland hat sich nie vorgenommen, das tschetschenische Volk zu versklaven," so Putin in einem Interview mit Itar Tass.
dpa, 30.5.2000

Juni

5.6.2000 General Gennadi Troschew rief die russischen Politiker auf, den Krieg in Tschetschenien zu beenden. "Die Politiker haben den Krieg begonnen, sie müssen ihn auch beenden." Er forderte ein Referendum, was darüber entscheiden soll, wer Tschetschenien in Zukunft verwalten und regieren soll. Troschew betonte, dass die Politiker sich mit ihren Friedensbemühungen beeilen sollten.
Reuters, 6.6.2000

7.6.2000 Der russische Präsident hat die Kontrolle über Tschetschenien verstärkt und die Bildung einer Übergangsverwaltung angeordnet. Damit sei die bisherige Verwaltung des Vertreters der russischen Regierung, Nikolai Koschman, aufgelöst. Die Kontrolle über die Übergangsverwaltung werde General Kasanzow übernehmen.
dpa, 8.6.2000

8.6.2000 In einem gemeinsamen Interview von ARD und ZDF mit Präsident Putin schloss dieser Verhandlungen mit dem tschetschenischen Präsidenten Maschadow nicht mehr kategorisch aus.
Dpa-Bericht unter Berufung auf ARD und ZDF, Yahoo News auf der homepage: www.yahoo.com, 9.6.2000

12.6.2000 Der oberste islamische Geistliche von Tschetschenien, Mufti Achmed Kadyrow, ist zum neuen Verwaltungschef der Kaukasusrepublik ernannt worden. Der Ernennung des gemäßigten Geistlichen war eine längere Suche des Kremls nach einem Statthalter vorausgegangen, der Mufti sei "der Führer mit der größten Autorität bei der tschetschenischen Bevölkerung", so der Vorsitzende des russischen Föderationsrates.
dpa, 13.6.2000

12.6.2000 Die russische Führung will mit den Tschetschenen nur über eine Kapitulation verhandeln. "Mit denen, die uns mit Waffen in den Händen gegenüber stehen, kann es keinen anderen Dialog geben als Verhandlungen über Kapitulation", sagte der Kreml-Sprecher für Tschetschenien Jastrschembski.
dpa, 13.6.2000

13.6.2000 Die russische Führung schließt eine Fortsetzung des Krieges gegen Tschetschenien bis Ende November 2000 nicht mehr aus.
dpa, rtr-Bericht in Frankfurter Rundschau, 14.6.2000

18.6.2000 Ein ehemaliger russischer Kommandeur in Tschetschenien gab zu, dass es viele Fälle von Brandschatzung und Plünderung gegeben hätte. Er meinte, es gäbe russische Soldaten, die nach Tschetschenien gingen, um ihre eigenen Taschen zu füllen. Er klagte, die Soldaten würden zu niedrig bezahlt.
BBC, 19.6.2000 auf der homepage: www.bbc.co.uk

19.6.2000 Die engagierte Journalistin der Zeitung Nowaja Gazeta, Anna Politkowskaja, interviewte den jüngsten Generalleutnant Russlands, Schamanow, zum Tschetschenienkrieg:

Frage: Was meinen sie damit, wenn sie sagen: "in der einen oder anderen Weise mit einem Banditen verwandt" - wie würden sie die Frau eines tschetschenischen Guerillas nennen?
Schamanow: Eine Banditin.
Frage: Weshalb?
Schamanow: Wenn sie selber keine Banditin ist, muss sie ihren Mann verlassen.
Frage: Sie legen hier russische Maßstäbe an.
Schamanow: Natürlich, was soll ich denn sonst anlegen, diese Menschen leben in Russland.
Frage: Aber sie haben ihre eigenen Gesetzte. Eine Frau kann ihren Mann nicht verlassen.
Schamanow: Ihre Gesetze widersprechen der einfachen menschlichen Moral! Wir wollen alle unsere Hände sauber halten! Aber das wird nicht klappen. Es hat noch nie geklappt. Das Gute hatte immer seine Grenzen. Ich kann nicht die Theorie vertreten, dass wenn dich jemand auf die rechte Backe schlägt, solltest du ihm auch die linke hinhalten. Wenn die Banditen unsere Moral nicht akzeptieren, sollten sie zerstört werden. Wenn ein Mensch krank wird, kann es sein, dass er verletzt wird, wenn die Operation die kranke Stelle entfernt.
Frage: Aber die Verwandten werden in solchen Fällen nicht wegoperiert! Ist das Kind eines Banditen auch ein Bandit?
Schamanow: Ja. Sagen sie mir, wie ich eine Ehefrau von einer Heckenschützin unterscheiden soll. Können sie das unterscheiden? Hier im friedlichen Moskau ist es leicht zu generalisieren...

Dieser Mann wurde mit der Medaille "Held Russlands" ausgezeichnet und wird zum Kommandeur der 58. Armee gemacht, die in Tschetschenien kämpft.
Nowaja Gazeta, 19.6.2000

22.6.2000 Das russische Außenministerium hat von Georgien die Schließung der sogenannten "illegalen" diplomatischen Niederlassung Tschetscheniens in Tiflis gefordert.
Radio Free Europe, 23.6.2000

24.6.2000 General Troschew erklärt den Tschetschenienkrieg für beendet.
Reuters, 25.6.2000

24.6.2000 Der Chef des russischen Generalstabs Anatoli Kwaschnin gab am 24.6. vor der Presse zu, dass es dem Militär bis jetzt nicht gelungen sei, Tschetschenien fest in Griff zu bekommen. Am nächsten Tag erklärte General Troschew, der Krieg sei beendet und es werde keine Bombardierungen mehr geben. Trotzdem flog die russische Luftwaffe in den 24 Stunden zwischen dem 25. Und 26. Juni 42 Angriffe.
Stratfor Global Intelligence Update, 25.6.2000

29.6.2000 In der ZEIT erscheint ein Interview mit dem stellvertretenden russischen Generalstabschef Leonid Iwanschow. Er rechtfertigt die russische Aggression in Tschetschenien wieder mit dem Eingreifen der NATO in Jugoslawien: "Lassen Sie bloß das Thema Tschetschenien. Sonst präsentiere ich die neuen Zahlen über die Aggression des Nato-Faschismus im Kosovo und vergleiche das, was ihr dort getan habt, mit Auschwitz."
DIE ZEIT, NR.27, S.9, 29.6.2000

Juli

12.7.2000 "Mit besserer Disziplin, Professionalismus und Verantwortung hätten viele Verluste in Tschetschenien vermieden werden können", sagte Putin.
The Moscow Times, 13.7.2000

14.7.2000 Russland setzt seine Kampagne gegen angebliche Unterstützer tschetschenischer Extremisten im Ausland fort. Diplomatische Kreise ließen verlautbaren, die "Deutsch-Kaukasische Gesellschaft e.V." finanziere mit mehreren Hunderttausend Mark ein tschetschenisches Informationszentrum. Der Vorsitzende der Gesellschaft, Ekkehard Maaß aus Berlin wies diese Vorwürfe zurück.
Frankfurter Allgemeine Zeitung, 15.7.2000

27.7.2000 "Der Faktor der militärischen Macht ist heute am wichtigsten, um Integrität und Souveränität des Landes zu gewährleisten", sagte Putin. Dies sei besonders aktuell, da es Versuche gebe, das Kräfteverhältnis in der Welt umzugestalten und Russland der Gefahr des internationalen Terrorismus ausgesetzt sei. Daher sei ein starker Staat unabdingbar.
dpa, 27.7.2000

28.7.2000 Russland führt mit dem tschetschenischen Präsidenten Aslan Maschadow Gespräche über die Zivilverwaltung der Republik. Bisher hatte Moskau Verhandlungen mit Maschadow abgelehnt. Bei den Gesprächen soll es um die Kapitulation der tschetschenischen Kämpfer gehen.
SAT.1 Nachrichten, 28.7.2000

27.7.2000 "Der Krieg läuft in die richtige Richtung, auch wenn er schwierig und gefährlich ist. Aber nach und nach verdrängen wir die Rebellen", sagte General Malinow.
Ein anderer General versicherte, dass der Krieg bald zu einem Ende komme, trotz der Tatsache, dass russische Truppen unter zunehmendem Maße in Kämpfe verwickelt würden.
Reuters, 28.7.2000

27.7.2000 Russische Offizielle bestätigten gestern, dass Verhandlungen mit dem tschetschenischen Präsident stattgefunden hätten, betonten aber nochmals, dass eine völlige Aufgabe die einzige Chance der Tschetschenen sei, die Russen zur Aufgabe ihrer Angriffe zu bewegen.
AP, 28.7.2000

28.7.2000 "Das russische Militär ist des Kämpfens müde", sagte ein russischer General.
AP, 28.7.2000

29.7.2000 Der russische Tschetschenien-Beauftragte General Viktor Kasanzew sagte dem Fernsehsender ORT, er habe nicht den Wunsch, mit dem tschetschenischen Präsidenten Aslan Maschadow zu sprechen. Er wolle lediglich Gespräche mit kleineren Kämper-Gruppen führen. Am Freitag hatte er noch mitgeteilt, die vom Westen wiederholt verlangten Gespräche mit den Tschetschenen über eine Beendigung des Krieges seien eingeleitet. Er könne sich auch Verhandlungen mit Maschadow vorstellen.
Yahoo Schlagzeilen, 29.7.2000

August

August 2000 Ein führender russischer General gibt die Zahl russischer Verluste mit über 2.500 an.
The Russia Journal, August 2000

2.8.2000 Ein russischer General teilte mit, in den zwölf Monaten des blutigen Konflikts in der turbulenten Kaukasus-Region seien 14.000 tschetschenische Kämpfer getötet worden.
Yahoo News, 2.8.2000

3.8.2000 Putin hat den Einsatz der russischen Armee in Tschetschenien gerechtfertigt. Die Militäraktion habe den Verfall des Staates verhindert und der "Wiederherstellung der Verfassung und der Bürgerrechte" gedient. Maschadows Vorschlag, die OSZE als Vermittlerin einzuschalten, lehnt Putin ab. Beim Kaukasus-Krieg handele es sich um einen innerrussischen Konflikt, bei dem ausländische Vermittler nichts zu suchen hätten.
Berliner Morgenpost, 3.8.2000

6.8.2000 Der Pressedienst des Kreml ließ verlautbaren, ein Anführer der tschetschenischen Kämpfer habe sich am Montag dem russischen Geheimdienst gestellt. Es seien am Wochenende 160 "Rebellen" getötet worden.
AFP, 7.8.2000

9.8.2000 Ein Sprecher der russischen Untersuchungsbeamten, die sich mit dem Terroranschlag in Moskau beschäftigen, erklärte, die These von der Verbindung zu tschetschenischen Kämpfern sei die zur Zeit am meisten favorisierte.
Yahoo News, 9.8.2000

10.8.2000 Laut Putin wird die Militärkampagne in Tschetschenien bis zur Vollendung weiter geführt - so lange bis alle Terroristen vernichtet sind.
Radio Free Europe/ Radio Liberty, 10.8.2000

September

6.9.2000 Ein russischer Militär in Tschetschenien sagte, die großen Sicherheitsvorkehrungen in Grosny und anderen Städten seien erfolgreich gewesen, trotzdem müssten die russischen Soldaten auf der Hut sein, auch Zivilisten würden immer wieder angegriffen.
AFP, 7.9.2000

6.9.2000 Das Verteidigungsministerium hat die Aktivitäten der Truppen des Innenministeriums in Tschetschenien scharf kritisiert. General Manilow sagte, die Angehörigen der Innenministeriumstruppen hätten es nicht geschafft, die kleinen tschetschenieschen Guerilla-Gruppen auszulöschen. Manilow sagte, dass Mitte April, nach der ersten Phase des Krieges, der richtige Zeitpunkt gewesen wäre, die geschwächten Tschetschenen endgültig zu besiegen. Er ist auch der Meinung dass die laufenden "Säuberungen" nichts bringen. Dies war nach der Auskunft der Zeitung "Moskowskij Komsomolets" das erste Mal, dass das Verteidigungsministerium andere Truppenangehörige kritisierte.
Moskowskij Komsomolets, 7.9.2000

8.9.2000 Präsident Putin trat in der amerikanischen Talkshow mit Larry King auf. Im Vorfeld behauptete er, das Image Russlands im Ausland aufpolieren zu wollen. Er sagte zum Tschetschenienkrieg, Russland würde in Kooperation mit den Tschetschenen eine politische Lösung des Krieges anstreben. Als King ihn fragte, ob er an eine höhere Macht glaube, sagte Putin: "Ich glaube an den Menschen. Ich glaube an seine guten Absichten. Ich glaube daran, dass wir alle auf diese Welt gekommen sind, um Gutes zu tun. Wenn wir das tun und wenn wir zusammen Gutes tun, wird uns Erfolg beschieden sein."
CNN, 8.9.2000

18.9.2000 Eine Reporterin der Los Angeles Times interviewte in Russland mehr als zwei Dutzend Soldaten, die gerade aus dem Krieg in Tschetschenien zurückgekommen waren. Ein Leutnant, der für die Moral und Disziplin seiner Truppe verantwortlich war, sagte "Die Lösung (für den Konflikt mit Tschetschenien) wäre sehr einfach gewesen, wenn man die alten Methoden der russischen Truppen aus dem 19. Jahrhundert angewandt hätte. Für den Tod eines russischen Soldaten wurde ein ganzes Dorf abgebrannt. Für den Tod eines Offiziers wurden zwei Dörfer ausgelöscht. Dies ist der einzige Weg, wie dieser Krieg zu einem Sieg gebracht werden kann und dieses Volk besiegt werden kann." Weiterhin sagt dieser Leutnant, dass die russischen Soldaten in Tschetschenien Verbrechen begehen, dass sie aber im Prinzip genau das täten, was die Regierung wolle, aber wegen politischer Gründe nicht fordern könne. "Es ist wegen politischer Gründe unmöglich, die gesamte erwachsene Bevölkerung umzubringen und die Kinder in Reservate zu schicken. Aber wir können versuchen, diesem Ziel nahe zu kommen."
LA Times, 18.9.2000

20.9.2000 Generalleutnant Schamanow, eine Armeekommandant in Tschetschenien, der kürzlich verlautbaren ließ, er werde für den Gouverneurswahlkampf kandidieren, sagte, die Annahme, Militär und Politik sollten getrennt sein, sei falsch. "Als ein politischen Instrument kann die Armee nicht ausserhalb der Politik sein", argumentierte er. Er sagte, die Generäle hätten dies verstanden und bereiteten sich auf eine aktivere Rolle in der Politik vor. Sollte er tatsächlich zum Gouverneur gewählt werden, so verbliebe er trotzdem in der Armee, so Schamanow.
Interview in der russischen Zeitung "Segodnya", 21.9.2000

Oktober

13.10.2000 In der Zeitung "Die Welt" erschient ein Artikel Boris Jelzins. Darin lobt er seinen Nachfolger Präsident Putin und seine Tschetschenien-Politik. Er schreibt: "Es fand sich ein Mensch, der der Angst Einhalt gebot. Und dieser Mensch war Putin. Seine scharfen Erklärungen, die vom militärischen Eingreifen in Tschetschenien untermauert wurden, waren das politische Hauptereignis des Herbstes 1999. (...) Ihm wurde vorgeworfen, dass er sich grob ausdrücke. Doch gerade weil er nicht an sein Image dachte (...) fand er den einzig angemessenen Ton und die richtigen Worte. (...) Weder Angst noch Besorgnis wurde zum Leitmotiv seiner Äußerungen, sondern das kühle Selbstvertrauen eines Verteidigers der gerechten Sache. (...) Putin befreite Russland von der Angst, und Russland lohnte es ihm mit tiefer Dankbarkeit."
Die Welt, 13.10.2000

13.10.2000 " Die Truppen werden bis zur völligen Vernichtung des Banditentums in der Tschetschenischen Republik bleiben", sagte der Befehlshaber des russischen Kaukasus-Kommandos, Generalleutnant Iwan Babitschew, am Freitag im russischen Fernsehen. Man plane aber, dass die Armee viele der Kontrollposten innerhalb Tschetscheniens aufgebe, "um der örtlichen Bevölkerung weniger Unannehmlichkeiten zu machen", kündigte Babischew an.
dpa-Bericht mit Hinweis auf Itar-Tass in der Zeitung Grenz-Echo, 14.10.2000

26.10.2000 Der russische Präsident Putin gab an, dass die Kampfhandlungen in Tschetschenien unmittelbar vor ihrem Ende stehen würden. Der organisierte Widerstand sei geschlagen worden, es gebe nur noch vier oder fünf tschetschenische Kampfverbände, so Putin. Vertreter der russischen Seite haben immer wieder den Sieg über die tschetschenischen Verbände erklärt, tatsächlich jedoch kommt es immer noch zu zahlreichen Überfällten der Tschetschenen auf russische Soldaten, jede Woche sterben so zwischen 6 und 12 russische Soldaten.
Reuters, AP-Bericht in Yahoo News, www.dailynews.yahoo.com

d) Kritische Stimmen aus Russland und Tschetschenienoben

September

25. 9.1999 Ilias Akhmadow erklärt: "Das Schrecklichste ist, dass russische Flugzeuge heute abend Wohngebiete bombardiert haben. ... Jeden Tag erklären die russischen Befehlshaber, sie würden nicht die tschetschenische Bevölkerung bombardieren, sondern lediglich Orte, an denen sich Terroristen aufhalten. Ich kann Ihnen versichern, dass nicht ein einziger Terrorist unter diesen Angriffen gelitten hat, wenn sie überhaupt hier sind. ... Mehr als 400 Menschen wurden im Monat der Bombenangriffe getötet, davon sind ein Drittel Frauen und Kinder.
Tomas Valasek, Center for Defense Information. http://www.cdi.org/issues/Europe/akhm.html

25. 9.1999 Zu den russischen Angriffen sagt der russische Menschenrechtler Sergej Kowaljow: "Solche Schläge können nicht mit militärischen Argumenten gerechtfertigt werden."
taz, die tageszeitung, 25.9.1999

November

7.11.1999 Tschetschenien hat die USA dazu aufgerufen, einen Völkermord im Kaukasus zu verhindern. Präsident Maschadow appellierte in einem Schreiben an Clinton, die USA sollten ihren Einfluß zur Verteidigung der Menschenrechte geltend machen.
Reuters/dpa/AP-Meldung in Frankfurter Allgemeine Zeitung, 8.11.1999

9.11.1999 In Moskau haben Russlands liberale Demokraten erstmals die Tschetschenienpolitik der Regierung Jelzin kritisiert. Der Vorsitzende der sozialliberalen Partei, Jawlinskij, forderte Moskaus Führung auf, die Bombardierung Tschetscheniens einzustellen und Verhandlungen mit dem "nach dem Gesetz gewählten" tschetschenischen Präsidenten Maschadow zu beginnen.
Der russische Minister für Katastrophenschutz, Schojgu, sagte in bezug auf die Situation der tschetschenischen Flüchtlinge, es gebe keine humanitäre Katastrophe: "Das ist ein künstlich erzeugtes Problem".
Frankfurter Allgemeine Zeitung, 10.11.1999

15./16.11.1999 In Berlin traf der Vorsitzende der Kommunistischen Partei Russlands, Sjuganow, mit Politikern und Wirtschaftsfachleuten zusammen. Dort kritisierte er die Rolle von Jelzin und Putin im Tschetschenienkonflikt. Jelzin habe frühe Warnungen nicht befolgt und den Konflikt nicht rechtzeitig vermieden. Die Armee nahm er jedoch in Schutz; ihre Aufgabe sei die Vernichtung der Terroristen. Er schloss eine militärische Lösung für die Konflikte im Nordkaukasus aus; in den von der russischen Armee "freigekämpften" Gebieten müsse das wirtschaftliche und gesellschaftliche Leben schnell wieder normalisiert werden..
die tageszeitung taz, 17.11.1999

Mitte November 1999 Im Interview beklagt es der frühere Staatschef der UdSSR Gorbatschow als "völlig inakzeptabel", dass die russischen Militäraktionen das Ausmaß eines Krieges gegen die tschetschenische Bevölkerung angenommen hätten.
Focus, 15.11.1999

15.11.1999 Der tschetschenische Außenminister Ilyas Akhmadow rief die Vereinten Nationen zur Intervention auf. Mehr als 4.000 Zivilisten seien dem Krieg bisher zum Opfer gefallen.
Radio Free Europe/ Radio Liberty, 15.11.1999

Dezember

8.12.1999 In einem Interview erklärt der russische Militärexperte Pawel Felgenhauer, der Krieg mache militärisch keinerlei Sinn, das sähen auch viele Generäle ein. Die russische Armee begehe in Tschetschenien massenhaft Kriegsverbrechen, vor allem an der Zivilbevölkerung.
Basler Zeitung, 8.12.1999

27.12.1999 Der russische Verteidigungsexperte Pawel Felgenhauer verurteilt den Einsatz von Vakuumbomben im Süden Tschetscheniens auf von Zivilisten bewohnte Landstriche. Russland verstoße damit gegen internationale Konventionen.
dpa-Bericht in die tageszeitung taz, 28.12.1999

Januar

1.1.2000 Tschetscheniens Präsident Aslan Maschadow sagte in seiner Neujahrsansprache zu den Angriffen russischer Truppen: "... niemals wieder im 21.Jahrhundert (soll) ein Staat oder ein Volk das Recht haben, ein anderes Volk umzubringen. Was Russland sich heute erlaubt, ist Barbarei."
dpa/AP/Reuters-Bericht in Süddeutsche Zeitung, 3.1.2000

7.1.2000 Das Geständnis eines gefangenen russischen Offiziers wurde der britischen Zeitung Independant zugespielt, danach sollen nicht tschetschenische Terroristen, sondern der russische Geheimdienst für die fürchterlichen Bombenanschläge in Moskau und anderen Städten im September 1999 verantwortlich sein. Wörtlich sagte der Geheimdienstoffizier: 'Ich war nicht an den Explosionen in Moskau und Dagestan beteiligt, aber ich besitze darüber Informationen. Ich weiß, wer dafür verantwortlich ist. Es ist der FSB in Zusammenarbeit mit dem GRU.'
Neue Züricher Zeitung, 7.1.2000

7.1.2000 Eine kleine Gruppe von Friedensaktivisten kämpft in Moskau für ein sofortiges Ende des Tschetschenienkrieges. Den Opfern wollen sie ein Denkmal setzen. Dem verbreiteten xenophobischen Großmachtdenken möchte die Gruppe ein Bewusstsein für die Notwendigkeit von Reue entgegensetzen. In der russischen Gesellschaft gebe es die Werte Mitleid, Solidarität und Toleranz nicht mehr. Ein Sprecher sagte: "Wir müssen Reue zeigen für all unsere Intoleranz, für den Verlust von Mitgefühl und unseren Egoismus."
die tageszeitung Taz, 8.1.2000

10.1.2000 Der Spiegel führt ein Interview mit Michail Gorbatschow. Über den Krieg in Tschetschenien meint der letzte Staatschef der Sowjetunion, dieser Krieg werde nicht so ohne weiteres zu Ende gehen. Vielleicht sei dies auch einer der Gründe für den vorgezogenen Abtritt Jelzins gewesen. "Dieser mag geahnt haben, dass sich die Situation in Tschetschenien in sechs Monaten durchaus verschlechtern kann. Drei Monate aber kann der Kreml den Zustand des gesteuerten Chaos durchaus noch halten." Grobatschow meint, der Anfall Tschetscheniens wäre ein gefährlicher Präzedensfall. Er selbst sei immer dafür gewesen, Willkür und Chaos in Tschetschenien zu beenden, aber das sollte natürlich nicht in einen Krieg gegen ein ganzes Volk münden.
Der Spiegel, 10.1.2000 2/2000

24.1.2000 "Putin hat gelogen, als er im Dezember auf dem EU-Außenministertreffen in Helsinki behauptete, die Kämpfe in Tschetschenien richteten sich nur gegen terroristische Gruppierungen", sagte der russische Menschenrechtler Sergej Kowaljow. Tatsächlich würde "vor den Augen der Weltöffentlichkeit ein Krieg gegen die Zivilbevölkerung" geführt. Das Militär mache keinen Unterschied zwischen Terroristen und tschetschenischen Zivilisten.
Deutsche Welle, 24.1.2000

30.1.2000 Der tschetschenische Präsident Maschadow forderte Moskau auf, die mehr als 500 tschetschenischen Zivilisten freizulassen, die in den vergangenen Tagen verhaftet und in "Filtrationslager" gebracht worden seien. Erfülle Russland diese Forderung nicht, erteile er den Befehl, die russischen Kommandanturen in Gudermes, Argun, Schali und Urus-Martan zu zerstören. Das russische Innenministerium bestritt die Existenz der Lager.
Frankfurter Allgemeine Zeitung, 31.1.2000

Februar

4.2.2000 Jelena Bonner appelliert an die Parlamentarische Versammlung des Europarats, eine Sondersitzung zum Fall Babizki einzuberufen. Sie schreibt, Babizki, ein ziviler Journalist, der seiner Arbeit nachging, sei drei Wochen in totaler Isolation gehalten worden. Nun sei er für zwei russische Soldaten ausgetauscht worden und zwar sei er in die Hände derer gefallen, die der Staat für Banditen und Terroristen hält. "Mit diesem Schritt haben die russischen Behörden gezeigt, dass sie nicht mehr für Babizkis Leben verantwortlich sind." Die Aufgabe der Parlamentarischen Versammlung des Europarates sei die Wahrung der Menschenrechte und anderer internationaler Übereinkommen. In Babizkis Fall seien viele dieser internationalen Normen gebrochen worden, so Jelena Bonner.
"A public appeal by Jelena Bonner" auf der Andrej Sacharow Homepage www.wdn.com/asf/cgi/ASFdbs
4.2.2000

14.2.2000 Im Hamburger Abendblatt erscheint ein Artikel über das Komitee der Soldatenmütter, eine russische Menschenrechtsorganisation. Die Vorsitzende, Valentina Melnikowa meint: ‚Alle russischen Soldaten sind in Tschetschenien Kriegsverbrecher, das hat allein schon damit zu tun, dass es keinerlei rechtliche Grundlage für diesen Feldzug gibt.‘‘
Hamburger Abendblatt, 14.2.2000

15.2.2000 Auf der Grundlage von Aussagen tschetschenischer Flüchtlinge in Inguschetien, beschuldigt die russische Menschenrechtsorganisation Memorial die russischen Truppen, Tausende von Zivilisten in Tschetschenien ermordet zu haben. Memorial kritisiert auch die Zustände in den Flüchtlingslagern, wo Flüchtlinge unter Nahrungsmittelknappheit, Unterkühlung und Tuberkulose zu leiden hätten. Laut Memorial halten sich derzeit 210.000 Flüchtlinge in Inguschetien und 16.000 in Nord-Ossetien auf.
AFP in Refugees Daily, 16.2.2000 (http://www.unhcr.ch/refworld/cgi-bin/newssearch.pl)

15.2.2000 Ein Vertreter Tschetscheniens hat sich heute an die Parlamente der baltischen Staaten, Polens und der Ukraine mit der Bitte gewandt, auf Russland, das eine Politik der Unterdrückung friedlicher Bürger betreibe, Druck auszuüben. Die russischen Streitkräfte unterdrücken und verhaften friedliche Bürger, darunter Frauen und Kinder, und bringen sie in Filtrationslager, schreibt Said-Hassan Abumuslimow, Leiter einer Ermittlungsgruppe, die die Kriegsverbrechen in Tschetschenien untersucht, in dem Appell.
Deutsche Welle Monitordienst, 15.2.2000

17.2.2000 Russlands Menschenrechtsbeauftragter Oleg Mironow sagt im Radio: "...die russischen Behörden machen Russland zu einem Land, in dem die Menschenrechte und die Rechte eines jeden Bürgers verletzt und unterdrückt werden."
War and Human Rights. February 18, 2000 (http://www.hro.org/war/151.htm)

17.2.2000 Der bekannte Historiker Leonid Gordon sagt in Radio Liberty: "Die Aktionen der russischen Befehlshaber in Tschetschenien führen zu einer politischen Diktatur des Militärs, rufen Grausamkeit in der Bevölkerung hervor und bedrohen die Redefreiheit, Russlands größte Errungenschaft."
War and Human Rights. February 18, 2000 (http://www.hro.org/war/151.htm)

19.2.2000 Protest-Aktion des Anti-War Actions Committee in Moskau. Die Aktivisten sammeln Unterschriften für einen Brief an Wladimir Putin, in dem sie die Beendigung der Militärkampagne in Tschetschenien fordern.
War and Human Rights. February 20, 2000. (http://www.hro.org/war/153.htm)

19.2.2000 Eine Protestaktion gegen den Tschetschenien-Krieg und gegen das unerhörte Vorgehen der Behörden gegen den Reporter von Radio Liberty, Andrei Babizki, findet in Jekaterinenburg statt. Organisiert wird die Aktion vom Komitee zum Schutz von Andrei Babizki, dem Antikriegs-Aktions-Komitee, der Memorial-Gesellschaft, der Bewegung gegen Gewalt und anderen Nichtregierungsorganisationen aus Jekaterinenburg.
War and Human Rights. February 20, 2000. (http://www.hro.org/war/153.htm)

19.2.2000 Die meisten russischen Intellektuellen schweigen zu den schweren Menschenrechtsverletzungen in Tschetschenien, Aleksander Solschenizyn unterstützt die Regierungspolitik sogar. Jelena Bonner, die Witwe des Friedensnobelpreisträgers Andrej Sacharow, jedoch charakterisierte den Waffengang Russlands als ‚Völkermord‘. Sie kritisierte auch die westlichen Staaten, die nicht deutlich genug auf ein Ende des Krieges drängten. Russland darf im Europarat bleiben, obwohl es Tschetschenien bombardiere. ‚Das wäre so, als hätte man Nazi-Deutschland Kredite gegeben, während es Polen überfiel."
Neue Züricher Zeitung, 19.2.2000

20.2.2000 Am 20.2.2000 fand unter tschetschenischen Kulturschaffenden eine Diskussionsrunde "Die moralische Krise der Tschetschenen und Wege aus dieser Krise" statt. Die Diskussion wurde vom "Zentrum tschetschenischer Kultur" organisiert und fand in Nazran, Inguschetien statt. Die Teilnehmer haben folgende Forderungen gestellt: Die Zerstörung Grosnys soll sofort gestoppt werden. Eine Spezialistenkommission soll gebildet werden, die die Schäden an den übriggebliebenen Gebäuden untersucht. Grosny soll zügig "entmint" werden. Den Bürgern Grosnys soll eine ungehinderte Rückkehr in die Stadt erlaubt werden. Es soll Hilfe geleistet werden beim schnellstmöglichen Wiederaufbau der Gebäude der Stadt. Internationalen Beobachtern soll der freie Zugang zu Grosny gewährt werden, damit sie die Menschenrechtssituation beobachten können. "Wir glauben, dass der Wiederaufbau Grosnys die moralische Pflicht eines demokratischen Russland und der gesamten zivilisierten Welt ist."
"Appeal of the Chechen Intelligentsia" 20.2.2000 auf der homepage der Andrej Sacharow Foundation unter www.wdn.com/asf/cgi/AFSdbs

20.2.2000 Dimitri Newerowskji protestiert gemeinsam mit 50 jungen Leuten, die öffentlich verkünden: "Tut das - bloß ohne uns!" Diese Leute unterzeichnen ein Manifest über die kollektive Verweigerung des Kriegsdienstes aus Protest gegen den Krieg in Tschetschenien.
War and Human Rights. February 20, 2000. (http://www.hro.org/war/153.htm)

23.2.2000 Eine große Anti-Kriegs-Demonstration findet in Inguschetien, nahe des Adler-20-Kontrollpunkts an der tschetschenischen Grenze statt. Über 1.000 Flüchtlinge aus Tschetschenien und Bewohner Inguschetiens fordern die Einhaltung der Menschenrechte für tschetschenische Zivilisten, die Beendung der Bombardements tschetschenisch besiedelter Gebiete, der Plünderungen und der sexuellen Gewalttaten während der sogenannten "Säuberungsaktionen".
War and Human Rights. February 23, 2000. (http://www.hro.org/war/156.htm)

25.2.2000 "Das wäre so, als hätte man Nazi-Deutschland Kredite gegeben, während es Polen überfiel", zitiert das Deutsche Allgemeine Sonntagsblatt die Kritik von Jelena Bonner an der Gleichgültigkeit des Westens gegenüber dem Morden in Tschetschenien.
Ulrike Scheffer in Deutsches Allgemeines Sonntagsblatt, 25.2.2000

26.2.2000 Der liberale russische Parlamentarier Jurij Rybakow erklärte: "Die "antiterroristische Operation" hat sich in einen Krieg zur totalen Vernichtung der tschetschenischen Bevölkerung verwandelt."
Florian Hassel aus Nazran in Frankfurter Rundschau. 26.2.2000

27.2.2000 Der tschetschenische Oberstaatsanwalt Abujasit Sangerijew sagte, er habe Berichte von Gefangenen über Folter und Vergewaltigungen in russischen Lagern gehört, doch es lägen ihm keine Beweise vor. Die Häftlinge wagten aus Angst vor Strafen nicht, mit einer Erklärung an die Öffentlichkeit zu treten.
AP/AFP/Reuters-Bericht in Süddeutsche Zeitung, 28.2.2000

28.2.2000 An der Antikriegsaktion, die am 26.02.2000 in Moskau von der Anarchistischen Antikriegsbewegung und von Menschenrechtsorganisationen durchgeführt wurde, nahmen 115 Personen teil. Die Losungen auf den Transparenten lauteten: `Nieder mit dem Staatsterrorismus in Tschetschenien!´, `Nieder mit dem Polizeistaat!´, `Freiheit für die Häftlinge in den Filtrationslagern!´
Man verteilte Flugblätter: `Den Krieg brauchen nur die Politiker´ und Materialien von Human Rights Watch `Hunderte Tschetschenen wurden in Filtrationslager geworfen´.
`Filtrationslager´, War and Human Rights, Nr. 162, 28.02.2000,
www.hro.org/war/filtr/war_camps.htm

März

Anfang März 2000 Im Zentrum von Moskau, am Puschkin Platz, wird ein Streikposten gegen den Krieg in Tschetschenien aufgebaut. Der Streikposten wird vom Antikriegs-Aktions-Komitee organisiert. Radio Liberty berichtet, dass zwei der Teilnehmenden festgenommen wurde, da sie Flugblätter verteilt hatten, die die Politik Wladimir Putins in Tschetschenien kritisieren. Sie wurden später wieder freigelassen. Am 19. März will das Komitee eine gesamt-russische Aktion gegen den Krieg in Tschetschenien durchführen - vom fernen Osten bis nach Kaliningrad.
War and Human Rights, 6.3. 2000
http://www.hro.org/war/168.htm

9.3.2000 Bei einem Treffen in Moskau konfrontierten Repräsentanten von Human Rights Watch den stellvertretenden Chef des Mitarbeiterstabs des russischen Militärs, Generaloberst Waleri Manilow, mit Ergebnissen bezüglich der Massaker von Alkhan-Jurt, Staropromyslovski und Aldi. Manilow bestritt die Ergebnisse nicht, so wie andere offizielle Vertreter das getan hatten, bestätigte sie aber auch nicht. Er räumte jedoch ein, dass die Mentalität der russischen Armee geändert werden müsse, um Übergriffe in Tschetschenien einzudämmen.
Human Rights Watch. Russia/ Chechnya. "No Happiness Remains". Civilian Killings, Pillage, and Rape in Alkhan-Jurt, Chechnya. Vol. 12, No. 5 (D) - April 2000. (http://www.hrw.org)

16.3.2000 Der Bevollmächtigte für Menschenrechte in der russischen Föderation, Oleg Mironow, sagt gegenüber Radio Liberty: "Wir sahen unsere Soldaten ohne Arme und ohne Beine im Militärhospital in Mozdok, mit furchtbaren Wunden, aber unter den Flüchtlingen sahen wir ein neun-jähriges tschetschenisches Mädchen ohne Bein, und niemand kann für sie eine Prothese anfertigen, und eine 65-jährige Russin, deren Mann getötet wurde, sie hat drei Kinder an der Hand, und ihr Arm wurde bei einer Bombenexplosion abgerissen..." Oleg Mironow ruft die russischen und die internationalen Beobachter dazu auf, sich bei ihren Untersuchungen nicht auf den berüchtigten Ort Tschernokosowo zu beschränken.
War and Human Rights, 16.3.2000
http://www.hro.org/war/169.htm

20.3.2000 Jelena Bonner schreibt in der Zeitung ‚Die Welt‘: "Putin spricht von Gesetz und Ordnung, von Pressefreiheit und demokratischen Wahlen. Doch seine Grammatik, sein Gestus und seine Mimik, seine zweifellos vorhandene Zielstrebigkeit sind für mich Ausdruck einer Mentalität, die, über Generationen gemeißelt und fortgepflanzt, zum Fundament des Zynismus der großen Kohorte wurde - der Tscheka, und ihren Nachfolgern OGPU, NKWD, KGB und FSB."
Die Welt, 20.3.2000

April

13.4.2000 Bundestagspräsident Wolfgang Thierse empfing drei Vertreterinnen des Komitees der russischen Soldatenmütter. Diese berichteten ihm über ihre Arbeit und Thierse sicherte ihnen die Unterstützung des deutschen Bundestages zu.
Pressemitteilung des Bundestages unter www.bundestag.de/aktuell/presse, 14.4.2000

Mai

8.5.2000 In einem Gespräch mit der Zeitung DIE WELT sagte der Präsident Tschetscheniens Maschadow: "Ganz eindeutig habe ich erklärt und erkläre ich, dass wir den Krieg stoppen wollen. Doch unsere Bemühungen stoßen auf die Ablehnung der russischen Militärs, die den Krieg nicht beenden wollen. Sie desinformieren ihren Präsidenten über die Lage in Tschetschenien. Das war schon im ersten Krieg so. Die Generäle denken nur an ihre Ränge und an den Kriegesruhm. Damals haben sie Jelzin belogen. Heute hat Putin die Lage noch nicht ganz erfasst, ich hoffe, dass er sie noch begreifen wird."
Die Welt, 8.5.2000

8.5.2000 Der tschetschenische Präsident Maschadow schreibt einen Brief an den Präsidenten der Parlamentarischen Versammlung des Europarats Lord Russell-Johnston. Er beschuldigt die Russen, im ersten Tschetschenienkrieg etwa 120.000 Tschetschenen umgebracht zu haben, in den acht Monaten des jetzigen Krieges seien schon 20.000 Menschen umgekommen. Die Armee verübe schwere Verbrechen gegen die Menschlichkeit, trotzdem sei kein einziger Russe dafür zur Rechenschaft gezogen worden. Die Anklage gegen Kolonell Budanow, der eine 18-jährige Tschetschenin vergewaltigt und ermordet hat, sei fallen gelassen worden. Maschadow und seine Regierung seien bereit, einen Waffenstillstand zu vereinbaren, dies jedoch nur, wenn sich auch Russland an einen solchen Waffenstillstand hält. "Sofort nach dem Waffenstillstand könnten Friedensverhandlungen begonnen werden, möglicherweise im Beisein der OSZE oder des Europarates. Gleichzeitig werden wir alle Kriegsgefangenen freilassen." Maschadow schlägt ein Treffen mit Russell-Johnston vor.
Brief Maschadow an Russell-Johnston überbracht durch den tschetschenischen Sondergesandten Ousman Ferzaouli, 9.5.2000

27.5.2000 In einem Interview mit der Berliner Zeitung sagt der russische Lyriker, Romancier und Filmautor Jewgeni Jewtuschenko: "Ich war einer von denen, die sich gleich am Anfang dieses Tschetschenienkrieges gegen ihn ausgesprochen haben. Ich muss nur einen Augenblick daran denken, dass dort auch Kinder umkommen, dann weiß ich, wie meine Haltung dazu ist. Und wenn ich an unsere Soldaten denke, junge Burschen, denen man vielleicht die Köpfe abschneidet und diese auf irgendeinem Markt als Trophäe ausstellt, dann weiß ich es auch. Ich war gegen diesen Krieg in Tschetschenien und ich habe den Orden für Völkerfreundschaft nicht angenommen. Man müsste die Demagogie aus den gegenseitigen Beziehungen eliminieren. Das wäre ein Anfang, wenn politische Verhandlungen damit begännen, dass jede Seite ihre eigenen Fehler erörtert."
Berliner Zeitung, 27.5.2000

Juni

27.6.2000 Die Berliner Morgenpost interviewte den Vorsitzenden der russischen Oppositionspartei "Jabloko" Grigori Jawlinski. Dieser zeigt sich besorgt über die Entwicklung der Medien in Russland: "Bei uns gibt es keine unabhängigen Medien. Sie sind entweder total käuflich. Oder sie gehören irgendwelchen Clans. Der Angriff auf Media-Most zeigt, dass die Pressefreiheit in Gefahr ist. Putin will die Presse im Sinne der Staatsinteressen "konsolidieren". Das heißt: Rückkehr zur Sowjet-Presse."
Berliner Morgenpost, 27.6.2000

28.6.2000 Die russische Menschenrechtsorganisation "Memorial" schreibt einen Brief an die Parlamentarische Versammlung des Europarates. Memorial weist darauf hin, dass die Medien das Interesse an Tschetschenien weitgehend verloren hätten, dass es aber immer noch viele Fälle willkürlicher Verhaftungen gebe, dass Krieg und Menschenrechtsverletzungen weitergingen. Die Parlamentarische Versammlung wird aufgefordert, die russische Regierung zu drängen, dass endlich die Vorwürfe der Menschenrechtsverletzungen untersucht werden. Memorial wünscht sich vom Europarat weiterhin eine kritische Beobachtung der Situation, die über eine höflich-diplomatische Rhetorik hinausgehen müsse.
Brief von Memorial an die Parlamentarische Versammlung des Europarats auf der Memorial homepage: www.memo.ru, 28.6.2000

August

4.8.2000 Jelena Bonner: "Russland sollte den Waffenstillstand ausrufen. Ich bezweifle nicht, dass Aslan Maschadow dem Folge leisten wird. Wir sollten mit ihm verhandeln, anstatt Lügen über ihn zu verbreiten, er sei nicht der legitime Präsident Tschetscheniens."
Radio Free Europe/ Radio Liberty. Caucasus Report Vol. 3, No. 32. 10.8.2000

8.8.2000 Die kargen Mittel für den Wiederaufbau der Republik, beschwerte sich jüngst der offizielle Vertreter Tschetscheniens in Moskau, Schamil Benó, hätten kremltreue Unternehmen für kostspielige Projekte in der Republik eingesackt, deren "Nutzen die Bevölkerung nicht zu erkennen vermag".
Stuttgarter Zeitung, 8.8.2000

10.8.2000 Frieden im Kaukasus und daher ein Ende des Sprengstoffterrors wird es erst geben, wenn Moskau "endlich aufhört, einen Vielvölkerstaat mit kolonialen Methoden zu regieren." Die Kritik kommt nicht von irgendwem. Autor des Zitats ist ein Mann, der Russlands Kaukasusrepublik von Amts wegen verteidigen müsste: Minister Ramazan Abdulatipow.
Die Rheinpfalz, 10.8.2000

31.8.2000 Yusup Soslambekow, Vorsitzender der 'Konföderation von Völkern des Kaukasus' ruft beide Seiten zu vorbehaltlosen Friedensverhandlungen auf.
Relief Web, 31.8.2000

September

15.9.2000 In einem Interview mit BBC sagt der letzte Generalsekretär der KPDSU, Gorbatschow, er glaube, die vorgeworfenen Menschenrechtsverletzungen in Tschetschenien hätten stattgefunden. Er sei zur Vermittlung zwischen den Kriegsparteien bereit gewesen und sei schon während des ersten Krieges gegen den Einmarsch der russischen Truppen in Tschetschenien gewesen, seiner Stimme sei jedoch kein Gehör geschenkt worden.
BBC, 15.9.2000

21.9.2000 In einer Anhörung zum Thema Tschetschenien in der Staatsduma wurde Kritik an den russischen Streitkräften laut. Es ging besonders darum, dass es Moskau und seinen Truppen nicht gelinge, die Menschenrechte der tschetschenischen Zivilisten zu garantieren. Die russischen Polizeibeamten in Tschetschenien wurden "Werwölfe" in Uniform genannt. Besonders harsche Kritik kam vom tschetschenischen Duma-Abgeordneten Aslambek Aslachanow: Die Menschen in Tschetschnien seien "Versuchskaninchen für Grausamkeit, Schamlosigkeit und Unmoralität". Kadyrow, der pro-russische Verwaltungschef für Tschetschenien, warnte vor einem Rückschlag in Tschetschenien, die Tschetschenen hätten nichts zu verlieren. Der Menschenrechtsbeauftragte für Tschetschenien, Kalamanow, sagte, es seien bis jetzt 8.000 Tschetschenen in sein Büro gekommen, um Verletzungen der Menschenrechte einzuklagen. Nur General Manilow blieb, nach dem Eingeständis möglicher Menschenrechtsverletzungen, bei seiner Rethorik und sagte, mit denen, die für den Krieg verantwortlich seien, werde ‚gnadenlos abberechnet‘.
The Moscow Times, 22.9.2000

25.9.2000 Der pro-russische Verwaltungschef für Tschetschenien kritisierte die Moskauer Politik scharf. Er sagte, es gäbe kein russisches Programm zum Wiederaufbau der zerstörten Kaukausus-Republik. Die humanitäre Hilfe gehe nach Inguschetien und nicht nach Tschetschenien, so Kadyrow. Der inguschetische Präsident Auschew gibt an, in seiner Republik befänden sich noch 200.000 tschetschenische Flüchtlinge, wobei Kadyrow von nur etwa 115.000 spricht.
AFP-Bericht bei BBC, auf der homepage: www.bbc.co.uk, 26.9.2000

28.9.2000 Der Duma-Abgeordnete und Menschenrechtler Kowaljow sagte der Abordnung des Europarates, der "Hauptkriminelle im Nordkaukasus ist die russische Regierung und unsere höchsten Befehlshaber." Er fordert die "Internationalisierung des Tschetschenienproblems".
Interfax-Bericht in Yahoo News auf der homepage: www.yahoo.com, 28.9.2000

Oktober

26.10.2000Der Menschenrechtsbeauftragte der russischen Regierung, Oleg Mironow, veröffentlichte einen Report über Menschenrechtsverletzungen in Tschetschenien. Der 50-Seiten starke Report ist voll mit Beispielen von Folter und Misshandlungen während der Verhöre. Dem Report zufolge, ist das Problem so groß, dass es mit einer nationalen Katastrophe verglichen werden kann. Mironow kommt zu dem Schluss, dass die Menschenrechtsverletzungen einer "nationalen Katastrophe" gleichkommen.
Radio Free Europe, Radio Liberty, 26.10.2000

e) Erklärungen internationaler Persönlichkeiten und Organisationenoben

September

30. 9.1999 Frankreich, Deutschland und Italien sind zutiefst besorgt über die Verschlechterung der Situation in Tschetschenien, über die dramatischen Konsequenzen für die Zivilbevölkerung und über die Eskalationsrisiken. Die Länder rufen zum Dialog auf und zur Suche nach einer politischen Lösung. Frankreich, Deutschland und Italien betätigen, dass sie sich der territorialen Integrität der russischen Föderation verpflichtet fühlen. Sie verurteilen terroristische Akte auf dem Territorium der russischen Föderation.
http://www.auswaertiges-amt.de/6%5Farchiv/99/p/p990930a.htm, 30.9.1999

Oktober

1.10.1999 Bundesaußenminister Joschka Fischer hat heute mit seiner amerikanischen Amtskollegin Madeleine Albright telefoniert. Beide Minister waren sich einig, dass der Konflikt im nördlichen Kaukasus nur auf friedlichem Wege gelöst werden kann. Die Konfliktparteien dürfen es nicht zu einer weiteren Eskalation kommen lassen, sondern sind aufgerufen, unverzüglich in einen politischen Dialog einzutreten.
http://www.auswaertiges-amt.de, 1.10.1999

5.10.1999 Human Rights Watch hat die russische Regierung dafür kritisiert, dass sie tschetschenische Flüchtlinge davon abgehalten hatte, Inguschetien zu verlassen, um bei Verwandten in anderen Teilen Russlands Unterschlupf zu finden: "Such restrictions violate Russian law, which provides for freedom of movement throughout the country to its citizens, and Russian obligations under international law to protect freedom of movement to its citizens."
Human Rights Watch in Refugees Daily, 5.10.1999

6.10.1999 Schamil Bassajew von der tschetschenischen Militärführung erklärt, alle Nationalitäten im Kaukasus hätten das Recht, über ihren politischen Status zu entscheiden. "Ich betrachte den Kaukasus als einen freien Staat der Konföderation ... Grundlegende Menschenrechte, das Recht auf Selbstbestimmung sowie das Recht, über unsere eigene Zukunft zu entscheiden, müssen gewährt werden. Wir kennen unseren Status und unsere Zukunft bereits. Aber die Welt muss ebenfalls davon erfahren."
Interview mit Bassajew veröffentlicht vom Center for defence information auf der homepage http://www.cdi.org, 6.10.1999

19.10.1999 Die Bundesregierung erklärt zum Tschetschenienkrieg, die massiven Bombardierungen und groß angelegte militärische Bodenoperationen seien keine geeigneten und angemessenen Mittel zur Terrorismusbekämpfung. Die zivilen Opfer ständen in keinem Verhältnis zu der dadurch bewirkten Schwächung, im Gegenteil führe sie zu der Solidarisierung zwischen gemäßigten und radikalen Kräften in Tschetschenien.
Homepage der Bundesregierung: www.bundesregierung.de, 19.10.1999

21.10.1999 "Die Russen pokern derzeit sehr geschickt", sagt ein hoher Nato-Militär. "Manche Nato-Staaten wollen unbedingt wieder normale Beziehungen, deshalb sitzt Moskau plötzlich am längeren Hebel." Von der russischen Attacke auf Tschetschenien wurde der Nato vorab kein Wort mitgeteilt, erinnert sich ein hoher Bündnisbeamter. Und auch die Nato bedenkt in den gemeinsamen Gremien das blutige Geschehen nach wie vor mit nichts als Schweigen.
Die Welt, 21.10.1999

22.10.1999 Human Rights Watch appelliert an Putin, alle Pläne, Flüchtlinge zwangsweise nach Tschetschenien zurückzuführen, sofort zu beenden.
Refugees Daily, 22.10.1999

22.10.1999 Die Europäische Union fordert Russland zu einer Lösung des Tschetschenien-Konflikts auf dem Verhandlungswege auf.
http://www.bundesregierung.de, 23.10.1999

22.10.1999 Nach dem Raketenangriff auf Grosny, der über 60 Zivilisten tötete, äußert sich der Präsident der parlamentarischen Versammlung des Europarats, Lord Russell-Johnston, schockiert über die hohen Verluste unter der Zivilbevölkerung. Er ruft beide Seiten dazu auf, auf willkürliche und unverhältnismäßige Aktionen zu verzichten, die unschuldigen Zivilisten Leid zufügen könnten.
Europarat in Relief Web, 31.1.2000 (http://www.reliefweb.int)

23.10.1999 Die US-Regierung drückte ihre Besorgnis über die Eskalation der Gewalt in Tschetschenien aus und rief Moskau zum Dialog mit den politischen Kräften in der Kaukasus-Republik auf. "Ein konstruktiver politischer Dialog ist der einzige Weg, dies zu beenden", sagte der Sprecher des Weißen Hauses, Joe Lockhart, am Freitag in Washington. Beide Seiten müssten erkennen, dass die Probleme nicht mit Waffengewalt gelöst werden könnten.
www.tagesschau.de, 23.10.1999

23.10.1999 "Mit großer Sorge", verfolgt UN-Generalsekretär Kofi Annan die Entwicklung in Tschetschenien. Dies teilte sein Sprecher Fred Eckhard in New York mit. Annan habe nachdrücklich seine Hoffnung ausgedrückt, dass alles getan werde, um zivile Opfer zu vermeiden, und dass die Grundregeln über die Einhaltung der Menschenrechte in bewaffneten Konflikten eingehalten würden.
ARD-Tagesschau auf der homepage: www.tagesschau.de, 23.10.1999

24.10.1999 Bundeskanzler Schröder hat den Angriff auf einen Marktplatz in Grosny verurteilt, in der Pressemeldung heißt es wörtlich: "Der Bundeskanzler verurteilt das Massaker auf dem Marktplaz von Grosny, (es) unterstreicht erneut die dringende Notwendigkeit, den Konflikt unverzüglich mit friedlichen Mitteln beizulegen und eine tragfähige politische Lösung anzustreben."
www.bundesregierung.de, 24.10.1999

27.10.1999 Die parlamentarische Versammlung des Europarats verurteilt den willkürlichen und unverhältnismäßigen Einsatz von Gewalt der russischen Armee. Laut Berichten hat dieser bereits Hunderten von Zivilisten das Leben gekostet. Darüber hinaus ist er auch verantwortlich für die Flucht von mehr als 150.000 Tschetschenen.
Parlamentarische Versammlung des Europarats, 27.10.1999

28.10.1999 In einem Brief an den UN-Generalsekretär schreibt der HALO-Trust: "Das russische Militär tötet offenkundig und systematisch Tausende von Zivilisten in Dörfern und Städten im ganzen Land. Diese Dörfer, die viele Meilen von der Frontlinie am Terek Fluß entfernt liegen, werden bombardiert, beschossen und wiederholt von Raketensalven getroffen. Sie sind weder militärische Ziele noch elementare Infrastruktur, sie beherbergen keine Terroristen." Experten der Organisation inspizierten auch den zentralen Markt von Grosny nach dem Angriff vom 21.10.1999, Sie fanden heraus, dass kein Zweifel darüber besteht, dass die Opfer auf das Konto eines russischen Luftanschlags gehen und nicht auf das einer versehentlichen Explosion in einem Munitionslager.
Amnesty International Report EUR 46/38/99. The Russian Federation: Chechen Republic. Humanity is indivisible. Open Letter to the United Nations from the Secretary General of Amnesty International. November 1999.
http://www.amnesty.org/ailib/aipub/1999/EUR/44603899.htm

28.10.1999 "Der Sturm auf Grosny ist ein Kriegsverbrechen, das verhindert werden kann", sagt der Generalsekretär des Internationalen Friedensbüros, Colin Archer. Starker und sofortiger Druck von wichtigen politischen und Wirtschaftspartnern könne möglicherweise der einzige Weg sein, weitere Gräueltaten zu verhindern.
International Peace Bureau, 28.10.1999 http:www.ipb.org

30.10.1999 Die EU nimmt die russische Regierung beim Wort, sie würde nicht nach einer militärischen Lösung des Problems streben. Eine militärische Lösung eines im Grunde politischen Problems sei nicht akzeptabel. Die EU erwartet von der russischen Regierung, dass sie ihre Intentionen offenlegt und unterstreicht die Notwendigkeit einer schnellen Deeskalation des Konflikts.
http://presidency.finland.fi, 30.10.1999

November

1.11.1999 In Olso forderte Präsident Clinton Russland auf, den militärischen Druck auf Tschetschenien zu verringern. Clinton habe sich gegenüber Putin tief besorgt über die hohe Anzahl ziviler Opfer gezeigt.
Frankfurter Allgemeine Zeitung, 3.11.1999

November 1999 Ein offener Brief des Generalsekretärs von Amnesty International an die Vereinten Nationen appelliert, dringend auf die Verletzungen internationalen humanitären Rechts in Tschetschenien hinzuweisen und die Notlage der Zivilisten, die vor dem Konflikt in die Nachbarrepubliken geflohen sind, zu erleichtern.
Amnesty International Report, March 2000. Concerns in Europe. July-December 1999. http://www.amnesty.org/ailib/aipub/2000/EUR/40100100.htm

Anfang November 1999 Die USA, die EU und die UNO werfen Russland "unangemessene Härte" im militärischen Vorgehen im Kaukasus vor.
Reuters/dpa-Meldung in Neue Zürcher Zeitung, 4.11.1999

Anfang November "Amnesty International" wirft der russischen Führung vor, sie verfolge unter dem Vorwand der Terrorismusbekämpfung gezielt Personen bestimmter ethnischer Herkunft. Verbrechens- und Terrorismusbekämpfung rechtfertige nicht die Verletzung von Menschenrechten.
Frankfurter Allgemeine Zeitung, 4.11.1999

3.11.1999 Das UNHCR hat Moskau zur Öffnung der Grenze zu Inguschetien aufgefordert und die Situation der Flüchtlinge mit der während des Kosovo-Krieges verglichen.
AFP/dpa-Bericht in die tageszeitung, 5.11.1999

3.11.1999 Human Rights Watch fordert Russland dazu auf, die Vorfälle vom 21. Oktober, als der Markt von Grosny angegriffen wurde, aufzuklären und die Ergebnisse zu veröffentlichen.
Human Rights Watch, 3.11.1999 (http://www.hrw.org/press/1999/nov/chech1103.htm)

3.11.1999 Ernst Mühlemann, Mitglied des Europarates veröffentlichte am 3.11.1999 einen Vorschlag für die Europaratsresolution zu Tschetschenien, darin stellt er unter anderem folgende Forderungen:
'3. Der Europarat appelliert an Russland, Militärschläge gegen Zivilisten zu vermeiden und einen Waffenstillstand auszuhandeln.
6. Er appelliert an die russischen Behörden und an Repräsentanten der internationalen Hilfsorganisationen, die Hilfe den Bedürftigen zukommen zu lassen. Russland soll die Grenze zwischen Tschetschenien und Inguschetien offen lassen.
10. Alle Seiten sollen zur Deeskalation des Konflikts beitragen, damit der Frieden wieder in den Nordkaukasus zurückkehrt.'
Ernst Mühlemann in www.eu.int, 3.11.1999

4.11.1999 In Brüssel votierte das Europaparlament für eine Verschiebung der Abstimmung über den Abschluss des Abkommens zur wissenschaftlich-technischen Zusammenarbeit zwischen der EU und Russland. Die grüne Europaabgeordnete Elisabeth Schroeter sagte, angesichts der schweren Menschenrechtsverstöße in Tschetschenien könne man nicht einfach zum "business as usual" übergehen. Außenminister Fischer sprach von einer "humanitären Katastrophe" und warnte vor einer Destabilisierung der Region. Die Bemühungen um einen Dialog im Tschetschenienkonflikt scheiterten jedoch. Bei einer weiteren Entschließung des Europarates wurde Russland nur aufgefordert, "militärische Angriffe gegen die Zivilbevölkerung in Tschetschenien zu vermeiden" und einer Feuerpause zuzustimmen.
AFP/dpa/taz-Meldung in die tageszeitung taz, 5.11.1999, und dpa-Meldung in Frankfurter Rundschau,
5.11.1999, sowie AFP/AP-Bericht in Süddeutsche Zeitung, 5.11.1999

5.11.1999 Wegen der Gefahr des Missbrauchs zu Kriegszwecken fordert die Internationale Gesellschaft für Menschenrechte (IGFM) die Aussetzung der Wirtschafts- und Finanzhilfen, bis Bedingungen geschaffen worden sind, die eine Fortsetzung der Hilfen erlauben: Die russische Regierung muss die Kriegshandlungen sofort beenden. Sie muss den freien Zugang von Hilfsorganisationen zu den Flüchtlingen in und außerhalb Tschetscheniens gewähren. Sie muss umgehend Verhandlungen mit der tschetschenischen Führung und den Anrainerstaaten aufnehmen. Sie muss die Verantwortlichen für Massaker wie den Beschuss des Marktes in Grosny identifizieren und bestrafen.
Sonntagsblatt, 5.11.1999

6.11.1999 Der deutsche Botschafter in Moskau, Ernst-Jörg von Studnitz, sagte der Agentur Interfax, der Tschetschenienkrieg könne die internationalen Beziehungen Russlands zwar komplizieren, die Forderung der Isolierung werde Russland aber kaum abschrecken. Forderungen nach Sanktionen habe er bisher von niemandem aus dem Westen gehört. Eine Isolierung sei undenkbar.
Tomas Avenarius in Süddeutsche Zeitung, 8.11.1999

8.11.1999 In Istanbul auf der Vorbereitungskonferenz der OSZE warfen die USA Russland "unterschiedslose Gewalt gegen unschuldige Zivilisten" vor, wie der Abteilungsleiter des State Department, Koh, sagte. Damit verletze Russland sowohl die Genfer Konventionen als auch die Bestimmungen der OSZE, sagte Außenamtssprecher Rubin. Die amerikanische Regierung verstehe zwar, dass Moskau gegen Terroristen vorgehen müsse, aber "wir sind höchst besorgt darüber, dass der Preis für ihre Methoden zu hoch ist." Der "wahllose Gebrauch von Gewalt und die Auswirkungen dieser Eskalation auf unschuldige Zivilisten erfüllen uns mit tiefer Besorgnis." Weiterhin forderte Rubin Moskau auf, Verhandlungen mit der gewählten tschetschenischen Regierung aufzunehmen.
ap-Meldung in Neue Zürcher Zeitung, 9.11.1999, und AFP/dpa-Bericht in Süddeutsche Zeitung, 10.11.1999

10.11.1999 Im Grenzgebiet zu Inguschetien besuchte eine OSZE-Delegation einige Flüchtlingslager. Der Delegationsleiter Kim Travik sagte, der Konflikt gehe weit über den Rahmen einer inneren Angelegenheit Russlands hinaus. Die OSZE werde alles tun, um Frieden in Tschetschenien wiederherzustellen. Travik warnte zudem vor einer Verschlimmerung der Flüchtlingssituation angesichts des Wintereinbruchs. Die Lage der Flüchtlinge sei schon jetzt "sehr schwer". Die Lager seien überfüllt, es drohten Krankheiten, es gebe Probleme bei der Versorgung mit Lebensmitteln und Medikamenten.
dpa/afp-Meldung in Frankfurter Rundschau, 11.11.1999, und dpa/AP-Bericht in Süddeutsche Zeitung, 12.11.1999

12.11.1999 Staatsminister Christoph Zöpel: "Die Bundesregierung sieht in massiver militärischer Gewalt, die zu hohen Opfern unter der Zivilbevölkerung führt, kein Mittel zur Lösung des Tschetschenien-Problems. Ein politischer Dialog sollte die Probleme in der Region dauerhaft lösen."
Deutscher Bundestag. http://dip.bundestag.de

12.11.1999 Staatsminister Vollmer äußert sich zur deutschen Position im Tschetschenienkrieg: Die offizielle russische Position teilt die Bundesregierung nicht, sie ist der Meinung, dass dieser Konflikt militärisch nicht zu lösen sei. Das Verhalten der russischen Armee sei grausam, und deshalb setzte der Westen alles daran, die russische Führung dazu zu bewegen, diesen Krieg einzustellen. 'Es ist eine innere Angelegenheit in dem Sinne, dass Tschetschenien ein Teil Russlands ist. Es stehen sich da nicht zwei verschiedene Staaten gegenüber, es ist kein zwischenstaatlicher Konflikt. Es ist ein Regionalkonflikt innerhalb Russlands. Aber dennoch hat der Westen (..) die Möglichkeit, das Recht und auch die Verpflichtung, sich einzumischen, weil dort nämlich menschenrechtliche Standards massiv verletzt werden.'
Interview im Deutschlandfunk, www.auswaertiges-amt.de, 13.11.1999

12.11.1999 In seiner schärfsten Erklärung zu Tschetschenien hat der UN-Generalsekretär Kofi Annan gesagt, Moskau sei weit darüber hinaus gegangen, Terroristen auszurotten, unschuldige Zivilisten würden getötet. Annan forderte die russische Regierung dringend auf, die Zivilbevölkerung vor weiteren Verlusten zu schützen, es solle auch keine Zeit verloren werden, wenn es um die Suche nach Langzeitlösungen geht.
AP, 13.11.1999

Mitte November 1999 Nato-Generalsekretär George Robertson erklärte am Ende seines Ungarnbesuchs in Budapest, der Konflikt in Tschetschenien sei nicht das Problem seiner Organisation: "Dies ist keine Angelegenheit der Nato".
dpa-Bericht in Göttinger Tagblatt, 12.11.1999

Mitte November 1999 Die Ärzteorganisation Cap Anamur warf der russischen Armee vor, sie habe bei Angriffen auf Grosny auch ein Kinderkrankenhaus bombardiert.
afp/ap/dpa-Bericht in Frankfurter Rundschau, 10.11.1999

14.11.1999 In Marseille kritisierte Präsident Chirac das russische Vorgehen in Tschetschenien scharf. Mit dem Feldzug gegen die Kaukasusrepublik mache Russland einen "tragischen Fehler". UN-Generalsekretär Kofi Annan hatte Russland in seiner bisher schärfsten Erklärung zum Tschetschenienkrieg vorgeworfen, weit über das Ziel der Vernichtung von Terroristen hinausgegangen zu sein und unschuldige Zivilisten umzubringen.
ap-Bericht in Neue Zürcher Zeitung, 15.11.1999, und ap/afp/rtr-Bericht in Frankfurter Rundschau, 15.11.1999

15.11.1999 In Brüssel verurteilen die EU-Außenminister bei einem Treffen zwar die "unverhältnismäßige" Gewaltanwendung in Tschetschenien, schrecken jedoch vor Sanktionen gegen Russland zurück, so dass es bei den üblichen Mahnungen blieb.
Frankfurter Allgemeine Zeitung, 16.11.1999

16.11.1999 Der Kirchenrat verurteilt in einem Brief an den russisch-orthodoxen Patriarchen Alexij "die unangemessene und unverantwortliche Gewaltanwendung des russischen Militärs, die zu einer humanitären Krise äußersten Ernstes beiträgt."
Eine Vertreterin von Amnesty International sagte in Moskau vor Journalisten, viele der russischen Angriffe richteten sich gegen die Zivilbevölkerung.
Neue Zürcher Zeitung, 17.11.1999

16.11.1999 In Berliner Regierungskreisen hieß es, Moskau verstoße in Tschetschenien gegen zahlreiche völkerrechtliche Vorschriften. Zu diesen Verstößen zähle unverhältnismäßige Gewalt, der fehlende Zugang für internationale Helfer und Beobachter und eine Überschreitung der vereinbarten Obergrenzen für schwere Waffen in der Region um über 60 Prozent. Solange Russland diese internationalen Bedingungen nicht erfülle, werde der Westen den Vertrag über konventionelle Streitkräfte in Europa (KSE) nicht ratifizieren.
Richard Meng in Frankfurter Rundschau, 17.11.1999

16.11.1999 Die UN Hohe Kommissarin für Menschenrechte, Mary Robinson, äußert sich bestürzt über den willkürlichen Einsatz von Gewalt und die Situation derjenigen, die den Bombenangriffen nicht entfliehen können. Medizinische Versorgungsgegenstände für tschetschenische Krankenhäuser wären nicht nach Tschetschenien reingelassen worden. Die Situation der 192.800 Flüchtlinge sei kritisch und in Tschetschenien mangele es an sicheren Korridoren für Zivilisten. Robinson ruft Russland dazu auf, die Menschenrechte von Zivilisten zu schützen.
United Nations Press Release, 16.11.1999

17.11.1999 Minister Kimmo Sasi im Europaparlament: "Der Einsatz von Gewalt gegen Zivilisten ist unter Internationalem Humanitärem Recht verboten. Russland hat die Verpflichtungen verletzt, die daran und an die Genfer Konvention gebunden sind. Willkürliche Bombardierungen haben zu großen Verlusten unter der Zivilbevölkerung geführt."
http://presidency.finland.fi, 17.11.1999

17.11.1999 Der neue hohe Repräsentant für die Außen- und Sicherheitspolitik der EU, Javier Solana, forderte Moskau auf, internationale Gesetze zu respektieren, Zivilisten zu schützen und eine friedliche Lösung zu suchen. Die EU wolle in dieser Hinsicht den Druck auf Moskau erhöhen.
ap/afp/wtr/dpa-Meldung in Frankfurter Rundschau, 18.11.1999

17.11.1999 Human Rights Watch drängt die internationale Gemeinschaft bei der OSZE-Konferenz in Istanbul, sofortige Schritte gegen die Gewalt in Tschetschenien zu unternehmen.
Human Rights Watch, 17.11.1999 (http://www.hrw.org/press/1999/nov/chech1117.htm)

17.11.1999 Chris Patten von der Europäischen Kommission sagt, die russischen Befehlshaber müssten verstehen, dass ihre gegenwärtigen Aktionen einen Einfluss auf ihre Akzeptanz von Seiten der internationalen Gemeinschaft und Russlands Glaubwürdigkeit als politischer und wirtschaftlicher Partner hätten.
http://europa.eu.int, 17.11.1999

18.11.1999 Das Europäische Parlament verurteilt erneut die militärische Intervention der Russischen Föderation in Tschetschenien. Es fordert ein Ende des militärischen Vorstoßes der russischen Streitkräfte und die Aufnahme eines konstruktiven Dialogs mit den rechtmäßigen Vertretern Tschetscheniens.
http://europa.eu.int, 18.11.1999

18.11.1999 Bei der OSZE-Konferenz in Istanbul drohte Chirac damit, die Sicherheits-Charta nicht zu unterzeichnen, es sei denn Russland mache Zugeständnisse.
http://www.pgs.ca/pages/war/ca2/ss991118.htm, 18.11.1999

18.11.1999 In Istanbul forderten mehrere Redner auf der OSZE-Konferenz Boris Jelzin zu einer friedlichen Regelung des Tschetschenien-Konflikts auf. Chirac nannte den Krieg "unannehmbar". Schröder mahnte politische Mittel zur Konfliktlösung an. Clinton erinnerte ebenfalls die Verhältnismäßigkeit der Mittel im Kampf gegen den Terrorismus; konkret forderte er eine Rückkehr der Flüchtlinge, die Zulassung humanitärer Organisationen im Kriegsgebiet und Dialogbereitschaft.
Wolfgang Koydl in der Süddeutschen Zeitung, 19.11.1999

20.11.1999 Human Rights Watch erhebt schwere Vorwürfe gegen die russische Armee in Tschetschenien. Zahlreiche Angriffe des Militärs richteten sich gegen die Zivilbevölkerung. Beispielsweise griffen die Streitkräfte regelmäßig die Ost-West-Hauptverbindung Tschetscheniens an, auf der sich viele Flüchtlinge nach Inguschetien befänden. Der Tod von Zivilisten werde also bei den Bombardements bewusst in Kauf genommen.
afp/dpa/ap - Bericht in der Frankfurter Rundschau, 20.11.1999

22.11.1999 Die russische Führung, so Gerhard Schröder beim Empfang für das diplomatische Korps am Montag in Berlin, müsse den Krieg in Tschetschenien umgehend beenden: Die Angriffe auf ein ganzes Volk, vor allem auf die Zivilbevölkerung, seien ein unzulässiges Mittel, Terroristen zu bekämpfen.
Deutsche Welle, 22.11.1999

23.11.1999 Auf einer Pressekonferenz vermeiden Ogata und Kofi Annan jegliche Kritik an den militärischen Aktionen der russischen Streitkräfte in Tschetschenien - auch Forderungen zum Einstellen der Angriffe auf zivile Ziele unterbleiben. Eine humanitäre Aktion der UNO-Organisationen in Tschetschenien wird vorerst ausgeschlossen; das UNHCR hat nach Angaben Ogatas keinen Kontakt zur tschetschenischen Regierung mehr.
Neue Zürcher Zeitung, 24.11.1999

Ende November 1999 In Madrid deutete der Chef des Internationalen Währungsfonds (IWF), Michel Camdessus, wirtschaftliche Konsequenzen des russischen Vorgehens in Tschetschenien an. Der IWF überlege, die Auszahlung der nächsten Kredittranche in Höhe von 640 Millionen Dollar an Russland zu verweigern; die Fortsetzung der Finanzhilfe sei nicht möglich, wenn der Rest der Welt dagegen sei. Der Krieg in Tschetschenien habe dem internationalen Ansehen Russlands geschadet, sagte Camdessus.
AFP/AP/dpa-Meldung in die tageszeitung taz, 30.11.1999, und die Neue Zürcher Zeitung , 29.11.1999

Ende November 1999 US-Außenministerin Albright spricht sich gegen eine Blockierung der IWF-Kredite an Russland aus. Es sei wichtig, den Tschetschenienkrieg und mögliche neue Kredite des IWF auseinanderzuhalten. "Wir glauben, dass es sehr wichtig ist, Russland wirtschaftlich zu stabilisieren. Das ist auch in unserem nationalen Interesse." Diese Äußerungen waren eine Reaktion auf die Ankündigung Putins, das russische Kriegsbudget um 100 Millionen US-Dollar zu erhöhen.
die tageszeitung taz, 26.11.1999

Dezember

Dezember 1999 Amnesty International fordert die russische Regierung dazu auf, die Namen all derer aufzudecken, die in Filtrationslagern in Haft sind, die Grenzübergänge eingeschlossen, und dem ICRC sofortigen Zugang zu den Häftlingen zu gewähren. Ferner erklärt AI, dass viele Tausend Menschen, die aufgrund des Konflikts zur Flucht gezwungen waren, keinen angemessenen Zugang zu Schutz und humanitärer Hilfe haben. Bisher habe AI noch keinen detaillierten Bericht von den russischen Behörden über spezielle Vorfälle bei russischen Militärangriffen erhalten, die zu hohen Verlusten unter der Zivilbevölkerung führten und unter Verletzung internationaler humanitärer Gesetze stattfanden.
Amnesty International. Russian Federation: Chechnya. For the Motherland. Reported grave breaches of international humanitarian law. Persecution of ethnic Chechens in Moscow. December 1999.

2.12.1999 In Moskau kritisiert der Menschenrechts-Kommissar des Europarates, Alvaro Gil-Robles Russland scharf für die im Kaukasus begangenen Menschenrechtsverletzungen. Nach einem Besuch im Krisengebiet sagte er, es gebe Opfer unter der Zivilbevölkerung und Tausende Flüchtlinge - das könne man nicht anders als Menschenrechtsverletzungen bezeichnen. Robles habe in den russisch kontrollierten Teilen Tschetscheniens Untersuchungsgefängnisse gesehen, in denen völlig unmenschliche Zustände herrschten.
dpa/afp-Bericht in der Neuen Zürcher Zeitung, 3.12.1999

2.12.1999 Entschließungsantrag der Fraktion SPD, Bündnis 90/ Die Grünen und FDP zu der Regierungserklärung des Bundeskanzlers zum bevorstehenden Europäischen Rat in Helsinki am 10./11. Dezember 1999: "Der Deutsche Bundestag erkennt die staatliche Souveränität der Russischen Föderation über das Gebiet der tschetschenischen Republik an. Ebenso hält er staatliches Vorgehen gegen Terrorismus für berechtigt und notwendig. Doch dies setzt nachvollziehbare und rechtsstaatlich nachprüfbare Ermittlungsergebnisse über Täter und Hintermänner voraus. Weder liegen diese Voraussetzungen vor noch sind die eingesetzten Mittel angemessen. Statt dessen werden die Lebensgrundlagen Tschetscheniens unterschiedslos zerstört. Ein ganzes Volk wird in den Konflikt gestürzt und erleidet Opfer, Zerstörungen, Flucht und Vertreibung."
Text des Entschließungsantrags siehe Homepage des Bundestags: www.bundestag.de

Anfang Dezember 1999 Nato-Generalsekretär Robertson verteidigt das Vorgehen der russischen Armee. Nach den Geiselnahmen der vergangenen Zeit habe Moskau keine andere Möglichkeit gehabt, die Ordnung in Tschetschenien wiederherzustellen. Er sagte, die russische Armee handele "sehr viel vorsichtiger" als noch vor zwei Jahren. Auch die chinesische Führung übte keine Kritik - im Gegenteil unterstütze sie das Vorgehen der russischen Streitkräfte.
die tageszeitung taz, 8.12.1999 und Florian Hassel in der Frankfurter Rundschau, 8.12.1999

6.12.1999 Amnesty International appelliert an die russischen Behörden: Nach internationalem humanitärem Gesetz würden auch die Zivilisten, die nach dem Ultimatum (11.12.) in Grosny verbleiben, ihren Zivil-Status nicht verlieren und müssten daher vor Angriffen geschützt werden.
Amnesty International. Russian Federation: Chechnya. For the Motherland. Reported grave breaches of international humanitarian law. Persecution of ethnic Chechens in Moscow. December 1999

7.12.1999 Bundesaußenminister Joschka Fischer: "Das russische Vorgehen in Tschetschenien ist völlig unakzeptabel. Das gegenüber der Bevölkerung von Grosny erklärte Ultimatum muss von der russischen Regierung sofort zurückgenommen werden. Die kollektive Gewaltandrohung gegenüber einer ganzen Stadt ist nicht hinnehmbar. Sie ist unverhältnismäßig und kann nicht mit der Bekämpfung von Terrorismus gerechtfertigt werden. Russland muss die Sicherheit und die humanitäre Versorgung der Zivilbevölkerung gewährleisten und in einen politischen Dialog zur Lösung der Tschetschenien-Krise eintreten."
http://www.auswaertiges-amt.de, 7.12.1999

7.12.1999 Der amerikanische Präsident Clinton erklärt, in Grosny sei das Leben der Alten, Verwundeten und anderer unschuldiger Zivilisten in Gefahr. Russland werde einen hohen Preis für diese Aktionen zahlen. Auch die EU fordert Russland auf, die unverhältnismäßige Gewalt in Tschetschenien zu beenden. In Brüssel werde darüber nachgedacht, unterschriftsreife Verträge mit Moskau auf Eis zu legen. Um die Aufhebung des an die Bevölkerung Grosnys gestellten Ultimatums zu erreichen, schließe die EU Sanktionen gegen Russland nicht aus, deutete der britische Außenminister Cook an. Der Internationale Währungsfond verschob die Freigabe einer Kreditrate von 1,2 Milliarden DM für Russland.
Florian Hassel in der Frankfurter Rundschau, 8.12.1999 und Neue Zürcher Zeitung, 8.12.1999

8.12.1999 Die Bundesregierung bezeichnet die russischen Militäraktionen als völkerrechtswidrig. Schröder erwartet eine Belastung des deutsch-russischen Verhältnisses, sollte Russland bei seinem Ultimatum gegen die Zivilbevölkerung Grosnys bleiben - dann könne es kein "business as usual" mehr geben.
AP/dpa/rtr-Meldung in die tageszeitung taz, 9.12.1999

8.12.1999 Die UN-Hochkommissarin für Menschenrechte, Robinson, der OSZE-Hochkommissar für Minderheiten, Max van der Stoel, und der Generalsekretär des Europarates, Schwimmer, fordern in einer gemeinsamen Erklärung Russland auf, ihre Verpflichtungen gegenüber den Menschenrechten und dem humanitären Recht in Grosny einzuhalten. Die Vorgehensweise in Tschetschenien müsse die grundlegenden Prinzipien achten.
Reuters-Meldung in der Neuen Zürcher Zeitung, 9.12.1999
Europarat in Relief Web, 31.1.2000 (http://www.reliefweb.int)

9.12.1999 Die UN-Sonderberichterstatterin über extralegale, massenhafte und willkürliche Erschießungen, Asma Jahangir, hat einen dringenden Appell an die russischen Behörden gerichtet, in dem sie ihrer tiefen Besorgnis über das Ultimatum an die Bürger Grosnys Ausdruck verlieh.
Presserklärung des UNHCR, 9.12.1999

10.12.1999 In Helsinki haben die Staats- und Regierungschefs der EU in einer scharfen Erklärung die exzessive Gewaltanwendung der Russen, das Ultimatum der Russen an die Bewohner von Grosny und die Behandlung der Vertriebenen als "völlig inakzeptabel" verurteilt. Die Sicherung territorialer Integrität und die Terrorismusbekämpfung rechtfertigten keinesfalls die pauschale Verfolgung der Gesamtbevölkerung sowie die Zerstörung ganzer Städte. Dieses Vorgehen stehe in offenem Widerspruch zum humanitären Recht und zu den von Russland als OSZE- und Europaratmitglied eingegangenen Verpflichtungen.
Neue Zürcher Zeitung, 11./12.12.1999

10.12.1999 Amnesty International ruft den UN-Sicherheitsrat dazu auf, seiner Verantwortung unter der UN-Charta nachzukommen und alle Parteien des Konflikts in der Republik Tschetschenien an ihre Verpflichtung, sich an internationales humanitäres Recht zu halten, zu erinnern. Humanitären und Nichtregierungs-Organisationen solle ein ungehinderter und sicherer Zugang nach Tschetschenien und den Zivilisten, die Grosny verlassen möchten, Sicherheit im sogenannten "Sicherheits-Korridor" gewährt werden.
Amnesty International, News Release, EUR 46/44/99, 10.12.1999

Mitte Dezember 1999 Die Parlamentarische Versammlung des Europarates droht angesichts der russischen Angriffe auf die tschetschenische Zivilbevölkerung erstmals mit dem Ausschluss Russlands aus dem Staatenbund. Der Europarat müsse die Zusammenarbeit mit Russland in Frage stellen, falls Moskau sich weiterhin Menschenrechtsverletzungen zu Schulden kommen lasse.
AP/Reuters/dpa-Bericht in Süddeutsche Zeitung, 14.12.1999
Europarat in Relief Web, 31.1.2000 (http://www.reliefweb.int)

13.12.1999 Die UN-Hochkommissarin für Flüchtlinge und Sondergesandte des UN-Generalsekretärs für die Region des Kaukasus, Sadako Ogata, sagte in einem Interview: "Ich mache mir große Sorgen um die in Grosny verbliebenen 40 000 bis 50 000 Zivilisten, bei denen es sich vorwiegend um Alte und Kranke handelt. Ihre Lage ist dramatisch." Ogata meint, sie könne nicht für die Sicherheit ihrer Mitarbeiter garantieren, wenn es zu einer Evakuierung aus Grosny käme, das Internationale Komitee vom Roten Kreuz dagegen sei die richtige Organisation. "Aber eigentlich müssten die Russen selbst diese Aufgabe wahrnehmen. Es liegt in ihrer Verantwortung, die Sicherheit der Zivilbevölkerung sicher zu stellen und diese zu retten."
Süddeutsche Zeitung, 14.12.1999

15.12.1999 Der PDS-Politiker Gregor Gysi kündigt an, er wolle zu Vermittlungsgesprächen nach Moskau und Grosny fahren.
AFP/Reuters/taz-Bericht in die tageszeitung taz, 16.12.1999

15.12.1999 Das Europaparlament forderte Russland energisch dazu auf, auf neue Militäraktionen in Tschetschenien zu verzichten und sichere humanitäre Hilfen in der Region zu ermöglichen. Die "unannehmbare Bedrohung" der Bevölkerung Grosnys könne den Kreislauf der Gewalt nur "verewigen", warnte das Parlament in einer Entschließung.
afp/dpa-Bericht in Frankfurter Rundschau, 16.12.1999

16.12.1999 Nato-Generalsekretär Robertson appellierte abermals an Moskau, eine friedliche Lösung zu suchen und auf die Weltöffentlichkeit zu hören. In Brüssel übte der für die Außenbeziehungen der Europäischen Union zuständige EU-Kommissar Patten erhebliche Kritik an Russland. Der unangemessene Waffeneinsatz in Tschetschenien, das Verbot Moskaus, die von der EU angebotene humanitäre Hilfe zuzulassen, und viele Wirtschaftspraktiken Russlands verstießen gegen Grundsätze des seit zwei Jahren gültigen Partnerschafts- und Kooperationsabkommens zwischen der EU und der Russischen Föderation. Die Außenminister der Union sollten erwägen, die Finanzhilfe im Rahmen des "Tacis"-Programms einzufrieren und Moskau nicht länger besondere Handelsvorteile einzuräumen. Aus der EU-Kasse sollten nur noch Vorhaben für humanitäre Zwecke oder die nukleare Sicherheit finanziert werden.
Frankfurter Allgemeine Zeitung, 17.12.1999

15.12.1999 Helmut Lippelt, außenpolitischer Sprecher der Grünen-Fraktion, sucht Unterstützung für einen Entschließungsantrag zur Verurteilung des russischen Vorgehens im Nordkaukasus. Darin heißt es: "Der Deutsche Bundestag verurteilt das russische Vorgehen als Verletzung des humanitären Völkerrechts und der jüngst durch das Gipfeltreffen in Istanbul bestätigten OSZE-Prinzipien." Der Antrag wird nicht eingebracht, die FDP und Sozialdemokraten stimmten für eine Verschiebung, die CDU hatte sich von vornherein zur Enthaltung entschlossen.
Eckart Lohse in Frankfurter Allgemeine Zeitung, 18.12.1999

16.12.1999 Aus der Regierungserklärung von Bundeskanzler Gerhard Schröder zu den Ergebnissen des Europäischen Rates in Helsinki vom 10./11. Dezember 1999 vor dem Deutschen Bundestag am 16. Dezember 1999: "Eine wichtige Rolle spielte das Verhältnis der Europäischen Union zu Russland. Die Staats- und Regierungschefs haben die Kriegsführung in Tschetschenien unmissverständlich verurteilt und eine baldige politische Lösung eingefordert. Die Europäische Union erwartet, dass die unangemessene und unterschiedslose Gewalt gegen die tschetschenische Bevölkerung unverzüglich beendet wird. Sie zieht aus der Lage in Tschetschenien die Konsequenz, bestimmte Formen vereinbarter Zusammenarbeit mit Russland zu überprüfen. Russland - das bleibt so - ist ein wichtiger Partner Europas. Die Europäische Union möchte nicht, dass sich Russland gegenüber Europa isoliert."
Bulletin vom 20.12.1999, http://www.bundesregierung.de

17.12.1999 Der russische Außenminister Igor Iwanow ist zum G-8-Treffen in Berlin. Außenminister Joschka Fischer kritisierte als gegenwärtiger G-8-Vorsitzender das Vorgehen Russlands in Tschetschenien, drohte jedoch nicht mit wirtschaftlichen Sanktionen. Fischer sprach von einer "sehr ernsten Bedrohung der Partnerschaft und der Zusammenarbeit zwischen Russland und allen". Die US-Außenministerin Madeleine Albright bezeichnete Russland schon als isoliert gegenüber der internationalen Gemeinschaft. Allerdings wolle sie nicht über Sanktionen "spekulieren". Fischer und Albright hoben übereinstimmend die Bedeutung Russlands als Partner für den Westen hervor. In den vergangenen Wochen hatte Bundeskanzler Gerhard Schröder in der Bundestagsdebatte über das Gipfeltreffen der EU in Helsinki die Erwartung der EU-Mitglieder wiederholt, Russland solle die Gewalt in Tschetschenien beenden. In Istanbul hatte er gemeinsam mit Präsident Bill Clinton den russischen Präsidenten Boris Jelzin kritisiert, der daraufhin vorzeitig nach Hause fuhr.
Offenbar erwägt die Bundesregierung jedoch nicht ernsthaft, Russland mit der Kürzung finanzieller Hilfen zu drohen. Die deutsche Haltung sei geprägt von dem Wunsch, nicht als Erster "vom Tisch aufzustehen", nicht "den Faden durchzuschneiden".
Eckart Lohse in Frankfurter Allgemeine Zeitung, 18.12.1999

17.12.1999 Auf der Tagung der Außenminister der G-8-Staaten forderten die westlichen Außenminister von Moskau eine sofortige und dauerhafte Feuereinstellung in Tschetschenien und verlangten ein Ende des unverhältnismäßigen Einsatzes von Gewalt gegen unschuldige tschetschenische Zivilisten sowie die Aufnahme eines politischen Dialogs. US-Außenministerin Albright sagte, Moskau schließe sich systematisch aus den politischen Diskussionen aus.
Neue Zürcher Zeitung, 18./19.12.1999

17.12.1999 Die Europäische Union und die Vereinigten Staaten zeigen sich sehr besorgt über die Situation in Tschetschenien. Sie erkennen Russlands Recht an, seine territoriale Integrität aufrechtzuerhalten und seine Bürger vor Terrorismus zu schützen. Jedoch würde Russlands Vorgehen in Tschetschenien eine humanitäre Krise auslösen, unschuldige Zivilisten gefährden und die Stabilität in der gesamten Kaukasus-Region bedrohen. Eine militärische Lösung des Konflikts sei nicht möglich.
http://presidency.finland.fi, 17.12.1999

19.12.1999 Der außenpolitische Koordinator der EU, Javier Solana, warnte Russland davor, wegen des Tschetschenien-Krieges seine guten Beziehungen zum Westen aufs Spiel zu setzen.
AP/dpa-Bericht in Süddeutsche Zeitung, 20.12.1999

19.12.1999 Westliche Regierungen und internationale Menschenrechtsorganisationen haben Russland angegriffen, indem sie sagen, Russland habe willkürlich Gewalt angewendet und somit den Tod vieler Zivilisten verursacht.
International Herald Tribune, 20.12.1999

20.12.1999 Der Außenkommissar der Europäischen Union, Chris Patten, sagte im Tagesspiegel, Russland müsse Mitte Januar mit Sanktionen rechnen, wenn der Krieg bis dahin nicht beendet sei.
Reuters-Bericht in Frankfurter Rundschau, 21.12.1999

22.12.1999 amnesty international wirft Russland vor, tschetschenische Zivilisten in Moskau zu verfolgen, in Tschetschenien willkürlich Männer, Frauen und Kinder anzugreifen und Verdächtige in Lager zu sperren.
dpa/rtr/epd-Bericht in die tageszeitung taz, 22.12.1999

22.12.1999 Auf Verlangen der Washingtoner Regierung stoppt die amerikanische Export-Import-Bank einen 500-Millionen-Dollar-Kredit für die russische Öl-Industrie. Das Einfrieren des Kredits sei "im nationalen Interesse", schrieb Außenministerin Madeleine Albright an die Bank. Einen Zusammenhang mit dem Tschetschenien-Krieg gebe es nicht. Begründet wurde die Aussetzung des Kredits mit mangelnder Offenlegung der Politik des Unternehmens Tjumen, an dem der russische Staat beteiligt ist.
AFP/dpa/AP-Bericht in Süddeutsche Zeitung, 23.12.1999

23.12.1999 Strobe Talbott, stellvertretender US-Staatssekretär, beschuldigt Russland, während seiner Militäroffensive in Tschetschenien internationale Richtlinien verletzt zu haben.
Zwar wollen die Vereinigten Staaten, dass sich Russland mit dem globalen Problem von "Extremismus und Terrorismus" auseinandersetzt, jedoch solle dies in einer Art und Weise geschehen, die internationalen Standards entspricht. Dies sei jedoch nicht der Fall.
International Herald Tribune, 24./25.12.1999, dpa/AFP/AP- in Süddeutsche Zeitung

26.12.1999 In einem Brief an die Weltbank kritisiert Human Rights Watch, dass die Weltbank Russland Kredite in der Höhe von 100 Millionen US-Dollar gewährt hat. Während der IWF und die amerikanische Exportbank ihre Kredite wegen des Tschetschenienkrieges zurückgehalten hätten, handelte die Weltbank inkonsequent und ermögliche somit die Finanzierung des Krieges.
28.12.1999 Presseerklärung auf der homepage: www.hrw.org/press/1999/dec/chech1228.htm

27.12.1999 Nato-Generalsekretär Lord Robertson forderte Russland erneut auf, eine politische Lösung für den Konflikt in Tschetschenien zu suchen. "Russland muss einsehen, was wir im Westen eingesehen haben: Dass es keine militärische Lösung für die Probleme des Terrorismus gibt. Es muss ein politischer Weg gefunden werden, um eine stabile Zukunft zu sichern."
dpa-Bericht in die tageszeitung taz, 28.12.1999

28.12.1999 In einer Anzeige fordert die "Organisation Ärzte der Welt" (Médecins du Monde) ein Ende des Bombardements in Tschetschenien und ungehinderten Zugang zur tschetschenischen Bevölkerung. Die internationale Gemeinschaft müsse Druck auf Russland ausüben, die internationalen Menschenrechte zu respektieren.
International Herald Tribune, 28.12.1999

29.12.1999 Menschenrechtsorganisationen wie Human Rights Watch kritisierten die Freigabe eines 100-Millionen-Dollar-Kredits der Weltbank für Russland. Das Geld könne zur Finanzierung des Kriegs in Tschetschenien genutzt werden. Der Westen habe eine Möglichkeit versäumt, Druck auf Russland auszuüben. Die Weltbank hatte am Dienstag den Kredit zur Restrukturierung der russischen Kohle-Industrie freigegeben.
AFP/AP/Reuters-Bericht in Süddeutsche Zeitung, 30.12.1999

Januar

Januar 2000 Im elektronischen Newsletter der parlamentarischen Versammlung des Europarats schreibt der Präsident der Versammlung, Lord Russell-Johnston, in den Kellern von Grosny harrten tausende Zivilisten unter Bedingungen aus, die viel schrecklicher seien, als während der Kampfhandlungen in Sarajewo. Die Bürger Grosnys seien Russen, seien Europäer, sie seien dazu berechtigt, die Rechte der Europäischen Menschenrechtskonvention zu genießen. Sie können vor den Straßburger Menschenrechtsgerichtshof ziehen, und diese Rechte einklagen - rein theoretisch, wenn sie überleben sollten.
The Europeans, in http://stars.coe.fr/magazine/te0100/edito.htm, 1.1.2000

4.1.2000 Der Leiter der deutschen Delegation in der Parlamentarischen Versammlung des Europarates, Wolfgang Behrendt (SPD), fordert verstärkten Druck auf Russland wegen des Tschetschenienkrieges. Dies sollte bis hin zur Drohung mit der Suspendierung der Mitgliedschaft Moskaus gehen. Die Menschenrechtsverletzungen könnten nicht hingenommen werden. "Moskau führt einen Krieg gegen die Zivilbevölkerung", zitierte der epd Behrendt.
Junge Kirche, Februar 2000

4.1.2000 Der türkische Außenminister Ismail Cem warnt davor, dass sich der Tschetschienkrieg in andere Länder ausbreiten könnte. Er fürchtet besonders für den südlichen Kaukausus und Georgien. Weitere Kommentatoren warnen genauso vor einer Ausweitung des Krieges. Lurd Hurd, früherer britischer Staatssekretär für Sicherheit: "Die gesamte Kaukasusregion ist höchst instabil, wenn jemand heute eine Weltregion benennen sollte, von der aus in den nächsten Jahren Konflikte entstehen könnten, wäre der Kaukasus der nächstliegende Gedanke."
Radio Liberty, 4.1.2000

12.1.2000 Die Organisation Ärzte ohne Grenzen appelliert dringend für: "eine sofortige Beendigung willkürlicher Bombardierungen und Angriffe auf tschetschenische Zivilisten; für sicheren und uneingeschränkten Durchlass von Menschen, die Tschetschenien verlassen und außerhalb der Republik Zuflucht suchen wollen, inklusive der Öffnung der georgischen Grenze, die aufgrund täglicher Bombardierungen in den letzten drei Wochen unpassierbar ist; für freien und ungehinderten humanitären Zugang zu allen Bevölkerungsgruppen und allen Gebieten innerhalb Tschetscheniens und der Nachbarrepubliken, so wie es nach internationalem humanitärem Recht garantiert ist."
Ärzte ohne Grenzen, 12.1.2000 (http://www.msf.org)

13.1.2000 Die Vereinigten Staaten glauben nicht daran, dass Russlands augenblickliche Strategie zu einem Ende des Kampfes gegen die tschetschenischen Separatisten führen werde. Militärische Gewalt würde kaum den Widerstand beenden.
Radio Free Europe/ Radio Liberty, 13.1.2000

13.1.2000 Human Rights Watch kritisierte die Abriegelung der Grenzen Tschetscheniens durch das russische Militär. Einer der Direktoren der Organisation sagte, es sei nicht hinnehmbar, der männlichen Zivilbevölkerung, darunter auch Kindern, die Flucht aus dem Kriegsgebiet zu verweigern. Auch der Sprecher des US-Außenministeriums appellierte an Russland, die Menschenrechte der Zivilbevölkerung in und um Tschetschenien zu achten, das Leben Unbeteiligter zu schützen und Reisefreiheit zu gewährleisten.
ap-Meldung in Neue Zürcher Zeitung, 14.1.2000, und AP/dpa/AFP-Bericht in Süddeutsche Zeitung, 14.1.2000

14.1.2000 Michail Gorbatschow lobte Putin, er sei 'ernst und intelligent'. Gorbatschow überlegt, ob er Putin in der Präsidentenwahl unterstützen wird.
Frankfurter Rundschau, 14.1.2000

14.1.2000 Korrespondenten der britischen Zeitung "Independent" sehen in den von der russischen Armee ergriffenen militärischen Maßnahmen "die Bereitschaft der Russen, alle Tschetschenen im Alter von über zehn Jahren in Lager zu schicken", und halten diesen BeSchluss der russischen Armeebefehlshaber für den gröbsten Verstoß gegen die Menschenrechte und für die Auferstehung des GULAG.
War and Human Rights, Nr. 113, 14.1.2000,
www.hro.org/war/filtr/war_camps.htm

14.1.2000 In Moskau rufen ranghohe Vertreter des Europarats zu einem Waffenstillstand in Tschetschenien auf. Der Vorsitzende der Parlamentarischen Versammlung des Europarates, Lord David Russell-Johnson, warnt Russland vor einer Aussetzung seiner Mitgliedschaft im Europarat. "Die Arbeit unserer Organisation beruht auf der Achtung der Menschenrechte." Der Europarat sei "sehr besorgt wegen des Leidens der Zivilbevölkerung." Der russische Außenminister Iwanow dementierte, dass bei dem Gespräch mit Russell-Johnson von einer möglichen Aussetzung der Europarat-Mitgliedschaft die Rede gewesen sei.
ap-Bericht in Neue Zürcher Zeitung, 15./16.1.2000, und dpa/AP-Meldung in Süddeutsche Zeitung, 18.1.2000

16. bis 20.1.2000 Eine Delegation der parlamentarischen Versammlung des Europarats besucht die Russische Föderation unter der Leitung des Präsidenten Lord Russell-Johnston. Die Delegation erinnert ihre Gesprächspartner daran, dass andauernde Verletzungen dazu führen könnten, dass die parlamentarische Versammlung Russlands Beteiligung bei ihrer Arbeit und seine Mitgliedschaft im Europarat in Frage stellt.
Europarat in Relief Web, 31.1.2000 (http://www.reliefweb.int)

Mitte Januar 2000 Ein tschetschenischer Anführer berichtet über ein Treffen zwischen russischen Regierungsvertretern und tschetschenischen Kommandanten in Moskau. Die Teilnehmer der Gespräche nannte er nicht namentlich. Ein Regierungssprecher bestätigte dieses Treffen - es sei um die Situation der Zivilbevölkerung gegangen.
ap-Bericht in Neue Zürcher Zeitung, 19.1.2000

17.1.2000 Seit mehr als drei Monaten führen russische Truppen Krieg gegen die kaukasische Republik Tschetschenien. Schätzungen über die Anzahl der Todesopfer belaufen sich auf bis zu 10.000. Ein Drittel der tschetschenischen Bevölkerung ist obdachlos geworden und eine Viertelmillion Menschen befinden sich auf der Flucht. Geschätzte 30.000 bis 50.000 Menschen sind in der belagerten Hauptstadt Grosny gefangen und leiden unter russischem Beschuss und dem vereinzelten Eindringen von Truppen.
World Socialist Web Site, 20.1.2000

17.1.2000 Nach einem kleinen Gipfeltreffen der türkischen, georgischen und azerbaidschanischen Führer in Tiblis rief die Türkei zu einem Sicherheitspakt für den Kaukasus auf, der von der EU initiiert werden sollte.
Stratfor special report, www.stratfor.com, 18.1.2000

19.1.2000 Ein Ausschluss Russlands aus dem Europarat wegen des Tschetschenien-Krieges wird nach Ansicht des Präsidenten der Parlamentarischen Versammlung des Europarats immer wahrscheinlicher. Es liege auf der Hand, dass die russische Regierung mit dem Feldzug gegen Tschetschenien gegen die Prinzipien des Europarats verstoße, so Lord Russel-Johnston.
AP, 20.1.2000

21.1.2000 In Moskau führt Außenminister Fischer Gespräche mit seinem russischen Kollegen Iwanow. Er könne keine Anzeichen für Kompromissbereitschaft im Tschetschenienkonflikt erkennen, bekräftigt Fischer nach Gesprächen mit Interimspräsident Putin. Trotzdem bleibe Russland ein "zentraler strategischer Partner" für die deutsche Regierung. Fischer habe die Kritik des Westens am russischen Vorgehen wiederholt, nehme aber auch "gute Argumente" der russischen Seite "sehr ernst". Die Diskussion um Sanktionen des Westens gegen Russland sei zwar nicht beendet, Fischer sehe aber nur geringe Möglichkeiten, diesbezüglich auf Russland einzuwirken. Fischer warnte davor, dass eine internationale Isolation Russlands die Lage weiter verschlechtern würde und den Westen ‚vom Regen in die Traufe‘ bringen könnte. Russland sei ein für die Sicherheit und Stabilität in Europa ganz entscheidender Faktor.
Reuters, 21.1.2000 und Richard Meng in Frankfurter Rundschau, 22.1.2000, und Frankfurter Allgemeine Zeitung, 22.1.2000

24.1.2000 In Brüssel treffen sich die EU-Außenminister auf ihrer ersten Tagung in diesem Jahr. Zwar forderten sie auch hier wieder ein Ende der Kämpfe in Tschetschenien, von möglichen Sanktionen gegen Russland wurde jedoch abgesehen. Lege man die Beziehungen auf Eis, verlöre man Einfluss, hieß es in diplomatischen Kreisen. Putin solle eine Chance bekommen. "Politik ist die Kunst des Möglichen und nicht des Gewünschten", sagte Außenminister Fischer dazu. Nicht alle begrüßen diese Schonfrist für Putin: Wegen der Menschenrechtsverletzungen in Tschetschenien wollen die Christdemokraten in der Parlamentarischen Versammlung des Europarates am 27.1.2000 eine Suspendierung Russlands durchsetzen. Die EU-Außenminister beschlossen jedoch eine Umschichtung von 180 Millionen Mark für Hilfsprojekte aus dem Tacis-Programm zu Ungunsten Russlands.
Daniel Brössler in Süddeutsche Zeitung, 25.1.2000, und Barbara Oertel in die tageszeitung taz, 27.1.2000

25.1.2000 Rudolf Bindig, vom Komitee für Menschenrechte der Parlamentarischen Versammlung des Europarates: "Das Ausmaß von Russlands Militärintervention in Tschetschenien kann nicht als eine reine Anti-Terror-Operation gerechtfertigt werden. Das Komitee verurteilt den willkürlichen und unangemessenen Einsatz von Gewalt durch die russischen Truppen auf das Schärfste, auch wenn es ohne Einschränkung die Terrorakte und Verletzungen von Menschenrecht und internationalem humanitärem Recht durch tschetschenische Kämpfer verurteilt. Die Repräsentanten der russischen Regierung, mit denen wir in Moskau zusammentrafen, beteuerten allesamt, dass Russland in Tschetschenien keinen Krieg, sondern nur eine militärische Anti-Terror-Operation durchführe. Der amtierende Präsident Putin und der Innenminister Rushailo erklärten wiederholt, dass das beste getan werde, um die Zivilbevölkerung in Tschetschenien zu schützen. Der Minister für Auswärtige Angelegenheiten, Iwanow, behauptete sogar, Russland habe keine seiner Verpflichtungen durch die Militärintervention in Tschetschenien verletzt, sondern würde, ganz im Gegenteil, versuchen, die Menschenrechte durch die Wiederherstellung von Recht und Ordnung in der Republik zu schützen. Russlands Militäroperation hat bisher Hunderte, wenn nicht Tausende von Zivilverlusten gefordert und hat Hunderttausende von Zivilisten zur Flucht aus dem Konfliktgebiet gezwungen (Schätzungen der Flüchtlingszahlen variieren zwischen 150.000 und 280.000). Die Behauptung der russischen Führung, sie würde ihr bestes tun, um die Zivilbevölkerung zu schützen, kann nicht aufrecht erhalten werden. Viele Städte und Dörfer in Tschetschenien haben gelitten (und leiden noch immer) unter den Bombardierungen aus der Luft und dem Artillerie-Beschuss, in der Tat konnten wir selbst am 19. Januar 2000, 15 km entfernt in Tolstoi-Jurt den Beschuss Grosnys hören."
Council of Europe: The Conflict in Chechnya (http://stars.coe.fr/doc/doc00/EDOC8631.HTM)

26.1.2000 In Brüssel wird der von den Christdemokraten geplante Antrag auf Ausschluss Russlands aus dem Europarat zurückgezogen. Die Sozialisten schlugen vor, das Stimmrecht der russischen Delegation auszusetzen, bis "substanzielle Fortschritte in Tschetschenien erreicht sind." Dieser Vorschlag wurde abgelehnt - sollte sich die Lage in den nächsten Monaten nicht bessern, werde die Versammlung im April erneut über einen möglichen Ausschluss der russischen Abgeordneten beraten, hieß es in der Entschließung. Noch eine Woche zuvor sah der Präsident des Europarates und Leiter einer Tschetschenien-Delegation, der Liberale Lord Russell-Johnson, "keinen Anlass, Russland wegen der Art seiner Kriegsführung zu bestrafen."
Barbara Oertel in die tageszeitung taz, 27.1.2000, und dpa/afp/rtr-Meldung in Frankfurter Rundschau, 28.1.2000

27.1.2000 Die parlamentarische Versammlung des Europarats ruft Russland dazu auf, militärische Angriffe auf die Zivilbevölkerung zu vermeiden, das Feuer einzustellen und einen friedlichen Dialog mit den gewählten tschetschenischen Vertretern zu führen, Personen zu verfolgen, die sich terroristischer Verbrechen, der Menschenrechtsverletzungen und der Entführungen schuldig gemacht haben, sowie alle Geiseln freizulassen. Die Versammlung erkennt Russlands Recht an, seine territoriale Integrität zu erhalten, Terrorismus und Verbrechen zu bekämpfen und seine Bevölkerung vor terroristischen Angriffen und Räubereien zu schützen, darunter auch die Bevölkerung Tschetscheniens und der benachbarten Republiken und Regionen. Die Versammlung bekräftigt ihre starke Verurteilung aller in Tschetschenien begangener Terrorakte, Entführungen, öffentlichen Exekutionen und Menschenrechtsverletzungen. Jedoch betont sie auch, dass die Mittel zur Erreichung dieser Ziele mit Russlands internationalen Verpflichtungen in Einklang stehen und ganz besonders willkürliche und unangemessene Gewaltanwendung gegenüber der Zivilbevölkerung ausschließen müssen.
Europarat in Relief Web. Council of Europe Parliamentary Assembly: The conflict in Chechnya - Recommendation 1444 (2000). 27.1.2000

28.1.2000 In Moskau fordert UN-Generalsekretär Kofi Annan das sofortige Ende der Kampfhandlungen in Tschetschenien, erreichte bei Interimspräsident Putin jedoch nichts als die zugesagte Unterstützung der Arbeit von Hilfsorganisationen.
AP/AFP/taz-Meldung in die tageszeitung taz, 29./30.1.2000

28.1.2000 Im Wall Street Journal Europa erscheint heute eine Stellungnahme des ehemaligen US- Generals William Odom. Er meint, die Russen hätten aus dem ersten Krieg wenig gelernt, heute würden die tschetschenischen Kämpfer die Russen ausbluten wie im Januar 1995. Den russischen Truppen attestierte er eine niedrige Moral und Motivation, schwache Bodentruppen und die Reformunwilligkeit der Generäle. Je eher der Westen etwas unternimmt, desto besser für die Russen, für die Tschetschenen und für die Länder, die Russland mit Hilfe versorgen.
Wall Street Journal, 28.1.2000

28.1.2000 Bundesinnenminister Otto Schily verhängt "unbefristet und bis auf weiteres" einen Abschiebe- und Entscheidungsstopp für Asylbewerber aus Tschetschenien.
AP/AFP/taz-Bericht in die tageszeitung taz, 29./30.1.2000

Ende Januar, Außenminister Joschka Fischer erklärte sich außer Stande, gegen Russland Sanktionen zu verhängen. Moskau dürfe nicht, etwa durch ein "drastisches Herunterfahren der Wirtschaftsbeziehungen zwischen der Europäischen Union und Russland", in die Isolierung getrieben werden. Damit stelle Fischer Ursache und Wirkung auf den Kopf, kommentiert die Frankfurter Rundschau.
Frankfurter Rundschau, 11.2.2000

28.1.2000 Bundesaußenminister Joschka Fischer sagt vor dem Deutschen Bundestag zur Tschetschenien-Politik der Bundesregierung: "Wir haben es in Tschetschenien mit einer politischen und humanitären Katastrophe zu tun, ohne jeden Zweifel. So sehr wir das Recht Russlands betonen, ja sogar seine Pflicht, seine Grenzen zu verteidigen, weil niemand ein Interesse an einem sich vielleicht auch nur partiell auflösenden Russland haben kann, so sehr betonen wir aber auch, dass der Kampf gegen Terrorismus, den wir bejahen, mit verhältnismäßigen, rechtsstaatlichen Mitteln geführt werden muss. Der Krieg gegen ein ganzes Volk ist kein verhältnismäßiges Mittel im Kampf gegen den Terrorismus."
http://www.auswaertiges-amt.de/6_archiv/2/r/r000128a.htm

29.1.2000 Der amerikanische Finanzier George Soros hat dem Internationalen Währungsfond (IWF) geraten, sich aus Russland wegen des dortigen politischen Klimas zurückzuziehen. 'Wir hatten zehn Jahre lang die Möglichkeit, die Dinge in Russland in die richtige Richtung zu bewegen und wir haben es verpfuscht", sagte Soros.
AP, 30.1.2000

31.1.2000 Letzte Woche besuchte der Generalsekretär der Vereinten Nationen, Kofi Annan, Moskau und traf mit hohen Regierungsbeamten zusammen. Dabei sagte er: "Wir sollten sehr darauf achten, Situationen zu vermeiden, wo Gewalt an unschuldigen Zivilisten ausgeübt wird, denn in solchen Situationen besteht oft die Gefahr, internationales humanitäres Recht zu verletzen". Putin teilte dem Generalsekretär mit, dass Russland versuchen wird, annehmbare Bedingungen für humanitäre Hilfe im Nord-Kaukasus zu garantieren.
Danish Refugee Council in Relief Web. Ingushetia Situation Report No. 9. 31.1.2000
(http://www.reliefweb. int)

31.1.2000 Lord Russell-Johnston, Präsident der Parlamentarischen Versammlung des Europarats: "Was in Tschetschenien passiert, ist ein Krieg. Ein grausamer, wilder Krieg, für den die Zivilisten den höchsten Preis zahlen. Ihm voraus ging eine Situation, die nicht akzeptabel war. Die sozialen Strukturen waren zusammengebrochen, Kriminalität nahm überhand, benachbarte Republiken waren permanent den Angriffen bewaffneter Gruppen von Extremisten ausgesetzt. Präsident Maschadow war entweder durch tatsächliche direkte Verwicklung oder durch einen Mangel an Autorität - das können wir nicht wissen - mit dafür verantwortlich. Aber auf die Situation hätte anders reagiert werden können und sollen. Man kann Terrorismus nicht besiegen, indem man sich selbst wie ein Terrorist aufführt."
Europarat in Relief Web, 31.1.2000 (http://www.reliefweb.int)

Februar

Februar 2000 Interview mit dem Außenminister Tschetscheniens Ilyas Achmadow: "Die Lage ist sehr ernst und bedrohlich vor allem für die zivile Bevölkerung. 200.000 Menschen leben seit sechs Monaten ohne Gas und Strom, ohne Versorgung mit Nahrungsmitteln, Kleidung und Medikamenten. Sie sind den massiven Bombardements mit international geächteten Aerosol- und Vakuumbomben und der Beschießung mit Artillerie und Raketen hilflos ausgeliefert. Es gibt kein Haus mehr, in dem sie sich verstecken könnten. Die russischen Streitkräfte haben systematisch alle Gebäude als mögliche Basen für 'Terroristen' zerstört. Tausende Verwundete sind ohne medizinische Versorgung, verbluten, sterben an Infektionen, erfrieren. Die Lebenden irren hin und her, für sie gibt es keinen Ausweg. Bei der Einnahme durch die russische Armee drohen ihnen Vergewaltigung, willkürliche Erschießung, Folter. Viele sind noch traumatisiert von den Bombardements 1994 bis 96, selbst Hunde und Katzen verkriechen sich, sobald sie ein Flugzeug hören. Die Rettung der Zivilbevölkerung ist unsere wichtigste Aufgabe, hinter ihr treten alle politischen Fragen, selbst die Frage der Unabhängigkeit zurück. Die Bombardements der Zivilbevölkerung müssen sofort eingestellt werden. Es müssen Korridore eingerichtet werden für den Zutritt internationaler Hilfsorganisationen, um die leidenden Menschen mit Nahrung, Kleidung und Medikamenten zu versorgen. Dem Roten Kreuz muss ermöglicht werden, Schutzzonen und Zelte für die Verwundeten einzurichten. Unabhängigen Beobachtern, wie den Vertreter von UNO, Europarat, OSZE und internationalen Menschenrechtsorganisationen ist der Zutritt zu gewähren, um weitere Gräueltaten an der Zivilbevölkerung Tschetscheniens zu verhindern."
Interview durch Ekkehard Maass von der Deutsch-Kaukasische Gesellschaft e.V., Berlin, im Februar 2000

Februar 2000 Nato-Generalsekretär George Robertson in einem Spiegel-Interview: "Wir können schließlich verstehen, warum Russland in Tschetschenien aktiv geworden ist. Moskau ist besorgt über das Überschwappen des Aufstandes nach Dagestan, die Zunahme des Terrorismus, die möglichen Verbindungen zu städtischen Terrorgruppen in Russland. Gleichwohl hat die Nato die unverhältnismäßige Gewalt der Russen in Tschetschenien verurteilt, ebenso die Behandlung der Flüchtlinge und die Kriegsgefahr für benachbarte Staaten. Selbstverständlich kritisieren wir auch das Fehlen einer politischen Dimension beim Vorgehen der Russen."
Der Spiegel 7/2000

2.2.2000 Christopher H. Smith von der Kommission für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (CSCE) äußert sich vor dem Hintergrund der Behauptung, die Russen hätten angeblich Lagerplätze für radioaktiven Müll in Tschetschenien bombardiert, extrem besorgt über die die Entwicklungen in der Region.
CSCE, 2.2.2000

2.2.2000 Die USA haben Russland gestern vorgeworfen, durch ihren Feldzug in Tschetschenien dem Extremismus Vorschub zu leisten. Madeleine Albright kritisierte Moskau zwar, für sie kommen Wirtschaftssanktionen aber nicht in Betracht.
The Guardian, 3.2.2000

7.2.2000 In einer Pressemitteilung der CDU Deutschlands fordert die Partei das sofortige Ende der Menschenrechtsverletzungen und den sofortigen Waffenstillstand in Tschetschenien. Es müsse alles getan werden, damit sich die Kämpfe nun nicht in den Bergen fortsetzen und in dem Konflikt, der bereits viele tausend Tote und Hunderttausende Vertriebene gefordert habe, müsse endlich eine politische Lösung gefunden werden.
CDU-Bundesgeschäftsstelle Berlin, 7.2.2000

10.2.2000 Die russische Regierung solle umgehend den Verbleib des Radio Liberty Journalisten Andrej Babizki publik machen und seine Freilassung anordnen, fordert Amnesty International.
Amnesty International, News Release, EUR 46/07/00, 10.2.2000

10.2.2000 Human Rights Watch ruft den amtierenden Präsidenten Wladimir Putin dazu auf, die Massenexekutionen von Zivilisten durch russische Truppen in Grosny zu untersuchen. Die Organisation bestätigt den Tod von 16 weiteren Zivilisten in der tschetschenischen Hauptstadt. "Präsident Putin muss auf diese schrecklichen Kriegsverbrechen, die von russischen Soldaten begangen wurden, reagieren. Die russische Regierung hat es versäumt, angemessen auf frühere Berichte von Massenexekutionen zu reagieren, und nun haben solche Misshandlungen erneut stattgefunden", sagte die Direktorin der Europa- und Zentralasien-Abteilung von Human Rights Watch, Holly Cartner. Die bestätigte Gesamtzahl der bei den Massenexekutionen im Distrikt Staropromyslovski von Grosny zu Tode gekommenen Menschen beläuft sich nun auf 38. Human Rights Watch hat darüber hinaus noch weitere Hinweise darauf erhalten, dass noch über ein Dutzend zusätzliche Zivilisten dabei ermordet wurden.
Human Rights Watch in Relief Web, 10.2.2000 (http://www.reliefweb.int)

10.2.2000 Die Außenminister Italiens und Frankreichs und auch Joschka Fischer ließen sich von Putin in langen Unterredungen erläutern, wie Russland in Tschetschenien "Terroristen bekämpft". Anschließend zeigten sich die Außenminister "beeindruckt" von Putins "Argumentation" und erklärten, dass es "legitim" sei, "gegen Terroristen vorzugehen", doch dass sie die russischen Methoden ablehnten. Mehr nicht. Das Klagelied über die Menschenrechte fiel aus.
Politik & Wirtschaft, 10.2.2000

12.2.2000 Der Europarat in Straßburg forderte "sofortige Ermittlungen" über mögliche Massenhinrichtungen von Zivilisten in Tschetschenien. Diesen Berichten müsse nachgegangen werden, erklärte der Vorsitzende der Parlamentarischen Versammlung des Europarates, Lord Russel-Johnston.
Frankfurter Rundschau, 12.2.2000

14.2.2000 Bill Clinton erklärt im Nachrichtensender CNN, dass "die Vereinigten Staaten mit diesem Mann [Wladimir Putin] arbeiten können". Er bezeichnete Putin als einen Mann, der "offenbar sehr intelligent und sehr motiviert" sei und "Standpunkte habe". "Wir stimmen nicht in allen Punkten mit ihm überein, aber alles, was ich bislang von ihm gehört und gesehen habe, beweist mir, dass er ein sehr widerstandsfähiger, effektiver und entschlossener Staatslenker werden könnte."
AFP/Le Monde, 17.2.2000

16.2.2000 Außenminister Joschka Fischer kritisiert die russische Militäroffensive gegen Tschetschenien vor einer Versammlung des Deutsch-Russischen Forums. Der Krieg sei eine politische und humanitäre Katastrophe, die in ihrer Brutalität gegen die Zivilbevölkerung völlig unakzeptabel und mit europäischen und internationalen Normen nicht vereinbar sei. Die EU habe ihre Partnerschaft mit Russland aber vorrangig politisch begriffen und deshalb auch auf einer Festschreibung demokratischer und rechtsstaatlicher Normen bestanden. Deutschland werde sich weiter für eine grösstmögliche Nähe zu Russland und gegen eine Ausgrenzung oder Isolation einsetzen, da die Zukunft Russlands eine der entscheidenden Zukunftsfragen Europas sei.
Neue Zürcher Zeitung und Frankfurter Allgemeine Zeitung 17.2.2000

16.2.2000 Genf die UNO-Menschenrechtskommissarin Mary Robinson forderte Russland auf, internationalen Beobachtern die Einreise nach Tschetschenien zu gestatten. Sie bedauerte, dass die russische Regierung ihr nicht erlaubt habe, Moskau und Tschetschenien zu besuchen. Sie fordert auch eine politische Lösung des Konfliktes ein, nur so könne ein dauerhafter Frieden und die Wahrung der Menschenrechte erreicht werden.
United Nations Press Release, 16.2.2000, Neue Zürcher Zeitung, 17.2.2000

15.2.2000 Die NATO vereinbarte mit Russland eine schrittweise Wiederaufnahme der Kontakte nachdem sich die Beziehungen nach dem Kosovokrieg stark abgekühlt hatten. 'Die Vertrauenskrise zwischen der NATO und Russland ist überwunden", so Igor Iwanow, auch der NATO-Sprecher betonte: Die NATO und Russland sind strategische Partner auf der Weltbühne.'
dpa, 16.2.2000

17.2.2000 Die Weltorganisation gegen Folter erklärte in einem Statement in Genf: "Wir können nicht ignorieren, dass die Filtrationslager in Wirklichkeit Konzentrationslager sind, in denen russische Soldaten ungestraft die schlimmsten Grausamkeiten an ihren Gefangenen verüben."
Michael R. Gordon in International Herald Tribune 18.2.2000

18.2.2000 In einem offenen Brief an den russischen Interimspräsidenten Wladimir Putin warnt Human Rights Watch vor dem willkürlichen Einsatz von "Vakuumbomben". Diese extrem zerstörerischen Waffen könnten unter den Zivilisten unzählige Opfer fordern, besonders wenn sie in oder in der Nähe von dicht besiedelten Gebieten abgeworfen werden.
http:// www.hrw.org/press/2000/02/chech0218.htm

19.2.2000 Die USA haben Russland aufgefordert, Gräueltaten russischer Truppen in Tschetschenien aufzuklären. Nach Angaben der Uno-Menschenrechtskommissarin Mary Robinson gibt es Berichte über Erschießungen und über Vergewaltigungen tschetschenischer Frauen durch russische Soldaten.
NZZ, 19.2.2000, War and Human Rights. February 18, 2000 (http://www.hro.org/war/151.htm)

22.2.2000 Das Auswärtige Amt veröffentlicht seinen neuen Lagebericht zur Situation in Tschetschenien. Darin wird auf "massive Menschenrechtsverletzungen" gegen die Zivilbevölkerung durch russische Truppen sowie tschetschenische "Banden und Rebellen" verwiesen. Als "asylrelevante Tatsachen" werden das Ausbleiben humanitärer Hilfe, die Behinderung von Fluchtwilligen und "Befürchtungen" über Zwangslager erwähnt.
Frankfurter Rundschau, 23.2.2000

22.02.2000 Mit einem Appell haben zahlreiche französische Persönlichkeiten dazu aufgerufen, sich am kommenden Tag auf dem Kirchplatz von Beaubourg zu versammeln, um gegen die russischen Gräueltaten in Tschetschenien zu protestieren. Der Appell wurde u. a. unterzeichnet von: Daniel Cohn-Bendit, Jane Birkin, André Glucksmann, Bernard-Henri Lévy, Jorge Semprún, Jack Lang und Danielle Mitterand.
Le Monde, 22.02.2000

23.2.2000 Die französische Hilfsorganisation Médecins du monde (Ärzte der Welt), die als einzige Hilfsorganisation noch in Tschetschenien präsent ist, prangert "massive, systematische und wiederholte Kriegsverbrechen" der russischen Truppen an. Der Vorsitzende der Organistaion, Jacky Mamou, sagte, es dränge sich der Begriff "Verbrechen gegen die Menschlichkeit" auf.
AP/AFP/rtr in die tageszeitung taz, 24.2.2000

23.2.2000 Rund 5.000 Menschen haben sich in Paris versammelt, um gegen die "ungestraften Verbrechen" russischer Truppen in Tschetschenien zu protestieren. "Der Gulag unter freiem Himmel ist eine Schande! Aber auch wir müssen uns schämen, dass wir nichts dagegen getan haben, dass das neue Jahrhundert mit Grosny begonnen hat. Ich hoffe, dass unsere Kinder uns nicht vergeben werden", sagt André Glucksmann, der neben vielen anderen französischen Intellektuellen zu dieser Kundgebung aufgerufen hatte. Das Datum hatten sie gewählt, um an die stalinistische Deportation der Tschetschenen im Jahre 1944 zu erinnern, die am 23. Februar begann.
Le Monde, 25.2.2000

23.2.2000 Die USA haben sich erneut an Russland gewandt und fordern die Untersuchung der Berichte über Menschenrechtsverletzungen in Tschetschenien.
War and Human Rights. February 23, 2000. (http://www.hro.org/war/156.htm)

23.2.2000 Bundesaußenminister Fischer sieht keine Möglichkeit, die russische Kriegspolitik zu beeinflussen. "Mit klarer Sprache allein kann man Verhalten nicht ändern. Schon gar nicht bei einer so großen Macht, um die es sich bei Russland handelt."
dpa, 23.2.2000

24.2.2000 Das Zentralkomitee der deutschen Katholiken (ZdK) fordert zwar nicht im direkten Zusammenarbeit, aber mit Blick auf den Krieg in Tschetschenien die Einrichtung eines Weltstrafgerichts für Kriegsverbrecher.
Frankfurter Rundschau, 25.2.2000

24.2.2000 Der Beauftragte der Europäischen Union für Außenpolitik, Chris Patten, betrachtet den Krieg in Tschetschenien als Auslöser einer tiefen Krise in den Beziehungen zwischen der EU und Russland. Die Berichte von Menschenrechtsverletzungen in der Kaukasus-Republik könnten möglicherweise die bilateralen Beziehungen einfrieren. Er wandte sich erneut an die russische Führung und forderte sie dazu auf, die Entsendung internationaler Beobachter nicht zu behindern, deren Aufgabe es sei, die Einhaltung der Menschenrechte zu beaufsichtigen.
Frankfurter Allgemeine Zeitung, 26.2.2000, War and Human Rights. February 24, 2000. (http://www.hro.org/war/157.htm)

25.2.2000 Bundesaußenminister Joschka Fischer äußert sich zu den jüngsten Berichten über Menschenrechtsverletzungen n Tschetschenien: "Die jüngsten Berichte über Menschenrechtsverletzungen in Tschetschenien erfordern eine sofortige und gründliche Untersuchung. Bereits am 10. Februar habe ich mich in einem Schreiben an meinen russischen Amtskollegen Igor Iwanow nachdrücklich dafür eingesetzt, dass Russland internationale Beobachter in Tschetschenien zulässt. [...] Die Verantwortlichen für Menschenrechtsverletzungen müssen zur Rechenschaft gezogen werden. Namentlich auch die UN-Hochkommissarin für Menschenrechte, Mary Robinson, muss freien und ungehinderten Zugang zu ganz Tschetschenien einschließlich Grosny und der sogenannten Filtrationslager erhalten."
http://www.auswaertiges-amt.de/6_archiv/2/p/p000225a.htm

25.2.2000 Human Rights Watch fordert die internationale Gemeinschaft dazu auf, die Gesetzesübertretungen in Tschetschenien als Kriegsverbrechen anzuerkennen und die Täter dementsprechend zur Verantwortung zu ziehen. Ferner müsse die internationale Gemeinschaft auf einer Überwachungspräsenz in Inguschetien bestehen. Regierungen sollten darüber hinaus ihre Moskauer Repräsentanten zwecks Zeugnisablegung nach Inguschetien entsenden. Schließlich sollten die Weltbank und der IWF ihre Kreditzahlungen so lange aussetzen, bis Russland seine Truppen zügelt, einen ernsthaften Aufklärungsprozess für die Misshandlungen in Gang setzt sowie bei der Aufstellung einer internationalen Überwachungspräsenz kooperiert.
Washington Post in Refugees Daily, 25.2.2000 (http://www.unhcr.ch/refworld/cgi-bin/newssearch.pl)

26.2.2000 Die Organisation 'Physicians for Human Rights' (PHR) deckt weit verbreiteten und systematischen Missbrauch von tschetschenischen Zivilisten auf, darunter Exekutionen, außergerichtliche Festnahmen und Folter.
Physicians for Human Rights. Random Survey Conducted by US Medical Group of Displaced Chechens Finds Widespread Killings and Abuses by Russian Forces. February 26, 2000.
http://www.phrusa.org/research/chechen_displaced.htm

26./27.2.2000 Wenn die russische Regierung keine Untersuchungen durchführt, dann sollte es die internationale Gemeinschaft tun. Europäische Staaten sollten sich Russland vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte vorknöpfen und eine Untersuchung des Europarats initiierten.
Der IWF und die Weltbank sollten eine Regierung, die eine so destruktive Politik betreibt, nicht finanzieren, so der Kommentator der International Herald Tribune.
Peter Bouckaert in International Herald Tribune, 26./27.2.2000

27.2.2000 Im Jahresbericht des amerikanischen Außenministeriums über die Lage der Menschenrechte wird gegenüber Russland ein gemäßigter Ton angeschlagen. Zu dem Krieg in Tschetschenien heißt es jedoch: "Streitkräfte der Regierung brachten mit willkürlicher Gewalt zahlreiche Zivilisten um, und Schläge von Sicherheitsbeamten führten zu vielen weiteren Toten."
Frankfurter Allgemeine Zeitung, 28.2.2000

27.2.2000 Die Fernsehbilder des Senders N24 über Gräueltaten und Massengräber der russischen Armee in Tschetschenien lösten im Westen heftige Reaktionen aus. US-Präsident Bill Clinton und die EU forderten Russland auf, internationalen Beobachtern uneingeschränkten Zugang zu der abtrünnigen Kaukasus-Provinz zu geben. Bundesaußenminister Joschka Fischer verlangte, die Verantwortlichen zur Rechenschaft zu ziehen.
Frankfurter Allgemeine Zeitung, 28.2.2000

27.2.2000 Aus einer Rede von Wolfgang Leonhard: "Offiziell wird mitgeteilt, dass der Krieg monatlich vier Milliarden Rubel kostet. Besorgt sind auch die Menschen jetzt nach der mehrfachen Ankündigung: Auch wenn der Krieg beendet sein wird, werden russische Truppen auf ewig in Tschetschenien stationiert sein. Es könnte also sein, dass die Bevölkerung zunehmend die Wahrheit über den Krieg erkennt und auch beginnt zu erkennen, dass der Kampf gegen die Terroristen keineswegs die wirkliche Kriegsursache ist. Es geht um Erdöl und Pipelines, um die Macht und Stärke Russlands zu demonstrieren."
Süddeutsche Zeitung, 27.2.2000

28.2.2000 Zum vierten Jahrestag des Beitritts zum Europarat hat die Menschenrechtsorganisation amnesty international der russischen Regierung vorgeworfen, ihren Verpflichtungen nur unzureichend nachzukommen. "Die Lage der Menschenrechte in Russland hat sich in den vergangenen Jahren nicht so positiv entwickelt, wie wir das gehofft haben", sagte Hildegard Karig, Russland-Expertin der deutschen ai-Sektion.
amnesty international, Pressemitteilung, 28.2.2000

28.2.2000 Gil-Robles, der Menschenrechtsbeauftragte des Europarates, hat bei einem Besuch Grosnys zum Kriegsende aufgerufen: ‚Der Krieg muss so schnell wir möglich beendet werden, damit wir der Bevölkerung helfen können."
AP, 28.2.2000

28.2.2000 Pakistan fordert Russland auf, seine Militär-Kampagne in Tschetschenien zu beenden.
War and Human Rights. February 29, 2000
(http://www.hro.org/war/163.htm)

28.2.2000 Erklärung des Vorsitzenden der Europäischen Union am 30. Dezember in Brüssel und Helsinki: "Die Europäische Union unterstützt nachdrücklich die gestern in Moskau unternommene Demarche des amtierenden Vorsitzes der OSZE, bei der die russische Regierung eindringlich dazu aufgefordert wurde, umgehend eine Feuereinstellung zu verkünden, damit die Zivilbevölkerung aus Grosny evakuiert werden kann."
Europäische Kommission, Text abgeschlossen am 28.2.2000

27.2.2000 Eine weitere Menschenrechtsorganisation, "Ärzte für Menschenrechte", hat gegen Moskau Vorwürfe wegen Menschenrechtsverletzungen in Tschetschenien erhoben. Befragungen von tschetschenischen Flüchtlingen hätten ergeben, dass im Lager Tschernokosowo gefoltert und gemordet würde. Die amerikanische Ärztevereinigung teilte mit, für ihren Bericht 326 Vertriebene in den Flüchtlingslagern in Inguschetien befragt zu haben. Die Hälfte von ihnen habe über Erschießungen von Zivilisten berichtet. In mindestens neun Fällen sei zum Beispiel mit Elektroschocks gefoltert worden.
AP, AFP, Reuters, Süddeutsche Zeitung, 28.2.2000

29.2.2000 Laut Meldung der `Deutschen Welle´ appellierte die Evangelische Kirche in Deutschland an Russland, den Tschetschenien-Krieg zu beenden und nach einer politischen Lösung des Konfliktes zu suchen. Außerdem hält die EKD die Entsendung einer internationalen Beobachter-Mission nach Tschetschenien für dringend erforderlich. Der Rat der EKD erklärte, Berichte über Massengräber und Filtrationslager zeugten von systematischen Menschenrechtsverletzungen in Tschetschenien. Die Russische Militäroperation entspräche nicht dem von Moskau proklamierten Ziel der Wiederherstellung von Gesetzlichkeit und Ordnung im Kaukasus. Die Russische Orthodoxe Kirche werde aufgerufen, sich für die Beendigung des Krieges in Tschetschenien stark zu machen, da sonst in letzter Zeit der Eindruck entstünde, die orthodoxe Kirche beobachte stillschweigend die Menschenrechtsverletzungen im Kaukasus, heißt es in der Erklärung der EKD.
`Filtrationslager´, War and Human Rights, Nr. 163, 29.02.2000,
www.hro.org/war/filtr/war_camps.htm

März

März 2000 Amnesty International erklärt: Die sichtbare Missachtung internationalen humanitären Rechts durch die russischen Truppen und die diskriminierende Art und Weise, in der es die Behörden in Moskau und anderswo auf Tschetschenen abgesehen haben, legt die Vermutung nahe, dass die Regierung unter dem Vorzeichen von "Verbrechens- und Terrorismus-Bekämpfung" in eine Kampagne involviert war, eine gesamte ethnische Gruppe zu bestrafen.
Amnesty International Report, March 2000. Concerns in Europe. July-December 1999. http://www.amnesty.org/ailib/aipub/2000/EUR/40100100.htm

1.3.2000 Verteidigungsminister Scharping sieht keinen Grund dafür, die deutsche Russlandpolitik zu ändern. Es führe ‚politisch in die Irre‘, wegen Tschetschenien die Beziehungen zu Russland abzubrechen. Er bezeichnete den Krieg als ‚furchtbar‘, doch sollte er die notwendige Partnerschaft zwischen Russland und Europa nicht überschatten.
Handelsblatt, Ap, Reuters, 1.3.2000

1.3.2000 Der polnische Präsident Kwasniewski erklärte sein Bedauern über die schlechten russisch-polnischen Beziehungen. Am Mittwoch vor einer Woche hatten Aktivisten, die gegen den Tschetschenien-Krieg protestierten, auf dem Gelände des Konsulats eine russische Fahne niedergerissen und verbrannt und an ihrer Stelle ein tschetschenisches Banner gehisst sowie das Konsulatsgebäude mit einem Hakenkreuz beschmiert.
Neue Züricher Zeitung, 1.3.2000

3.3.2000 Bei einem Dreiertreffen in Lissabon vereinbarten Russland, die USA und die EU, dass der Präsident des Internationalen Komitees des Roten Kreuzes nächste Woche nach Tschetschenien reisen wird. Der russische Außenminister Iwanow erklärte, Russland sei zur Zusammenarbeit mit internationalen Organisationen bereit. Der "Kampf gegen den Terrorismus" sei ein gemeinsames Ziel von Russland, den USA und der EU: "Das geht uns alle an."
Zudem sollen zwei Vertreter des Europarates im russischen Menschenrechtsbüro in Tschetschenien arbeiten dürfen. Sie sollen nach Angaben des Kreml in zwei Wochen eintreffen. Sie dürfen ohne vorherige Absprache mit Moskau jedoch keine Informationen weitergeben.
dpa-Meldung in Göttinger Tageblatt, 4.3.2000, und afp/dpa-Meldung in Frankfurter Rundschau, 4.3.2000

4.3.2000 Verteidigungsminister Scharping erklärte, dass sich das Verhältnis zwischen Moskau und der Nato verbessert habe. Scharping verurteilte das russische Vorgehen in Tschetschenien. Die Folgen für die Zivilbevölkerung seien verheerend. Umso wichtiger sei eine politische Lösung. Moskau solle internationale Beobachter zulassen und den Hilfsorganisationen ihre Arbeit ermöglichen.
dpa, 5.3.2000

5.3.2000 US-Präsident Bill Clinton schrieb einen Brief an Putin, in dem er seine ‚große Sorge über die sich häufenden Berichte über Menschenrechtsverletzungen durch die russischen Truppen in Tschetschenien‘ ausdrückte.
Reuters, 5.3.2000, War and Human Rights, 6.3.2000
http://www.hro.org/war/168.htm

6.3.2000 Die UNO verlangte von Russland die Aufklärung und Untersuchung von Folterberichten aus Tschetschenien. Der Appell wurde heute in Genf veröffentlicht.
dpa, 6.3.2000

7.3.2000 Die UN-Hochkommissarin für Menschenrechte, Mary Robinson, hat gefordert, dass die Opfer des Tschetschenien-Krieges das Recht haben müssen, von Russland Wiedergutmachung zu verlangen.
AP, 7.3.2000

8.3.2000 Rudolf Scharping traf gestern in Moskau ein, er möchte mit Putin, Iwanow und Sergejew Gespräche über eine engere Zusammenarbeit und auch über den Tschetschenienkrieg führen. Ein Parteikollege, Hermann Scheer, kritisierte Scharping, den er nicht mehr für glaubwürdig hält: ‚Leider hat die Nato durch die Bombardierung ziviler Ziele im Kosovo-Krieg die Rechtfertigung verspielt, jetzt den moralischen Zeigefinger zu erheben‘. Offensichtlich werde in Tschetschenien auch gegen die Zivilbevölkerung vorgegangen, das sei nicht mit den Genfer Konventionen vereinbar.
Die Welt, 9.3.2000

13.3.2000 Nach ihrem Besuch in Tschetschenien drängt eine Beobachterdelegation des Europarats darauf, die Lage der Zivilbevölkerung schnellstmöglich zu verbessern. Entsprechend äußerte sich der Leiter der Delegation, Lord Judd. Falls sich die Lage der tschetschenischen Zivilisten nicht bald bessere, sei eine Suspendierung der russischen Mitgliedschaft in der Beratenden Versammlung des Europarats nicht mehr auszuschließen. Judd sagte ferner, er habe niemals eine derart systematisch zerstörte Stadt wie Grosny gesehen.
AFP, Reuters in Yahoo Schlagzeilen, 13.3.2000
http://de.news.yahoo.com/000313/4/mtia.html

13.3.2000 Eine Delegation des Europarats hat am Montag sowohl der russischen Armee als auch tschetschenischen Kämpfern Kriegsverbrechen in der abtrünnigen Kaukasusrepublik vorgeworfen und einen sofortigen Waffenstillstand gefordert. Der Leiter der Delegation, Judd, äußerte sich tief beunruhigt über das Leid, das den Zivilisten durch wahllose und unverhältnismäßige Gewaltanwendung der russischen Streitkräfte widerfahren sei.
Associated Press in Yahoo Schlagzeilen, 13.3.2000
http://de.news.yahoo.com/000313/4/mw3i.html

13.3.2000 Der deutsche Europarats-Parlamentarier Rudolf Bindig (SPD) sagte: "Russland hat in schwerster Weise die Menschenrechte verletzt." Die Europarats-Abgeordneten riefen das russische Parlament auf, einen Sonderausschuss zur Untersuchung von Kriegsverbrechen im Nordkaukasus einzusetzen. Dieser könnte funktionieren wie die 'Wahrheitskommission' zur Aufarbeitung der Apartheits-Verbrechen in Südafrika. ‚Der Europarat forderte den sofortigen Waffenstillstand in Tschetschenien."
Handelsblatt, 13.3.2000, AP, 13.3.2000
http://www.handelsblatt.de/cgi-bin/hbi....iID=137847&sRub_ID=DOCUMENT_31041&Pos=9

13.3.2000 Menschenrechtsorganisationen drängen den britischen Premierminister Tony Blair, Tschetschenien bei seinem Besuch in Russland ganz oben auf die Agenda zu setzen. Amnesty International sagte, ein wachsender Katalog von Misshandlungen beinhalte Massenexekutionen, Vergewaltigungen, direkte Angriffe auf Hospitäler und medizinisches Personal, willkürliche Angriffe auf dicht von Zivilisten besiedelte Gegenden und das Verschwinden von Personen.
Russia Today, 13.3.2000
http://www.russiatoday.com/chechnyainfocus/news.php3?id=141873

15.3.2000 Die FDP-Bundestagsfraktion kritisiert in einer Großen Anfrage die Tschetschenienpolitik der Regierung. Die Bundesregierung habe noch keine konkreten Schritte ergriffen, die Moskau zu einer Suche nach einer Lösung des Krieges bewegen könnten.
14.3.2000 Deutscher Bundestag, Drucksache 14/2961, 14.3.2000

16.3.2000 Sonja Mikich, langjährige ARD-Korrespondentin in Russland, schreibt in der TAZ: Bei der Aufregung um Russlands Erlöser, den unverbrauchten Wladimir Putin, ging etwas unter. Noch als Ministerpräsident feierte er tatsächlich den Jahrestag der Schaffung der ersten sowjetischen Geheimpolizei unter Lenin. Die Tscheka, der NKWD, der KGB --verantwortlich für millionenfachen Tod und Terror -. Alles preiswürdige Institutionen. Das hätte sich weder Jelzin noch Breschnew getraut.
die tageszeitung TAZ, 16.3.2000

17.3.2000 Amnesty International fordert die Vereinten Nationen auf, Russland wegen der Menschenrechtsverletzungen im Kaukasus zu verurteilen.
Pressemitteilung amnesty international AP, 17.3.2000

20.3.2000 Die Europäische Union verlangt von Russland die Aufklärung angeblicher Menschenrechtsverletzungen in Tschetschenien. Die EU-Außenminster begrüßten in diesem Zusammenhang die Ernennung eines Beauftragten Moskaus für diese Fragen. Sie erinnerten Russland aber an Zusagen, wonach die Aufklärung in Zusammenarbeit mit internationalen Gremien erfolgen soll. Insgesamt wurde die Lage in Tschetschenien von der EU als weiterhin sehr Besorgnis erregend bezeichnet.
dpa in Yahoo Schlagzeilen, 20.3.2000
http://de.news.yahoo.com/000320/3/nbrq.html

21.3.2000 Der Schweizer Bundesrat Joseph Deiss hat in der Jahreskonferenz der UN-Menschenrechtskommission in Genf die Gräuel im Tschetschenienkrieg angeprangert. Die Verantwortlichen für die schweren Menschenrechtsverletzungen sollten bestraft werden.
AP, 21.3.2000

21.3.2000 Die OSZE will ihre Mission in Tschetschenien auf die Grenzregion zu Georgien ausdehnen, um tschetschenische Flüchtlinge in dieser Gegend zu versorgen, es sind bereits OSZE- Beobachter an der Grenze stationiert, weil Russland Georgien immer wieder vorgeworfen hat, es würde die tschetschenischen Kämpfer unterstützen, die Lage ist deshalb angespannt.
AP, 21.3.2000

22.3.2000 Bundesaußenminister Fischer hat die russische Regierung am 22.3. vor der UN-Menschenrechtskommission aufgefordert, die Kämpfe in Tschetschenien sofort einzustellen. ‚Die vielfach bezeugte Brutalität gegen die Zivilbevölkerung ist unvereinbar mit internationalen und europäischen Normen der Humanität‘, so Fischer.
dpa-Bericht in Frankfurter Allgemeine Zeitung, Süddeutsche Zeitung , Frankfurter Rundschau 23.3.2000

22.3.2000 Mit scharfen Worten hat US-Außenministerin Albright in Genf die Menschenrechtsverletzungen in Tschetschenien kritisiert.
dpa, 23.3.2000

26.3.2000 Bundeskanzler Schröder sagt gestern, Deutschland sei sehr zufrieden mit dem Ausgang der Wahlen in Russland, erwarte jetzt aber eine Lösung des Tschetschenienkonfliktes, auch Jaques Chirac, Tony Blair und Massimo D’Alema gratulierten Putin, forderten gleichzeitig aber eine Lösung der Tschetschenienfrage ein.
Financial Times Deutschland, 27.3.2000

29.3.2000 Die UN-Kommission für Menschenrechte und die parlamentarische Versammlung des Europarats müssen die notwendigen Schritte unternehmen, um eine internationale Untersuchung der Tötungen, Folterungen, Vergewaltigungen, Misshandlungen und der Verfolgung der Zivilbevölkerung in Tschetschenien zu veranlassen, sagt Amnesty International.
Amnesty International, News Release, EUR 46/23/00, 29.3.2000

30.3.2000 Bundeskanzler Gerhard Schröder forderte ein schnelles Ende des Tschetschenienkrieges. Bei seiner Rede vor dem georgischen Parlament in Tiflis hat Schröder seine ‚tiefe Sorge‘ über die Menschenrechtsverletzungen in der Kaukasus-Republik ausgedrückt.
dpa, AFP, AP, REUTERS-Berichte in Süddeutsche Zeitung, Frankfurter Allgemeine Zeitung, Frankfurter Rundschau, 31.3.2000

April

1.4.2000 Die UN-Menschenrechtsbeauftragte Mary Robinson berichtet, die tschetschenischen Zivilisten würden übereinstimmend von Menschenrechtsverletzungen durch russische Soldaten berichten. "Ich war wirklich entsetzt über die Tiefe ihres Leidens, Schmerzes, ihres Grolls und ihrer Frustration, der ich im Lager hier in Inguschetien begegnete", sagte sie. Robinson rief zu einer Untersuchung der russischen Gräueltaten auf, nachdem sie die Zeugenaussagen der tschetschenischen Zivilisten im Lager gehört hatte. Sie warnte auch vor der Verschlechterung der sanitären Verhältnisse im Lager, weil der Sommer naht.
AFP und Le Monde in Refugees Daily, 3.4.2000
http://www.unhcr.ch/refworld/cgi-bin/new...try.pl?country=chechnya&country2=chechen

April 2000 Der Rat der Evangelischen Kirchen gibt eine Erklärung zum Krieg in Tschetschenien ab. Er appelliert an die russische Regierung, auf die Stimmen der Soldatenmütter, Menschenrechtsgruppen und Journalisten zu hören. Der kriegerische Konflikt soll mit politischen Mitteln beendet werden und eine internationale Beobachtermission soll Zugang zu Tschetschenien bekommen. Einen Appell richtet die EKD auch an die Bundesregierung und an die russisch-orthodoxe Kirche, alle sollen sich für Frieden in Tschetschenien einsetzen.
Erklärung des Rates der EKD zum Krieg in Tschetschenien, in ‚Menschenrechte Aktuell‘ Nr. 14, April 2000

3.4.2000 Der Europarat wirft Moskau Folter und Misshandlungen vor. Dem Europarat liegen nach eigenen Angaben Beweise für die Misshandlung von Insassen des tschetschenischen Straflagers Tschernokosowo vor. Häftlinge seien zwischen Dezember 1999 und Februar diesen Jahres regelmäßig mit Fußtritten und Schlagstöcken gequält worden.
Reuters, AP, AFP-Berichte in Frankfurter Allgemeine Zeitung, Süddeutsche Zeitung, Frankfurter Rundschau, 4.4.2000

4.4.2000 Die Vereinigten Staaten sagen, mit der Tötung so vieler Zivilisten in seinem Kampf gegen "separatistische Rebellen" in Tschetschenien sei Russland in die alte Sowjet-Gewohnheit zurückgefallen, ein ganzes Volk zum Feind zu erklären. Aber trotz der Zerstörung von 400.000 Häusern und der Vertreibung von 200.000 Menschen, haben die Vereinigten Staaten keine Missbilligungs-Resolution gegen Russland beim jährlichen Treffen des UNHCR in Genf eingebracht. Sie kritisieren jedoch Serbien und China.
Reuters in Refugees Daily, 5.4.2000
http://www.unhcr.ch/refworld/cgi-bin/new...try.pl?country=chechnya&country2=chechen

4.4.2000 Die in Paris ansässige internationale Föderation für Menschenrechte hat Russland in einem neuen Report der Verbrechen gegen die Menschlichkeit beschuldigt. Der erste Teil des Berichts beschäftigt sich mit den Lebensbedingungen der 200.000 tschetschenischen Flüchtlinge in Inguschetien und weiterer 100.000 in Tschetschenien und weist darauf hin, dass sie an der Grenze zur humanitären Katastrophe stehen.
Liberation in Refugees Daily, 4.4.2000
http://www.unhcr.ch/refworld/cgi-bin/new...try.pl?country=chechnya&country2=chechen

5.4.2000 Human Rights Watch ruft die Vereinten Nationen auf, den Gedanken zu verwerfen, eine russische Untersuchung der Menschenrechtsverletzungen in Tschetschenien sei ein Ersatz für eine internationale Untersuchung unter Aufsicht der Vereinten Nationen.
Human Rights Watch, 5.4.2000
http://www.hrw.org/press/2000/04/chech0405.htm

5.4.2000 Der Europarat verabschiedet eine Resolution zu Tschetschenien. Darin heißt es, der Europarat fordere nachdrücklich, dass internationale Experten des Europarates, der UN und der OSZE den Menschenrechtsbeauftragten der russischen Regierung, Kalamanow, unterstützen. Desweiteren empfiehlt der Europarat, dass die Duma einen Untersuchungsausschuß zu den Menschenrechtsverletzungen bildet. Der Europarat fordert die Duma auf, eine Erklärung darüber abzugeben, dass das Budget zur physischen Wiederherstellung, psychischen Heilung und kulturellen Rehabilitation Tschetscheniens entscheidend aufgestockt wird. Ein sofortiger Waffenstillstand wird gefordert, gekoppelt mit einem politischen Dialog zwischen Moskau und den Repräsentanten Tschetscheniens, die, welche Tschetschenien verlassen wollen, sollen dies in Sicherheit tun dürfen, von erzwungenen Ansiedlungen in Tschetschenien soll abgesehen werden, die fundamentalen Rechte der Tschetschenen sollen respektiert werden und den Hilfsorganisationen soll freier Zugang gewährt werden.
Conflict in Chechnya, Committee on the Honouring of Obligations and Commitments by Member States of the Council of Europe, 5.4.2000
(www.stars.coe.fr/doc00)

5.4.2000 Der Internationale Währungsfond will Russland trotz aller Kritik weiter unterstützen. Wörtlich sagte IWF-Vize Stanley Fischer: "Es gibt jetzt eine Chance zum Neuanfang". Russland will dieses Jahr 1.5 Milliarden US-US-Dollar an neuen Krediten vom IWF.
Handelsblatt, 6.4.2000

6.4.2000 Wegen anhaltender Menschenrechtsverletzungen in Tschetschenien hat die parlamentarische Versammlung des Europarates den russischen Abgeordneten am 6.4.2000 das Stimmrecht entzogen und ein sofortiges Ausschlussverfahren gegen Russland gefordert. Das Ministerkomitee der EU solle ein solches Verfahren einleiten. Javier Solana kündigte zudem an, mit Putin und Iwanow über den Krieg im Kaukasus zu sprechen.
dpa, AFP, 7.4.2000

7.4.2000 Die EU hat beschlossen, keine weiteren Sanktionen gegen Russland wegen der Kriegführung in Tschetschenien zu verhängen. Die grundsätzliche Kritik der EU am Vorgehen Russlands bleibe jedoch unverändert, so Javier Solana.
dpa, 8.4.2000

9.4.2000 Trotz des Tschetschenienkrieges will die EU Russland offensichtlich nicht isolieren, so lassen sich die Aussagen beim Treffen der EU-Außenminister in Luxemburg interpretieren, der Druck, was die Menschenrechtsverletzungen anbelangt, solle zwar aufrecht erhalten werden, aber ausgrenzen wolle man Russland deshalb doch nicht.
Vwd, 10.4.2000

11.4.2000 Amnesty International und Human Rights Watch geben in einer gemeinsamen Erklärung bekannt, sie seien fest davon überzeugt, nur eine von den Vereinten Nationen einberufene internationale Untersuchungs-Kommission werde die notwendigen Quellen und die Garantie für einen gründlichen, unabhängigen und transparenten Prozess systematischen Sammelns von Beweismaterial liefern. Sie könne auch den wichtigen Prozess nationaler Ermittlungen und Strafverfolgungen begünstigen.
Amnesty International, News Release, EUR 46/26/00, 11. April 2000.
Human Rights Watch, 11.4.2000 (http://www.hrw.org/campaigns/geneva/item4-oral.htm)

11.4.2000 UNHCR-Hochkommissarin Sagato Ogata erklärte, viele der Flüchtlinge aus Tschetschenien hätten von Gewaltakten, Vergewaltigungen, Missbrauch und Verhaftungen berichtet - sowohl von seiten des russischen Militärs als auch von tschetschenischen Kampfeinheiten. Öffentliche Untersuchungen von Menschenrechtsverletzungen in der Region würden helfen, die Flüchtlinge davon zu überzeugen, dass eine Rückkehr sicher ist.
AFP in Refugees Daily, 12.4.2000
http://www.unhcr.ch/refworld/cgi-bin/new...try.pl?country=chechnya&country2=chechen

12.4.2000 Eine Delegation der EU wird voraussichtlich in den nächsten Tagen nach Tschetschenien reisen. Die Zustimmung des russischen Präsidenten stehe allerdings noch aus, so Solana.
AP, 13.4.2000

14.4.2000 Die Hilfsorganisation "Ärzte ohne Grenzen" hat die OSZE aufgefordert, in Tschetschenien dauerhaft Beobachter zu stationieren. Nur eine unabhängige Beobachtermission könne den Schutz der Bevölkerung gewährleisten. Die Hälfte der medizinischen Einrichtungen in Tschetschenien verfüge derzeit nicht über Strom und fließendes Wasser, die sanitäre Lage sei äußerst heikel. Nach Angaben der "Ärzte ohne Grenzen" gab es schon Typhus-Fälle.
Frankfurter Allgemeine Zeitung, 15.4.2000

16.4.2000 Der britische Rechtsanwalt Gareth Pierce teilte mit, dass eine tschetschenische Krankenschwester beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte Klage gegen Russland wegen und Folter und Mordes eingereicht habe. Sasita Chasujewa wurde nach eigenen Angaben von russischen Soldaten verschleppt und sexuell missbraucht. Chaujewa habe gesehen, wie Soldaten einige Patienten in Grosny getötet hätten.
AFP-Bericht in BBC auf der homepage: www.bbc.co.uk, 17.4.2000

18.4.2000 In einem Interview mit der französischen Zeitung Le Monde erklärt Außenminister Fischer, er befände sich in einer merkwürdigen Situation: In Moskau gelte er als Hardliner in Sachen Tschetschenien, in Deutschland hingegen werfe man ihm vor, Russland zu verteidigen. Wörtlich sagt er: "Wir haben ein Interesse an Stabilität im Kaukasus. Es geht nicht nur um Menschenrechte. Wir haben die Sorge, dass die Politik Moskaus zu einer Destabilisierung der ganzen Region und auch Russlands selbst führt."
Le Monde, 18.4.2000

April 2000 Human Rights Watch fordert die Regierung der russischen Föderation auf, internationales humanitäres Recht zu befolgen. Alle russischen Truppen sollten die Verletzungen internationalen humanitären Rechts einstellen, darunter Massenexekutionen, Vergewaltigungen, Pünderungen und die vorsätzliche Zerstörung zivilen Eigentums, und sie sollten darauf hingewiesen werden, dass solche Verletzungen des Rechts untersucht und die Verantwortlichen dafür zur Rechenschaft gezogen werden. Alle Truppen sollten dazu angehalten werden, den willkürlichen und unangemessenen Einsatz von Gewalt gegenüber der Zivilbevölkerung zu beenden; die Regierung sollte alle notwendigen Schritte unternehmen, die Zivilbevölkerung zu schützen. Ferner sollte die Regierung die sofortige Untersuchung der von russischen Soldaten begangenen Gräueltaten in Tschetschenien, inklusive Alkhan-Jurt, einleiten und die Schuldigen strafrechtlich verfolgen. Weitere Forderungen sind: freier Zugang für die OSZE, Menschenrechts- und Hilfsorganisationen sowie die Medien; dazu zählen der Einsatz einer internationalen Untersuchungskommission; die Kooperationen mit den Vereinten Nationen bezüglich der Untersuchung angezeigter Verletzungen internationalen humanitären Rechts im Zusammenhang mit dem Konflikt in Tschetschenien; die Zulassung von Besuchen diverser UN-Berichterstatter; die Annahme internationaler humanitärer Hilfe für interne Flüchtlinge in Tschetschenien und in den benachbarten Provinzen; die Garantie eines sicheren und ungehinderten Zugangs für die Lieferung und Verteilung humanitärer Hilfsgüter in Tschetschenien und in den benachbarten Provinzen; der ungehinderte Zugang lokaler und ausländischer Journalisten sowie nationaler und internationaler Organisationen, die über den Konflikt in Tschetschenien berichten.
Human Rights Watch. Russia/ Chechnya. "No Happiness Remains". Civilian Killings, Pillage, and Rape in Alkhan-Jurt, Chechnya. Vol. 12, No. 5 (D) - April 2000. (http://www.hrw.org)

21.4.2000 Human Rights Watch bezeichnet die Versprechungen der russischen Regierung, eine Untersuchungskommission für die Menschenrechtsverletzungen in Tschetschenien einzurichten, als nicht glaubhaft. Man könne so eine Kommission nicht als Ersatz für ernsthafte internationale Anstrengungen in diesem Bereich betrachten. "Russlands Versprechungen sind nur ein Schattenspiel", sagte die UN-Beauftragte für Human Rights Watch, Joanna Weschler. "Sie haben bisher keine ernsthaften Schritte unternommen, die Gräueltaten in Tschetschenien zu untersuchen, und die Erfahrungen aus dem Tschetschenien-Krieg von 1994 bis 1996 lassen vermuten, dass sie das auch niemals tun werden. Wenn die Russen davon sprechen, die Anschuldigungen bezüglich der Gräueltaten genauer zu betrachten, dann versuchen sie, die internationale Gemeinschaft von ihrer Verantwortung abzulenken. Dies ist die letzte Chance der internationalen Gemeinschaft, Russland dazu aufzurufen, Rechenschaft für seine Taten abzulegen."
21.4.2000, Human Rights Watch auf
http://www.hrw.org/press/2000/04/chech0421.htm

25.4.2000 Die UN-Menschenrechtskommission hat in einer Resolution die russischen Menschenrechtsverletzungen in Tschetschenien verurteilt. Damit stellte sie zum ersten Mal ein ständiges Mitglied des Weltsicherheitsrats an den Pranger. Die UN fordert in ihrer Resolution die vollkommene Aufklärung der Menschenrechtsverletzungen in Tschetschenien durch eine unabhängige Untersuchungskommission. Moskau hat mit scharfen Protesten auf Kritik der UN-Menschenrechtskommission in Genf an Verstößen gegen die Menschenrechte in Tschetschenien reagiert. Bei ihrer Jahressitzung in Genf verabschiedeten die Delegierten mit 25 gegen sieben Stimmen, bei 19 Enthaltungen diese Resolution.
Reuters, Human Rights Watch, 25.4.2000
http://www.hrw.org/press/2000/04/chech0425b.htm
die Tageszeitung TAZ, Neue Züricher Zeitung, Süddeutsche Zeitung , Frankfurter Rundschau, Frankfurter Allgemeine Zeitung 27.4.2000 Göttinger Tageblatt, 29.4.2000

25.4.2000 Joanna Weschler, die UN-Beauftragte für Human Rights Watch, äußert sich zur UN-Resolution zu Tschetschenien. Die Resolution hätte direkter beschreiben sollen, wer die Gräueltaten in Tschetschenien verübt hat und um welche Arten von Missbrauch es sich dabei genau gehandelt hat. Human Rights Watch hätte eine energischere Untersuchung begrüßt, mit einer internationalen Beteiligung statt mit einer russisch-nationalen Untersuchungskommission.
Human Rights Watch, 25.4.2000
http://www.hrw.org/press/2000/04/chech0425a.htm

Mai

4.5.2000 Die OSZE wird einen rund 80 km breiten Grenzabschnitt zwischen Georgien und Tschetschenien beobachten. Die Russen haben den Verdacht, dass über diesen Grenzabschnitt Waffen nach Tschetschenien transportiert werden. Der Kommandant der Mission appelliert für eine Aufstockung des Personals, die Zeit drängt nämlich, weil Moskau es von der Effektivität der OSZE-Mission abhängig macht, ob es einer Verlängerung des im September auslaufenden Mandats zustimmt.
Der Standard, 5.5.2000

8.5.2000 Der Bundesnachrichtendienst kommt in einer internen Analyse der Lage in Tschetschenien zu dem Schluss, dass der Konflikt im Nordkaukausus nicht militärisch zu lösen sei. Die von Moskau eingesetzten Truppen, die vor sieben Monaten in die Kaukasus-Republik einmarschiert waren, seien nicht in der Lage, den Widerstand nationalistischer und radikal islamischer Kämpfer zu brechen. Sie litten unter mangelnder militärischer Professionalität und häufiger vorkommenden Disziplinverstößen. Übergriffe gegen die Zivilbevölkerung, die als Menschenrechtsverletzungen eingestuft werden, würden zunehmend registriert. "Die Zeit", so der BND, "arbeitet gegen die Russen".
Berliner Zeitung, Frankfurter Rundschau, 9.5.2000

10.5.2000 Der niederländische Außenminister Jozias van Aartsen soll beim Ministerkomitee des Europarates in Straßburg darauf dringen, dass Russland wegen andauernder Menschenrechtsverletzungen in Tschetschenien aus dieser Staatenorganisation ausgeschlossen wird. Das Parlament in Den Haag hat den Minister dazu mehrheitlich beauftragt.
dpa, afp-Berichte in Handelsblatt, 11.5.2000

10.5.2000 Die Außenminister des Europarats teilten mit, Russland habe geeignete Maßnahmen eingeleitet, um auf die Kritik der Parlamentarischen Versammlung zu reagieren. Im April hatte der Europarat gedroht, mit der Aussetzung der russischen Mitgliedschaft zu reagieren, sollte der Krieg in Tschetschenien im Mai nicht beendet sein. Noch in diesem Monat sollen drei Menschenrechtsexperten des Europarates ihre Tätigkeit in Tschetschenien aufnehmen.
Reuters, dpa-Bericht in Süddeutsche Zeitung, 11.5.2000

21.5.2000 Mufti Achmed-Hadschi Kadyrow, einer der einflussreichsten Männer in Tschetschenien hofft auf Präsident Putin. Kadryrow war als einziger Tschetschene zur Inauguration Putins in den Kreml eingeladen worden. Er ist davon überzeugt, dass Putin den Krieg schnell beenden will. Kadyrow appelliert an den tschetschenischen Präsidenten Maschadow: "Legen Sie Ihr Amt und die Waffen nieder und reisen Sie zu Ihrer Familie aus, die doch schon längst im Ausland ist."
Berliner Zeitung, 22.5.2000

23.5.2000 In seiner Eröffnungsrede des fünftägigen Kongresses des internationalen Pen-Verbandes, forderte der Schriftsteller Günter Grass in Moskau ein Ende des Tschetschenien-Krieges und verlangte eine Untersuchungskommission der Vereinten Nationen. "Wir begegnen einander in einem Land, in dem die Großmacht Russland gegen das kleine Volk der Tschetschenen Krieg führt, ohne Einsehen, ohne Erbarmen." Grass zog Parallelen zum türkischen Völkermord an den Armeniern im Ersten Weltkrieg, er sagte, egal, ob George Orwell, Primo Levi, Imre Kertesz, Alexander Solschenizyn, Thomas Mann oder Pablo Neruda, "zu allen Zeiten waren es Schriftsteller, die Zeugnis abgelegt haben - auch wenn sie meistens in den Wind gesprochen haben." Günter Grass legte besonderen Wert auf die Wahrung der Presse- und Meinungsfreiheit in Russland. Er sei gerade wegen des Krieges und der Wiederkehr der Zensurversuche nach Russland gekommen "Die russischen Schriftsteller brauchen die Solidarität ihrer Kollegen."
Florian Hassel in der Südwest Presse, 23.5.2000

24.5.2000 Heute hat der Generalsekretär des Europarates, Walter Schwimmer, Russland aufgefordert, den Krieg in Tschetschenien zu beenden und einen politischen Dialog zu beginnen.
Council of Europe in www.reliefweb.int, 24.5.2000

28.5.2000 Ungeachtet ihrer Kritik am russischen Vorgehen in Tschetschenien ist die EU nach Romano Prodi an starken und freundschaftlichen Beziehungen zu Moskau interessiert.
AP, 29.5.2000

28.5.2000 Der 67. Internationale PEN-Kongress, der am Wochenende in Moskau zu Ende ging, hat das Blutvergießen in Tschetschenien scharf verurteilt.
Die Presse, 29.5.2000

29.5.2000 Russland will die Europäische Union nach den Worten des außen- und sicherheitspolitischen EU-Beauftragten Javier Solana in die Regelung des Tschetschenien-Krieges einbeziehen. Russland sei bereit, humanitäre Hilfe der EU anzunehmen und offen über den Krieg im Kaukasus zu sprechen.
AFP, 30.5.2000

Juni

1.6.2000 Der außenpolitische Repräsentant der EU, Solana, forderte Russland dazu auf, internationalen Organisationen ungehindert in Tschetschenien ihre Arbeit tun zu lassen. Putin kündigte an, er werde "größere Transparenz" in Tschetschenien zulassen.
AP-Bericht in Yahoo News auf der homepage: www.yahoo.com, 1.6.2000

1.6.2000 Bundeskanzler Schröder und US-Präsident Clinton haben ihren Willen zu einer Zusammenarbeit mit der neuen russischen Führung bekräftigt.
dpa-Bericht in Frankfurter Allgemeine Zeitung, 2.6.2000

4.6.2000 Im Europarat drohen sich die Meinungsunterschiede in der Frage der Behandlung Russlands zu einem ernsthaften Konflikt zwischen der Parlamentarischen Versammlung und dem Ministerkomitee auszuweiten. Russland hatte den Europäern Mitte Mai versprochen, sofort drei Menschenrechtsbeobachter nach Tschetschenien einreisen zu lassen. Diese sitzen aber immer noch auf gepackten Koffern, weil die als Vorbedingung für den Einsatz von Moskau ebenfalls versprochenen Sicherheitsgarantien ausblieben. Schließlich hat sich auch die amerikanische Regierung in die Politik des Europarates eingemischt, in dem sie versuchte, deutlich zu machen, dass ein Ausschlussverfahren gegen Russland niemandem diene.
Neue Züricher Zeitung, 4.6.2000

6.6.2000 Die russische Organisation der "Soldatenmütter" ist in Berlin von der Friedrich-Ebert-Stiftung mit dem Menschenrechtspreis der Stiftung ausgezeichnet worden. Der seit 1994 jährlich vergebene Preis ist mit 20.000 DM dotiert.
epd, Süddeutsche Zeitung, 7.6.2000

14.6.2000 Einen Tag vor dem Besuch des russischen Staatspräsidenten Wladimir Putin in Deutschland dokumentiert der ai-Jahresbericht schwere Menschenrechtsverletzungen in Russland und Tschetschenien. "Wir fordern die deutschen Politiker auf, in den Gesprächen mit Putin die unbefriedigende Menschenrechtslage unmissverständlich zur Sprache zu bringen", mahnte die ai-Generalsekretärin.
ai-Pressemitteilung, 14.6.2000

14.6.2000 Präsident Putin absolviert seinen ersten Staatsbesuch in Deutschland. Bundeskanzler Schröder sagte auf einer gemeinsamen Pressekonferenz, beide wünschten sich einen neuen guten Start der bilateralen Beziehungen. Es ging bei den Gesprächen vor allem um die Wirtschaftsbeziehungen zwischen den beiden Staaten. Deutschland ist Russlands größter Geldgeber und wünscht sich vermehrt deutsche Investitionen.
BBC, 15.6.2000

15.6.2000 Der US-Senat hat das Vorgehen Russlands in Tschetschenien verurteilt. Der Senat verabschiedete einen Zusatz zu einem Vorschlag des Verteidigungsministeriums, in dem Russland zu einer friedlichen Beilegung des Krieges aufgefordert wird. In diesem Zusatz heißt es, die russischen Kräfte, hätten den Tod Tausender unschuldiger Zivilisten verursacht und seien verantwortlich für die Flucht von über 250.000 Menschen. Im Namen der Truppen sei es zu schweren und häufigen Verbrechen wie Massenexekutionen, Folter und Vergewaltigung gekommen. Der Krieg in Tschetschenien steigere den Hass zwischen den Völkern, konterkariere den Aufbau der Demokratie in Russland und sei eine Gefahr für die gesamte Region.
US Department of State, homepage: www.usinfo.state.go, 15.6.2000

26.6.2000 Vor einer neuen Europarat-Debatte über Tschetschenien hat Italiens Außenminister Dini Russland Fortschritte bei einer Lösung des Kaukasus-Konfliktes bescheinigt. Dini hat im Moment den Vorsitz des Ministerrates des Europarates inne. Er sagte: "Faktisch gibt es in Tschetschenien eine Waffenruhe, auch wenn sie nicht offiziell verkündet wurde."
dpa-Bericht in Süddeutsche Zeitung, 26.6.2000

29.6.2000 Die Frankfurter Rundschau hat die drei russischen Schriftsteller Andrej Bitow, Viktor Jerofejew und Jewgenij Popow zu einem Gespräch eingeladen. Alle drei bestätigten, dass die russischen Schriftsteller zur Frage des Tschetschenienkrieges gespalten seien. Es gebe trotz der scharfen Verurteilung des Tschetschenienkrieges durch den russischen PEN eine große Gruppe an Schriftstellern und Intellektuellen, die den Krieg unterstützen.
Frankfurter Rundschau, 29.6.2000

29.6.2000 Die Parlamentarische Versammlung des Europarats hat wieder eine Sonderdebatte über die mögliche Suspendierung Russlands aus dem Europarat abgehalten und hat Russland erneut für sein Vorgehen im Kaukasus scharf kritisiert. Trotzdem hat die Versammlung sich nicht für einen Ausschluss entschieden, sondern dafür, ein Komitee zur Überwachung der Menschenrechtslage im Kriegsgebiet zu gründen.
BBC, 29.6.2000

29.6.2000 Trotz Kritik am Krieg in Tschetschenien hat die parlamentarische Versammlung des Europarats ein Ende der Sanktionen gegen Russland in Aussicht gestellt. Die Abgeordneten sprachen sich gestern dafür aus, "nach weiteren Verbesserungen der Menschenrechtslage" den 18 Volksvertretern aus Moskau das im April entzogene Stimmrecht zurückzugeben.
dpa-Bericht in die tageszeitung TAZ 30.6.2000

Juli

3.7.2000 Nach Ansicht von Außenminister Joschka Fischer sollten die Konfliktparteien in Tschetschenien einen Stabilitätspakt schließen, um den Krieg zu beenden. Vorbild könnte der Stabilitätspakt für Südosteuropa sein, sagte Fischer auf einer Expertenkonferenz in Berlin.
Tagesschau, 4.7.2000

19.7.2000 Der Präsident der Parlamentarischen Versammlung des Europarats, Lord Russell-Johnston, schreibt einen Bericht über das Verhältnis zwischen Europarat und Russland in Bezug auf die russische Tschetschenienpolitik. Er fasst zusammen: "Heute werden die Einhaltungen jener Verpflichtungen (die einem Mitglied des Europarats obliegen) und auch unser Vertrauen auf die Probe gestellt. Ich glaube immer noch, dass Russland in der Lage ist, seinen Verpflichtungen als Mitgliedstaat nachzukommen, auch unter den schwierigen Umständen des Tschetschenienkrieges. Dennoch muss es sein Verhalten unverzüglich zum Positiven ändern. Die Versammlung hat alles für die Aufnahme Russlands in den Europarat getan, und sie ist bereit, alles dafür zu tun, dass es Mitglied des Europarats bleibt: alles, außer über die unverhohlene und fortwährende Missachtung der Werte und Prinzipien unserer Organisationen hinwegzusehen. Die Entscheidung liegt bei Russland."
Lord Russell-Johnston in Frankfurter Allgemeine Zeitung, 19.7.2000

August

1.8.2000 Der Internationale Gerichtshof in Den Haag hat am Dienstag nicht zu Berichten Stellung genommen, wonach Tschetschenien eine Klage gegen Russland wegen Völkermords eingereicht habe. Der Gerichtshof, der zur Beilegung von Streitfragen zwischen Staaten gegründet worden ist, sei "wegen der völkermordartigen Militäraktion und der humanitären Katastrophe" zu einer Eil-Sitzung aufgerufen worden, so der Außenminister Tschetscheniens Achmedow.
dpa-Bericht in Yahoo News auf der homepage: www.yahoo.com, 1.8.2000

September

12.9.2000 "Die Perspektive für Tschetschenien ist schlecht", so ein Mitarbeiter von Medecins sans Frontiéres, der kürzlich von einer Reise in die Kaukasusregion zurückgekehrt ist. "Bombardierungen und Landminen töten und verwunden immer noch hunderte von Menschen jeden Monat." MSF hat in Inguschetien und Tschetschenien Medikamente verteilt und die medizinische Versorgung der Bevölkerung und der Zivilisten begutachtet.
MSF Pressemitteilung in www.reliefweb.int, 13.9.2000

17.9.2000 Die UN-Hochkommissarin für Flüchtlinge drückte ihre große Sorge über die Nachrichten über Menschenrechtsverletzungen in Tschetschenien aus. Sie sagte, sie sei bereit dazu, diese Vorwürfe mit der russischen Führung zu diskutieren
AP-Berich tin YahooNews aufder hompage: www.yahoo.com, 18.9.2000

21.9.2000 Am 21.9. gab es in der russischen Duma eine Anhörung zu Tschetschenien. Der Generalsekretär des Europartaes, Walter Schwimmer,der sich gerade zu einem Besuch in Tschetschenien und Russland aufgehalten hatte, sagte, Russland unternehme Schritte in die richtige Richtung, um den Krieg in Tschetschenien zu beenden.
Institute for War and Peace Reporting, 22.9.2000

Gli oleodotti nel Caucaso 22.9.2000 Der tschetschenische Präsident Maschadow warnte, seine Guerillas wären bereit, den Russen wenn nötig noch zehn Jahre lang Widerstand zu leisten. Maschadow rief die Moskauer Führung wieder zu Friedensverhandlungen ohne Vorbedingungen auf. Machadow forderte den Rückzug der russischen Truppen aus Tschetschenien, damit in seinem Land Frieden einkehren könne. "Wir wollen nur eins: internationale Garantien für die Sicherheit unseres Volkes", so Maschadow.
dpa, Reuters-Berichte in Yahoo News auf der homepage: www.yahoo.com 23.9.2000

25.9.2000 Walter Schwimmer sagte nach dem von ihm geleiteten Besuch einer Delegation des Europarates in Tschetschenien, er gehe davon aus, dass noch etwa 18.000 Zivilisten in Tschetschenien vermisst würden. Wladimir Kalamanow, ein russischer Repräsentant in Tschetschenien widersprach dieser Zahl, es seien möglicherweise 18.000 Menschen umgekommen aber nur 379 stünden als vermisst auf den russischen Listen. Schwimmer erklärte nicht, wie er auf die Zahl 18.000 kam.
AFP-Bericht in BBC und Yahoo News, www.bbc.co.uk, www.yahoo.com, 26.9.2000

28.9.2000 Die Parlamentarische Versammlung des Europarats hat erneut scharf die von Russland in Tschetschenien begangenen Menschenrechtsverletzungen kritisiert. Zugleich setzt sie auf den Dialog mit der Duma und will den russischen Abgeordneten das im April entzogenen Stimmrecht im nächsten Jahr wieder zuerkennen. Weiterhin würden in der nach Autonomie strebenden Republik von den russischen Truppen Dörfer ohne Rücksicht auf das Leben der Zivilbevölkerung beschossen, Erpressungen und Schikanierung der Bewohner an den vielen Kontrollstellen innerhalb Tschetscheniens sind die Regel, es finden auch immer noch willkürliche Verhaftungen verbunden mit Folter und Misshandlungen statt, so der Europarat.
Neue Züricher Zeitung, 2.10.2000

Oktober

24.10.2000 Das "Danish Support Committee for Chechnya" schreibt an den dänischen Premierminister Rasmussen einen Offenen Brief, indem dieser aufgefordert wird, auf dem EU-Russland-Gipfel am 30./31. 10. deutlich zu Tschetschenien Stellung zu nehmen und zu sagen, dass in Tschetschenien ein Völkermord verübt wird. Das Komitee appelliert an Rasmussen, Tschetschenien nicht zu vergessen.
Offener Brief auf der homepage: www.ichkeria.org, 26.10.2000

30.10.2000 Der russische Präsident Putin stattet Frankreich seinen ersten Besuch ab. In Paris tagt ein EU-Russland-Gipfel und anschließend kommt es zu bilateralten Verhandlungen zwischen Paris und Moskau. Zu Tschetschenien sagte Chirac auf einer Pressekonferenz: "Ich habe mit Präsident Putin darüber gesprochen, dass unweigerlich eine politische Lösung für den Krieg in Tschetschenien gefunden werden muss. Wir lehnen den religiösen Extremismus und Terrorismus auch ab, die Menschenrechte müssen jedoch in jedem Fall gewahrt werden."
Russischer Nachrichtenservice: lenta nowostej, www.info.rambler.ru, 30.10.2000

31.10.2000 Die EU hat große wirtschaftliche Interessen an Russland. Sie möchte von der OPEC unabhängiger werden und wird umfangreiche Öl- und Gaslieferungen aus Russland erhalten - im Austausch gegen Milliardeninvestitionen in die marode russische Ölwirtschaft. Die Proteste gegen das russische Vorgehen im Kaukausus am Rande des Gipfels beeinflussten das Tauwetter in Paris nicht.
Der Kurier, Reuters, AP-Bericht in Yahoo News, The Moscow Times, Mannheimer Morgen, 31.10.2000.


Siehe auch:
* www.gfbv.it: www.gfbv.it/2c-stampa/03-2/031117ade.html | www.gfbv.it/2c-stampa/03-2/031022de.html | www.gfbv.it/2c-stampa/03-2/031002de.html | www.gfbv.it/2c-stampa/03-2/030930de.html | www.gfbv.it/2c-stampa/03-2/030918de.html | www.gfbv.it/2c-stampa/03-2/030708de.html | www.gfbv.it/2c-stampa/03-2/030703de.html | www.gfbv.it/2c-stampa/03-2/030630de.html | www.gfbv.it/2c-stampa/03-2/030619de.html | www.gfbv.it/3dossier/cecenia/010613cecenia.html

* www: www.iccnow.org | www.unhcr.ch | www.unhchr.ch | www.unhchr.ch/tbs/doc.nsf/(Symbol)/CCPR.C.RUS.2002.5.En?OpenDocument | www.chechnya-mfa.info | www.memo.ru | http://www.gfbv.ch/pdf/02-03-043.pdf

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